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Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 20 Antworten
und wurde 3.018 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.08.2014 11:46
Der Captain Antworten

Es ist ja nicht unüblich einen Film zu besprechen, nachdem man ihn gesehen hat.

Aus aktuellem Anlaß möchte ich mir aber einige Gedanken machen über einen Film, den ich nur durch Beschreibungen und Reaktionen kenne.

VolkerD Offline



Beiträge: 101

15.08.2014 11:59
#2 RE: Der Captain Antworten

Schau dir wirklich mal "Good Morning Vietenam" an; meiner Meinung nach einer der besten Filme mit R. Williams

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.554

15.08.2014 12:22
#3 RE: Der Captain Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #1
Es ist ja nicht unüblich einen Film zu besprechen, nachdem man ihn gesehen hat.


Bei Büchern ist der umgekehrte Fall nicht so selten. Julie Burchill hatte mal vor ~20 Jahren kurzzeitig den Spleen, Bücher zu rezensieren, die noch gar nicht erschienen waren: das ist wenigstens ehrlich. Bei gefühlten 70% aller Zeitungsbesprechungen darf man schon froh sein, wenn der Rezensent das Werk zumindest durchgeblättert hat.

"I never read a book before reviewing it. One is so easily prejudiced." Die Sentenz stammt von Sydney Smith, wird aber zumeist Oscar Wilde zugeschrieben; selbst von Alberto Manguel in seiner History of Reading.

Quentin Quencher Offline




Beiträge: 120

15.08.2014 13:13
#4 RE: Der Captain Antworten

Ich finde, in dem Film werden die Nöte pubertierender Jungs, vielleicht Jugendlichen insgesamt, sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt. Für die Fragen die sich automatisch in diesem Alter entwickeln finden sie noch keine Antwort. Ein Lehrer hilft ihnen dabei, in dem er die Jungs dazu anleitet, Seiten aus einem Buch herauszureißen, die ihnen erklären sollten, wie Lyrik zu verstehen ist. Das ist nichts weiter als die Aufforderung: Macht euch euer eigenes Bild, vertraut auf euch selbst.

Robin Williams spielt eine Hauptrolle in dem Streifen, am welchen Anteil hat er daran, außer der schauspielerischen Leistung? Ich weiß es nicht, denke aber, die künstlerische Qualität ist hauptsächlich auf den Regisseur Peter Weir zurückzuführen, der es immer wieder gut versteht, Atmosphäre zu vermitteln. Andere Filme von Wier mit Oskar Nominierungen:
1985: Beste Regie (Der einzige Zeuge)
1990: Beste Regie (Der Club der toten Dichter)
1991: Original-Drehbuch (Green Card – Schein-Ehe mit Hindernissen)
1998: Beste Regie (Die Truman Show)
2003: Beste Regie (Master & Commander – Bis ans Ende der Welt)
2003: Bester Film (Master & Commander – Bis ans Ende der Welt)
Ich fand den Film »Der Club der toten Dichter« sehr gut. Damals und heute. Nicht wegen Williams, sondern wegen der einfühlsamen Beschreibung Jugendlicher in der Pubertät.

Aber wenn mich jemand fragen sollte, in welchem Film Williams am meisten brilliert, so müsste ich Insommia nennen. ZDFneo bringt heute drei Filme mit Robin Williams, Insommia ist dabei:

„ZDFneo sendet zum Tod des Schauspielers Robin Williams am Freitag, 15. August 2014, drei Spielfilme mit dem beliebten Darsteller: Um 20.15 Uhr steht der Film "Good Will Hunting" aus dem Jahr 1997 auf dem Programm, um 22.10 Uhr folgt "Insomnia - Schlaflos" aus dem Jahr 2002 und anschließend, um 24.00 Uhr, "The Big White - Immer Ärger mit Raymond" aus dem Jahr 2005.“
http://spielfilm.zdf.de/ZDF/zdfportal/pr...f71e49/20348810

Quentin Quencher
Glitzerwasser

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.08.2014 13:34
#5 RE: Der Captain Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #3
"I never read a book before reviewing it. One is so easily prejudiced."

