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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 8 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.05.2014 17:53
Irritationen im Kreml Antworten

Eigentlich ist es eine Sensation, wenn russische Regierungsstellen der offiziellen Propaganda ihres Chefs so deutlich widersprechen. Bisher aber eine ziemliche unbekannte Sensation ...


Mit besonderem Dank an die Kollegen Erling Plaethe und Ulrich Eikmann.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

07.05.2014 23:00
#2 RE: Irritationen im Kreml Antworten

Zitat von R.A.
Und das obwohl nächsten Sonntag eine Wiederholung des Krim-Szenarios ansteht - auch in der Ost-Ukraine wollen Putins Leute ein "Referendum" über die Zukunft des Landes abhalten.


... oder auch nicht; eine Kremlpostille meldet folgendes:

Zitat
“We are calling for southeast Ukraine representatives, supporters of federalization of the country, to postpone the May 11 referendum to create the necessary conditions for dialogue,” Putin said at a press conference with OSCE Chairperson-in-Office and Swiss President Didier Burkhalter in Moscow.


Und außerdem auch das noch:

Zitat
President Vladimir Putin also said that Russia has withdrawn its troops from the Ukrainian border.

“We have been told that our troops by the Ukrainian border are a concern – we have withdrawn them. They are now not near the border, but at locations where they conduct regular drills at ranges,” he said.


Ein Zeichen oder eine Show der Besonnenheit? Oder hat der Wolf schon wieder den Schafspelz übergezogen, um uns raffiniert übers Ohr zu hauen? Oder hat er nach den Enthüllungen über die Krim-Abstimmung fürs erste die Nase gestrichen voll von direkter Demokratie?

Übrigens steht der "Tag des Sieges" (9.5.) vor der Tür, in Rußland noch immer eine große Sache. Ist das vielleicht ein Anlaß für besondere Einfälle?

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.559

07.05.2014 23:25
#3 RE: Irritationen im Kreml Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #2
Ein Zeichen oder eine Show der Besonnenheit? Oder hat der Wolf schon wieder den Schafspelz übergezogen, um uns raffiniert übers Ohr zu hauen?


Wir wissen es nicht. Vielleicht hat ihm "der Westen" per diplomatischen Kanälen unverblümt die Pistole auf die Brust gesetzt: konsequente Isolation auf Jahrzehnte: Afghanistan redux. Vielleicht sind Putins Dienste zum Schluß gekommen, daß ein Nichteinlenken die Konsequenz eines zweiten Jugoslawiens oder Syriens vor der eigenen Haustür wäre, mit ihnen in der Rolle Milosevics. Vielleicht spielt er einfach nur auf Zeit. Was wirklich helfen könnte, das wären Wikileaks aus dem Kreml: Telefonmitschnitte, die Rußland Pokerhand schlicht offenlegen - auch die Steuerung der Propaganda (es würde einen ja schon interessieren, ob all die Jubelperser im Westen nur schamlos korrupt, zynisch oder wirklich bloß blöd oder alles zusammen sind). Warum geht das immer nur in einer Richtung?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

08.05.2014 06:38
#4 RE: Irritationen im Kreml Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #2

Zitat von R.A.
Und das obwohl nächsten Sonntag eine Wiederholung des Krim-Szenarios ansteht - auch in der Ost-Ukraine wollen Putins Leute ein "Referendum" über die Zukunft des Landes abhalten.

... oder auch nicht; eine Kremlpostille meldet folgendes:

Zitat
“We are calling for southeast Ukraine representatives, supporters of federalization of the country, to postpone the May 11 referendum to create the necessary conditions for dialogue,” Putin said at a press conference with OSCE Chairperson-in-Office and Swiss President Didier Burkhalter in Moscow.


Und außerdem auch das noch:

Zitat
President Vladimir Putin also said that Russia has withdrawn its troops from the Ukrainian border.

“We have been told that our troops by the Ukrainian border are a concern – we have withdrawn them. They are now not near the border, but at locations where they conduct regular drills at ranges,” he said.


