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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 61 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

04.04.2015 21:52
Eine Frage der Zeit Antworten

Wenn jemand nicht gestört wird, aber sich an etwas stören will, so ist dies aus liberale Sicht keine Rechtfertigung für ein Verbot. Der Staat gibt den Anhängen der kulturell verankerten Religion mit seinen allgemeinen, gesetzlichen Feiertagen die Möglichkeit ihre Religion ohne Belastung durch Erwerbsarbeit auszuüben und zu Gedenken, was auch immer sie wollen. Auch nicht religiöse Menschen können das gerne tun. Dafür kulturell verankerte Einschränkungen unter freiem Himmel vorzusehen — von mir aus. Aber in geschlossenen Räumen? Schutz vor Lärm kann hier ja in den meisten Fällen auch keine wirkliche Begründung sein, sind genauso laute Veranstaltungen ja durchaus erlaubt — solange sie keiner fröhlichen Natur sind. Die Stimmung, nicht die Lautstärke einer Veranstaltung, ist es, woran sich Befürworter des Verbotes stören. Von dem Verbot erfasst sind in viele Bundesländern häufig auch private Veranstaltungen, die nicht öffentlich sind. Lediglich der Schutz und die Unverletzlichkeit der Wohnung ziehen dem Verbot nicht-melancholischer Runden Grenzen.


Doch wie viel Unterstützung hat ein solches Verbot eigentlich in Deutschland? Schwer zu sagen, repräsentative Umfragen sind schwer zu finden. Aber vielleicht hilft ein Blick in die Schweiz weiter, die ja allgemein als eher konservativer eingestellt gelten, als die Deutschen (vielleicht nicht unbedingt im Vergleich zu Bayern).

Tanzverbote (gemeint ist das Verbot von Veranstaltungen fröhlicher Natur) gibt es laut Wikipedia nur noch in 6 von 26 Kantonen. Namentlich Aargau, Glarus, Uri, Obwalden, Solothurn und Appenzell Innerrhoden. Letzterer dafür über die gesamter Karwoche. Innerrhoden ist auch der einzige Kanton der Schweiz, der das Frauenwahlrecht nicht durch Volksentscheid (der Männer) eingeführt hat, sondern vom Schweizer Bundesgericht dazu gezwungen werden musste.

Dazu kommt noch St. Gallen, in dem alle nicht-religiösen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder mit mehr als 500 Teilnehmern auch in geschlossenen Räumen verboten sind. Nicht-öffentliche Veranstaltungen sind (im Gegensatz zu Deutschland) nicht verboten.

Auf diese sehr lokalen Ebene geregelt, kann man sicherlich damit leben. Schweizer Kantone sind klein. Die meisten der genannten Kantone haben weniger als 40.000 Einwohner, Aargau hat mit knapp über 600 Tausend Einwohnern die meisten Einwohner. Das sind also meistens kleine Gemeinschaften, kein Versuch einem Flächenland mit mehreren Millionen Einwohnern eine Mentalität/Stimmung "nahe zu legen".

Mein Kompromissvorschlag: Die Landesgesetze sollen die Frage des Tanzverbotes an die Gemeinden und kreisfreien Städte delegieren. Wenn die lokale Bevölkerung es wünscht, sollten diese per Gemeindesatzung an den kulturell überlieferten Feiertagen Tanzverbote für Veranstaltungen unter freiem Himmel, in Wohngebieten allgemein oder für öffentliche Veranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmern festlegen können. Eine Satzung(sänderung), welche das Tanzverbot ausweitet sollte einem obligatorischen Bürgerentscheid unterliegen, eine Einschränkung oder Abschaffung einem fakultativen Bürgerentscheid. Veranstaltungen in der Nähe der Gottesdienststätten den Feiertag praktizierender Religionsgemeinschaften, die den an solchen Tagen stattfindenden Hauptgottesdienst stören können, blieben weiter verboten (über höchstens 3 Stunden am Tag). Die Filmvorzensur, die Theaterzensur und die Einschränkungen der Rundfunkfreiheit für nicht-terrestrisches Fernsehen werden komplett gestrichen (keine Einschränkung von Art. 5 GG mehr).

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

04.04.2015 22:01
#2 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Techniknörgler
Es geht hier darum, ein Fest zu verbieten, weil Christen an diesem Feiertag nicht Feiern wollen.

Das stimmt so nicht. Erstens sind solche Festivitäten (wohl je nach Bundesland) auch an Tagen verboten, an denen Christen feiern, also z.B. in der Osternacht oder am Ostersonntag. Und zweitens geht es darum, dass es diesen Feiertag nur als "stillen" oder eben gar nicht gibt.

