Zitat Ich möchte die Anhänger der Ordnungspolitik bitten, auf drei konkrete Fragen einzugehen, auf die ich bislang keine befriedigende Antwort bekam.
Erstens: Wie geht man mit einer anhaltenden Rezession um? Mit einer Konjunkturspritze durch den Staat? Oder einer geldpolitischen Lockerung durch Nullzinspolitik und Anleihenkäufe? Oder macht man gar nichts? Sinn akzeptiert die keynesianische Position der Konjunkturspritze, wenn auch nur als Ausnahme von einer Regel. Die meisten Ordoliberalen tun das aber nicht.
Die richtige Antwort aus Sicht eines (vielleicht mittlerweile ehemaligen) bekennenden Ordo-Liberalen ist: Hans-Werner Sinn, so groß sein ökonomischer Sachverstand auch sein mag, hat in diesem Punkt unrecht. Die keynesianische Position der Konjunkturspritze ist weder eine liberale noch eine richtige Antwort auf die anhaltende Rezession. Richtig wäre, die strukturellen Defizite der Eurozone und ihrer Mitgliedsstaaten anzugehen, die Industrie in den "Krisenstaaten" durch weniger Regulierung (und bessere Gesetze) konkurrenzfähig zu machen und den Grad der Wettbewerbsfähigkeit in den Kernländern mindestens zu halten. Nebenbei ist die richtige Antwort immer: weniger Regulierungen, mehr Wettbewerb, bessere Ausbildung, mehr Innovation. Weniger Steuerlast, weniger Sozialabgaben und vor allem weniger Staatsintervention.
Zitat Zweitens: Die Ordoliberalen haben ihre Zweckehe mit den Monetaristen just in dem Moment beendet, als es nicht mehr kommod war. Das Wachstum der Geldmenge ist seit Jahren so schwach, dass auch die Monetaristen eine expansive Geldpolitik fordern - was den Ordoliberalen deutscher Prägung nicht passt. Wenn die Ordoliberalen jetzt keine Monetaristen mehr sein wollen, was sind sie dann? Reduziert sich das Ziel einer ordoliberalen Geldpolitik dann vorrangig auf die Interessensvertretung deutscher Sparer?
Die Position der Ordo-Liberalen ist recht einfach: Umsetzung des liberalen Programms mit mehr Wettbewerb und weniger Staatsintervention. Sie unterscheidet sich von der klassischer und neuer Liberaler (insbesondere der Schule um Mises) nur in Nuancen, nämlich der Akzeptanz staatlicher Rahmensetzung für die Wirtschaft. Wobei das Ausmaß dieser Rahmensetzung sicherlich zwischen den einzelnen Ordo-Liberalen deutlich diskutiert werden. Ich würde immer noch eine geringstmögliche staatliche Intervention bevorzugen - nämlich eigentlich nur den klassischen gesetzlichen Rahmen, der bei uns insbesondere durch UWG und spezielle Gesetze bei besonderen Waren gegeben ist. Während ich den größten Teil der staatlichen Rahmensetzung in DE und der EU als "too much" bezeichnen würde.
Zitat Die dritte Frage lautet: Ist es möglich, das ordnungspolitische Modell von einer relativ kleinen offenen Volkswirtschaft wie Deutschland auf eine relativ große eher geschlossene Volkswirtschaft wie den Euroraum oder die USA zu übertragen? Große Wirtschaften ticken anders. Sie können ihre Probleme nicht so leicht auf den Rest der Welt abwälzen. Sie können zum Beispiel nicht extreme Handelsüberschüsse einfahren, ohne dabei die Weltwirtschaft insgesamt zu beeinträchtigen. Funktionierte die deutsche Ordnungspolitik vielleicht nur deswegen, weil andere eben keine Ordnungspolitik hatten?
