Zitat von Ludwig WeimerTerror, Kriege und Leid zeigen eine steigende Tendenz.
Ist das wirklich so? Steven Pinker liefert in The Better Angels of Our Nature ein paar überzeugende Gegenargumente.
Ja, glücklicherweise ist das nicht wirklich so. Die Wahrnehmung mag eine andere sein, aber die Realität sieht einen positiven Trend in praktisch allen Bereichen: Krieg, Hunger, Leid, Wohlstand, Lebenserwartung, Gesundheit ... Alles wird besser, allerdings wird das konterkariert durch den Überfluss an Informationen und Bilder aus aller Welt, die einen anderen Eindruck machen.
Zitat von Ludwig WeimerTerror, Kriege und Leid zeigen eine steigende Tendenz.
Ist das wirklich so? Steven Pinker liefert in The Better Angels of Our Nature ein paar überzeugende Gegenargumente.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-81015460.html Nachdem ich diesen Artikel und das angehängte Interview im Spiegel gelesen habe, muss ich leider feststellen, dass meine subjektiven Wahrnehmungen mir etwas anderes sagen als Pinkert dargelegt hat. Auch die Journalisten sind da eher skeptisch.
Dies bestätigt meine Meinung:
Zitat In der historisch belegten Menschheitsgeschichte haben knapp 14.400 Kriege stattgefunden, denen ungefähr 3,5 Milliarden Menschen zum Opfer gefallen sind. Da bisher schätzungsweise 100 Milliarden Menschen gelebt haben, musste somit jeder dreißigste Erdenbürger sein Leben durch kriegerische Handlungen lassen.
Ich kann keinen Grund sehen, weshalb sich das über Jahrtausende manifestierte Verhalten der Menschen ausgerechnet jetzt ändern soll.
Meine eigenen Beobachtungen am Buddelkasten, in der Kita, der Schule, am Arbeitsplatz und überall dort wo Menschen zusammenkommen, zusammen leben, erzeugen nicht die Hoffnung, dass sich an der Aggressivität des Menschen auch nur im Geringsten etwas ändert. Aus guten Grund würde ich auch nicht sagen, dass sie zunimmt. Sie ist vorhanden. Stetig, wie das gleichbleibende Grundrauschen im Weltall. Nur die technische Weiterentwicklung steigert den Erfolg, nicht die Zunahme der Aggressivität.
Zitat Meine eigenen Beobachtungen am Buddelkasten, in der Kita, der Schule, am Arbeitsplatz und überall dort wo Menschen zusammenkommen, zusammen leben, erzeugen nicht die Hoffnung, dass sich an der Aggressivität des Menschen auch nur im Geringsten etwas ändert. Aus guten Grund würde ich auch nicht sagen, dass sie zunimmt. Sie ist vorhanden. Stetig, wie das gleichbleibende Grundrauschen im Weltall. Nur die technische Weiterentwicklung steigert den Erfolg, nicht die Zunahme der Aggressivität. Zitat:
Als empirische Feststellung kann oder muss man das bejahen. Aber es gibt eine zweite Seite: Wenn man es nähme wie ein ewig gültiges Naturgesetz; es hätte dann einen fatalistischen Hauch; es würde die Hoffnungskraft lähmen, wenn es resignativ gemeint wäre: "Stetig, wie das gleichbleibende Grundrauschen". Sie wollen hingegen eine wahre, zutreffende Beschreibung des Befunds geben, ohne Selbsttäuschung. Wir dürfen uns durch das Wissen nicht fesseln lassen, weil wir auch nicht sicher wissen, ob unsere Beobachtungen ganz stimmen.
Wenn ich eine Kiste Äpfel habe und einer fault, wird es auf alle übergreifen, es braucht nur ein wenig Zeit. Aber niemals wird ein gesunder Apfel die andern faulen anstecken zum Gesunden. - Aber ist diese Erfahrung auch für die Menschheit ein ganz zutreffendes Gleichnis? Menschen sind keine Äpfel. Man sieht doch auch, wie wenige Einzelne, die positive Beispiele sind, Friedenshelden oder Helfer in Nöten, eine ziemliche Funktion ausüben können: Sie geben Vielen eine Hoffnung, so dass diese wenigstens weiter an den Menschen glauben können. Auch wenn sie den Beispielen nicht folgen, hat sich dadurch im Ganzen ein wenig die Stimmung und Lage verändert.
Meine Auffassung ist: Eine Zusammenarbeit von humanistischen Agnostikern und z.B. wirklich aufgeklärten und gläubigen Christen könnte auf dem Gebiet der Ethik möglich sein und einen gewissen Fortschritt bringen, gerade weil diese Symbiose unerwartet und ungewöhnlich ist. Beide sehen den Menschen in seinen Schwächen ehrlich, aber auch barmherzig. Beide könnten noch etwas voneinander lernen. Beide wären die geborenen Bundespartner: religionskritisch und weltengagiert.
inwiefern kann bei Ihrem Anliegen Teilhard de Chardin eine Vermittlerrolle spielen, indem er die „Rückkehr von Welt und Geschichte zu Gott als Ergebnis eines in der Geschichte geschehenden evolutionären Vervollkommnungsprozess“ (Eschatologie des Punktes Omega) betrachtet? Und inwiefern kann er es nicht?
Ihr Gastbeitrag hat mich in beiden Teilen unmittelbar angesprochen. Im ersten Teil finde ich den Kern-Satz im Ratzinger-Zitat aus dem Bundestag:
Zitat Wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt wäre? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes Herz - die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen."
Die Unterscheidung von Gut und Böse - in der Genesis heißt es an dieser Stelle: "Da gingen ihnen die Augen auf und sie sahen, dass sie nackt waren."
Wie wahr - so nackt wie etwa Thomas Middelhoff, als er vorgestern im Essener Gerichtssaal verhaftet wurde. Die Bibel kennt den Menschen besser als Strafrecht und Politik. Sonst hätte Jesus seine Jünger nicht gelehrt zu beten: "Führe uns nicht in Versuchung" Wie hätte ich wohl reagiert, wenn ich den Versuchungen etwa eines Herrn Middelhoff ausgesetzt wäre?
Zitat Die Naturwissenschaft und die Techniken besitzen nur das Können, aber beherrschen nicht das Wollen.
Ich war beeindruckt neulich, als Ranga Yogeshwar, der Star-Wissenschaftler (bzw. Wissenschafts-Journalist) der ARD in der Runde von Günther Jauch als einziger wirklich vernünftig begründen konnte, warum er von 'social freezing' gar nichts hält. Die Wissenschaft stellt eben genau den Unterscheidungsmaßstab nicht zur Verfügung. Er kann nur von der jeweiligen Person in ihrer Willensfreiheit selbst gefunden werden. Auch Naturwissenschaftler aber leben von Wünschen, Träumen, Hoffnungen - die Frage ist nur die Orientierung: woran?
