Lieber Herr Weimer, vielen Dank für Ihren erhellenden Artikel, der zur Antwort auf drängende Fragen beiträgt! Das Buch von Finkelstein/Silbermann habe ich vor kurzem zufällig selbst gelesen. Mir erscheint der große Respekt, den die Autoren der Bibel entgegenbringen bemerkenswert; nicht im Sinne von "und die Bibel hat doch recht", sondern im Sinne Ihrer in Ihrem Blog deutlich gewordenen Deutung. Nochmals vielen Dank und Frohe Ostern B. Schu
Zitat Und geht es denn nicht erst recht um Leben und Tod, bis heute, wo Gotteskrieger durch einen falschen politisch-religiösen Glauben Tod und Leid bringen? Elija gehört zu einer ganz anderen Linie.
Lieber Herr Weimer, wenn heute dort, wo einst Ninive stand und der Prophet Jona eines (zerstörungsfreien) Besseren belehrt wurde, die selbsternannten Gotteskrieger grausam wüten, finde ich es dringend nötig, auf die - richtige - gewaltfreie Auslegung der Bibel aufmerksam zu machen. Viel zu viele Zeitgenossen wissen dies ganz einfach nicht. Natürlich hat die Kirche Jahrhunderte gebraucht, um sich zu dieser Auslegung in aller Eindeutigkeit durchzuringen. Dann sollte sie dies jetzt aber auch laut und deutlich sagen.
Zitat Franziskus modernisiert weiter: Altes Testament ab sofort ungültig [...] Er persönlich habe ohnehin nie den Magen für die blutrünstigen Geschichten des Alten Testaments mit ihren Enthauptungen, Genoziden und Kindsmorden gehabt. [...]
Zu Ihrem dankeswerten Hinweis auf diese Satire-Nachricht kann man sagen: Der Schreiber scheint keinerlei Ahnung von der wirklichen Bewegung in der römischen Kirche zu haben.
Sie steht im 50-Jahre-Jubiläum der Vatikanischen Erklärung NA zur Religionsfreiheit und zum Judentum mit der für Juden wie Christen bedeutenden Feststellung, der Bund Gottes mit Israel sei nicht gekündigt und unkündbar.
Hinzu kommt die exegetische Forschung in diesem letzten halben Jahrhundert mit dem Ergebnis: Jesus war Jude und kein Christ; er wollte Israel durch eine Neusammlung reformieren. Aus dem gemeinsamen Erbe Altes Testament wurden das neue gelehrte Schriftjudentum ohne Staat und Tempel (70 n.Chr.) und die messianische Kirche der Christen nach dem Tod Jesu (30 n.Chr.).
Hinzu kommt das Ergebnis der Forschung: Die Trennung zwischen Juden und Christen geschah fließend und örtlich unterschiedlich; Judenchristen besuchten noch lange auch die Synagogengottesdienste, im syrischen Bereich bis ins 5. Jh.
Der Satiriker hat natürlich ein gewisses Recht, was die schlimme Vergangenheit betrifft und die heutigen abseitigrechten Fundamentalisten, aber was er Papst Franziskus zuschreibt, ist ungerecht und unsinnig. Dass dieser auf dem Petersplatz Neue Testamente umsonst verteilen lässt und keine Vollbibel, liegt wohl daran, dass er spart und bedenkt, wie unmöglich es ist, noch einen erklärenden Kommentar zum Alten Testament anzubieten.
Jetzt ist es da, das lange angekündigte Thema - ausführlich und gründlich. Vielen Dank, Herr Weimer.