Wayne's interessiert: Auf meinem Blog habe ich vorhin auch was dazu geschrieben.

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Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

04.04.2015 22:43
#3 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #2

Zitat von Techniknörgler
Es geht hier darum, ein Fest zu verbieten, weil Christen an diesem Feiertag nicht Feiern wollen.
Das stimmt so nicht. Erstens sind solche Festivitäten (wohl je nach Bundesland) auch an Tagen verboten, an denen Christen feiern, also z.B. in der Osternacht oder am Ostersonntag.



Verbot der Konkurenz/Alternativen halt. Läuft auf etwas ähnliches hinaus.

Zitat
Und zweitens geht es darum, dass es diesen Feiertag nur als "stillen" oder eben gar nicht gibt.



Steht wo? Kann es irgend jemand dem Landesgesetzgeber verbieten, das Tanzverbot und die Filmzensur aufzuheben, ohne gleich den ganzen Feiertag zu streichen? Oder ist das nur eine konstruierte Entweder-Oder-Entscheidung, die von Befürwortern des Tanzverbotes so dargestellt wird, um den Blick auf Abstufungen zu verstellen?

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

04.04.2015 22:49
#4 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #3
Steht wo? Kann es irgend jemand dem Landesgesetzgeber verbieten, das Tanzverbot und die Filmzensur aufzuheben, ohne gleich den ganzen Feiertag zu streichen? Oder ist das nur eine konstruierte Entweder-Oder-Entscheidung, die von Befürwortern des Tanzverbotes so dargestellt wird, um den Blick auf Abstufungen zu verstellen?
Gebot der Logik. Wenn der Karfreitag nicht als Karfreitag gefeiert wird, braucht man ihn nicht.

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(Reinhard Mey)

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

04.04.2015 22:51
#5 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #3
Steht wo? Kann es irgend jemand dem Landesgesetzgeber verbieten, das Tanzverbot und die Filmzensur aufzuheben, ohne gleich den ganzen Feiertag zu streichen? Oder ist das nur eine konstruierte Entweder-Oder-Entscheidung, die von Befürwortern des Tanzverbotes so dargestellt wird, um den Blick auf Abstufungen zu verstellen?
Hat sogar jemand verboten:

Zitat von Art. 25 Landesverfassung NRW
(1) Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage werden als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt.

(2) Der 1. Mai als Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde ist gesetzlicher Feiertag.



Daher kann man entweder sagen, ein Feiertag sei staatlich nicht anerkannt oder er ist zu schützen. Und mit dem Feiertag hängt stets auch sein Charakter zusammen; es heißt schließlich Feiertag wegen des Ereignisses, das dadurch gefeiert werden soll, und nicht einfach "freier Tag". Die bloße Gewährung arbeitsfreier Tage ist viel effizienter in der Form von Urlaub. Das ist also nicht Zweck des Feiertages. Da die Ausgestaltung des Feiertagsschutz deswegen an den Charakter des Feiertags gebunden ist (die Landesverfassung von NRW macht das noch deutlicher als Art. 140 GG, weil die Gottesverehrung explizit genannt wird), existiert also genau dieses Verbot, nach dem Sie fragen.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

04.04.2015 22:58
#6 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #5
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #3
Steht wo? Kann es irgend jemand dem Landesgesetzgeber verbieten, das Tanzverbot und die Filmzensur aufzuheben, ohne gleich den ganzen Feiertag zu streichen? Oder ist das nur eine konstruierte Entweder-Oder-Entscheidung, die von Befürwortern des Tanzverbotes so dargestellt wird, um den Blick auf Abstufungen zu verstellen?
Hat sogar jemand verboten:

Zitat von Art. 25 Landesverfassung NRW
(1) Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage werden als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt.

(2) Der 1. Mai als Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde ist gesetzlicher Feiertag.


Daher kann man entweder sagen, ein Feiertag sei staatlich nicht anerkannt oder er ist zu schützen. Und mit dem Feiertag hängt stets auch sein Charakter zusammen; es heißt schließlich Feiertag wegen des Ereignisses, das dadurch gefeiert werden soll, und nicht einfach "freier Tag". Die bloße Gewährung arbeitsfreier Tage ist viel effizienter in der Form von Urlaub. Das ist also nicht Zweck des Feiertages. Da die Ausgestaltung des Feiertagsschutz deswegen an den Charakter des Feiertags gebunden ist (die Landesverfassung von NRW macht das noch deutlicher als Art. 140 GG, weil die Gottesverehrung explizit genannt wird), existiert also genau dieses Verbot, nach dem Sie fragen.



