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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
und wurde 2.047 mal aufgerufen
 Dies und Jenes
Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

06.10.2014 16:17
"Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

..die völlig unmöglichsten Sachen:

Ernst Raupach (1784-1852), Schelle im Monde: Ein Mährchen in vier Aufzügen und einem Vorspiel (1833):




Erster Aufzug

Scene: Das Vogeleiland im Monde; eine freie Gegend. Im Hintergrunde so hoch als möglich am Himmel die erleuchtete Erde, von welcher alles Licht ausgeht. Sie ist ungefähr vier mal so groß wie der Mond, und man erblickt darauf durch stärkere Beleuchtung ausgezeichnet Europa, Asien und Afrika.

Erster Auftritt.
Elster und Simpel mit einem Zeitungsblatte in der Hand, kommen von der Rechten.

Elster: Schön, Bruder Simpel, daß Du den Courier aus Selberlux mitbringst. Hier wollen wir ihn lesen. Seit ich politisch geworden bin, hungert mich ordentlich nach Journalen. Ich wollt', ich könnte jeden Tag hundert lesen.

Simpel: Möchte ich doch wissen, warum.

Elster: Warum? Ei, Bruder Simpel, wie kannst Du das nicht wissen? Die Religion und die Moral und die Vernunft sind abgeschafft, und dafür ist die Politik eingeführt worden: so haben wir jetzt Alles in Einem, was auch viel bequemer ist. Aber woraus soll man die Politik lernen? Nur aus den Journalen. (S.17-18)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

06.10.2014 16:23
#2 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

Das ist ja ein echter Volltreffer!
Gibt's das auch als Stück?

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

06.10.2014 16:25
#3 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

Den Text gibt's zumindest über Google Books (& bei dem Alter sollte man davon ausgehen, daß der vollständig ist - aber ist allerdings kein Verlaß auf GB ) - ansonsten sieht das allerdings mehr nach Nestroy für Arme aus. Und Fraktur muß man auch noch lesen...

http://books.google.de/books?id=o8MyAQAA...%20mond&f=false

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

06.10.2014 16:56
#4 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

Oh, ich meinte als Theaterstück. Ob das irgendwo gespielt wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

06.10.2014 18:47
#5 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Oh, ich meinte als Theaterstück. Ob das irgendwo gespielt wird.


Mit großer Sicherheit nicht. Raupach ist soo-was von vergessen, der ist selbst aus Arno Schmidts Literatur-Elysium in "Tina oder Über die Unsterblichkeit" verdunstet. Das geht übrigens vielen Mondreisenden so, zumindest frühen, die in der Levone einen Narrenspiegel irdischer Verhältnisse vorfinden, um hoffentlich der Zensur 1 Nase zu drehen - angefangen mit "Captain Samuel Brunt"s A Voyage to Cacklogallinia (1727 - die erste Imitation von Gulliver's Travels). Musikalisch stehts etwas besser, aber so richtige Repertoirestücke sind weder Haydns Il Mondo Della Luna (1777) (gut, der spielt nicht auf dem Mond, sondern tut nur so) noch Leoš Janáčeks Pan Brouček (1920) geworden. Ich fürchte, die einzige Exkursion mit diesem Reiseziel & Transport-durch-Stäbchenschwingen bleibt die von Gerd von Bassewitz. Und natürlich die beiden.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

10.10.2014 10:35
#6 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen, 2) Antworten

...das TLS vom 7. 5. 2014, in dem id Rubrik "Then and Now" eine Rezension von 1946 nachgedruckt wird, in der R. D. Charques (damals noch anonym) 2 Erzählungen von Simenon begutachtet hat:


The other story, “Blind Path”, which is set in the neighbourhood of Cap d’Antibes, similarly has its impressive moments but ultimately fails to convince. The central character is a very odd and dark-souled Russian named Vladimir, whose association with a decaying and drunken woman of great wealth is interrupted by a nameless passion for her daughter by the first of her three husbands. There is another Russian in the tale, a Caucasian youth who makes perfect pancakes and is as innocent of heart as Vladimir is the reverse of innocent. The latter strangles his rich and ravaged lady and eventually goes back to the obscurely adventurous life he has known in the past.


Die Figurenkonstellation dürfte bei Lesern eines anderen seltsamen Russens namens Vladimir ein leichtes déjà vu hervorrufen, angesichts eines Protagonisten, der sich seiner en passant geangelten ungeliebten Ehefrau entledigt, weil ihn die namenlose Passion zur Stieftochter beutelt...