Zitat von Daska im Beitrag #6Sehr geehrter Herr Weimer,
inwiefern kann bei Ihrem Anliegen Teilhard de Chardin eine Vermittlerrolle spielen, indem er die „Rückkehr von Welt und Geschichte zu Gott als Ergebnis eines in der Geschichte geschehenden evolutionären Vervollkommnungsprozess“ (Eschatologie des Punktes Omega) betrachtet? Und inwiefern kann er es nicht?
Beste Grüße Daska
Eine schöne Anfrage von Ihnen, danke, zumal ich in meiner Jugend wie viele diesen Mitausgräber des homo pekinensis und synthesesuchenden Jesuiten sehr verehrt und mich durch ihn an der Kirche festgehalten habe. Er war ja lange misskannt, wurde aus Frankreich nach China 'verbannt' und erst später in seinem Anliegen rehabilitiert. Wie denke ich heute über seine Methode und seinen zu großen Optimismus, wie das Urteil von skeptischeren Geistern lautet? Teilhard glaubte an eine Vision, welche die Evolution der Naturgeschichte und die menschliche Geistesgeschichte, er nannte es die Biosphäre und die Noosphäre, auf ein und derselben Ebene einem Punkt Omega zustreben sah, so dass das Negative und das Böse einmal überwunden wären und der ganze Kosmos 'christusförmig' werde, also auf dem ethischen Niveau Jesu landet. Er hat das nicht von der Politik erwartet, sondern als Folge der Fortschritte der Wissenschaft, der Einsicht der ganzen Menschheit, letztlich natürlich als Ausführung des göttlichen Plans und der Gnade der Berufung aller Menschen zum Ähnlichwerden mit Jesus, er sagte zum kosmischen Leib Christi.
Ich halte heute diese Vision für einen Protest gegen das Jahrhundert, in dem Tailhard lebte und gegen die ängstliche und müde Kirche. Ich denke, ein moralischer Fortschritt in der Menschheit ist viel schwieriger. Die fortschreitende Wissenschaft allein kann aus sich heraus nicht helfen. Es war in diesem Blogthema schon die Rede von der Anwendung, mit der die ethsiche Frage für die Naturwissenschaft beginnt. Auch die Geistesgeschichte läuft von sich aus nicht einfach auf einen positiven Fortschritt zu (wir können freilich sehr viel aus der falsch gelaufenen Geschichte lernen). Teilhard dachte natürlich auch vor allem an den künftigen Beitrag einer neuen gereinigten, aufgeklärten Lesart von Christentum.
Lassen Sie mich den Blick noch einmal auf die genaue Fragestellung lenken: Sollte der eingeschlafene Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie nicht neu auf der praktischen Ebene und mit den schlichten und alle Seiten angehenden ethischen Fragen beginnen, statt mit der Diskussion einer Vereinbarkeit von kosmologischen Modellen und Ideen dahinzudümpeln (oder klarer gesagt in verschiedenen Häfen vor Anker liegen zu bleiben)? Das heißt: Kann, wo kann, wie kann eine angewandte Naturwissenschaft das richtige Böse überhaupt erkennen, benennen und bändigen? Kann und wie kann sich die jüdisch-christliche Philosophie und Theologie mit ihrer geschichtlichen Erfahrung im Umgang mit dem Bösen terminologisch so ausdrücken, dass sie verstanden werden kann? Können beide in Urteilen und Ratschlägen zusammenkommen? Vielleicht kann man die Anfrage nach einer Mithilfe der historischen Wissenschaft noch hinzufügen (Die Deutschen wurden heute für ihre einmalige Schuldeingeständnis- und Gedenkenkultur im Bundestag jüdischerseits fast zu auffällig gelobt).
Sehr geehrter Herr Weimer, haben Sie vielen Dank für die präzise Antwort, sowie für die Rückführung auf Ihr eigentliches Thema:
Zitat „Sollte der eingeschlafene Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie nicht neu auf der praktischen Ebene und mit den schlichten und alle Seiten angehenden ethischen Fragen beginnen“?
Gerne. An welche Fragen denken Sie da? Und: Nach welchen (wessen) Regeln soll dieser Dialog geführt werden? Der Diskurs-Ethik scheinen Sie nicht sehr viel abgewinnen zu können:
Zitat „Manche meinen, zwischen zwei Personen könne vertraglich alles ausgehandelt werden, erlaubt sei alles, worin beide übereinstimmen.“
Ich persönlich halte die Diskurs-Ethik für gar nicht so schlecht, sie scheint außerdem in weiten akademischen Kreisen anerkannt zu sein. Allerdings wirft man den Kirchen vor, mit Vorbehalten in den offenen Diskurs zu gehen, da sie teilweise von Prinzipien ausgingen, von denen abzurücken sie nicht bereit seien, sodass eine freie Konsenssuche in ethischen Fragen unter Mitbeteiligung kirchlicher Akteure nicht funktioniere (z.B. in der Ethikkommission des Deutschen Bundetages).
Immerhin: Jedes moralische Urteil setzt zunächst Sachkenntnis voraus (die auf naturwissenschaftlichem Erkenntnisweg gewonnen werden kann), bevor dann (nach welchem Maßstab?) ein Werturteil (Aufgabe der Theologie, der Naturwissenschaft, der Ethik?) gefällt werden kann.
Bewegen sich diese Gedanken in die Richtung, die Ihnen vorschwebt?
Ein ethisches Urteil im Anwendungsfall eines naturwissenschaftlichen z. B. eines technischen oder medizinischen Fortschritts zu finden, ist in der pluralistischen Welt natürlich eine Sache des Diskurses und Kompromisses. Minderheitsmeinungen haben meist keine Chance. Vor allem, wenn sie 'fundamentalistisch' sind. Hingegen lässt sich doch beobachten, dass sich auch kleine Gruppen politisch durchsetzen können, wenn sie liberale Lösungen vorschlagen (Beispiel: Homo-Ehe).Ich halte das übrigens für eine ganz moderne postchristliche Folge der grundsätzlichen Achtung von Minderheiten (auch des Subsidiaritätsprinzips) und der Religionsfreiheit.
Die katholische Meinung zu einem Problem hat zunehmend weniger eine Chance, obgleich hier behauptet wird, sie sei der Natur abgelauscht und daher für alle und nicht nur für Katholiken gültig, gewöhnlich fügt man hinzu "für alle Menschen guten Willens". Und da liegt der Hase im Pfeffer. Das Vernünftige, Richtige ist beileibe nicht so offensichtlich, dass es von selbst der Mehrheit einleuchtet. Wir haben Schleier vor den Augen oder zumindest farbige Brillen auf oder so was ( siehe Thema "Erbsündefolgen").