Zuerst einmal sind weder die USA noch der Euroraum "große, geschlossene Volkswirtschaften". Mit Ausnahme Chinas vor der ökonomischen Öffnung dürfte diese Definition wahrscheinlich kaum eine Volkswirtschaft erfüllt haben. Münchau macht hier einen ganz kapitalen Fehler: er nimmt an, anstatt empirische Daten zu erheben. Die USA haben nicht nur keine extremen Handelsüberschüsse, sie haben nicht einmal eine annähernde Handelsparität. Sondern gewaltige Handelsdefizite - quasi leiht die ganze Welt den USA Geld und Waren. Die USA sind damit eine offene Volkswirtschaft. China z.B. hat gewaltige Handelsübschüsse (mittlerweile gehabt?) - es verleiht also Geld. Das Problem der deutschen Ordnungspolitik - und der Grund, warum sie jetzt an ihre Grenzen stößt - ist, dass die Kapitalerträge und Exporterträge nicht mehr vernünftig re-investiert werden können. Viele Investoren würden sicherlich gerne die Erträge aus dem deutschen Außenhandel in den Problemstaaten investieren - wenn es denn dort Objekte und Firmen gäbe, die man guten Gewissens kaufen/in die man investieren könnte...
Münchau baut hier insgesammt ohnehin nur ein True-Scotsman-Argument auf: Hans-Werner Sinn hat dieses gesagt und er sei Ordoliberal und die Ordoliberalen haben diese und jene Position und so weiter. Und Sinn könne ja gar kein echter Ordoliberaler sein, denn er akzeptiere ja Keynes. Und die anderen Ordoliberalen, die eigentlich ja auch nur die neoliberale Pest sind, die sind auch keine echten, weil sie eben keine Monetaristen sind, sondern nur das Wohl der deutschen Sparer im AUge hätten.
Belege bleibt Münchau(sen) wie immer schuldig. Ich diesmal auch. Wer meine Position nachvollziehen möchte, lese bitte Mises.
Sollte der Spiegel jemals eine ordoliberale - oder auch nur genuin liberale - Position korrekt & nachvollziehbar referieren, fresse ich einen Besen, komplett & ohne Konservierungsstoffe, fair gehandelt & aus nachhaltigem Anbau, glutenfrei & makrobiotisch bei abnehmendem Mond geerntet, um den Dihydrogenmonoxidgehalt zu reduzieren.
Zitat Die richtige Antwort aus Sicht eines (vielleicht mittlerweile ehemaligen) bekennenden Ordo-Liberalen ist: Hans-Werner Sinn, so groß sein ökonomischer Sachverstand auch sein mag, hat in diesem Punkt unrecht. Die keynesianische Position der Konjunkturspritze ist weder eine liberale noch eine richtige Antwort auf die anhaltende Rezession.
Zitat
Richtig wäre, die strukturellen Defizite der Eurozone und ihrer Mitgliedsstaaten anzugehen, die Industrie in den "Krisenstaaten" durch weniger Regulierung (und bessere Gesetze) konkurrenzfähig zu machen und den Grad der Wettbewerbsfähigkeit in den Kernländern mindestens zu halten. Nebenbei ist die richtige Antwort immer: weniger Regulierungen, mehr Wettbewerb, bessere Ausbildung, mehr Innovation. Weniger Steuerlast, weniger Sozialabgaben und vor allem weniger Staatsintervention.
Mal eine ketzerische Frage: Schließen sich denn beide Positionen aus? Also im ersten Punkt den (angeblichen) Ordoliberalen zu widersprechen und eine "Konjunkturspritze" oder ein höhere Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen des Staates zu fordern, aber im zweiten Punkt der Forderungen nach einer Befreiung der Realwirtschaft von unnötigen Fesseln, Korsetten, Zentralverwaltungsphantasien und Ineffizienzen zuzustimmen?
Zitat Die richtige Antwort aus Sicht eines (vielleicht mittlerweile ehemaligen) bekennenden Ordo-Liberalen ist: Hans-Werner Sinn, so groß sein ökonomischer Sachverstand auch sein mag, hat in diesem Punkt unrecht. Die keynesianische Position der Konjunkturspritze ist weder eine liberale noch eine richtige Antwort auf die anhaltende Rezession.