Da ist viel dran!
Die allgemeine Stimmung in einem Buch und noch mehr in einem Film verleitet natürlich zu Vorurteilen. Man urteilt nicht mehr umbedingt objektiv, ob jemand recht hat oder nicht - sondern ob er sympathisch dargestellt wird.
Wenn man dagegen nur die reine Inhaltsangabe mit dem Kern der Story liest (was hier konkret in Bezug auf den Film die Wikipedia natürlich nicht komplett hergibt) - dann kommt man zu Fragen, auf die man unter dem Eindruck des Films nicht gekommen wäre.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.08.2014 13:44
#6 RE: Der Captain Antworten

Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #4
Ich finde, in dem Film werden die Nöte pubertierender Jungs, vielleicht Jugendlichen insgesamt, sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt.

Das haben mir inzwischen noch andere vertrauenswürdige Leute geschrieben. Und die DVD wurde mir auch angeboten - also werde ich ihn mir demnächst anschauen.

Über die eigentliche filmische Qualität, über die Arbeit des Regisseurs und der Schauspieler, darüber konnte ich wollte ich ja auch gar nichts aussagen.

Aber gerade wenn man die ganze "Ablenkung" durch die spezielle Darstellung nicht hat, kann man sich über die Geschichte selber besser Gedanken machen.

Zitat
Ein Lehrer hilft ihnen dabei, in dem er die Jungs dazu anleitet, Seiten aus einem Buch herauszureißen, die ihnen erklären sollten, wie Lyrik zu verstehen ist. Das ist nichts weiter als die Aufforderung: Macht euch euer eigenes Bild, vertraut auf euch selbst.


So weit, so auf jeden Fall gut.
Aber warum bringt sich dann der eine Schüler um? Da hat offenbar das "Vertrauen auf sich selbst" nicht geklappt.

Das ist vielleicht so, als würde man Kindern in einem flachen Becken den Spaß am Wasser zeigen - ihnen aber nicht das Schwimmen beibringen. Und dann ertrinken sie in einem tiefen Wasser, in das sie vorher gar nicht reingegangen wären.

Ansonsten Danke für die Filmtips. Leider wird das heute abend nicht gehen, aber solche Filme gibt es ja immer wieder mal.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.554

15.08.2014 15:55
#7 RE: Der Captain Antworten

Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #4
...in welchem Film Williams am meisten brilliert...


Nicht als Ritter-von-der-armen-Gestalt-vom-Central-Park in Terry Gilliams The Fisher King? Oder als endlich-erwachsen-gewordener Peter Pan in Hook?

Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #4
...Peter Weir...


Es gibt ja Cineasten, die prinzipiell & eisern darauf bestehen, daß Weir keinen guten Film mehr gemacht hat, seit er das Land der seligen staatlichen Filmförderung down under verlassen & sich dem Sündenpfuhl Hollywood in die Arme geworfen hat. Das ist dann die "Früher war mehr Lametta"-Fraktion. (Wobei daran so viel stimmt, daß keiner der späteren Filme es mit der schwebenden Traumatmosphäre von Picnic at Hanging Rock oder The Last Wave aufnehmen kann - & wenn Weir sich irgendwann dazu verstanden hätte, aus dem letzten Film die letzten 3 Minuten zu schneiden, würde der Streifen keine Selbstdekonstruktion erleiden. Allerdings habe ich seit 1986 den Verdacht, daß Weirs "Crystal Voyager"-Mißgriff Geoff Murphy für The Quiet Earth (ein Parallelunternehmen: down under, surrealistisches Weltende, Schnürsenkelbudget) dazu angeregt hat, zu zeigen, wie man diese spezielle cineastische Aufgabenstellung mit Bravour bewältigt.)

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

15.08.2014 18:59
#8 RE: Der Captain Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7
Nicht als Ritter-von-der-armen-Gestalt-vom-Central-Park in Terry Gilliams The Fisher King? Oder als endlich-erwachsen-gewordener Peter Pan in Hook?