Daher habe ich die Frage so gestellt: Kann die Wissenschaft, zunächst einmal die Naturwissenschaft im Anwendungsfall allein aus sich das ethische Urteil finden? Llarian schrieb in seinem Blogbeitrag vom 17. 11. 14 mit dem Titel „Alles wird gut. Oder besser. Ein Gedankensplitter zur Zukunft und wider den Fatalismus“ den folgenden Satz: "Nahezu alle Probleme, die Gesellschaften durch die letzten Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, erlebt haben, sind mit zunehmendem technischen, philosophischen oder überhaupt wissenschaftlichem Fortschritt deutlich geringer geworden." Bezüglich der Seuchen, Hungersnöte und des Lebensalters, auch der Bildungschancen u.a. trifft das zu. Aber es gibt mehr Leidensformen. Llarian hat vorsichtigerweise das Wort "philosophischen" Fortschritt eingefügt. Er wird es als Geistesbildung und humanistischer Gewissensbildung verstehen. Wer aber hat diese Bildung dorthin gebracht? Nicht die Erdölbohrer, nicht die naturwissenschaftlichen Fächer in der Schule.
Ich plädiere für einen Dialog, eine Zusammenarbeit von Wissenschaften und Aufklärung (humanistische Agnostiker und aufgeklärte Christen z. B.). Ich sehe folgendes Problem: Wissenschaft reicht bis zum Erkennen und nützlichen praktischen Umsetzen. Was aber wollen wir bei der Umsetzung? Und wie kommen wir dazu, dass wir das machen, was wir wollen, also zur Durchsetzung des guten Willens? Nicht das Erkennen des Nötigen ist schwierig. Pläne gibt es rasch und viele. Aber die Kraft zur Durchsetzung? Wie kann man man den Willen motivieren? Es gibt philosophische Schulen, die dieses Problem diskutierten: Wissen/Wahrheit - Wille/Liebe. Was ist primär oder wie kommt beides zusammen? Man muss die Lust, die Liebe zur Durchsetzung des als wahr Gefundenen haben oder finden, sonst wird nichts 'Wahres' realisiert.
Und hier sehe ich die Bedeutung philosophhischer und theologischer Motivationen, die den psychologischen Faktor einschalten können (Ich will, das Wort ist mächtig... Die Sterne reißts vom Himmel, das eine Wort ich will"). Haben manche Naturwissenschaftler - vielleicht vor lauter Angst um die 'Reinheit' ihrer Wissenschaft - diese zweite Welt (Emotion, Motivation, Wille) ausgeblendet? Oder weil sie wissen, es ließe sich heute, nach Kant, nicht mehr objektiv, also sicher, definieren, was gut und böse ist? Resignieren sie angesichts der Subtilität der Erkenntniskritischen Philosophie? Außerdem ist leider weithin unbekannt, dass es nicht nur "Religionen" gibt, sondern auch eine aufgeklärte Form der Doppelreligion Judentum und Christentum. Aber das ist eine eigene Geschichte.
"Haben manche Naturwissenschaftler - vielleicht vor lauter Angst um die 'Reinheit' ihrer Wissenschaft - diese zweite Welt (Emotion, Motivation, Wille) ausgeblendet?". Wahrscheinlich schon, soweit ich mir überhaupt ein Urteil dazu erlauben darf. ,Intersubjektiv nachprüfbar und stets reproduzierbar, unter den selben Bedingungen': Da gibt es keinen Platz für persönliche Parameter. Allerdings muss jedes noch so exakte Messergebnis von einem Menschen mit Emotion, Willen und Ziel interpretiert werden. So ganz "rein" scheint also selbst die Naturwissenschaft nicht zu sein, sobald der Naturwissenschaftler ins Spiel kommt, oder? Spannend wäre die Frage, was ein Naturwissenschaftler zu Ihren Gedanken sagen würde.
Reisender
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gelöscht
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Beiträge:
18.11.2014 20:44
#12 RE: Schulterschluss zwischen humanistischen Agnostikern und wirklich aufgeklärten, gläubigen Christen
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #8 Das heißt: Kann, wo kann, wie kann eine angewandte Naturwissenschaft das richtige Böse überhaupt erkennen, benennen und bändigen? Kann und wie kann sich die jüdisch-christliche Philosophie und Theologie mit ihrer geschichtlichen Erfahrung im Umgang mit dem Bösen terminologisch so ausdrücken, dass sie verstanden werden kann?
[img]http:/[quote="Daska"|p117259]"Haben manche Naturwissenschaftler - vielleicht vor lauter Angst um die 'Reinheit' ihrer Wissenschaft - diese zweite Welt (Emotion, Motivation, Wille) ausgeblendet?". Wahrscheinlich schon, soweit ich mir überhaupt ein Urteil dazu erlauben darf. ,Intersubjektiv nachprüfbar und stets reproduzierbar, unter den selben Bedingungen': Da gibt es keinen Platz für persönliche Parameter. Allerdings muss jedes noch so exakte Messergebnis von einem Menschen mit Emotion, Willen und Ziel interpretiert werden. So ganz "rein" scheint also selbst die Naturwissenschaft nicht zu sein, sobald der Naturwissenschaftler ins Spiel kommt, oder? Spannend wäre die Frage, was ein Naturwissenschaftler zu Ihren Gedanken sagen würde.[/quote] /[/img] Ich möchte - oder vielmehr: ich muss - von einem Erlebnis berichten, das ich am Wochenende unmittelbar vor der Landung des Rosetta-Projektes auf dem Kometen "Tschiri" hatte: Ich war - es war schon dunkel geworden - in der mir relativ unbekannten Stadt Augsburg auf dem Weg vom Bahnhof zu meinem Hotel. Beim Überqueren des "Königs-Platzes" fiel mir ein Mann auf, der mit einem tragbaren Lautsprecher hantierte. Kurze Zeit später hörte ich seine Lautsprecher-Stimme. Die Stimme nannte Thesen, die gegenwärtig in der Öffentlichkeit gegen den "Islam" vorgebracht würden, um dessen "Friedfertigkeit" zu untergraben und setzte ihnen "ihre" (koran-gestützten) Argumente im Brustton der Überzeugung entgegen. Ich vergewisserte mich, ob ich die Stimme richtig zugeordnet hatte und setzte meinen Weg fort. - Ein einziger Gedanke aus der Situation blieb in mir haften: So etwas ist in einer freien Demokratie möglich!-
Was hat diese Begebenheit mit dem Thema zu tun, werden Sie fragen? - Ich frage Sie im Forum: Wie hätten Sie sich in meiner Situation verhalten? Welche Gedanken wären Ihnen möglicherweise durch den Kopf gegangen? Wie hätten Sie reagiert - aus Ihrem Vorwissen, aus Ihrem "Vorverständnis" in Bezug auf den Islam und die Worte des Religionsstifters? -
Herr Weimer hat das Ereignis des Kometenbesuchs als aktuellen Aufhänger für seine Frage nach der Moral, nach der Verantwortung des Menschen, im Geflecht der Evolution gestellt. Da kann ich selbstverständlich (falls ich dazu fähig bin) - das sind meine Gedanken - zum Auftakt eines Gesprächs mein Wissen und mein "Vorverständnis" und Urteil zu so einem weltbewegenden Ereignis, das nicht nur schon 10 Jahre sich buchstäblich "anbahnte", sondern auf der gesamten naturwissenschaftlichen Erfahrung aufbaut, einbringen. - Was aber geschieht mit dem Hauptthema und den mannigfachen Detailfragen darin? Was hat es mit der vom Menschen zu verantwortenden Evolution auf sich? Kann, soll man dazu nichts sagen? Gibt es nicht dazu ebenso eine "Anbahnung", ein Vorwissen, (bereits) eine Basis für sozusagen ein "Gelingen" dieser Unternehmens auf der Erde, von dem wir zeitlich gesehen gegenwärtig angeben, dass es 4,6 Milliarden Jahre zurückreiche? - Muss darüber geschwiegen werden? Wo bleibt unser Wille, nicht nur "Hintergrundwissenschaft" zu betreiben, sondern unser großes Wissen nutzbringend und wirklich befriedend einzubringen? - Realsymbolisch ausgedrückt: Soll das Volk Israel erst noch weiter allein seine Existenz aufs Spiel setzen müssen und ausbluten, bis wir zur Besinnung kommen und dann auch zum vernünftigen Handeln fähig würden.