Das macht die Landesverfassung gar nicht deutlich. Stille Feiertage erwähnt sie nicht, was der Charakter eines Feiertages seien soll kann sich ändern, ebenso warum sich der Gesetzgeber entschließt, einen Tag als Feiertag anzuerkennen. Das ist doch aus politischen Gründen da rein interpretiert, als pseudo-juristische Argumentation.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

04.04.2015 23:02
#7 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #4
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #3
Steht wo? Kann es irgend jemand dem Landesgesetzgeber verbieten, das Tanzverbot und die Filmzensur aufzuheben, ohne gleich den ganzen Feiertag zu streichen? Oder ist das nur eine konstruierte Entweder-Oder-Entscheidung, die von Befürwortern des Tanzverbotes so dargestellt wird, um den Blick auf Abstufungen zu verstellen?
Gebot der Logik. Wenn der Karfreitag nicht als Karfreitag gefeiert wird, braucht man ihn nicht.



Und Ostern wird von vielen auch nicht als christlicher Feiertag gefeiert, sondern säkular. Und Weihnachten erst. Und welcher Charakter genau ist nun bindend? Der heidnische Charakter Weihnachtens? Der christliche Charakter? Der säkularisiert-kulturelle Charakter? Oder der modern-kommerzielle Charakter? Ist ein veränderter Charakter an einem bereits bestehenden Feiertag unzulässig, aber ein ganz neuer Feiertag wäre in Ordnung?

Erscheint mir alles ziemlich willkürlich und mit Not herbei rationalisiert.

Edit: Ergänzt.

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Werwohlf Offline




Beiträge: 997

04.04.2015 23:15
#8 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #7
Erscheint mir alles ziemlich willkürlich und mit Not herbei rationalisiert.
Kaum. Es ist ja nicht so, dass irgendwer darauf bestünde, die Feiertage auf eine bestimmte Art und Weise zu begehen. Es ist nur so, dass eine bestimmte Art und Weise ausgeschlossen ist. Das ist, auch aus Freiheitsgesichtspunkten, ein entscheidender Unterschied. Und ja: Wenn sich Leute dagegen aussprechen würden, an den Weihnachtsfeiertagen der Geburt Christi zu gedenken, dann sollte man diese Feiertage tatsächlich abschaffen.

Der Grundsatz Montesquieus, dass es man, wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu erlassen, keins erlassen sollte, ist da von Anbeginn an ernstzunehmen. Wenn man also nicht will, dass eine ganze Gesellschaft Christi Sterben, oder wenigstens dem Sterben allgemein, gedenkt, dann ist es an der Zeit, den Feiertag abzuschaffen. Sich aber hinter denen zu verstecken, denen der Tag etwas Grundsätzliches bedeutet, um vor allem den eigenen Alltagsgelüsten zu frönen, halte ich für ungemein verlogen.

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(Reinhard Mey)

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

04.04.2015 23:40
#9 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat
Sich aber hinter denen zu verstecken, denen der Tag etwas Grundsätzliches bedeutet, um vor allem den eigenen Alltagsgelüsten zu frönen, halte ich für ungemein verlogen.



Darum geht es also. Um eine ungemein herablassende Haltung, die mit dem Vorwurf der moralischen Verkommenheit hantiert, den gesellschaftlichen "Werteverfall" und "Hedonismus" anprangernd. Ein Kompromissvorschlag wird so von Anfang an unter harscher Rhetorik, die nur zwei Extreme zur Auswahl stellt und dazwischen nichts sieht, begraben. Und das mit der Moralkeule. Und das hält man dann für "reif" und erwachsen, der Linken überlegen.

Nachtrag:

Um es klar zu stellen. Die Frage des Stillen Feiertages ist nicht die wichtigste politische Fragestellung. Die Ablehnung der Film- und Theaterzensur ist mit zwar tatsächlich wichtig, die davon teilweise getrennte Frage des Tanzverbotes ist für mich aber sicherlich nicht das drängendste Problem. Interessant finde ich die Frage eher unter einem anderen Gesichtspunkt: Welcher Blick auf der Gesellschaft beim Aufwerfen dieser Frage zutage tritt. Und zu welchen Winkelzügen sich einige hinreißen lassen.