Nicht erwähnt ist das Buch Judit mit seiner Thematik. Es gehört nicht zum hebräischen Kanon und demnach kommt es auch in der Lutherbibel nicht vor. In der katholischen Bibel hat es seinen Platz zwischen dem Buch Tobit und dem Buch Ester. Gemäß dem, was Sie grundsätzlich schon zur Lesart alttestamentlich biblischer Bücher ausgeführt haben, ist in dem Fall augenscheinlich eine nicht wörtliche Lesart angesagt. Umso mehr kommt es darauf an, wie der anstößige Inhalt am Höhepunkt dieses Buches interpretiert wird. - Beim Nachschlagen in einem Kommentar zu einer Schulbibel fand ich folgende einfache Erklärung: "Mit Hilfe ihrer weiblichen Reize wollte sie den Feind täuschen und besiegen. Gewiss ist dieses Mittel in seiner sittlichen Qualität unmoralisch. Doch ergibt sich aus dem Text, dass Judit über die sittliche Erlaubtheit eines solchen Mittels nicht weiter nachgedacht hatte. Was unser an der christlichen Sittenlehre geschultes und gebildetes Gewissen dabei unangenehm berührt, wurde damals überhaupt nicht als Problem gesehen. Deshalb machte auch Judit sich durch diese Tat subjektiv nicht schuldig. Judit ging es in erster Linie um die Ehre Gottes." Auf die blutige Tat, das Abschlagen des Hauptes des trunkenen Holofernes wird nur nacherzählend eingegangen. Eine Beurteilung sah man nach der zitierten Erklärung offenbar nicht für notwendig an. - Ich hatte unlängst das Vergnügen, in einer Ausstellung einer renommierten Pastellmalerin mehrere Darstellungen einer "Judit" in ihrer kostbaren Gewandung und ihres Liebreizes zu bestaunen. Bei den unterschiedlichen Darstellungen blieb eines immer gleich: Die Dame umfing einen Kohlkopf zwischen ihren Schenkeln. - Mir war klar, dass der Künstlerin, die anwesend war, eher nicht an einer biblischen Deutung gelegen war. Im Gespräch, das sich ergab, alberte sie über den Kohlkopf, auf den ich verwies. Nebenbei erwähnte sie die vielen realistischen Darstellungen dieses Motivs in so manchen Kirchen als Altarbild...
Zitat von Simon im Beitrag #7Mir war klar, dass der Künstlerin, die anwesend war, eher nicht an einer biblischen Deutung gelegen war. Im Gespräch, das sich ergab, alberte sie über den Kohlkopf, auf den ich verwies. Nebenbei erwähnte sie die vielen realistischen Darstellungen dieses Motivs in so manchen Kirchen als Altarbild...
Das Thema "Judith mit dem Haupt des Holofernes" dürfte wohl der erste themengebende Topos in der Kunst zwischen Frührenaissance & Barock sein, bei dem sich das zentrale Movens der Darstellung vom biblischen Kontext löst & verselbständigt: die anlassgebende Erzählung ist zwar für das jüdische Volk wichtig, aber nicht im Rahmen der Stationen der christlichen Erlösung: mithin kann der Künstler das ignorieren & sich auf das Thema "sex and crime" kaprizieren. Der biblische Hintergrund legitimiert die Darstellung, mehr noch, als sonst in diesem Bereich die griechische Mythologie oder die saftigeren Episoden aus der römischen Geschichte. Und die Künstler legen das natürlich auf den Kontrast an: das "schwache Weib", ein nettes Mädel (Mantegna, Giorgione, Fede Galizia, Giovanni Baglione, Carlo Sarazeni, ganz besonders Cranach d.