Michael Maar hat 2001 auf Heinz von Lichbergs gleichnamige Erzählung von 1916 als Anregung / Vorbild / Inspiration hingewiesen (Lolita und der deutsche Leutnant) - aber die Parallele beschränkt sich auf das Motiv der Kind-"frau" als femme fatale & die Namensgleichheit. (Chemin sans issue, Gallimard, 1938, dt. Sackgasse)

Die "Urfassung" von "Lolita" war bekanntlich die Novelle "Wolschebnik" (Der Zauberer; 1986 in der Übersetzung Dmitri Nabokovs als "The Enchanter" aus dem Nachlass veröffentlicht), 1939 in Paris geschrieben:

http://en.wikipedia.org/wiki/The_Enchanter
The protagonist is a middle-aged man who lusts after a certain type of adolescent girls. Infatuated with a specific girl, he marries the mother to gain access to her. The mother, already sick, soon passes away, and the orphan girl now is in his care. He takes her on a tour. On their first night, she is terrified when she is exposed to his “magic wand”. Shocked at his own monstrosity, he runs out on the street and is killed by a car. None of the key persons is named; it is just "the man", "the widow" (also "mother", even "person"), and "the girl".


Die Aussage der Wikipedia ("it was his last work of fiction written in Russian") ist inkorrekt: VNs letztes auf Russisch geschriebenes Werk war der Fragment gebliebene Roman "Solus Rex" (Winter 1939- Mai 1940), von dem das Eingangskapitel "Ultima Thule" (Sovremennye zapiski, Nr. 70, Paris, 1940) & ein Abschnitt aus der Schlußphase unter dem Arbeitstitel (Novye zhurnal, Nr. 1, New York, 1942) publiziert wurden. [/]

Paul Offline




Beiträge: 1.285

12.10.2014 01:42
#7 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

Hab gerade bei Google gesehen:
Der Bruder heißt Gimpel und nicht Simpel.
Der Gimpel ist ein Dompfaff oder Blutfink.

Herzlich, Paul

edit:

Zitat
Früher stellte der Gimpel ein Symbol für Tölpelhaftigkeit, Ungeschicklichkeit und Dummheit dar.


http://de.wikipedia.org/wiki/Gimpel_%28Art%29

Noch ein notwendiges edit:
Bei mir war zunächst die Seite mit Erster Aufzug, Erster Auftritt, Scene: Vogeleiland im Monde, zu sehen. Dort gibt es einen Gimpel.
Als ich dann weiter gelesen habe und wieder zurück auf Anfang wollte, sah ich dann den Simpel. Den gibt es also auch noch. Aber ganz am Anfang.
S und G kann man bei dieser Schrift leicht verwechseln.
Als Jahrgang 38 bin ich etwas geübt in dieser Schriftart, weil ich schon sehr frühzeitig gerne und viel gelesen habe. Damals gab es noch viele Bücher in Fraktur. 40 Bände Karl May habe ich so gelesen. Deshalb kann ich das noch.

___________________________
In dubio, pro reo.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

12.10.2014 03:48
#8 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #7
S und G kann man bei dieser Schrift leicht verwechseln.


In der Tat. Besten Dank, lieber Paul, für die Correctur. Ähnliches gilt ja auch für A & F (zumeist aber nur für die Majuskeln) - das bekannteste Beispiel ist wohl das hier. Vor dem Zeitalter der Suchmaschinen war das immer eine Freude für Recherchöre, die im Brockhaus auf Literaturangaben wie "G.Simpel, Seosraphie, o.J." stießen. - „Laßt Euch nie mit'n häutijen jungn Mädchn ein! - die könn'n 3/4 Eurer Bibliothek nich mehr lesn, bloß wegn der Fraktur; d's 'ss eine echte & tiefe Kluft." (Arno Schmidt, Abend mit Goldrand, 104)

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

10.11.2014 18:20
#9 RE: Roboter übersetzen Antworten

Quisquilia bibliographica: beim Versuch, den Untertitel der ersten vollständigen isländischen Übersetzung von Swifts "Gullivers Travels" ("nýrri glæsilegri þýðingu Jóns St. Kristjánssonar með fróðlegum inngangi hans um baksvið verksins og höfund þess og ítarlegum skýringum" ) mit Sinn zu unterlegen, kommt mir folgende Pressenotiz unter:

http://www.pressan.is/Menningarpressan/L...andate=20111118

- mit kurzen Bemerkungen zu Buch & Umfeld, u.a. zum Lob der Autorkollegen: "...eins og skáldið John Gay sagði í bréfi til höfundar sama ár." - also: "wie der Dichter John Gay in einem Brief in selben Jahr an der Verfasser schrieb".

Was macht Google Translate daraus? Bingo: "wie der Dichter John Homosexuell sagte in einem Brief an den Autor desselben Jahres."

Also wenn die bei der Sternenflotte auch solche Matrizen auf ihren Universalübersetzern laufen haben, wunderts nicht, wenn die Klingonen immer so verschnupft sind.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

10.11.2014 18:30
#10 RE: Roboter übersetzen Antworten

Am 5. November schlage ich zufällige ein Physikbuch(*) auf,und was finde ich:

Zitat
"A desperate disease requires a dangerous remedy" Guy Fawkes



*: Daher ein Lesetipp: Quantum Field Theory for the Gifted Amateur

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

10.11.2014 21:08
#11 RE: "Ich lese gerade..." (II: Fundstellen) Antworten

In anderen Kulturen ist bekanntlich alles anders - besonders in Ostasien mit seiner ganz-anderen Ästhetik, Kultur, seinem Verhältnis zur Tradition ... Als Grundlegender Versuch, das Spezifische, Singuläre der (klassischen) japanischen Ästhetik zu umreißen, gilt Tanizaki Junichiros (1886-1965) Essay "Inei raisan", "Lob des Schattens", 1933 (engl. Ü. 1977: "In Praise of Shadow", dt. 1987).