Hook habe ich dazumals wohl an die zwanzig Mal gesehen, weil meine damalige Kurzzeit-LAG total vernarrt in diesen Film war ("eine Träne für jeden wunderbaren Gedanken") . Und ja, ich selbst fand' den eigentlich auch gut. Beim König der Fischer dagegen habe ich aber mittendrin aufgegeben, soweit ich mich erinnere. Laaaangweilig!

Good Will Hunting ist klasse, während ich von Insomnia gar nicht wusste, dass der verfilmt wurde. Wird dann heute aufgenommen, weil mir das Buch definitiv gefiel. [Nachtrag: Ich lese gerade, dass der Film gar nicht auf dem Buch basiert, welches ich meinte. Schade, aber dann guck ich mir den halt des Tipps wegen an.]

Beim Club der toten Dichter habe ich, als cineastischer Totalausfall, auch gemerkt, dass der Film sehr gut gemacht und anspruchsvoll ist. Aber ich wusste an dessen Ende genau, dass ich mir den nicht nochmals anschauen werde. Keine Ahnung warum, aber ich hatte genug gesehen.
Wenn jetzt Leute wie Miosga genau diesen Film szenisch nachspielen und das Twittervolk sich aufmacht "auf-dem-Tisch-steh'-Fotos" von sich zu posten, frage ich mich ernsthaft, ob die alle sich den Film ebenso fasziniert häufig angesehen haben, wie meine Ex den Hook, oder ob das einfach nur Attitüde ist - als common sense der Guten und vermeintlich Durchblickenden.

Naja sei's drum. Fakt ist, dass mit Robin Williams wirklich ein großer Mime von uns gegangen ist. Ich habe ihn sehr gern gesehen.

Beste Grüße, Calimero

-------------------------------------------------------
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.08.2014 19:22
#9 RE: Der Captain Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #8
Wenn jetzt Leute wie Miosga genau diesen Film szenisch nachspielen und das Twittervolk sich aufmacht "auf-dem-Tisch-steh'-Fotos" von sich zu posten, frage ich mich ernsthaft, ob die alle sich den Film ebenso fasziniert häufig angesehen haben, wie meine Ex den Hook, oder ob das einfach nur Attitüde ist - als common sense der Guten und vermeintlich Durchblickenden.

Richtig.

Und da offenbar alle außer mir den Film gesehen haben die Frage: Wird gezeigt, wie die Schüler wieder vom Tisch runtersteigen?
Das halte ich wirklich für einen wesentlichen Punkt.

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

15.08.2014 20:48
#10 RE: Der Captain Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9
Und da offenbar alle außer mir den Film gesehen haben die Frage: Wird gezeigt, wie die Schüler wieder vom Tisch runtersteigen?

So weit ich mich erinnere: Nein. Das würde auch nicht wirklich in den Film reinpassen. Vom ganzen Aufbau der Szene ist es eher so angelegt, dass die Schüler hier wirklich etwas riskieren (im Unterschied zur Tagesschautante), nämlich den Schulverweis mit entsprechenden Folgen. Insofern würde eine Szene in der sich die Schüler der befohlenen Konformität anpassen, nicht so richtig in den Film passen. Einige Schüler bleiben ja auch bewusst sitzen und das ist eben auch der Gegensatz mit dem der Film endet.

Übrigens sehe ich auch den Selbstmord des Jungen absolut kontär: Was Keating seinen Schülern vermittelt ist vor allem, dass Literatur mit Emotionen zu tun hat und nicht einfach nur nüchtern analysiert werden kann (eine Position, die ich nebenbei absolut teile). Der fragliche Schüler entwickelt für sich den Wunsch ein Künstler zu sein und er ist auch nicht unbegabt darin. Allerdings wird diese Anwandlung von seinem Vater erstickt und das führt in der Konsequenz zum Selbstmord. Man kann über Zwischentöne immer diskutieren, aber die sind in den Characteren des Films gar nicht angelegt. Das einzige was Keating seinen Schülern beibringt ist, das sie mehr in sich haben, als sie selber zunächst glauben. Das ist mit Sicherheit (!) nicht falsch. Der Selbstmord resultiert nicht daraus, dass Keating den Kunstgeist weckt und der Schüer diesen nicht ausdrücken kann oder unbegabt ist, der Selbstmord resultiert aus einem für den Schüler in dem Moment unerträglich gewordenen Druck anders zu sein, als er selber empfindet.