Ä.: es dürfte eins der ersten Frauenporträts sein, das auf den heutigen Betrachter noch unmittelbar ansprechend wirkt, mal vom talibanischen Sujet ab...) mit der doch etwas rabiaten Tat; im Manierismus wird das dann grell: Caravaggio & Artemisia Gentelleschi geben das Pendant zum splatter movie. Damit ist das Thema dann eigentlich erledigt: der Klassizismus setzt darauf, daß sich der Betrachter, der die Alten gelesen hat, das seine dazu denkt; & das 19. Jhdt. hats entweder mehr mit harmlosen Genreszenen oder filmischer Totale in bengalischer Beleuchtung à la John Martin & Delacroix. Beim kurzen Wiederaufgreifen durch Franz Stuck & Consorten fällt das unter Symbolismus: "Dämon Weib": das "den Mann", so als ganzen-&-überhaupt, piesackt & zernervt. Strindberg & Freud haben das in Reinkultur (auch wenn der Dr. aus der Berggasse da verräterische szientistische Wortguirlanden drumrumflicht); Nietzsche auch. Angesichts der damit zeitgleichen Definition in Ambrose Bierce's Devil's Dictionary ("Kohl, der – Subst., Ein bekanntes Küchengemüse, etwa so groß und klug wie ein menschlicher Kopf"), liegt die Wahl der erwähnten Gegenwartsarteuse nahe. Das ist zwar von brachialster Plattheit, aber DIE ist spätestens seit Jeff Koons, Damien Hirst, Tracey Emin & Okwui Enwezor eine Bedingung, ohne die kein Kunstwerk mehr auskommt. (Völlige Unfähigkeit im Handwerklichen geht ja schon seit Chaim Soutine & Anita Malfatti durch & wurde bei Beuys zur Voraussetzung für den Wahren Künstler: von wg. "jeder ist 1 Künstler": wer was kann, eben nicht, weil er sich, ganz im Sinn von Marcuse & Habermas, durch die niedere Praxis korrumpiert.)
Natürlich musste ich mich auf einige große Beispiele beschränken. Das Büchlein Judit ist für mich vor allem deswegen interessant, weil es (wie meine Habilitationsschrift S. 157-159 ausführlicher zeigte) das Zusammenwirken von Gott(es Wille)und menschlicher Tat zum ersten Mal(150 v.Chr.) in einer klaren Je-ganz-Wirkweise-Formel zeigt. Das heißt: Die Priester aus Jerusalem schreiben ihr allein ungeteilt die ganze Großtat zu, sie aber schreibt alles ungeteilt ganz Gott zu. Dies bedeutete eine revolutioären Durchbruch der theologischen aufgeklärten Sprache.
Es gibt viele Stellen zum Thema Gewalt zu bedenken, z. B. jene, die von der Strafe für einen Ehebruch handelt. Manche meinen, erst Jesus habe (siehe Joh 8) den praktischen Ausweg entdeckt. Nein, das atl Gebot wurde so verstanden: Wenn es nicht zwei Zeugen für den Ehebruch gibt, ist eine Verurteilung unmöglich. Zwei, einer genügt nicht. Nun ist das aber fast so unmöglich, weil die Sache so delikat ist und im Geheimen geschieht, dass daraus folgt: Die Strafe wurde praktisch nie vollstreckt. Die Juden wahrten lieber die Vorsicht vor möglicher Verleumdung. Weithin ist das unbekannt. Dies nur so als Beispiel.
"die anlassgebende Erzählung ist zwar für das jüdische Volk wichtig, aber nicht im Rahmen der Stationen der christlichen Erlösung: mithin kann der Künstler das ignorieren & sich auf das Thema "sex and crime" kaprizieren. Der biblische Hintergrund legitimiert die Darstellung, mehr noch, als sonst in diesem Bereich die griechische Mythologie oder die saftigeren Episoden aus der römischen Geschichte. Und die Künstler legen das natürlich auf den Kontrast an: das "schwache Weib", ein nettes Mädel (Mantegna, Giorgione, Fede Galizia, Giovanni Baglione, Carlo Sarazeni, ganz besonders Cranach d.Ä.: es dürfte eins der ersten Frauenporträts sein, das auf den heutigen Betrachter noch unmittelbar ansprechend wirkt, mal vom talibanischen Sujet ab...)" - Zitat U. Elkmann
Lieber Herr Elkmann, vielen Dank für Ihre Ergänzungen im Bereich der Kunst!