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Werwohlf Offline




Beiträge: 997

04.04.2015 23:50
#10 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #9
Um eine ungemein herablassende Haltung, die mit dem Vorwurf der moralischen Verkommenheit hantiert, den gesellschaftlichen "Werteverfall" und "Hedonismus" anprangernd.
Nö. Nur um Konsequenz, egal wie wortreich sich die verweigern, die sich ihr eigentlich stellen müssten.

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Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

05.04.2015 00:42
#11 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #10
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #9
Um eine ungemein herablassende Haltung, die mit dem Vorwurf der moralischen Verkommenheit hantiert, den gesellschaftlichen "Werteverfall" und "Hedonismus" anprangernd.
Nö. Nur um Konsequenz, egal wie wortreich sich die verweigern, die sich ihr eigentlich stellen müssten.



Offenbar kommt man mit Worten gegen den Kulturpessimismus nicht an.

Zum Thema Konsequenz aber ein, wenn auch in ganz anderem Zusammenhang gefallenes, Zitat, das mir dabei in den Sinn kam:

Zitat
Und das ist diese wunderbare Inkonsequenz, die ich als Erwachsenwerden bezeichne. Eine erwachsene Person ist eine inkonsequente Person.



(Quelle)

Gesprochen übrigens von einem Optimisten.

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schattenparker Offline



Beiträge: 150

05.04.2015 00:51
#12 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Jeder sollte Feiertage (freie Tage) so begehen, wie er es für geboten oder sinnvoll hält.

Daß Christen Karfreitag für einen Tag der Besinnung halten, ist nachvollziehbar. Daß Atheisten dem nicht folgen können, auch. Solange die Christen bei ihrer Form des Gedenkens nicht gestört werden, sollten die anderen tun und lassen dürfen, was ihnen Spaß macht, also tanzen oder ins Kino gehen (bevorzugt: Monty Python, Das Leben des Brian), Fleisch essen, Bier, Wein oder Whisky trinken, Kinder verstümmeln, usw.

Auf den jeweiligen Feiertag bezogen die Forderung zu stellen, den genauen religiös motivierten Charakter dieses Feiertags zu würdigen, scheint mir für Nicht-Anhänger der jeweiligen Religion an den Haaren herbeigezogen.

Sollten aber nun Nichtanhänger religiös motivierte Feiertage gar nicht zur Kenntnis nehmen und statt dessen zur Arbeit gehen?

Nun, Atheisten verzichten seit Jahrhunderten auf eigene Feiertage (Tag der Aufklärung, Giordano-Bruno-Tag, Tag der Atom-Spaltung, Tag der künstlichen Intelligenz, Tag der Wissenschaftstheorie, Galileo-Tag - je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr fallen einem ein, auf 10 Tage pro Jahr kommen wir locker !), um die Gesellschaft nicht weiter zu spalten und den Arbeitgebern keine zusätzlichen Probleme einzubrocken. Wir bescheiden uns friedlich mit den systemfremden christlichen Feiertagen - nur sollen uns die Christen in der Ausdeutung dieser Tage dann bitte auch in Ruhe lassen.

Solus Offline



Beiträge: 384

05.04.2015 01:48
#13 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #10
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #9
Um eine ungemein herablassende Haltung, die mit dem Vorwurf der moralischen Verkommenheit hantiert, den gesellschaftlichen "Werteverfall" und "Hedonismus" anprangernd.
Nö. Nur um Konsequenz, egal wie wortreich sich die verweigern, die sich ihr eigentlich stellen müssten.


Meinethalben könnte man gesetzliche Feiertage (und den Sonntag gleich mit) gerne abschaffen.
Die Frage ist halt, will man das, will man eine gewisse Menge an Tagen an denen die meisten Leute frei haben, oder will man die Bedeutung, die diese Tage in einer bestimmten Religion haben, gesetzlich verankern? Man kann durchaus für das zweite und zugleich gegen das dritte argumentieren.

adder Offline




Beiträge: 1.073

05.04.2015 08:50
#14 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #8
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #7
Erscheint mir alles ziemlich willkürlich und mit Not herbei rationalisiert.
Kaum. Es ist ja nicht so, dass irgendwer darauf bestünde, die Feiertage auf eine bestimmte Art und Weise zu begehen. Es ist nur so, dass eine bestimmte Art und Weise ausgeschlossen ist. Das ist, auch aus Freiheitsgesichtspunkten, ein entscheidender Unterschied. Und ja: Wenn sich Leute dagegen aussprechen würden, an den Weihnachtsfeiertagen der Geburt Christi zu gedenken, dann sollte man diese Feiertage tatsächlich abschaffen.