Ein Zeichen oder eine Show der Besonnenheit? Oder hat der Wolf schon wieder den Schafspelz übergezogen, um uns raffiniert übers Ohr zu hauen? Oder hat er nach den Enthüllungen über die Krim-Abstimmung fürs erste die Nase gestrichen voll von direkter Demokratie?

Übrigens steht der "Tag des Sieges" (9.5.) vor der Tür, in Rußland noch immer eine große Sache. Ist das vielleicht ein Anlaß für besondere Einfälle?



Lieber Fluminist, Sie sind wie immer früh und gut informiert, Respekt!
Möglicherweise bewirken die Sanktionen etwas, möglicherweise spielt der Umstand, dass Dnepropetrovsk immer noch in der Hand der Pro-Ukrainer liegt, eine Rolle.
Was aber für mich viel entscheidender zu sein scheint, hatte ich in meinem letzten Artikel, http://zettelsraum.blogspot.de/2014/05/i...de-fakto_4.html, angesprochen:
Putin geht es um die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen am 25. Mai. Und er hat wohl etwas überzogen, wenn er diese in der gegenwärtigen Lage, für absurd hält abzuhalten, aber bei dem Referendum keine Probleme sieht. Und er wirft dem Putin-Versteher Steinmeier einen Happen hin auf den er sich stürzen kann. Die Präsidentschaftswahlen sollen verhindert werden, damit der jetzige Status Quo über einen runden Tisch oder eine Konferenz unter Beteiligung der Volkskommissare abgesichert werden kann.
An der Börse nennt man so etwas:
Gewinnmitnahme.
Putin kann davon ausgehen, dass mit Steinmeiers Vorschlag eines runden Tisches, Europa bereit ist, von der Forderung nach Entwaffnung der Separatisten und der Räumung der von ihnen besetzten öffentlichen Gebäude abzurücken. Sicher spielt dabei auch eine Rolle, dass die ukrainischen Sicherheitskräfte militärisch nicht in der Lage waren gegen Russlands Undercover-Armee Siege zu erringen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

08.05.2014 11:42
#5 RE: Irritationen im Kreml Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Was aber für mich viel entscheidender zu sein scheint, hatte ich in meinem letzten Artikel, http://zettelsraum.blogspot.de/2014/05/i...de-fakto_4.html, angesprochen:
Putin geht es um die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen am 25. Mai. Und er hat wohl etwas überzogen, wenn er diese in der gegenwärtigen Lage, für absurd hält abzuhalten, aber bei dem Referendum keine Probleme sieht.

Das ist sicher ein Aspekt der Sache: dadurch, daß er die Zeit als für das Referendum ungünstig bezeichnet, behält er sich vor, dasselbe Argument auf die angesetzte Wahl anzuwenden. Das deutet sich schon in der vorbehaltlichen Unterstützung an, mit der er die Wahl kommentiert (Zitat aus demselben RT-Artikel wie oben):

Zitat
Putin also described Ukraine's May 25 presidential election as a move "in the right direction", but stressed the importance of constitutional reforms that would have to precede any nationwide vote in Ukraine.


Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
An der Börse nennt man so etwas:
Gewinnmitnahme.

Eine Art Gewinnmitnahme kann auch in der Absicht eines ostentativen Rückzugs sein (wobei ein Truppenrückzug von der ukrainischen Grenze bei den heutigen Transportgeschwindigkeiten ohnehin nur symbolisch ist): vielleicht erhofft er sich als Gegenpräsent für die Geste des guten Willens die Anerkennung der Eingliederung der Krim, in einer Art diplomatischer Echternacher Sprungprozession. (Oder irgendetwas hakt ohnehin mit dieser Eingliederung, wie im Artikel von R.A. angesprochen.)
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Sicher spielt dabei auch eine Rolle, dass die ukrainischen Sicherheitskräfte militärisch nicht in der Lage waren gegen Russlands Undercover-Armee Siege zu erringen.