Zitat von Daska im Beitrag #11"Haben manche Naturwissenschaftler - vielleicht vor lauter Angst um die 'Reinheit' ihrer Wissenschaft - diese zweite Welt (Emotion, Motivation, Wille) ausgeblendet?". Wahrscheinlich schon, soweit ich mir überhaupt ein Urteil dazu erlauben darf. ,Intersubjektiv nachprüfbar und stets reproduzierbar, unter den selben Bedingungen': Da gibt es keinen Platz für persönliche Parameter. Allerdings muss jedes noch so exakte Messergebnis von einem Menschen mit Emotion, Willen und Ziel interpretiert werden. So ganz "rein" scheint also selbst die Naturwissenschaft nicht zu sein, sobald der Naturwissenschaftler ins Spiel kommt, oder? Spannend wäre die Frage, was ein Naturwissenschaftler zu Ihren Gedanken sagen würde.
"Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, daß es zugrunde geht; Drum besser wär's, daß nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde , Zerstörung , kurz, das Böse nennt, Mein eigentliches Element."
Sehr geehrter Simon, wie Sie sehen, habe ich zuerst den vorletzten Beitrag kommentiert, in einer Art, die so gar nicht zu Ihrem Erlebnis in Augsburg und Ihren ernsthaften Fragen passt. – "Und so etwas ist in einer Demokratie möglich!" Ja, so etwas ist in einer Demokratie möglich! Ein Narr kann mehr Behauptungen aufstellen, als 1oo Weise widerlegen können, und der Staat kann nichts dagegen tun. Sie dürfen sich jeden Shabat oder Sonntag zum Gottesdienst treffen, obwohl so und so viele Zeitgenossen lieber in den Wald gehen zum Beten, oder statt zu beten, in den Schützenverein gehen, und wenn man sie direkt fragt, können sie nicht einmal antworten, was sie eigentlich schützen. – Dann fragen Sie nach meiner Meinung zum Islam, am Ende erwähnen Sie den Staat Israel (ich muss gerade immer wieder springen, zwischen meiner spontanen Antwort und Ihren Fragen). Gewähren Sie mir bitte etwas Bedenkzeit. Vielleicht können andere hierzu auch etwas sagen. Andererseits: Beruflich habe ich mit relativ vielen Moslems zu tun. Sie erlebe ich in der Regel als harmlos. Nicht harmlos hingegen war der Sohn des neuen Imam am Ort (Imame pflegen alle zwei Jahre ausgewechselt zu werden, bevor sie zu westlich werden, und werden durch neue, noch treuere ersetzt), der einen Unfrieden in unser Haus brachte. Nur eine Frage der Chemie zwischen ihm und mir oder symptomatisch für einen Zustand? –Meine Meinung zu Israel? Die einzige Demokratie im Nahen Osten. Ein ehemaliger Präsident wurde (wenn ich mich recht erinnere, als er noch im Amt war, aber das weiß ich nicht mehr so genau) einmal von einem Gericht verurteilt, wegen eines Sexualdelikts. Nicht, dass ich den Delikt gut hieße, aber den Vorgang: Ein Präsident darf von einem Gericht verurteilt werden und wird es. Wo im Nahe Osten gibt es das sonst? - Steht Israel alleine? Anscheinend ja. Und sie beziehen sich wohl auf die reale Politik, gegenüber dem realen Staat, in seinem realen Ausgesetzt-sein. (Außer Worten der Betroffenheit wird wohl aus der westlichen Welt keine Reaktion auf den Anschlag in der Synagoge heute kommen. Und aus dem Nahen Osten schon gar nicht, im Gegenteil.) Warum ich das "reale" so betone? Mir scheint, es gebe auch ein irreales Israel, bzw. mehrere, das sich die entsprechenden Gruppen, die mit "Israel" kommunizieren wollen, zurecht legen: Die einen wollen es missionieren, die anderen in ihrem So-glauben akzeptieren, die nächsten suchen den Schulterschluss und wollen von ihm lernen, weitere sehen es in einer Linie mit Mose, den Propheten und den Makkabäern, wieder andere trennen scharf zwischen den Israeliten mit der Toragabe Sinai und dem modernen Staat Israel. Gerade kam im TV eine Werbung für Urlaub in Israel: Äußerst pfiffig, Werbung mit dem Land, in dem alles begann, aber eben auch nur ein weiteres jener "irrealen" Israelbilder. (Wo wir uns doch kein Bildnis machen sollen, ...). – Vielleicht antworte ich Ihnen zu wolkig, der Gedanke mit Israel als Realsymbol ist mir für den Augenblick zu hoch. – Warum Israel? Warum nicht die Ukraine und die Separatisten, warum nicht Boko-Haram, warum nicht die modernen Menschenhändler? Oder ein Nummer kleiner und alltäglicher: Warum nicht die Lieblosigkeit an unseren Arbeitsstätten gegenüber Kollegen, warum nicht das gegenseitige Nicht-Verstehen im Privaten, warum nicht der Raubbau an der Natur (=Schöpfung?): Ein Mene-Tekel nach dem anderen. Jeder könnte sehen: Da ist etwas nicht im Lot. Jeder könnte überlegen: Was kann ich tun, damit ein Stück Welt wieder in Ordnung gebracht wird? – Sie sehen, viele (allzu?) spontane Gedanken, aber eigentlich steht noch immer die Frage im Raum: "Was ist das, das Böse?" Beste Grüße Daska
Einigermaßen überrascht bin ich, wie windschief Daska und Simon aneinander vorbei argumentieren. Hängt das an der grundsätzlichen Unschärfe einer Blog-Kommunikation? Wären sie einander in Augsburg nach der von Simon beschriebenen Königsplatz-Episode life begegnet und hätten sich darüber mündlich ausgetauscht, wären sie möglicherweise einer Meinung gewesen.
