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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 47 Antworten
und wurde 6.241 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

12.05.2014 15:44
Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Wirklich nur eine Marginalie. Jeder ist verdächtig, jeden kann es erwischen, jeder kann als Sünder enttarnt werden. Die Sünde muss nicht einmal vorsätzlich geschehen, denn so richtig kennt sich eh niemand mehr aus bei den Geboten der obersten Verfolgungsbehörde von Sünden wider den Staat, unseren Gott.
In diesem Fall mischt sich ein wenig die Schadenfreude mit einem gelinden Horror vor den Strafverfolgungseiferern.

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.05.2014 15:53
#2 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #1
Wirklich nur eine Marginalie.


Aber eine, die alles sagt, was gesagt werden muss.

Sie gibt mit Deinem Artikel von gestern übrigens ein wunderbares Sittengemälde "Deutschland im Mai 2014".

Florian Offline



Beiträge: 3.180

12.05.2014 16:15
#3 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #1
In diesem Fall mischt sich ein wenig die Schadenfreude mit einem gelinden Horror vor den Strafverfolgungseiferern.


Geht mir ganz genauso.

Die Verfehlungen der beiden Delinquenten sind ja sehr harmlos.
Erstens von der Summe her.
Zweitens ist durchaus vorstellbar, dass die beiden von ihrer Steuerpflicht tatsächlich nichts wussten. ("Zweitwohnungssteuer" ist eine Berliner Kommunalsteuer, die es in dieser Form nur in wenigen Kommunen gibt und die man nicht unbedingt kennen muss).
Selbst ein sehr gewissenhafter Steuerzahler kann so etwas schon einmal übersehen.

Objektive Rücktrittsgründe sehe ich hier nicht.

Nur gibt es halt von diesen beiden Helden einige schöne Zitate zum Thema Steuerhinterziehung.
Und wenn sie die Ansprüche, die sie an andere stellen auch an sich selbst anlegen würden, dann wären jetzt eigentlich zwei Rücktritte fällig...


NACHTRAG:
Man wagt es kaum zu hoffen, aber vielleicht führen diese Fälle ja zu einem andere Blick auf das Thema "Selbstanzeige".
Denn das wäre ja ein klassischer Anwendungsfall für dieses absolut sinnvolle Rechtsmittel:

Wenn man als Niels Annen feststellt, dass man jahrelang schlicht übersehen hat Steuern zu zahlen - wie kommt man da eigentlich wieder zurück in die Herde der Steuerehrlichen, wenn es keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr gibt?

Und dieses Übersehen einer Steuerpflicht kann angesichts der Komplexität des deutschen Steuerrechts eben auch einem völlig Unschuldigen leicht einmal passieren.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.574

12.05.2014 16:40
#4 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #3
Die Verfehlungen der beiden Delinquenten sind ja sehr harmlos. ... und die man nicht unbedingt kennen muss)


Bei absehbarer Komplexitätsmaximierung in diesem Bereich kann dann demnächst, mutatis mutandis, das Lehrbeispiel zur Anwendung kommen, von dem Karl Kraus, so um 1908, in der Fackel berichtet: Einige Inglisi, die die Gepflogenheiten im osmanischen Reich erkunden, sitzen bei einem kleinstädtischen Sultan beim Thee. Die Rede kommt auf das Thema Justizvollzug, woraufhin der Sultan den erstbesten Passanten von der Straße holen, ihm die Schuhe ausziehen & ihm ein Dutzend Peitschenhiebe auf die Sohlen applizieren läßt. Auf die entsetzten Vorhaltungen seiner Gäste hin meint er seelenruhig: "Irgendetwas wird er schon verbrochen haben."

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.05.2014 17:02
#5 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #3
Die Verfehlungen der beiden Delinquenten sind ja sehr harmlos.

Nach unseren Maßstäben vielleicht.
Aber nach rot/grünen Maßstäben ist Steuerhinterziehung ein Kapitalverbrechen. Und natürlich sollten die Beiden nach ihren eigenen Maßstäben beurteilt werden ...

Zitat
Zweitens ist durchaus vorstellbar, dass die beiden von ihrer Steuerpflicht tatsächlich nichts wussten.