Aus der 1. dt. Übersetzung von Eduard Klopfenstein, bei Manesse in Zürich:



"Mit Betroffenheit stelle ich fest, dass sich die Alten, wie es scheint, überall auf der Welt in ähnlicher Weise äussern; je älter der Mensch wird, desto mehr kommt er auch ohne besonderen Anlass zur Überzeugung, früher sei ales besser gewesen als in der Gegenwart. Das heisst, die Alten vor hundert Jahren sehnten sich nach der zeit vor zweihundert Jahren, die Alten vor zweihundert Jahren trauerten der Zeit vor dreihundert Jahren nach, und zu keiner Zeit waren sie je mit der eigenen Gegenwart zufrieden. Dies gilt gerade auch für die jüngste Zeit: Nicht nur schreitet die Kultur sehr rasch voran; unser Land befindet sich überdies in einr ganz speziellen Situation, und deshalb entsprechen die Veränderungen, die seit der Meiji-Restauration [= 1868] im Vergleich zu vorher eingetreten sind, einer Entwicklung von vielleicht dreihundert oder gar fünfhundert Jahren. Wie ich das so hinschreibe, komme ich mir selber komisch vor; ich bin also auch schon so weit, dass ich derartige Altersweisheiten nachzubeten beginne." (S. 75)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

11.11.2014 20:44
#12 RE: Roboter übersetzen Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #10
Am 5. November schlage ich zufällige ein Physikbuch(*) auf,und was finde ich:

Zitat
"A desperate disease requires a dangerous remedy" Guy Fawkes


*: Daher ein Lesetipp: Quantum Field Theory for the Gifted Amateur


Was für ein bemerkenswerter Zufall!

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

06.01.2015 20:45
#13 Fundstelle Antworten

Eric Hoffer, "Israel's Peculiar Position"


"The Jews are a peculiar people: things permitted to other nations are forbidden to the Jews. Other nations drive out thousands, even millions of people and there is no refugee problem.
Russia did it, Poland and Czechoslovakia did it. Turkey threw out a million Greeks and Algeria a million Frenchman. Indonesia threw out heaven knows how many Chinese and no one says a word about refugees.
But in the case of Israel, the displaced Arabs have become eternal refugees. Everyone insists that Israel must take back every single one. ... Other nations when victorious on the battlefield dictate peace terms. But when Israel is victorious, it must sue for peace. Everyone expects the Jews to be the only real Christians in this world. Other nations, when they are defeated, survive and recover but should Israel be defeated it would be destroyed.[...]
The Jews are alone in the world.
If Israel survives, it will be solely because of Jewish efforts. And Jewish resources."


[Die Juden sind ein merkwürdiges Volk. Dinge, die anderen Nationen gestattet sind, sind den Juden untersagt. Andere Nationen vertreiben Tausende, sogar Millionen von Menschen, ohne dass es ein Flüchtlingsproblem gibt.
Rußland hat es so gemacht, Polen und die Tschechoslowakei auch. Die Türkei vertrieb eine Million Griechen und Algerien eine Million Franzosen. Indonesien hat unzählige Chinesen vertrieben; aber niemand redet über die Flüchtlinge.
Aber im Fall Israels sind die vertrieben Araber zu Flüchtlingen auf Ewigkeit geworden. Jedermann besteht darauf, daß Israel jeden einzelnen von ihnen zurückkehren lassen muss. [...] Andere Nationen, die im Krieg siegreich sind, diktieren die Friedensbedingungen. Aber wenn Israel siegt, muss es um Frieden betteln. Jeder erwartet, daß die Juden die einzigen wahren Christen auf der Welt sein sollen. Andere Nationen, die besiegt werden, überleben und können sich erholen - aber wenn Israel unterliegen sollte, wird es vernichtet werden.
Die Juden stehen allein auf der Welt. Wenn Israel überlebt, dann einzig durch jüdische Anstrengungen - und jüdische Mittel.]

Und jetzt kommt's: Der Aufsatz ist im Mai 1968 erschienen (Los Angeles Times, 26.5.1968).

Paul Offline




Beiträge: 1.285

09.01.2015 21:39
#14 RE: Fundstelle Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #13
Die Juden stehen allein auf der Welt. Wenn Israel überlebt, dann einzig durch jüdische Anstrengungen - und jüdische Mittel.]

Und jetzt kommt's: Der Aufsatz ist im Mai 1968 erschienen (Los Angeles Times, 26.5.1968).


Lieber Ulrich Elkmann,
danke für die Fundstelle und als Einsprachler danke ich auch für die Übersetzung.

Es ist wirklich unglaublich wie hellsichtig der Verfasser schon 1968 war.

LG, Paul

___________________________
JE SUIS CHARLIE

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