Zu dem von Simon formulierten Wunsch nach einem "vernünftigen Handeln": Da steht nun einmal vor dem Wort Handeln das Wort vernünftig, was eine gewisse Reflexion im Vorfeld voraussetzt. Und ich vermute mal, dass ein Blog nicht mehr zu leisten vermag, denn eine Plattform für Reflexionsaustausch zu sein, zumal wenn er sich auf die Fahne geschrieben hat, "VERNÜNFTIGE GEDANKEN VON GOTT, DER WELT UND DER SEELE DES MENSCHEN, AUCH ALLEN DINGEN ÜBERHAUPT" zu bieten.
Eine Illustration zum Verhältnis denken und tun: Ein Abiturfreund von mir verbrachte das Jahr vor seinem Schulabschluss mehr oder weniger damit, Solarzellen zusammenzulöten, um dann die mütterliche Tiefkühltruhe mit Sonnenenergie betreiben zu können. Um es kurz zu machen: Der Versuch misslang. Warum? Weil die Tiefkühltruhe zwar für so und so viele Watt ausgelegt ist, was auch irgendwo draufsteht, sie aber dennoch zum Zeitpunkt des Startens wesentlich mehr Strom zieht (Die echten Physiker im Forum mögen mir die schwammige Erklärung nachsehen, bitte!). "Wenn ich vorher ein bisschen mehr nachgedacht und gelesen hätte, hätte ich mir ein ganzes Jahr Arbeit erspart", war der Kommentar meines Schulfreundes, als er mir seinen Fehler erklärte. Dann hat er Elektrotechnik studiert und verdient seitdem sein Geld damit, Photovoltaikanlagen zusammenzustellen und zu montieren. Sein kleiner Betrieb wirft immerhin so viel ab, dass zwei Familien davon leben können.
Ich habe ein bisschen nachgedacht über die Formulierung mit dem "realsymbolisch" in Simons Beitrag, im Zusammenhang mit dem Volk Israel (Volk? Staat? Nation?). Zuerst wollte ich widersprechen, weil ich das Wort aus einem anderen Kontext kenne. Dann ging mir auf, dass ich eventuell ahnen könnte, was damit gemeint sei. Ich weiß ja nicht, ob eine etwaige Rückfrage meinerseits zu einem weiteren von Simon formulierten Anliegen passt: "Was aber geschieht mit dem Hauptthema und den mannigfachen Detailfragen darin? ", doch irgendwie würde ich gerne ein bisschen mehr erfahren, wie er das gemeint hat. Andererseits: Die Naturwissenschaft kennt wohl außer Icons oder irgendwelchen Abkürzung in Periodensystem & Co. keine Symbole mehr, zumindest nicht in einem tieferen Sinn, insofern lenkt meine Rückfrage vielleicht wirklich weg von dem Anliegen, Naturwissenschaft und Glaube ins Gespräch zu bringen?
Einigermaßen überrascht bin ich, wie windschief Daska und Simon aneinander vorbei argumentieren. Hängt das an der grundsätzlichen Unschärfe einer Blog-Kommunikation?
Lieber Bodu, herzlich willkommen im kleinen Zimmer! Ich fall gleich mal mit der Tür ins Haus: Wie andere Forumsmitglieder miteinander diskutieren, könnte hier erst dann zum Thema werden, wenn es persönlich wird. Diskussionen finden also zur Sache statt. Um dies zu vereinfachen, übersichtlicher auch für unbeteiligte Mitleser zu gestalten und der hier gepflegten Höflichkeit gerecht zu werden, wird entweder der Kommentator auf den man sich beziehen möchte direkt angesprochen oder man zitiert aus einem Beitrag mit der Zitierfunktion: 6. Schreiben und Zitieren. In Vorfreude auf interessante Beiträge von Ihnen,
haben Sie vielen Dank für die freundliche Begrüßung, sowie für Hinweis und Erläuterung der Forumsregeln. Impuls 1 (direktes Ansprechen eines Kommentators) wäre hiermit fröhlichst entsprochen worden. Impuls 2 (Zitierfunktion) soll auch nicht zu kurz kommen, denn anstatt weitere Gedanken in den Ring zu werfen, möchte ich an bestehende offene Fragen erinnern:
Zitat Was ist das, das "Böse"?
mfG, Reisender
Und sollten Sie, Daska, oder Sie, Simon, den Eindruck gewonnen haben, ich hätte Sie persönlich angreifen wollen, so lassen Sie es sich versichert sein, dass dem gewiss nicht so war. "Immer die Aussage des anderen retten wollen", habe ich vor weit über zehn Jahren von einem Jesuiten bei einem Vortrag vor vielen Jugendlichen, Auszubildenden und Studierenden über das Leben von Ignatius von Loyola gelernt. Und wenn das schon für ein Gespräch gilt, um wie viel mehr für ein Geblog?
Da es offensichtlich ist, dass kein gemeinsam geteilter Maßstab existiert, muss man sich dieser Frage zuwenden, das heißt deren Schwierigkeiten. Bei den Autoren (hier nach Wladimir Solowjew, Die Rechtfertigung des Guten, GA V,S.40)taucht ein Hottentotte auf - typisch, dass man in der Ferne sucht - , der behauptete, das Gute bestehe darin, dass e r viele Kühe stiehlt, das Böse darin, dass man sie i h m stiehlt; und der halte dieses Prinzip des erfolgreichen Raubs fremden Eigentums natürlich für allgemeingültig. Als Information erhielt ich folgende wirkliche Begründung bezüglich des Stammes der Massai in Ostafrika: Dieser Nomadenstamm glaubt, dass die Götter ihnen alle Tiere der Erde geschenkt haben. Sie 'stehlen' also nicht, sondern danken ihrem Gott für die Gabe. Ein junger Mann kann gar nicht heiraten, wenn er nicht als Mutprobe 5 Kühe gestohlen hat (früher: einen Löwen mit der Hand tötete).