Möglich, aber auch peinlich.
Ich persönlich glaube aber nicht daran, daß sie wirklich nichts davon wußten. Schließlich hat fast jeder MdB eine solche Zweitwohnung in Berlin, und die entsprechenden Modalitäten dürften normales Gesprächsthema unter den Kollegen sein. Gerade wenn neue MdBs nach Berlin kommen, werden sie sich ja von den Alterfahrenen Tips und Tricks für die neue Tätigkeit geben lassen - schwer vorstellbar, daß die Zweitwohnungssteuer dabei völlig vergessen wurde.

Zitat
Objektive Rücktrittsgründe sehe ich hier nicht.


Was sind in der Politik schon "objektive Rücktrittsgründe" ...

Zitat
Und wenn sie die Ansprüche, die sie an andere stellen auch an sich selbst anlegen würden, dann wären jetzt eigentlich zwei Rücktritte fällig...


Genau.
Und wenn sie der Union oder gar der FDP angehören würden, gäbe es schon ein lautes Geschrei in allen Blättern.

Zitat
Man wagt es kaum zu hoffen, aber vielleicht führen diese Fälle ja zu einem andere Blick auf das Thema "Selbstanzeige".


Völlig richtig. Aber leider nicht zu erwarten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.05.2014 17:04
#6 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
Irgendetwas wird er schon verbrochen haben."

Der Vorsitzende Richter, bei dem ich damals als Schöffe angefangen habe, pflegte zu sagen: "Jeder erwachsene Deutsche ist für 14 Tage Gefängnis gut".

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.05.2014 17:37
#7 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #6
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
Irgendetwas wird er schon verbrochen haben."

Der Vorsitzende Richter, bei dem ich damals als Schöffe angefangen habe, pflegte zu sagen: "Jeder erwachsene Deutsche ist für 14 Tage Gefängnis gut".



Das scheint mir sehr wohlwollend geschätzt.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

12.05.2014 18:19
#8 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

noch ein Nachtrag:

Zitat von Florian im Beitrag #3
[
Nur gibt es halt von diesen beiden Helden einige schöne Zitate zum Thema Steuerhinterziehung.
Und wenn sie die Ansprüche, die sie an andere stellen auch an sich selbst anlegen würden, dann wären jetzt eigentlich zwei Rücktritte fällig...



Ich habe mir dazu einmal die Abgeordneten-Homepage von Herr Hofreiter angeschaut und war ehrlich gesagt schon überrascht:

Im ganzen Jahr 2014 hat Herr Hofreiter bislang ganze 3 Pressemitteilungen herausgegeben. (http://www.toni-hofreiter.de/pressemitteilungen.php )
Das erscheint mir ziemlich wenig, immerhin ist Herr Hofreiter Fraktionsvorsitzender der Grünen. Da sollte es ja fast täglich irgendetwas geben, was er der Presse mitteilen könnte.
Umgekehrt dürften diese 3 PM Dinge betreffen, die ihm ganz besonders am Herzen liegen.
Und um was geht es in diesen 3 PM?

1. Das neue grüne Konzept zur Energiewende
2. Ein Genmais-Verbot
3. "Zum Prozess-Auftakt von Uli Hoeneß"

Ja, genau so ist es:
zu den 3 Dingen, die dem Grünen Fraktionsvorsitzenden am meisten am Herzen liegen, zählt neben Energiewende und Genmaisverbot ausgerechnet das Steuerverfahren gegen Uli Hoeneß.
Das ist an sich schon peinlich genug. Ein Politiker sollte bitteschön sich um passende Gesetze kümmern. Aber sich moralisch über einen einzelnen straffällig gewordenen Bürger zu erheben ist schon etwas sehr spezielles.

Aber nun gut, Steuerehrlichkeit ist für Herrn Hofreiter also ein so hohes Gut, dass er eine von drei Pressemitteilungen darauf verwendet, einem einzelnen Steuersünder an den Karren zu fahren.
Und zwar mit diesen Worten:

Zitat
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und gehört streng bestraft. Uli Hoeneß hat mit seiner Selbstanzeige eine Straftat gestanden. Es ist nun Sache des Gerichts, zu einem Urteil zu kommen.
Moralisch diskreditiert ist Uli Hoeneß schon jetzt. Adidas, VW oder Audi halten im Bayern-Aufsichtsrat trotzdem zu ihm. Das ist ein Skandal. Wer in ihren Unternehmen einen Diebstahl begehen würde, würde rausfliegen. Wer wie Hoeneß das Gemeinwesen bestiehlt, dem wird dagegen kumpelhaft der Arm um die Schultern gelegt. Diese Doppelmoral der Wirtschaftsbosse ist abstoßend.