Aber nun zu dem, was Herr Weimer nur andeutet, aber nicht ausführt, d.h. warum für ihn das "Büchlein Judit" besonders "interessant" geworden ist: gleichsam "im Rahmen der Stationen christlicher Erlösung"!! Ich schaute in Weimers Habilationsschrift von 1981. Sie ist unter dem Titel "Die Lust an Gott und seiner Sache, oder: Lassen sich Gnade und Freiheit, Glaube und Vernunft, Erlösung und Befreiung vereinbaren?" bei Herder als Buch erschienen. - Ich versuche ein paar wichtige Stellen - in ihrer besonderen Originalität - zu referieren: ""Der "theologische Roman", er "stellt noch einmal für die Chassidim in der Makkabäerzeit (um 150 v. Chr.)in einer Parabel vor, wie es zu Großtaten Gottes durch Menschenhand kommt. Dem unermesslichen feindlichen Heer in seiner Hybris stellt die Dichtung gegenüber: Israels Wille zum Widerstand und das Gebet (4,9-15). Dem feindlichen Kriegsrat legt sie die entscheidende Frage in den Mund: Was ist das für ein Volk? ...Worin liegt ihre Kraft (5,3) und lässt den verbündeten Ammoniter, der Israel aus der Nähe kennt, antworten: das Rätsel dieses Volkes sei, dass Gott ihm unbesiegbar beistehe, solange er es nicht wegen seines Abfalls züchtigen müsse (5,5-21). Aus der Belagerungssituation auf dem Bergpass in Betulia macht das Lehrstück Judit ein Stück Religionskritik: Judit weist den Leiter des Widerstands zurecht, weil er mit seiner Fristsetzung von 5 Tagen Gott die Freiheit zum Handeln nimmt und keine richtige Theologie hat; sie appelliert an die Verantwortung aus der Schlüsselposition Betulias für die ganze aktuelle Geschichte Gottes mit Israel, deutet die Not als Prüfung durch Jahwe und stellt das eigene Tun als nötig vor: Betulia muss mit seinem Leben für die Brüder einstehen (8,11-27)"(!!) ...dem begriffsstutzigen Stadtvater hält Judit entgegen, "dass es um die ganze Tat der Menschen gehen muss": "Der Herr wird durch meine Hand Israel gnädig Hilfe bringen (8,32-34)....durch meine listigen Worte ...durch die Hand einer Frau" soll Jahwe siegen, der keine starken Männer, aber Glaubende braucht (8,9-14)""... ""Nach der Tat "kann der Dichter (in Betulia) durch Judit wiederholen lassen, was "durch die Hand einer Frau" und doch durch Gott geschehen konnte."" (S.157f)- Auf S. 159 fasst Weimer zusammen: "Der Glaubende tut ganz das Seine, das Seine muss aber dabei zugleich das sein, was Sache Gottes ist. Wichtig ist dabei noch, dass es nicht um eine Angelegenheit der Alltagsethik geht, sondern um eine Existenzfrage des Gottesvolkes, um eine der großen Rettertaten ..." - "Deutung der Geschichte" (das zeige die erfundene Parabel) meint, "dass der unverzichtbare Beitrag des Menschen Erkenntnis, Realisierung und Rückgabe an Gott in einem ist."
Es dürfte klar sein, dass Herr Weimer in seiner Arbeit über das Verhältnis von menschlicher Freiheit und göttlicher Gnade die Formel des "je ganz", die er in dieser alttestamentlichen Parabel klar ausgebildet sieht, in christologischer und ecclesiologischer Hinsicht weiter präzisieren und vor Missverständnissen abgrenzen musste.