In Europa gelten noch, weithin postchristlich abgeschwächt oder umstritten, als Restmaßstäbe neben der Tugendlehre der Griechen und Römer die Erkenntnisse der jüdischen und christlichen Bibel. Danach ist jeder Mensch durch die Geschichte des Bösen in der Gesellschaft belastet. Neben der persönlichen Versuchung zu Lüge und Gewalt habe er also zu kämpfen gegen den Unheilszusammenhang, für den er persönlich gar nichts kann.
Das Böse wird hier definiert als das, was mir selbst und anderen schadet. Was Schaden ist, hielt man für einleuchtend und bekannt. Das wird heute bezweifelt. Aber die Plausibilität ist nicht ganz verschwunden. "Sünde" ist z.B. ein Begriff der Werbung für Süßes. Schaden tut ja auch nur ein Übermaß.
Und die Wirklichkeit, auch früher in Europa? Thomas Hobbes meinte: "Die Menschen liegen der Ehre und der Würde wegen miteinander in einem beständigen Streit. Unter den Menschen entsteht hieraus sowie aus mehreren Ursachen häufig Neid, Hass und Krieg ... Der Mensch kennt bei allem, was er besitzt, keine höhere Freude als die, dass andere nicht soviel haben" (Der Leviathan, London 1651).
Der philosophische Schriftsteller Theodor Haecker hat 1927 prophezeit: "Ohne den christlichen Glauben ist Europa nur ein Sandkorn im Wirbelwind der Meinungen, Ideen und Religionen, es wird morgen auf den Knien liegen vor den Russen, übermorgen vor den Japanern, in drei Tagen vor den Chinesen, in vieren vor den Indern ...; es wird morgen das Matriarchat haben und übermorgen die Pornokratie" (Christentum und Kultur, Prolog).
Einer meiner Lehrer, J. Ratzinger, sprach vom banalen Nihilismus im heutigen Westen als dem Bösen, von einer Verwahrlosung der Frage nach der Wahrheit, von einer Pathologie der autonomisierten Ratio. Er würde aber nicht leugnen, dass es auch positive neue Werte und Normen gibt: Alltagstauglichkeit, Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Verarbeitung von Leid, Option für die Armen, Hilfe zur Selbsthilfe, Verteidigung der Privatsphäre ...
Ich glaube, dass die Erfahrung vom Gewissen, das sich deutlicher nach der Untat als vorher meldet, immer noch gilt.Es muss sich aber an objektiven Maßstäben orientieren und sich beraten lassen. Luther hat das in seiner hässlichen Polemik gegen die Juden unterlassen. Vielleicht sind die Medienleute damit überfordert, dass sie sich für die Kontroll-Weltmacht und das Sprachrohr des Gewissens halten. Das beweist am meisten jede Nachricht zu Israels Konflikten.
Keinesfalls auch z.B. soll man meinen, das christliche Maßhalten (temperantia) sei kleinbürgerliche Zurückhaltung. Nach Thomas von Aquin braucht es die Energie des Zürnens, um gegen das Böse zu kämpfen, und: "Weil die Natur des Menschen gefügt ist aus Seele und Leib und aus Geist und Sinnlichkeit, darum gehört es zum Gut des Menschen, dass er sich der Tugend ganz hingebe, nämlich sowohl mit Geist wie Sinnlichkeit wie Leib" (Über das Böse - Mal. 12,1). Er darf also zornig auftreten, wenn es um ein zu schützendes Gut geht.
Lieber Bodu, es ist an der Zeit, dass ich mich melde. Schon allein, damit ich Sie entlaste. Seien Sie also gegrüßt und entschuldigen Sie, dass ich Ihnen mit meinem Beitrag Rätsel aufgegeben habe. Sie haben ja Recht, dass in einem Diskussionsforum reflektierte Meinungen geboten werden sollten und keine Aufrufe zum Handeln. - Interessant finde ich, dass Sie einräumen, dass das Blog-Schreiben gar nicht immer so einfach ist. Es unterscheidet sich eben vom herkömmlichen Briefeschreiben durch die größtmögliche Konzentration auf ein Thema und erfordert, dass der Schreiber sich mehreren – auch unbekannten Partnern - verständlich macht. Umso mehr überraschte es mich, dass Sie dennoch auf mein rätselhaftes Schreiben eingingen: anfänglich auf mein Islam-Erlebnis, später auf meine Formulierung „real-symbolisch“ im Zusammenhang mit der bedrängten Existenz des „Volkes Israel“ und dabei sogar um ein mögliches Begreifen meiner Worte bemüht sind. -
Jeder aufmerksame Leser im Blog muss bemerkt haben, dass ich mich an ein Zitat von Daska angehängt habe – um die Diskussion auf einer m. E. von Herrn Weimer intendierten Ebene voranzubringen. Es war eine ziemlich spontane Wortmeldung. Mitbeeinflusst durch das mich völlig überraschende unmittelbare Erleben in Augsburg, das mir bedrängend aufzeigte, dass der kämpferische Islam – bildlich, mythologisch gesprochen: wie das Trojanische Pferd mit den bekannten Folgen mitten in Europa eingelassen worden ist! (Das mag einigen überzogen vorkommen – ein eigenes Parallel-Thema befasst sich lang und breit mit der Frage.) - Damit sollte schon einiges geklärt sein. Auch dass ich in Absetzung von einem nur bildlich-mythologischen den an sich tautologischen Begriff real-symbolisch verwendete. Aber auch über die Verwendung und Bedeutung des Begriffes Symbol in verschiedenen Denk- und Erfahrungsbereichen kann man sich streiten, wie Sie auch andeuten. Unstrittig ist für mich, dass gegenwärtig (wieder) vom jüdischen Volk in den Grenzen des Staates Israel in einzigartiger und unbegreiflicher Weise – sozusagen in einem täglich aufgedrängten Nahkampf - die Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse geführt werden muss, die jeder vernünftige Mensch sich so gerne vom Leib halten will. Dieser Kampf muss nicht nur gegen einen fanatischen palästinensischen Islam geführt werden. Das Böse formiert sich. Und das nicht nur in Form der Hamas, der Hizbollah, des IS oder eines vernichtungsentschlossenen Iran - rund um die unmittelbaren Grenzen Israels – sondern zudem in Form des Unverstands, wie - nicht nur eine bestimmte Presse, sondern im Grunde jeder von uns Europäern geneigt ist, die Dinge aus dem sicheren Abstand einfühlsam beurteilen zu wollen. Mit vielen Grüßen Simon
P.S. Es freut mich, dass Herr Weimer die Diskussion fundiert auf breiter sachlicher Ebene fortgesetzt hat.