Diesen "abstoßenden Skandal" witterte Herr Hofreiter also schon bevor es überhaupt zur Verurteilung von Herrn Hoeneß kam.

Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, dass Herr Hofreiter die Sache anders sehen würde, wenn der Konzern VW einen Antiatomkraft-Aktivisiten entlassen würde, der wegen der Sabotage eines Gleisbetts angeklagt aber noch nicht verurteilt wurde.
Da hätte die Unschuldsvermutung und der Schutz von Arbeitnehmerrechten vermutlich ein anderes Gewicht.
Aber es genießt in grünen Augen halt nicht jede Straftat den gleichen moralischen Schutz.

Und lassen wir uns einmal überraschen, welche grünen Arme sich nun kumpelhaft um Herrn Hofreiter legen werden.
Denn auch nicht jeder Stratfäter genießt in grünen Augen den gleichen moralischen Schutz.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.05.2014 18:31
#9 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Auch von mir ein kleiner Nachtrag:

Zitat von R.A. im Beitrag #5
schwer vorstellbar, daß die Zweitwohnungssteuer dabei völlig vergessen wurde.

Wie ich inzwischen Presseberichten entnommen habe, kann man die Zweitwohnungssteuer gar nicht "vergessen".
Die wird automatisch erhoben, WENN man sich beim Einwohnermeldeamt mit seinem Zweitwohnsitz registriert.

Und genau das haben Hofreiter und Annen nicht getan.
Und da fällt es wirklich schwer, an das gute Gewissen zu glauben.

Die speziellen kommunalen Abgaberegelungen in Berlin muß man vielleicht nicht kennen. Aber die allgemeine Meldepflicht ist in Deutschland allgemein verankerter Grundsatz - die muß wirklich jeder Bürger kennen, insbesondere jeder Politiker.

Llarian Offline



Beiträge: 7.131

12.05.2014 18:34
#10 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Naja, es gibt schon einen unterschiedlichen Eifer bei der Inquisition. War Hoeness von vorneherein ein Straftäter und Verbrecher, so hat Herr Hofreiter "einen Fehler gemacht". Ja, nee, klar. Fehler machen wir doch alle. Und mal ein paar tausend Euro Steuern zu sparen, das kann ja jedem passieren. Es sei denn, er ist Chef der Bayern. Dann ist es kein Fehler. Dann ist es ein Verbrechen. Ich kenne mich nicht so gut mit der Inquisition aus, aber war sie auch im Mittelalter derart inkonsequent ?

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

12.05.2014 18:37
#11 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9
Auch von mir ein kleiner Nachtrag:
Zitat von R.A. im Beitrag #5
schwer vorstellbar, daß die Zweitwohnungssteuer dabei völlig vergessen wurde.

Wie ich inzwischen Presseberichten entnommen habe, kann man die Zweitwohnungssteuer gar nicht "vergessen".
Die wird automatisch erhoben, WENN man sich beim Einwohnermeldeamt mit seinem Zweitwohnsitz registriert.

Und genau das haben Hofreiter und Annen nicht getan.
Und da fällt es wirklich schwer, an das gute Gewissen zu glauben.

Die speziellen kommunalen Abgaberegelungen in Berlin muß man vielleicht nicht kennen. Aber die allgemeine Meldepflicht ist in Deutschland allgemein verankerter Grundsatz - die muß wirklich jeder Bürger kennen, insbesondere jeder Politiker.



Alles schön und gut, aber man muss die Dinge von der praktischen Seite sehen. Wie Florian ganz richtig schreibt, sind die Grünen unter der gegenwärtigen Doppelspitze nichts weiter als ein schlafmittelabhängiger Zombie . Vor diesem Hintergrund sollte man vorsichtig mit Rücktrittsforderungen sein. Ich hoffe, dass er noch möglichst lange im Amt verweilt .

Herzliche Grüße,
Andreas

notquite Offline



Beiträge: 506

12.05.2014 18:52
#12 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #2
Zitat von Calimero im Beitrag #1
Wirklich nur eine Marginalie.


Aber eine, die alles sagt, was gesagt werden muss.

Sie gibt mit Deinem Artikel von gestern übrigens ein wunderbares Sittengemälde "Deutschland im Mai 2014".