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Richtig wäre, die strukturellen Defizite der Eurozone und ihrer Mitgliedsstaaten anzugehen, die Industrie in den "Krisenstaaten" durch weniger Regulierung (und bessere Gesetze) konkurrenzfähig zu machen und den Grad der Wettbewerbsfähigkeit in den Kernländern mindestens zu halten. Nebenbei ist die richtige Antwort immer: weniger Regulierungen, mehr Wettbewerb, bessere Ausbildung, mehr Innovation. Weniger Steuerlast, weniger Sozialabgaben und vor allem weniger Staatsintervention.
Mal eine ketzerische Frage: Schließen sich denn beide Positionen aus? Also im ersten Punkt den (angeblichen) Ordoliberalen zu widersprechen und eine "Konjunkturspritze" oder ein höhere Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen des Staates zu fordern, aber im zweiten Punkt der Forderungen nach einer Befreiung der Realwirtschaft von unnötigen Fesseln, Korsetten, Zentralverwaltungsphantasien und Ineffizienzen zuzustimmen?
Nein, sie schließen sich zwar nicht aus, aber die Staatsverschuldung zu erhöhen und ein "Konjunkturprogramm" aufzulegen, das ist keine vernünftige ordnungspolitische Herangehensweise. Direkte Subventionen oder Geldspritzen würden den Wettbewerb verzerren und Punkt 2 widersprechen. Blieben Steuersenkungen oder Investitionen in Infrastruktur. Beides ist nicht ganz sinnlos, hat aber Limitierungen. Infrastruktur (so sie denn als Staatsaufgabe gesehen werden) sollte gut sein - und andere Länder haben wahrscheinlich nicht den gleichen Infrastrukturbedarf und/oder Investitionsstau wie DE. Steuersenkungen sind schön, gehen sie aber über das Mögliche hinaus, müssen die Steuern später wieder erhöht werden, um die angelaufenen Staatsschulden zu bezahlen. Ich hielte die Ausweitung der Investitionen in die Infrastruktur gerade einmal für DE, NL und AT machbar und notwendig. Die meisten Problemländer haben allerdings eher zu viele Schulden und nicht genug Investitionsbedarf, um daraus ein machbares und notwendiges Konjunkturpaket zu stricken. Steuersenkungen sind für GR beispielsweise auch wieder völlig nebensächlich, da die Regierung in Athen eher ein Problem mit zu geringen Steuereinkommen hat als mit drückend hohen Steuern. Nicht zuletzt ist das eine ziemlich grundlegende Frage: Staatsintervention oder nicht? Jede - noch so gut gemeinte - Staatsintervention bringt die Gefahr mit sich, dass es nicht bei dieser einen bleibt. Letztlich führt der Weg der Staatsintervention dann im schlimmsten Fall (nämlich fortgesetzten Staatsinterventionen) in den Sozialismus. Daher ist es umso wichtiger, dieses Instrument nur äußerst vorsichtig anzuwenden, wenn man sich tatsächlich dazu gezwungen sieht. Infrastruktur ist ein solcher Bereich, in dem der Staat in Europa (und auch in anderen westlichen Industriestaaten) federführend und ohne (große) Gefahr der Verschlimmerung oder Ausweitung des Interventionismus agieren kann.
Daher kann man sagen: zusätzlich zu Deregulierungsmaßnahmen (und letztlich auch Deflation) in den Problemländern, die ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen soll, sollte man in den Kernländern, die zur Zeit besser dastehen und Exportüberschüsse erwirtschaften, die in die Jahre gekommene Infrastruktur erneuern. Falls in Einzelfällen auch in den Problemländern Infrastrukturinvestitionsbedarf bestehen sollte, ist natürlich auch da eine Verbesserung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit geboten. Jeglicher weitergehender Interventionismus sollte unbedingt unterbleiben - der Etatismus und Staatsinterventionismus in Europa ist ohnehin groß genug.
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