Lieber Simon, danke für die differenziert-vielfältige Antwort. Um der klaren Kommunikation willen will ich mich auf ein Detail beschränken:
Zitat Jeder aufmerksame Leser im Blog muss bemerkt haben, dass ich mich an ein Zitat von Daska angehängt habe – um die Diskussion auf einer m. E. von Herrn Weimer intendierten Ebene voranzubringen. (Simon in #20)
Ich hatte demgegenüber den Eindruck gewonnen, die Beiträge hätten die ursprünglich intendierte Ebene verlassen, und nachdem zwei Tage lang keine Antwort auf Ihren und Daskas Beitrag gekommen war, unternahm ich den Versuch,
Zitat die Diskussion auf einer m. E. von Herrn Weimer intendierten Ebene voranzubringen. ()
:
Zitat Ich plädiere für einen Dialog, eine Zusammenarbeit von Wissenschaften und Aufklärung (humanistische Agnostiker und aufgeklärte Christen z. B.). (Ludwig Weimer in #10)
Gerne räume ich ein, dass die Möglichkeit besteht, das Zitat einseitig aufgefasst zu haben, und warte ab, in welche Richtung das Forum die Diskussion voranbringen möchte.
Gruß und Schluss Bodu
P.S. Ihrem Dank an Herrn Weimer für die jüngste Antwort kann ich mich nur anschließen!
The overriding, terrible theme of the 21st century is the suicide of cultures. Small civilizations die for any number of reasons; great civilizations die because they want to. ... The suicide of cultures is incomprehensible to liberalism, which places the human condition in a Petrie dish for the edification of social scientists. It is also incomprehensible to the main currents in American conservativism, that is, the Straussian and Catholic versions of natural right and natural law. We flounder in the face of suicidal cultures because we lack the intellectual tools to confront them. Men do not always seek the good, as Aristotle opines in at the outset of the Nicomachean Ethics: often they seek nothingness. [...] We learn how to grapple with cultural suicide from Ecclesiastes, from Augustine’s reflections on Ecclesiastes, and from Goethe’s reflections on Ecclesiastes in Faust, which take us to Kierkegaard, Rosenzweig and Heidegger. The latter’s embrace of “Non-Being,” as Michael Wyschogrod observed in his masterwork The Body of Faith, is consistent with his support for Hitler. [...] The Muslim Brotherhood (and its Palestine chapter, Hamas) and ISIS are the Arabic-language branches of the NSDAP, and they employ the same theater of horror to demoralize their enemies. Mere rationalism quails before such horrors. We require a phenomenology of the irrational to address it.
We simply do not understand the world in which we live.
Zitat PJ Media, 23 Nov 2014The overriding, terrible theme of the 21st century is the suicide of cultures. Small civilizations die for any number of reasons; great civilizations die because they want to. ... The suicide of cultures is incomprehensible to liberalism, which places the human condition in a Petrie dish for the edification of social scientists. It is also incomprehensible to the main currents in American conservativism, that is, the Straussian and Catholic versions of natural right and natural law. We flounder in the face of suicidal cultures because we lack the intellectual tools to confront them. Men do not always seek the good, as Aristotle opines in at the outset of the Nicomachean Ethics: often they seek nothingness. [...] We learn how to grapple with cultural suicide from Ecclesiastes, from Augustine’s reflections on Ecclesiastes, and from Goethe’s reflections on Ecclesiastes in Faust, which take us to Kierkegaard, Rosenzweig and Heidegger. The latter’s embrace of “Non-Being,” as Michael Wyschogrod observed in his masterwork The Body of Faith, is consistent with his support for Hitler. [...] The Muslim Brotherhood (and its Palestine chapter, Hamas) and ISIS are the Arabic-language branches of the NSDAP, and they employ the same theater of horror to demoralize their enemies. Mere rationalism quails before such horrors. We require a phenomenology of the irrational to address it.
We simply do not understand the world in which we live.
Interessante Überlegung. Nur ist es auch eine Überlegung wert, ob es sich beim deutschen NS, wie auch beim IS, wirklich um das Irrationale handelt. Und ob das Böse irrational ist. Mir fällt Einiges ein, das dem widerspricht. Die Verbreitung von Angst und Schrecken dient ja einem sehr rationalen Zweck. Solch ein Vorgehen war und ist zielgerichtet. Daß es sich am Ende selbst zerstört, kann auch eine Frage der Zeit sein und kann u.U. auch die weitestgehende Zerstörung des Rationalen beinhalten. Nordkorea soll hier nur ein Beispiel sein. Der Umgang mit der Barbarei ist viel zu oft geprägt von Arroganz und Historizismus. Was verhindert, dass man die Gegner so ernst nimmt, wie die Gefahr die von ihnen m.E. ausgeht. Ich denke, diese wurde und wird unterschätzt. Mein Ansatz ist, die Barbarei als allgemein existent anzusehen, vielleicht sogar in jeder Person. Nur nicht im gleichen Maß. Und die Unterscheidung zwischen Zivilisiertheit und Barbarei in der Unterdrückung und Beherrschung des Bösen zu suchen. Gerade wenn diese Herausgefordert wird. Für diese Beherrschung scheint es aber mehrere Varianten zu geben. Zwei davon treten offen zu Tage in diesen Zeiten: Die Eine ist der setzt die innere Unterdrückung im Ich nach außen fort und bekämpft mit Bedacht auf eine Weise die sich hütet nicht dem Gegner in der Wahl der Mittel zu ähneln aber trotzdem erfolgreich sein zu wollen. Die Andere steht staunend vor einem Phänomen und ringt um eine Erklärung die weder die Geschichte des Volkes dessen man angehört mit einbezieht noch die eigene Person von deren Wohlgesonnenheit man derart überzeugt und beeindruckt ist, dass das Böse auch langfristig ein unerklärbares Phänomen bleiben wird. Ohnmacht und Feigheit kennzeichnen dann die Reaktion, wenn man überhaupt davon reden kann. Wahlweise wird das Problem heruntergespielt um die realisierte Ohnmacht etwas zu verringern.
Indoktrination, Gehirnwäsche und Manipulation legen nur frei und verstärken, was aus welchen Gründen auch immer stärker im Bewusstsein von mordenden Individuen präsent ist als in dem von friedlichen.