Auch das ist ein wichtiger Punkt. Nach den bürgerkriegsähnlichen Geschehnissen in einigen ostukrainischen Städten und nach dem Massaker von Odessa hat die innere Spaltung der Ukraine ihre Eigendynamik entwickelt und wird zum Selbstläufer (wie im Postillon zynisch, aber treffend bemerkt). Ein guter Zeitpunkt für Rußland, durch auffälliges Beiseitetreten diplomatische Pluspunkte zu sammeln.

NACHTRAG: Jetzt auch in der FAZ:

Zitat
Ungeachtet der Aufforderung des russischen Präsidenten Wladimir Putin wollen die prorussischen Kräfte in der Ostukraine ihr geplantes Referendum über eine Unabhängigkeit nicht verschieben. Die Abstimmung werde wie geplant am kommenden Sonntag, dem 11. Mai, stattfinden, sagte der Anführer der Separatisten in Donezk, Denis Puschilin, am Donnerstag der Agentur Interfax. Eine Sprecherin der Rebellen in Slawjansk bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, auch dort werde an dem Referendum am Sonntag festgehalten.


Also entweder ein Fall von "Die Geister, die ich rief" oder von "Getrennt marschieren, vereint schlagen", je nachdem wie man es sehen will.
Hinsichtlich der Wahl am 25. Mai ist der Wortlauf hier etwas schärfer:

Zitat
Zuvor hatte Russland angekündigt, die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl in der Ukraine anzuerkennen, falls die Führung in Kiew zuvor ihren Militäreinsatz im Osten ihres Landes beendet. Die prowestliche Regierung müsse zudem einen Dialog mit ihren prorussischen Gegnern beginnen, forderte der Sprecher von Präsident Putin, Dmitri Peskow. Er wiederholte die Formulierung Putins vom Mittwoch, wonach die Wahl grundsätzlich eine „Bewegung in die richtige Richtung“ darstelle.


Das deutet sehr auf das von Erling Plaethe gebrachte Argument hin, daß das Referendum am 11. abgelehnt wird, um für die Wahl am 25. überzeugend Bedingungen stellen zu können.

NOCH EIN NACHTRAG: Wenn Putin das Referendum am 11. ablehnt, es aber von den Separatisten dennoch durchgeführt wird, ist das für ihn carte blanche. Dann braucht er eine Unabhängigkeiterklärung der Donezkrepublik nicht anzuerkennen, kann das aber (unter dem unsäglichen Prinzip des "Selbstbestimmungsrechts der Völker") tun, wenn und sobald es ihm in den Kram paßt.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.05.2014 22:58
#6 Referendum in der Ostukraine Antworten

Das morgige Referendum findet, wenn überhaupt, unter extrem ungünstigen Bedingungen statt und wird voraussichtlich von niemandem außer ggf. seinen Veranstaltern anerkannt werden. Aber dennoch - für den Fall, daß es jemanden interessiert:
Worüber wird morgen (möglicherweise) abgestimmt?

Das Krim-Referendum hatte bekanntlich zwei Alternativen, den Verbleib in der Ukraine unter Bedingungen größerer Unabhängigkeit oder den Beitritt zur russischen Föderation. In der Region Donezk (Lugansk folgt deren Beispiel) wird nur eine einzige Frage gestellt:
Unterstützen Sie den Akt über die staatliche Eigenständigkeit der Volksrepublik Donezk?

An sich - mal abgesehen von den Begleitumständen - ist das eine ehrlichere Formulierung für ein Referendum als die auf der Krim gewählte, denn hier kann man immerhin mit Nein stimmen. Aber was bedeutet ein Ja? Den Wortlaut des Akts über die Erklärung der staatlichen Eigenständigkeit der Volksrepublik Donezk stelle ich in seiner Mischung aus Pathos, Nostalgie und Optimismus einmal hierher, ohne weiteren Kommentar, bevor sie zur historischen Fußnote wird (Quelle, Übersetzung von mir).