Witzigerweise nimmt die Schulleitung übrigens genau deine Position ein und bestraft den Lehrer dafür, dass er seinen Schülern eine andere Möglichkeit aufgezeigt hat sich selber in dieser Welt zu definieren. Insofern ist der Film ein Spiegel deiner eigenen Rezension.

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

15.08.2014 20:59
#11 RE: Der Captain Antworten

Ich kann eigentlich den Club der toten Dichter nicht so sensationell finden, er ist ganz schaubar, aber auch nicht besonders revolutionär. Das selbe würde ich auch über den (ich meine etwas überschätzten) Good Will Hunting so sehen. Generell würde ich, ohne Williams irgendwie runterwerten zu wollen, nirgendwo einen wirklich genialen Film sehen wollen. Es gibt eine Reihe von recht unterhaltsamen Werken (beispielsweise den schon zitierten "Good morning vietnam" oder auch den 200-Jahre-Mann, vielleicht auch Patch Adams). Auch Hook sollte man erwähnen (wobei Dustin Hoffman Williams ziemlich an die Wand spielt, sorry, Mr. Williams), weil er eben genau das ist, unterhaltsam.

Nur, da ist kein Film dabei von dem ich sagen würde, DEN muss man gesehen haben.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

16.08.2014 16:38
#12 RE: Der Captain Antworten

zu "Club der toten Dichter":

als der Film in die Kinos kam war ich 16 Jahre alt. Also genau im richtigen "beeinflussbaren" Alter.
Und ja, der Film hatte damals eine Wirkung.
So sehr, dass ich mich nach 25 Jahren immer noch daran erinnern kann, in welchem Kino ich den Film gesehen habe und wer mit mir im Kino war. Und sogar die anschließende Diskussion darüber habe ich noch in etwa im Kopf. Sogar noch, wer welche Meinung zu dem Film hatte.
In der Summe also ein beeindruckender Effekt.

Allerdings kann ich mich auch noch daran erinnern, dass ich damals zu der Minderheit gehörte, die den von Williams verkörperten Lehrer nicht so prickelnd fand. Genau aus den von R.A. genannten Gründen.

Man kann aber zumindest sagen, dass der "Club der toten Dichter" ein einflussreicher Film war. Ganz egal, wie man seine Kernbotschaften goutiert: er wurde diskutiert und ernstgenommen.


zu Robin Williams allgemein:

Lieber R.A.
Es gibt Schauspieler (und Filmgenres), bei denen in der Synchronisation nicht viel verloren geht. Bei etlichen von Williams' Charakterrollen ist der Verlust durch Synchronisation aber m.E. erheblich.
Wenn Sie Robin Williams Tod zum Anlass nehmen wollen, sich mit seinem Oeuvre zu beschäftigen, empfehle ich daher ganz dringend die Filme in Originalversion anzuschauen.
Nehmen wir mal "Good Morning Vietnam". Den Film habe ich zuerst auf Deutsch gesehen und habe ihn nicht verstanden. Die Figur von Williams wird von allen im Film immer alles super-witzig empfunden. Aber einen großen Teil seiner Sprüche fand ich nicht sehr witzig sondern eigentlich nur laut und schrill. Im englischen Original - wo viele Wortspiele besser funktionieren - kam der Witz deutlich besser rüber.