Interessant ist, was Josef Ratzinger (damals noch Kardinal und Bischof von München-Freising) im "Vorwort" zu dieser Veröffentlichung erklärend und anerkennend geschrieben hat: "Gott will etwas mit der Gnade, nämlich das ´Reich Gottes`, das das Reich der Liebe ist. Der Mensch will etwas mit seiner Freiheit, nämlich das Reich der Freiheit, das nur als Reich der Liebe sinnvoll ist. Durch diesen Inhalt wird das Ineinander von Gnade und Freiheit erkennbar...wird die Frage aus ihrer individualistischen Abstraktion befreit und die von Gott her sich versammelnde Gemeinschaft der Menschen - die Kirche - als der Raum der Gnade erkennbar, der zugleich Raum der Freiheit ist. ... Wichtig ist, dass ein zentrales theologisches Thema in der Einheit von Tradition und Gegenwart neu aufgenommen ist und dass entgegen allen Verengungen des Disputs um die Freiheit, die nach wie vor die zentrale Leidenschaft unserer neuen Aufklärung darstellt, auch wieder alles das ins Blickfeld gerückt ist, was die Theologie dazu zu sagen hat..."
Wichtig scheint mir noch eine Anmerkung zum Begriff "Kirche", den Ratzinger gern als "Kirche aller Orte und aller Zeiten" verstanden wissen will. Ebenso klar aber war schon dem jungen Professor Ratzinger in seiner Habilitationsarbeit über die "Offenbarung und Geschichtstheologie bei Bonaventura", was Oscar Cullmann in seinem Werk "Heil als Geschichte, Tübingen" als Geschichtsdeutung durch die Kirche (christliche Theologie) herausarbeitete: Herr Weimer referiert es auf S. 60 in einer Fußnote (321): "die Bibel müsse aus Gemeinden heraus ausgelegt werden, die gleiche Erfahrungen mit Ereignissen machen, und müsse wie im AT die Tagesereignisse im Weltgeschehen deuten. Cullmann sieht die Heilsökonomie als ein fast polonaiseartiges, Umwege einschließendes (Unheil verwandelndes) Fortschreiten."
Viele Grüße und einen schönen Sonntag! Herr Weimer verzeihe mir meine Geschwätzigkeit und möge Kurzsichtigkeiten richtig stellen! Simon
Lieber Simon, ich finde es ja schön, wenn jemand sich mit dem Stoff der fiktiven Judit-Erzählung so intensiv beschäftigt. Nocheinmal zu meiner These über die verschiedenen Gewalt-Darstellungen in der jüdischen Tradition, die vom Christentum rezipiert und in Richtung Gewaltlosigkeit weiterinterpretiert wurden: Verteidigungskriege wie der in Judit vorausgesetzte haben ihre selbstverständliche Rechtfertigung angesichts der schuldlosen Opfer. Nachdem Sie dieses Büchlein ins Spiel brachten, kann man daran zeigen, wie unsinnig die heutige Rede von einer d u r c h Gott ausgeübten Gewalt ist, weil alles, was Gott laut der Bibel tut, auf der Ebene der Raumzeit von Menschen getan und gerechtfertigt werden muss (nur durch deren Gewissen gibt es den Bezug "Tat Gottes"). Man kann von agnostischer oder kritischer Seite her nur fragen, ob Menschen sich bei einer Gewalthandlung ethisch auf Gott beziehen dürfen oder nicht. Es kam zur Vermutung, alle drei monotheistischen Religionen neigten per se zur Gewalt. Das ist eben falsch. Assmann hat sich selbst bzw. seine ihn missverstehenden Leser in seinem jüngsten Buch deutlich korrigiert. Girard sieht im Alten und Neuen Testament ebenfalls den neuen Weg gegen Gewalt, Mord und Krieg. Das Gewaltpotential liegt also nicht im Monotheistischen, sondern im Staatsreligiösen und letztlich in der Gefahr des Machtmissbrauchs durch Menschen: Jeder Mensch kann, wenn er will, morden.