Zitat
ERKLÄRUNG DER STAATLICHEN EIGENSTÄNDIGKEIT DER VOLKSREPUBLIK DONEZK
Stadt Donezk, 7 APRIL 2014

In der Ukraine wurde mit Unterstützung der legislativen, exekutiven und judikativen Gewalt durch unrechtmäßige paramilitärische Formationen ein Staatsstreich durchgeführt.
Das neue Regime sucht fieberhaft Schutz und Unterstützung in Amerika und Europa, bei denen, die seit 2005 ohnehin de facto unser Land regieren. Die Staatsregierung unterschreibt Knechtschaftsverträge mit internationalen Organisationen. Das Land wird in die NATO gezogen.
Die uralten brüderlichen Beziehungen mit den slawischen Völkern, den Völkern, die die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten bilden, wurden abgebrochen.
Im Land wurde eine strenge Zensur eingeführt. Es wird eine antirussische Psychose aufgedrückt, aus dem russischen Brudervolk ein Feindbild gemacht. In der Ukraine etabliert sich mit Unterstützung des oligarchischen Kapitals eine nationalistische profaschistische Diktatur.
Die Einwohner der Region Donezk und viele Abgeordnete aller Ebenen, denen die Zukunft unserer Erde und des auf ihr lebenden Volks, die Freundschaft und Zusammenarbeit mit den Ländern der Zollunion am Herzen liegen, lehnen die Zusammenarbeit mit dem verbrecherischen Regime kategorisch ab und erkennen seine unrechtmäßigen Beschlüsse nicht an.
Mit dem Ausdruck tiefster Erschütterung und Sorge wegen des Entstehens von Spannungen und unüberwindlichen Widersprüchen zwischen den verschiedenen Teilen der Ukraine, gestützt auf die Willenserklärung des Volks der Region Donezk, in Bekräftigung der Priorität allgemeinmenschlicher Werte und der Anerkennung der allgemein akzeptierten Prinzipien und Normen des Völkerrechts,
erklärt der Regionalrat der Region Donezk die Errichtung eines souveränen Staats - der VOLKSREPUBLIK DONEZK.
Die VOLKSREPUBLIK DONEZK wird ihre Beziehungen zu den anderen Staaten im Einklang mit dem Völkerrecht, auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Zusammenarbeit zum wechselseitigen Nutzen aufbauen. Das Territorium der VOLKSREPUBLIK DONEZK in den anerkannten Verwaltungsgrenzen ist unteilbar und unantastbar. Dieser Akt tritt im Moment seiner Bekräftigung in einem die ganze Region umfassenden Referendum in Kraft.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

12.05.2014 12:01
#7 RE: Referendum in der Ostukraine Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #6
Den Wortlaut des Akts über die Erklärung der staatlichen Eigenständigkeit der Volksrepublik Donezk stelle ich in seiner Mischung aus Pathos, Nostalgie und Optimismus einmal hierher, ohne weiteren Kommentar, bevor sie zur historischen Fußnote wird (Quelle, Übersetzung von mir).

Interessant. Vielen Dank!

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.05.2014 16:33
#8 RE: Irritationen im Kreml Antworten

Inzwischen ist das "Referendum" ja über die Bühne gegangen. Und wird selbstverständlich von Rußland anerkannt.

Die diversen (damals völlig plausiblen) Spekulationen über Putins Motive kann man wohl damit ad acta legen. Jetzt sieht es eher so aus, als wollte Putin schlicht dementieren, daß er der Drahtzieher der Separatisten ist. Er kann jetzt so tun, als wäre hier wirklich nur der von Moskau unbeeinflußte Volkswille am Werke.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

15.05.2014 08:02
#9 RE: Irritationen im Kreml Antworten

Zitat von R.A.
Die diversen (damals völlig plausiblen) Spekulationen über Putins Motive kann man wohl damit ad acta legen. Jetzt sieht es eher so aus, als wollte Putin schlicht dementieren, daß er der Drahtzieher der Separatisten ist. Er kann jetzt so tun, als wäre hier wirklich nur der von Moskau unbeeinflußte Volkswille am Werke.


Manchmal frage ich mich, ob es in Rußland in der Politik mehr Schachspieler gibt als im gesamten Westen zusammen. Ich will damit keineswegs zum Ausdruck bringen, daß ich Putins Aktionen in irgendeiner Weise billigte, aber Respekt ist schon angebracht.

Herzlich, Thomas

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