Caterpillar Offline



Beiträge: 1

16.08.2014 17:41
#13 RE: Der Captain Antworten

Sie unterliegen einem Irrtum, indem Sie dem Lehrer (Robin Williams) unterstellen, er hätte den Selbstmord des Schülers verschuldet. Das Gegenteil trifft zu: Der Lehrer ermutigte diesen Schüler dazu, den Weg zu gehen, den er für sich als den besten empfand, den den Bühnenschauspielers mit vorangehender solider Ausbildung. Nicht daran scheiterte der begabte Teenie, sondern an der Engstirnigkeit seines kleinbürgerlichen Elternhauses. Worauf auch der Lehrer seinen Job los ist, zum Leidwesen seiner Schüler, die ihn lieben.

Dieser Selbstmord ist gar nicht der zentrale Punkt von "Dead Poets' Society", sondern nur sein trauriges Ende: ein individuelles Scheitern von Seele, Poesie und Literatur an sturen Schulleitern, Vorfahren und am Merkantilismus der heutigen Welt. Der Film beweist (lyrisch und ohne Zeigefinger) die heilsame Wirkung der Poesie als Fels in der Brandung, und alle anderen Schüler schreiten erhobenen Hauptes ins Leben: Sie haben eine Heimat in sich selbst gefunden, zu der auch tote Dichter den Weg weisen. (Funktioniert auch heute noch, sofern Pädagogen nicht Bushido und Sportfreunde Stiller für den Olymp der Dichtkunst halten.)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

16.08.2014 19:28
#14 RE: Der Captain Antworten

Ich fand, der Film "Club der toten Dichter" hätte nach dem ersten Unterrichtstag des neuen Lehrers aufhören sollen. Darin waren alle erfrischenden Denkanstöße enthalten. Aber alles, was danach kam, war mir viel zu schwärmerisch, um mich zu beeindrucken. Da fand ich "Mr. Bill" mit Danny DeVito, obwohl eine Komödie und obwohl ein gutes Stück zu sehr Werbefilm für die US Army, mit dem in das heutige Leben transferierten Hamlet beeindruckender. Jedenfalls gemessen daran, wie sehr der jeweilige Film "tote Dichter" und das Interesse an ihnen zum Leben zu erwecken vermochte. Aber wer schlägt schon Shakespeare...

Robin Williams war mir zwar immer sympathisch, aber seine Filme habe ich eigentlich nie besonders gemocht. Auch "Good Morning Vietnam" nicht. Keine Ahnung, wieso.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

notquite Offline



Beiträge: 506

18.08.2014 15:51
#15 RE: Der Captain Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #1
Es ist ja nicht unüblich einen Film zu besprechen, nachdem man ihn gesehen hat.

Aus aktuellem Anlaß möchte ich mir aber einige Gedanken machen über einen Film, den ich nur durch Beschreibungen und Reaktionen kenne.


Vielleicht muss es ja nicht gleich ein ganzer Film sein.

Vielleicht reichen auch einige Youtube-Clips, um das grandiose Talent des Robin Williams zu erkennen - immens gutes timing, sehr gute Improvisation, völlige Ablehnung jeglicher PC, Selbstironie bis es schmerzt ("I´d like to raise a glass of wine - but that would be 11 months out of the window") und eine Impulsivität bis zum Exzess, die im einen Moment grandios witzig wirkt und im anderen Moment betreten zum Boden schauen lässt.

Robin Williams Salutes Robert De Niro at AFI Life Achievement Award
http://www.youtube.com/watch?v=hgT707uizYI

Robin Williams Kicks Off the AFI Life Achievement Award For Al Pacino
http://www.youtube.com/watch?v=fYYYZ2r0RZg

Einer meiner all time favourites: Bei den Annual Critics' Choice Awards 2003 waren Daniel Day Lewis, Jack Nicholson und Robin Williams als best actor nominiert. Der Preis wurde geteilt zwischen Daniel Day Lewis, der sich als formvollendeter gentleman demütigst bedankt und Jack Nicholson, der die grandiose Idee hat, den "Verlierer" Robin Williams mit auf die Bühne zu nehmen. Was folgt, ist comedy gold ...
http://www.youtube.com/watch?v=bb7303ukNtk

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.08.2014 16:05
#16 RE: Der Captain Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #10
Zitat von R.A. im Beitrag #9
Wird gezeigt, wie die Schüler wieder vom Tisch runtersteigen?