Wieso ist in diesem Zusammenhang "Deutschland im Mai 2014" das Problem und nicht ein offenbar mit elementaren Alltagstätigkeiten überforderter Apparatschik, der außerhalb der Politik vermutlich noch nie einen Cent verdient hat und sich dafür feiern lässt, nach 16 Jahren Studium einen Bachelor erreicht zu haben? Das Problem ist hier meiner Meinung nach nicht das nicht gezahlte Steuergeld, sondern die Jämmerlichkeit der Person.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.05.2014 19:19
#13 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #12
Zitat von Noricus im Beitrag #2
Zitat von Calimero im Beitrag #1
Wirklich nur eine Marginalie.


Aber eine, die alles sagt, was gesagt werden muss.

Sie gibt mit Deinem Artikel von gestern übrigens ein wunderbares Sittengemälde "Deutschland im Mai 2014".


Wieso ist in diesem Zusammenhang "Deutschland im Mai 2014" das Problem [...]?


Das würde mich auch interessieren, lieber notquite. Ich habe dergleichen nicht behauptet. Deutschland ist nicht das Problem, die von Calimero behandelten Causae sind vielmehr symptomatisch für die Erregungsroutinen in diesem Land, die jetzt auch ihre eigenen Kinder fressen.

Nola Offline



Beiträge: 1.719

12.05.2014 22:08
#14 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #10
Ich kenne mich nicht so gut mit der Inquisition aus, aber war sie auch im Mittelalter derart inkonsequent ?


Also die dabei waren, konnten nicht mehr darüber berichten. Ein geschickter Inquisitor versucht natürlich die Dauer der "Befragung" zu verlängern, aber wirklich inkonsequent war das auch nicht.

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.574

12.05.2014 22:58
#15 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #14
Zitat von Llarian im Beitrag #10
Ich kenne mich nicht so gut mit der Inquisition aus, aber war sie auch im Mittelalter derart inkonsequent ?


Also die dabei waren, konnten nicht mehr darüber berichten. Ein geschickter Inquisitor versucht natürlich die Dauer der "Befragung" zu verlängern, aber wirklich inkonsequent war das auch nicht.




Liebe Nola,
wir hatten das schon mal kurz angeschnitten, anläßlich der Emeritierung von Papst Benedikt:

Zitat von Meister Petz im Beitrag RE: Heidenfrage
Einen Dominikaner erkennt man auch an den nachgestellten Buchstaben "OP", Ordo fratrum Praedicatorum, "Orden der Predigerbrüder". Im Gegensatz zu anderen Orden, etwa den Benediktinern, sahen sie ihre Berufung weniger im Miteinander von körperlicher Arbeit und Gebet (ora et labora), sondern in der Predigt - und da insbesondere in der Bekämpfung der katharischen Häresie im Südfrankreich des 13. Jahrhunderts.


Historisch wird das Amt im Lauf des Hochmittelalters eingerichtet, um die Ketzerbewegungen wie eben die Albigenser oder Katharer verfolgen zu können. Die Hexenverfolgungen, mit denen das in der populären Überlieferung verknüpft ist, kommen erst auf, nachdem Sprenger & Instutoris die Vorstellung vom Hexenwesen im Hexenhammer 1494 kodifiziert haben - das war eine genaue Vorschrift darüber, was genau die Beschuldigten unter der "peinlichen Befragung" zu gestehen hatten. (Nb. waren ein gutes Drittel der Angeklagten "Hexen" Männer.) Da es ja keinerlei Indizienbeweise gab, war das Geständnis der einzige Weg, das, nunja, festzunageln. Die oftmals über Wochen sich hinziehenden Folterungen ergeben sich daraus, daß die Opfer lange nicht genau gestanden, was ihre Peiniger von ihnen erwarteten. In sehr vielen Hexenprozessen, wie auch früher bei den Ketzerprozessen, sind die Vermehmungsprotokolle lückenlos erhalten - seit den frühen 80er Jahren sind etliche davon auch für genaue Lokalstudien (v.a. Süddeutschland & Frankreich) ausgewertet worden (da zeigt sich dann. daß gar nicht so sehr Wert auf bestimmten angeblichen "Schadenszauber" gelegt wird - das läuft unter der Hand mit - sondern auf die genaue Schilderung von Zeit & Umständen des "Bündnisses" mit dem Teufel. Es handelt sich hier um eine exakte Invertierung der Formeln der Hl. Messe: der "Probant" wird befragt: "entsagst du der heiligen Kirche?" "...der Mutter Gottes?" usf. & antwortet auf jede Frage "nego!" - ich entsage). Wichtig auch: nach dem Hexenhammer & daran angelehnten Schriften war immer ein Zirkel von Hexen zur Einweihung nötig, auch hier ganz analog zu dem Kreis der 12 Apostel: die Folterungen zielten auch immer darauf ab, daß die Namen der anderen preisgegeben wurden (die dann ihrerseits "befragt" wurden, bis sie weitere Namen nannten: daher kommt das Phänomen der sich örtlich wie ein Flächenbrand ausbreitenden Opferzahlen in den einzelnen Hexenprozessen, wo es durchaus vorkommen kann, daß in einem Dorf von 500 Einwohnern nach ein paar Monaten 50 der Hexerei beschuldigt werden).

