Die Basler Zeitung veröffentlichte vorgestern (6.11.2014) ein Gespräch mit Wolf Biermann, welches mir sehr nahe geht und ist. Ich bin ihm dankbar, daß er diese Dinge fúr mich so treffend formuliert hat, wie ich dazu nie in der Lage wäre. Sein Leben unterscheidete sich natürlich grundlegend von meinem, manche seiner Gefühle und Gedanken kommen mir dennoch sehr bekannt vor. Und wenn nicht bekannt, so doch sehr nachvollziehbar.
Bei der Basler Zeitung finde ich es (noch) nicht online, aber bei AchGut
Das Gespräch enthält ganz am Ende auch einen Gedanken, der auch mich in den letzten Jahren stark beschäftigt. Und ich bin natürlich froh, daß ein Wolf Biermann (und seine Großmutter!) darin mit mir übereinstimmen. Und weil er erst am Textende auftaucht, lieber gleich hier ein Zitat:
Zitat Meine Grossmutter sagte immer: «Durch Klugheit wird man dumm.» Das war ein sehr weiser Satz. Es bedeutet nämlich, dass die Leute, die ein wenig cleverer im Kopf sind, sehr gefährdet sind, weil sie sich selber schneller und besser belügen können. Das können die einfachen Leute nicht so gut. Deswegen sind die Gebildeten und Intellektuellen gefährdeter, in den Jihad nach Syrien zu ziehen.
Wieso genau?
Weil sie aus Scheisse Frikadellen machen können. Sie können sich alles zurechtbiegen, wie es ihnen passt. Das ist der Fluch der Intellektuellen. Es ist eine Berufskrankheit der Bildungsnahen. Sie können sich elegant und wirkungsvoll selbst betrügen.
Ein Interview, welches mich sehr berührt hat und mir einen Menschen näher brachte.
Ein Interview, welches des Weiteren eine Erkenntnis beinhaltet, der man sich in diesem Land so beharrlich verweigert und die ich persönlich gerne jedem Deutschen an die Stirn heften würde:
Zitat von Wolf BiermannDie Kinder, die sich von ihren Nazi-Eltern lösen, wollen einen anderen Weg beschreiten. Aber weil sie eben einen anderen Weg gehen wollen, orientieren sie sich trotzdem an ihren Eltern. Nur in verdrehter Weise.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Ein unglaubliches Interview. Ich hatte nicht erwartet, so viel Übereinstimmung mit Wolf Biermann zu finden. Aber alles was er von seinem Weg der kommunistischen Jugend hin zur Ablehnung und Erkenntnis als Diktatur sagt, kann ich Wort für Wort bestätigen. Aus persönlicher Erfahrung. Renegaten haben es schwer. Sie werden selten ernst genommen, oft und gern missverstanden weil sie zwei Angriffsflächen bieten anstatt nur einer. Und es wird ihnen Wankelmütigkeit und Radikalismus vorgeworfen. Man traut ihnen nicht. Dabei ist ihr Weg aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit belegt. Diejenigen aber, die schon immer vor dem Gift der totalitären Indoktrination geschützt waren, haben meist wenig Kenntnis von dem, was ihnen erspart blieb und wenig Vorstellung davon, was sie bereit wären aufzugeben um ihre Integrität wiederzuerlangen oder zu erhalten. Aber dafür Weisheiten, die mir mitunter die Zornesröte ins Gesicht treiben. Sie haben nichts bewiesen, außer ihre immer wieder aufs Neue dargestellte Unfähigkeit die Feinde der offenen Gesellschaft zu erkennen und zu bekämpfen. Entweder sehen sie überall das Land in der Hand dieser Feinde oder aber sie machen sich mit ihren Zielen gemein. Sie verstehen auch überhaupt nicht die Rolle der Flüchtlinge. Sie realisieren nicht, dass das wirksamste Mittel im Kampf gegen eine Diktatur darin besteht, die Gründe, welche zu den radikalsten Maßnahmen, wie dem Mauerbau z.B., aufrechtzuerhalten. Den Freikauf von politischen Häftlingen aus der DDR als eine humanitäre Maßnahme darzustellen ist ebenso Beleg dieses Missverständnisses wie die Aussage, in der Diktatur geblieben und keine Gedanken an Flucht verschwendet zu haben (wie jüngst Johanna Wanka) weil man was verändern wollte. Wo der ganze Widerstand darin bestand, nicht in die Partei gegangen zu sein. Und das Opfer nicht Professorin werden zu können. Dieser Heuchelei entspringt dann geradezu konsequenterweise die Ansicht, die SED wäre nicht geschlagen und alles wäre viel, viel schlimmer. So was sagt nur, wer sich mit der Staatssicherheit nie angelegt hat. Wer das tat, kennt den Unterschied. So wie Wolf Biermann beispielsweise. Jeder einzelne Wirtschaftsflüchtling hat mehr zum Sturz des DDR-Regimes beigetragen als die Wankas, de Maizieres und Merkels, um mal nur ein paar aufzuzählen. Es gab natürlich die, die nicht flüchten wollten und Widerstand leisteten. Die wurden dann ausgebürgert, unter Hausarest gestellt oder ins Gefängnis geworfen. Schöne Gelegenheit diese Motzerei mal loszuwerden. Auf meinem Biermann-Thread hätte ich mir das verkniffen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #3Diejenigen aber, die schon immer vor dem Gift der totalitären Indoktrination geschützt waren, haben meist wenig Kenntnis von dem, was ihnen erspart blieb und wenig Vorstellung davon, was sie bereit wären aufzugeben um ihre Integrität wiederzuerlangen oder zu erhalten. Aber dafür Weisheiten, die mir mitunter die Zornesröte ins Gesicht treiben. Sie haben nichts bewiesen, außer ihre immer wieder aufs Neue dargestellte Unfähigkeit die Feinde der offenen Gesellschaft zu erkennen und zu bekämpfen. Entweder sehen sie überall das Land in der Hand dieser Feinde oder aber sie machen sich mit ihren Zielen gemein. [...] Dieser Heuchelei entspringt dann geradezu konsequenterweise die Ansicht, die SED wäre nicht geschlagen und alles wäre viel, viel schlimmer. So was sagt nur, wer sich mit der Staatssicherheit nie angelegt hat. Wer das tat, kennt den Unterschied. So wie Wolf Biermann beispielsweise.
Ich fühle mich ertappt. Schäme mich ein bisschen und habe etwas gelernt.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #3Schöne Gelegenheit diese Motzerei mal loszuwerden. Auf meinem Biermann-Thread hätte ich mir das verkniffen.
Motzereien können viel vermitteln. Man sollte sie sich wohl garnicht immer verkneifen.
Unglaublich finde ich diesen Brief jetzt nicht (mehr), eher schon erwartungsmäßig gut. Berührt hat er mich. Wieder. Wie das Interview. Mehr noch als dieses damals, mit jetzt etwas erweitertem Horizont.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
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