So weit ich mich erinnere: Nein. Das würde auch nicht wirklich in den Film reinpassen.

Genau.
Denn mit diesem (unvermeidlichen) runtersteigen wäre die Aussage weitgehend verpufft. Wenn der Film das gezeigt hätte, würde es m. E. keine "Nachahmertaten" geben.

Zitat
Insofern würde eine Szene in der sich die Schüler der befohlenen Konformität anpassen ...


Das meine ich nicht wirklich. Nonkonform sein, auf den Tisch klettern, das Gedicht deklamieren - so unangepasst schon.
Aber dann?
Kann sein, daß wirklich der Schulverweis kommt - dann wäre die Geschichte stimmig.

Aber das ist ja eher unwahrscheinlich. Aber viel wahrscheinlicher ist doch, daß der nicht kommt. Wäre ja auch ziemlich überrissen und keine schlaue Reaktion des Schulleiters, der schon Probleme genug hat.

Der normale Ausgang der Affäre wäre: Das Gedicht ist zu Ende, sie steigen wieder herunter (ist schlecht übernachten auf einem Schultisch ...), der Schulleiter dampft nach ein paar Tiraden wieder ab - und es geht alles weiter wie vorher. Weil solche Symbolhandlungen eben fast nie etwas bewirken.

Die Tagesschautante und viele ihrer Generation sind aber im Glauben aufgewachsen, daß Symbole nicht nur etwas bewirken, sondern auch das eigentliche Handeln völlig ersetzen.

Zitat
Das einzige was Keating seinen Schülern beibringt ist, das sie mehr in sich haben, als sie selber zunächst glauben. Das ist mit Sicherheit (!) nicht falsch.


Im Prinzip ja. Ich bin ja auch bei der Literatursache selber auf Deiner Seite. Das Problem ist natürlich, daß das mit dem "an sich selbst glauben" offenbar nicht ganz funktioniert hat. Wer an sich selbst glaubt, bringt sich nicht um.

Ganz sicher ist der Vater der Hauptschuldige, vielleicht hätte sich der Sohn auch ohne Keatings Unterricht früher oder später etwas angetan.
Trotzdem bleibt ein Selbstmord immer eine pädagogische Niederlage für einen Lehrer. Insbesondere einen, der nicht nur seinen Stoff durchzieht, sondern die Persönlichkeit seiner Schüler verändern will.

Zitat
die Schulleitung ... bestraft den Lehrer dafür, dass er seinen Schülern eine andere Möglichkeit aufgezeigt hat


Das war eben nicht sein Auftrag. Wenn die Eltern ihre Kinder auf eine Schule schicken, die einen bestimmten Bildungsauftrag verspricht - dann ist das schon ein Problem, wenn ein Lehrer eigenmächtig das Gegenteil macht.

notquite Offline



Beiträge: 506

18.08.2014 16:50
#17 RE: Der Captain Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9
Zitat von Calimero im Beitrag #8
Wenn jetzt Leute wie Miosga genau diesen Film szenisch nachspielen und das Twittervolk sich aufmacht "auf-dem-Tisch-steh'-Fotos" von sich zu posten, frage ich mich ernsthaft, ob die alle sich den Film ebenso fasziniert häufig angesehen haben, wie meine Ex den Hook, oder ob das einfach nur Attitüde ist - als common sense der Guten und vermeintlich Durchblickenden.

Richtig.

Und da offenbar alle außer mir den Film gesehen haben die Frage: Wird gezeigt, wie die Schüler wieder vom Tisch runtersteigen?
Das halte ich wirklich für einen wesentlichen Punkt.