Eine der klassischen Studien über die mittelalterliche Lebens- & Vorstellungswelt, Emanuel Le Roy Laduries Montaillou (1975) beruht auf den Vernehmungsakten aus dem Papstpalast in Avignon (1294 & 1324 wurden jeweils sämtliche Bewohner dieses Pyrenäendorfs verhört, weil sie in den Verdacht geraten waren, Katharern Zuflucht geboten zu haben - das hat jeweils zu mehreren Dutzend Hinrichtungen auf dem Scheiterhaufen geführt.) LRL hat sich viel Kritik dafür gefallen lassen müssen, daß er solches Material, "an dem Blut klebte", für eine profane sozialhistorische Mikrostudie ausgewertet hat.

Elmar Offline



Beiträge: 282

13.05.2014 08:30
#16 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #15

Historisch wird das Amt im Lauf des Hochmittelalters eingerichtet, um die Ketzerbewegungen wie eben die Albigenser oder Katharer verfolgen zu können. Die Hexenverfolgungen, mit denen das in der populären Überlieferung verknüpft ist, kommen erst auf, nachdem Sprenger & Instutoris die Vorstellung vom Hexenwesen im Hexenhammer 1494 kodifiziert haben - das war eine genaue Vorschrift darüber, was genau die Beschuldigten unter der "peinlichen Befragung" zu gestehen hatten.
Die Inquisition wurde ja auch eingeführt um die schlimmsten Auswüchse des Hexenwahns zu begrenzen, in dem man die Werkzeuge der weltliche Gerichtsbarkeit auf religiöse Prozesse angewandt hat. (Folter und peinliche Befragung waren Alltag in weltlichen Prozessen)
Heutzutage sehen wir eher eine Bewegung in die andere Richtung. Was man glaubt ist was Recht ist, was sollen da Fakten und Beweise.

Krischan Offline




Beiträge: 642

13.05.2014 10:48
#17 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #12


Wieso ist in diesem Zusammenhang "Deutschland im Mai 2014" das Problem und nicht ein offenbar mit elementaren Alltagstätigkeiten überforderter Apparatschik, der außerhalb der Politik vermutlich noch nie einen Cent verdient hat und sich dafür feiern lässt, nach 16 Jahren Studium einen Bachelor erreicht zu haben? Das Problem ist hier meiner Meinung nach nicht das nicht gezahlte Steuergeld, sondern die Jämmerlichkeit der Person.


Genau. Menschen, die mit der Organisation ihres Alltags überfordert sind, wollen Entscheidungen wie die Energiewende, Rente mit 60 und dergleichen treffen? Da lachen ja die Hühner. DAS ist das eigentliche Problem.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

truth hurts Offline



Beiträge: 38

13.05.2014 11:12
#18 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9

Wie ich inzwischen Presseberichten entnommen habe, kann man die Zweitwohnungssteuer gar nicht "vergessen".



nicht nur das, sie wurden auch mehrmals darauf hingewiesen.

http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...n-a-969007.html

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.05.2014 11:55
#19 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von truth hurts im Beitrag #18
nicht nur das, sie wurden auch mehrmals darauf hingewiesen.

Das macht den Sack zu.

Da kann sich auch keiner mehr darauf hinausreden, er hätte bei der Vielzahl seiner Mails nicht durchgeblickt: Beide haben schließlich (von den ehrlichen Steuerzahlern finanzierte) Mitarbeiter, die sich um Eingangspost und Organisation kümmern.

Ein "vergessen" glaube ich hier nicht mehr - das war bewußte Hinterziehung.