Das von mir herausgestellte biblische Axiom "Ungeteilt ganz das Werk Gottes und ganz das Werk des Menschen" ("totus ab utroque" heißt das dann im Mittelalter) bedeutet für uns nach der Aufklärung Denkende und Fühlende: Glaube kann niemals die Rechtfertigung für Gewaltakte sein, wenn jemand solche mit seiner Religion rechtfertigt, verstößt er gegen Gott und gegen die Vernunft. Unsere Vernunft weiß, dass Gott so etwas nicht will; wer das Wollen Gottes dafür beansprucht, erniedrigt seinen religiösen Glauben zu einer 'Religion' auf der Ebene einer Räuberbande. Wahrer Monotheismus erlaubt dem Menschen gerade nicht, Gewalttäter zu sein, denn er darf sich nicht zum Herrn über Leben und Tod machen und darf keinen Götzen Gewalt vor Recht neben dem Gott der Güte für alle haben. Der Realismus des Bösen in der Welt ist die zweite Wahrheit und diese erlaubt kein pazifistisches Gutmenschentum, wie es heute im Westen weithin grassiert, leider. So kostet uns die Freiheit mehr als wir gerne hätten.
Zitat "Angesichts der damit zeitgleichen Definition in Ambrose Bierce's Devil's Dictionary ("Kohl, der – Subst., Ein bekanntes Küchengemüse, etwa so groß und klug wie ein menschlicher Kopf"), liegt die Wahl der erwähnten Gegenwartsarteuse nahe. Das ist zwar von brachialster Plattheit, aber DIE ist spätestens seit Jeff Koons, Damien Hirst, Tracey Emin & Okwui Enwezor eine Bedingung, ohne die kein Kunstwerk mehr auskommt. (Völlige Unfähigkeit im Handwerklichen geht ja schon seit Chaim Soutine & Anita Malfatti durch & wurde bei Beuys zur Voraussetzung für den Wahren Künstler: von wg. "jeder ist 1 Künstler": wer was kann, eben nicht, weil er sich, ganz im Sinn von Marcuse & Habermas, durch die niedere Praxis korrumpiert.)"
Lieber Herr Elkmann, obwohl - oder gerade weil - Herr Weimer in Beitrag 11 zu Recht anmahnt, möglichst ganz beim Thema "Gewalt in der jüdischen Bibel" zu bleiben und darüber weiter zu diskutieren, möchte ich aus Ihren interessanten Bemerkungen aus der Kunstgeschichte eigens diese aufgreifen. Bei meiner genannten "Gegenwartsarteuse" handelt es sich nach objektiver Einschätzung durchaus nicht um eine Person, die diesem beschriebenen "wahren Künstler" entspräche. Ganz im Gegenteil. Sie ist gerade handwerklich beinahe perfekt und m.E. auch intellektuell in der Lage, gerade durch (durchaus nicht primitive) Verfremdung auf etwas hinzuweisen, was ihr als künstlerisch begabter Frau eben besonders auffällt. So klagt sie m. E. durch ihre Kunst in der Wahl des Motivs "Judit", dessen religiöser Hintergrund (in seiner allgemeinen Deutbarkeit) ihr durchaus geläufig ist, in höchst säkularer Form die Gier der Männer ein. Sowohl die darstellbare Pracht und der Liebreiz der Frau wie die Wahl des Gemüses als Symbol der Kohlköpfigkeit kommen ihr gerade recht. - Nach Norbert Lohfinks besonders lesenswertem Artikel (vgl. Link in 3) entspräche dieser Umgang der Künstlerin mit einer Form von Gewalt einer Form, die in großem Umfang - religionsgeschichtlich gesehen als Entmythologisierung selbstgeschaffener "Götter" - ebenso in der Bibel anzutreffen ist: in der dokumentierten Benennung, Demaskierung und Zurückdrängung von Gewalt, der sich der Mensch von Anfang an bis heute aufgrund seiner Konstitution immer wieder bedient.
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