Es wird eben doch gezeigt, wenn auch nur als Illustration dazu, dass das verantwortungslos-dekadente "Regime" des John Keating gescheitert ist und nun die "alten Mächte" wieder den Ton angeben. Der Narzisst Keating kann sich natürlich nicht ohne großen Abschied vom Hofe machen und platzt in den Unterricht seiner Boys, die sich inzwischen dafür rechtfertigen müssen, dass wesentliche Teile des Curriculums überhaupt nicht behandelt wurden und Teile des Lehrbuchs einfach durch Herausreissen dem Vergessen anheim gegeben wurden. Die Mitglieder der dead poets society verabschieden sich von ihrem Captain, indem sie die konformistische Geste des angeblichen Protests ein letztes Mal ausüben:

http://www.youtube.com/watch?v=u_N6ezGK8XE

Ich habe den Film zuletzt als Teenager gesehen. Bei heutiger Betrachtung der Schlussszene, die Keating durch die Augen eines strengen und verantwortungsvollen Lehrers als bilderstürmenden, verantwortungslosen Scharlatan zeigt (sich diese Perspektive aber explizit nicht zu eigen macht), frage ich mich ernsthaft, ob es hier nicht eigentlich auch um totalitäre Strukturen geht, in denen bestimmte Bücher und Denkweisen per Federstrich des charismatischen Captains einfach aus der Geschichte getilgt werden. Mit solch glühenden Augen wie jenen Ethan Hawkes in dieser Schlusszene sind sicher auch ganz andere romantisch veranlagte Heranwachsende ihren jeweiligen Führe äh Captains hinterhergelaufen. Am Ende eine Spiegelung zu "The Wave", nur unfreiwillig und unter anderen Vorzeichen?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.08.2014 17:08
#18 RE: Der Captain Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #17
Mit solch glühenden Augen wie jenen Ethan Hawkes in dieser Schlusszene sind sicher auch ganz andere romantisch veranlagte Heranwachsende ihren jeweiligen Führe äh Captains hinterhergelaufen. Am Ende eine Spiegelung zu "The Wave", nur unfreiwillig und unter anderen Vorzeichen?

Ja, diese Interpretation drängte sich mir auch auf. Wie immer, wenn jugendliche in Gruppe und unter Anleitung merkwürdige Verhaltensweisen entwickeln.

Mein besonderer Knackpunkt war das in der Wikipedia-Kurzbeschreibung erwähnte Exerzieren auf dem Schulhof. Das offenbar pädagogisch so gemeint gewesen sein soll, daß die Schüler die Gefahr des Konformismus sehen ...

Auch hier kann ich nur sagen: Wenn ein Lehrer meinen Sohn auf dem Schulhof zum Exerzieren veranlaßt hätte - dann hätte er Ärger bekommen. Egal mit welcher pädagogischen Begründung. Da sind Grenzen überschritten.

Übrigens hat auch Posener in der Welt seine Probleme mit dem Film und der Verwurstung in der Tagesschau.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

19.08.2014 07:40
#19 RE: Der Captain Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #18
Auch hier kann ich nur sagen: Wenn ein Lehrer meinen Sohn auf dem Schulhof zum Exerzieren veranlaßt hätte - dann hätte er Ärger bekommen. Egal mit welcher pädagogischen Begründung. Da sind Grenzen überschritten.
Und wenn der Sohn Teil der Theatergruppe ist, und diese "Exerzieren" auf dem Schulhof übt?

Abifiz Offline




Beiträge: 41

24.08.2014 17:18
#20 RE: Der Captain Antworten

.
Hallo werte Zettel-Gemeinde.



Zu den extrem vielen verabscheuungswürdigen Lastern meiner abifizischen Wenigkeit gehört auch eine obstinate cineastische Ader seit früher Jugend, wahrscheinlich noch durch meinen seinerseits einschlägig durchseuchten Vater -- ansteckungshalber -- mit-gefördert.

Deswegen fühle ich auch mich durch allerhöchste Mächte dazu berufen und gesalbt, ein Wort zum Thema großzügig zu spenden.


Zunächst:

Thema ist eigentlich die "Aussage" des -- ziemlich an-ideologisierten -- Films, nicht die schauspielerische Leistung von Robin Williams, weder die im spezifischen Film, noch die allgemeine, oder sein Sympathie-Potential sonst und überhaupt.

Wenn man sich auf diesen Punkt beschränkt, teile ich die eher negativen Einschätzungen.