Kritiker Offline



Beiträge: 274

13.05.2014 12:48
#20 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Also ich hätte da zwei Anmerkungen

1.) Wer den zitierten Artikel liest, dem wird klar, dass Herr Hofreiter NICHT auf seine Steuerpflicht hingewiesen wurde. Denn die Fraktion gab ein 47-seitiges Dokument heraus. Vermutlich vollgestopft mit Paragraphen und so lesefreundlich gestaltet wie das BGB in der Ausgabe "Schriftgröße 6 PT".
Ich kenne solche Dokumente aus meiner eigenen Firma. Ab S. 2 bin ich abgehängt und die Sache landet in der Ablage P.
Merke: Willst du eine Information verschweigen, verstecke sie in einem großen Haufen unnützer Information.

2.) Der Vergleich von Hoeneß und Hofreiter ist auch nach Steuerrecht nicht korrekt. Denn im Steuerrecht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schwere des Deliktes Steuerhinterziehung von der Höhe der Hinterziehung abhängt. Bei Hoeneß waren das ein paar Millionen, bei Hofreiter ein paar Tausend. Also 3 Größenordnungen.

Der Kritiker

Florian Offline



Beiträge: 3.180

13.05.2014 12:49
#21 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von truth hurts im Beitrag #18
Zitat von R.A. im Beitrag #9

Wie ich inzwischen Presseberichten entnommen habe, kann man die Zweitwohnungssteuer gar nicht "vergessen".



nicht nur das, sie wurden auch mehrmals darauf hingewiesen.

http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...n-a-969007.html



Ich fühle mich recht unwohl als Verteidiger ausgerechnet dieser beider Herren.
Aber um einmal deren Advokat zu spielen:
Ok, die Steuerpflicht stand in einem 47-seitigen Merkheft der Grünen-Fraktion (was im konkreten Fall zugegeben etwas pikant ist. Herausgeber des Merkheftes könnte womöglich Herr Hofreiter selbst sein) und in einer Broschüre der Bundestagsverwaltung.

Ganz im ernst: das kann man übersehen.
Ich bin Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens. Was ich ständig an Informationen bekomme zu allen möglichen Vorschriften die ich einhalten muss - das ist uferlos und kann gar nicht seriös alles abgearbeitet werden.
Und speziell für das Thema Zweitwohnungssteuer werden sich vielleicht auch die Mitarbeiter von Annen+Hofreiter nicht groß zuständig gefühlt werden. Das ist schließlich die Privatangelegenheit des Chefs., wo er sich meldet.

Insgesamt: no big deal.
Aber es zeigt eben, dass es in Deutschland gar nicht so leicht ist, bei der Steuer alles richtig zu machen.
(Denn das ein Abgeorndeter wegen ein paar Hundert Euro absichtlich seine politische Karriere gefährdet glaube ich nicht).
Vielleicht sorgt diese Geschichte ja für ein Einsehen, dass auch der steuerzahlende Normalbürger nicht wegen jeder Verfehlung kriminalisiert werden sollte.

Im übrigen werden wahrscheinlich von den Medien auch alle anderen Abgeordneten durchleuchtet.
Und jede Wette: es wird nicht bei den beiden bleiben. Ich tippe mal auf eine Dunkelzimmer von über 100 Abgeordneten.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

13.05.2014 13:38
#22 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #20
1.) Wer den zitierten Artikel liest, dem wird klar, dass Herr Hofreiter NICHT auf seine Steuerpflicht hingewiesen wurde. Denn die Fraktion gab ein 47-seitiges Dokument heraus. Vermutlich vollgestopft mit Paragraphen und so lesefreundlich gestaltet wie das BGB in der Ausgabe "Schriftgröße 6 PT".
Ich kenne solche Dokumente aus meiner eigenen Firma.
Hier waren die Adressanten "Experten", egal was und wie da drinnen steht, die "Experten" müssen das verstehen. Wenn schon ein Fraktionsvorsitzender damit Probleme haben sollte, ist er entweder unterqualifiziert für den Job, oder das Dokument ist schlichtweg Müll. Jedenfalls sollte mal eine Denkpause eingelegt werden.

Zitat
2.) Der Vergleich von Hoeneß und Hofreiter ist auch nach Steuerrecht nicht korrekt. Denn im Steuerrecht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schwere des Deliktes Steuerhinterziehung von der Höhe der Hinterziehung abhängt. Bei Hoeneß waren das ein paar Millionen, bei Hofreiter ein paar Tausend. Also 3 Größenordnungen.