Die Erlösung von diesem Bösen ist schon auf sehr vielfältige Weise versucht worden. Dieser Ansatz überfordert m.E. aber viele und macht sie mitunter selbst zu Menschen die anderen Leid zufügen. Deshalb wäre es besser, nicht den Weg der Selbsterlösung zu beschreiten, sondern den der Realisierung und aktiven Unterdrückung. Zivilisiertheit ist deshalb in erster Linie Selbstbeherrschung. Nur wer diese Fähigkeit herausgebildet hat, kann auch das Böse in der Welt helfen zu beherrschen.
Vielleicht passt ja zu den beiden vorherigen Beiträgen eine Beobachtung von heute Früh, in einer achten Hauptschulklasse.
Wie jeden Morgen schauten wir zum Tagesbeginn die Tagesschau in 100 Sekunden, um hinterher kurz darüber zu sprechen. Rahmenthemen war der Tod des 12-Jährigen Farbigen in den USA und die Anti-Islam-Demo in Dresden. Ausgesprochen lange, über eine Stunde lang, tauschten sich die Schüler zu den Fragen Ausländerfeindlichkeit / Islamfeindlichkeit, auch an der Schule, auch seitens der Lehrer, aus. Die Fragen aus dem Blog über das Böse im Hinterkopf ließ ich den Schüler-Beiträgen ihren Lauf.
Exemplarisch zwei Stimmen (Namen geändert): 1.) Jeanette: "Ich finde es schlimm, dass dank der Medien jeder Deutsche denkt, dass Moslems Terroristen sind! Egal ob Deutscher oder Ausländer, es sind alles einfach nur Menschen." 2) Ayse: "Wenn ein Moslem einen Menschen umbringt, dann sagen alle: Er ist ein Terrorist, er hat das vom Koran. Wenn ein Priester Kinder missbraucht, sagt doch auch niemand, der hat das aus der Bibel!"
Alles natürlich auf einem ganz anderen Level als all die wertvollen Beiträge im Blog, stimmt mich aber irgendwie als Volkes Stimme nachdenklich.
Natürlich weiß ich um die Entstehung des Islam, und dass der Prophet erst einmal ein paar Kriege geführt hat, während sich Jesus lieber umbringen ließ denn Gewalt anzuwenden. Ich persönlich kriege aber die Enden nicht zusammen, zwischen den bestimmt wahren Stimmen zu ISIS, HAMAS und NSDAP auf der einen Seite
Zitat The Muslim Brotherhood (and its Palestine chapter, Hamas) and ISIS are the Arabic-language branches of the NSDAP, and they employ the same theater of horror to demoralize their enemies. Mere rationalism quails before such horrors. We require a phenomenology of the irrational to address it.
und den real existierenden Moslems auf dem Pausenhof. Deshalb, um mich noch einmal an Sie, Simon, zu wenden, habe ich in meinem letzten Beitrag Ihre Frage schlichtweg ignoriert und hielt mit den harmlosen Moslems an meiner Arbeitsstelle einfach dagegen. Insofern behält der von Ulrich Elkmann zitierte Beitrag wohl recht:
Zitat We simply do not understand the world in which we live.
Wie kann man das Böse bekämpfen, unterdrücken, vermeiden?
Nennt man als Beispiel die Gewalt durch eine Gruppe, kommt man heute nicht an dem Versuch einer Antwort durch René Girard vorbei. Er hat die sogenannte mimetische Theorie aufgestellt: Menschliche Gesellschaften müssen in der Lage sein, dem Ausbreiten der Gewalt innerhalb bestimmter Gruppen erfolgreich entgegenzuwirken. Seine Erklärung zwischenmenschlicher Konflikte ist das Nachahmungsverhalten in der Gruppe: Es stiftet Rivalität, Neid und Eifersucht, ist ansteckend und führt zu blinder Gewalteskalation. Dann sucht man einen Sündenbock und bestraft oder tötet ihn.
Das Wissen über den Zusammenhang Gewalt–Mimesis zeigt auch den Weg, der herausführt. Wenn die Gewaltspirale zur Opferung eines Sündenbocks gekommen ist, ist der Punkt erreicht, an dem die Gruppe wieder einig ist und zwar durch die Schuld an der Tötung oder Bestrafung des „Schuldigen“. Wenn kein Rächer da ist, ist jetzt Friede entstanden. Girard erkennt darin eine Erklärung bestimmter religiöser Riten. Daraus deutet er viele Mythen der archaischen und klassischen Kultur. Man kann zustimmen: Die unaufgeklärte Religion durchschaut und erklärt den Mechanismus nicht, wie sich hier Menschen entschuldigen und sich der Verantwortung durch Abschiebung auf den Sündenbock entziehen.
Die moderne Lesart der Mythen als Schöpfungsakt archaischer Kulturen, die damit dem „Unsagbaren“, dem „religiösen Empfinden“, Ausdruck verleihen, ist für Girard eine Verkennung und Verharmlosung der harten Wirklichkeit. Denn die Mythen seien Erzählungen von Verfolgungen, die regelmäßig die Perspektive der Verfolger wiedergeben und nicht der Opfer, so wie auch bei den Hexenjagden.
Mit der Ritualisierung der Gewalt durch einen Opferritus erklärt Girard auch gesellschaftliche Institutionen und die Sitten beim Tausch von Gütern, bei der Tierzucht, bei Nachbarkriegen, im Totenkult usw. in archaischen Gesellschaften. In einem Tier-Rudel ist das Zustandekommen stabiler Führungsverhältnisse dank der Eindämmung des Verhaltens möglich. Das Alpha-Tier wird imitiert, aber nicht angegriffen. In Menschengruppen ist dies nicht der Fall, kann kein Führungsverhältnis von Dauer sein, und eine mimetische Krise muss ausbrechen.
Im Judentum sieht Girard eine Lösung für das Durchbrechen des Gewalt-Zirkels. So zeigen die Unschuld des erschlagenen Abel und das darauffolgende Verbot, Kain zu töten, eine Bloßstellung der Gewalt und das Wissen, dass Gewalteskalation nur durch Verzicht auf Gewaltanwendung verhindert wird. Diese Aufklärung mündet in der Aufforderung der Propheten, die Opferriten aufzugeben und Nächstenliebe statt Gewalt zu praktizieren. Im Christentum kommt nach Girard dieser Weg zur letzten Konsequenz: Vollständiger Verzicht auf Gewalt und archaischen Opferkult. Nach Girard ist dies mit der Aufklärung des Opfermechanismus in Verbindung zu setzen. Girard könnte eigentlich auch, um seine Lösung zusammenzufassen, folgern: Die Christen erinnern jeden Sonntag in ihrem neuartigen Kult daran, dass Jesu Tod das letzte Opfer eines Unschuldigen gewesen sein sollte.
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