Auch mir erscheint der im Film angepriesene Lehrer eher verführerisch scharlatanesk.

Zur Literatur als solchen: Für mich gehören zum Studium der Literatur auch etliche fundamentale handwerkliche Aspekte. Ohne jegliches Handwerk nur heiße Tremolo-Luft, unbesonnene Entladung, Kitsch und "pfingstliches Gottesdienstle". Literarisches-tatsächlich-an-sich-Heranlassen, ist -- zwar eher am Rande, aber eben doch -- nicht nur per semipubertären divinatorischen Schauer herbei zu beschwören, insoweit ihm noch der Aspekt des geduldig Aufmerksamen und eventuell dazu derjenige des "Bohrens-harter-Bretter" doch nicht völlig fremd sind und nicht ganz fremd sein können.

Dann: Wer "einfach so" pubertierende Schüler zum pfingstlichen deklamatorischen romantisierenden "Sich-durchschauern-Lassen" manipulatorisch verführt, handelt nicht nur als ein eigentlich erbärmlicher Lehrer, sondern auch als "venditor di fumo", als Seelen-Verdreher und Seelen-Gefährder, zumal wenn noch Gruppenüberschwang hinzukommt.
Das zum Tun des "charismatischen" (?) Lehrers. Und was ist mit seinem Lassen? Er unterläßt beinah gezielt alles, was in seinen Schülern das stabile Heranwachsen von "Fertigkeiten zum/des Leben/s" schrittweise fördern könnte. Von einer Filmlektüre "gegen den Strich" her wäre der Lehrer am Suizid* des Schülers zumindest ansatzweise mit-verantwortlich.

(Rein persönlich stehe ich darüber hinaus billigen, effekthascherischen Schwärmereien und Attitüden sehr reserviert gegenüber...)



abifiz

* Würde mich eigentlich freuen, wenn man lieber die ungewollt denunziatorische Vokabel "Selbstmord" links liegen lassen möchte...


Meine sehr kluge Signatur befindet sich noch in der Herstellungsphase. Falls keine gravierenden Inkompatibilitätsprobleme auftauchen werden, rechne ich mit ihrer Lieferung für das 1. Quartal 2034. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.

Lieber abifiz, ich habe Ihre im Entstehen begriffene Signatur ein wenig bearbeitet. Lange, aus einer ununterbrochenen Reihe von Strichen bestehende Trennungen sind ein Problem für alle, deren Monitor nicht entsprechend breit ist. (Kallias)

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

25.08.2014 09:40
#21 RE: Der Captain Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #6

Zitat
Ein Lehrer hilft ihnen dabei, in dem er die Jungs dazu anleitet, Seiten aus einem Buch herauszureißen, die ihnen erklären sollten, wie Lyrik zu verstehen ist. Das ist nichts weiter als die Aufforderung: Macht euch euer eigenes Bild, vertraut auf euch selbst.

So weit, so auf jeden Fall gut.


Dem widerspreche ich ganz entschieden.

Der Lehrer lässt einen der Schüler eine Passage aus seinem Schulbuch vorlesen, in dem in der Tat eine lächerlich-mechanistische Methode von "Lyrikverständnis" erläutert wird. (Weiß jemand, ob diese Passage aus einem echten Schulbuch stammte?) Sodann erläutert der Lehrer, warum diese Passage Unsinn ist. Soweit würde ich mich dem "so weit, so gut" anschliessen.

Aber dann weist der Lehrer die Schüler an, die betreffenden Seiten aus dem Buch herauszureißen. Das hat nichts mehr zu tun mit "macht Euer eigenes Bild". Das ist "wenn Ihr mit abweichenden Argumenten oder Meinungen nicht einverstanden seid, dann macht sie weg". Wo kämen wir da hin, wenn nachfolgende Schülergenerationen diese Passage noch vorfinden, lesen und sich damit auseinandersetzen würden! O nein! Macht kaputt, was Euch kaputt macht!

--
Non delectent verba nostra, sed prosint. - Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, 75, 3

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