Beim Einkommen gibt es aber auch ein paar Größenordnungen Unterschied.

truth hurts Offline



Beiträge: 38

13.05.2014 13:43
#23 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #21


Ganz im ernst: das kann man übersehen.
Ich bin Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens. Was ich ständig an Informationen bekomme zu allen möglichen Vorschriften die ich einhalten muss - das ist uferlos und kann gar nicht seriös alles abgearbeitet werden.




als ebenfalls kleinunternehmer pflichte ich ihnen da voll und ganz zu. der reflex, mit dem finger auf die beiden zu zeigen, speist sich größtenteils aus schadenfreude. aus der genugtuung, daß es mal die "richtigen" getroffen hat. und mal ehrlich, mit uns hat auch selten ein bürokrat mitleid, wenn uns schaden entsteht weil wir den paragraphendschungel nicht durchblicken konnten.

leider wird im spon-artikel nicht erwähnt, wie umfangreich die bundestagsbroschüre "steuerrecht für abgeordnete" ist. ich sag mal so, nach all den jahren abgeordnetentätigkeit, wird man die gelegenheit gehabt haben diese zu studieren. vor allem wenn man meint, andere bzgl. steuerhinterziehung an den pranger stellen zu müssen.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

13.05.2014 13:44
#24 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #21
Ganz im ernst: das kann man übersehen.
Absolut. Und ich würde fast jede Wette halten, dass dies hier so auch war.

Allerdings habe ich auch bei Hoenes die Position vertreten, daß die Möglichkeit bestünde seine Steuerhinterziehung sei von ihm nicht bewußt als Steuerhinterziehung begangen worden (gleich wie gering diese Wahrscheinlichkeit ist, existiert sie). Vielleicht ist er irgendwie hineingeschlittert und als er bemerkte was es war, war es zu spät es zu erklären, daher hat er erst reagiert als er nicht mehr anders konnte. Fehler hat er ganz sicher gemacht. Ob es in der ursrpünglichen Absicht geschah Steuern zu hinterziehen oder vielleicht nur öffentlichen Schaden für sich selbst zu verhindern, wird nur er wissen.

Der Hofreiter Toni wußte und weiß wie es beim Hoenes war, nämlich moralisch verderbt, und er fällt sein Urteil. Man hätte den Straftatbestand auch weniger emotional und ohne moralische Aufladung feststellen können. Bei anderen moralisieren kann der Hofreiter Toni prächtig, so prächtig, dass er darüber anscheinend keine Zeit mehr findet, seinen Alltag so zu organisieren, daß er (nach seinem Sinne) die ihm heilige Gemeinschaft nicht schädigt. Ich persönlich möchte solche Leute nicht als Volksvertreter, viele andere im Land sehen das anscheinend unkritischer.*

Übrigens:
Selbst mir ist bewußt, daß Zweitwohnsitze steuerliche Implikationen haben, über die ich mich im Bedarfsfall schlau mache - und Steuerrecht ist das berühmte böhmische Dorf für mich. Ich bin aber natürlich auch nicht mit den Strapazen einer zu gestaltenden Transformation unserer Gesellschaft, hin zu einer besseren Welt überfordert. Das sei dem Hofreiter Toni zugestanden.

*Edit:
Nicht, dass es Mißverstanden wird. Damit ist keiner der Diskutanten gemeint. Ich habe bei nochmaligem Lesen bemerkt, dass sich mein Halbsatz hier möglicherweise anders liest.

\"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.\" - Montesquieu

truth hurts Offline



Beiträge: 38

13.05.2014 13:52
#25 RE: Marginalie: Auch du, Nils? Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #20


2.) Der Vergleich von Hoeneß und Hofreiter ist auch nach Steuerrecht nicht korrekt. Denn im Steuerrecht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schwere des Deliktes Steuerhinterziehung von der Höhe der Hinterziehung abhängt.

das ist in erster linie eine frage der moral. ich wünsche niemanden daß ihm die freiheit entzogen wird, weil er sein eigentum vor dem zugriff des staates schützen will (inwieweit Hoeneß absichtlich steuern hinterzogen hat ist m.W. unbekannt). die beiden kandidaten würde ich trotzdem gerne ein paar tage schmoren sehen, einfach um denen zu verdeutlichen, was freiheitsentzug bedeutet. wie gesagt, eine frage der moral, nicht der gesetzeslage.

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