Das Weihnachtsfest ist ein heidnischer Brauch, kein ursprünglich christlicher. Die sächsischen Stammesgenossen in der vorchristlichen Zeit feierten in den Nächten um die Wintersonnenwende ein Fest, um die Toten zu ehren, ihrer zu gedenken und ihre Taten in Erinnerung zu bringen. Es wurden auch Lichter angezündet (oder ganze Nadelbaumzweig-Räder verbrannt), um die Dunkelheit der Längsten Nacht zu vertreiben. In dieser Zeit war die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Verstorbenen und Götter nicht so stark und Wodans Einherjar-Heer zog durch die Winternächte.
Die Kirche hat sich diese Zeit zu eigen gemacht, um die heidnischen Germanen an den Glauben zu binden.

Das Osterfest ist ebenfalls ein heidnisches Fest, benannt nach der Frühlings- und Fruchtbarkeitsgottheit Ostara. Der christliche Brauch geht auf das zeitlich nahe liegende Pesachfest (Schreibweise bitte ignorieren, wenn falsch) der Juden zurück. Aber auch hier hat die Kirche die Zeiteinordnung der Heiden genutzt, um die christianisierten Heiden zu binden.

Allerseelen/Allerheiligen ist ebenfalls ein heidnischer Brauch, das Beltanefest der Kelten. Ein Fest, um böse Geister zu vertreiben. Auch hier hat die Kirche einen heidnischen Brauch übernommen.

Da ja die Landesverfassung von "Gottesverehrung" spricht: ich bin bekennender Heide. Ich feiere an den heidnischen Feiertagen so, wie es meine Vorväter einmal getan haben (sollen, denn durch die Christianisierung ist nicht mehr so viel von den einstigen Überlieferungen übrig geblieben). Ich bin auch kein Reenactment-Heide, der nur Grund für ein Fest sucht. Natürlich gibt es auch diese. Letztlich ist mein Glaube eine der ganz wenigen Abweichungen vom logisch-naturwissenschaftlichen "adder", die ich mir erlaube (die Liebe zu meiner Familie, meiner Frau und meinen Katzen sind die anderen).
Um es noch deutlicher zu sagen: sollten alle Feiertage abgeschafft werden (was ja in der Tat eine Möglichkeit wäre), dann würde ich soweit möglich natürlich an den heidnischen Feiertagen Urlaub nehmen. Ich nehme ja auch jedes Jahr am Tag der Walpurgisnacht Urlaub (wenn der nicht auf einen arbeitsfreien Tag fällt).
Und so frage ich, was ich wohl machen sollte, wenn an Weihnachten ein Polizist vorbeikommt und mir verbietet, ein Trankopfer anzubieten oder eine Geschichte über meine Vorfahren zu erzählen.

Die festen, allgemeinen Feiertage haben aber in Deutschland zum einen eine lange Tradition, zum anderen ermöglichen sie den Arbeitgebern planbare Auszeiten anstelle von Abwesenheiten nur großer Teile der Belegschaft. Daher alleine werden diese Tage mit Sicherheit beibehalten werden. Man kann nun lang und breit argumentieren. Aus meiner Sicht spricht auch absolut nichts gegen ein Verbot öffentlicher Veranstaltungen an solchen Tagen (wobei ich einmal sehen möchte, dass die öffentliche Veranstaltung an Palmsonntag verboten wird... was dann gemeckert würde...). Nur: die Bevorzugung einer Religion vor einer anderen Religion ist in unserem säkularem Staat eigentlich ein Unding. Wobei ich wieder einschränken möchte: es spricht auch aus meiner Sicht nichts gegen festgelegte Feiertage, wenn sie von der Mehrheit der Bevölkerung begangen werden - nur die Art und Weise, wie sie zu begehen sind, darf eigentlich nicht vorgeschrieben werden.

Zitat
Der Grundsatz Montesquieus, dass es man, wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu erlassen, keins erlassen sollte, ist da von Anbeginn an ernstzunehmen. Wenn man also nicht will, dass eine ganze Gesellschaft Christi Sterben, oder wenigstens dem Sterben allgemein, gedenkt, dann ist es an der Zeit, den Feiertag abzuschaffen. Sich aber hinter denen zu verstecken, denen der Tag etwas Grundsätzliches bedeutet, um vor allem den eigenen Alltagsgelüsten zu frönen, halte ich für ungemein verlogen.



Ich halte es für ungemein verlogen, auf der einen Seite Religionsfreiheit zu deklamieren und auf der anderen Seite die Bevorzugung einer (ok. es sind ja eigentlich mehrere, sich ähnliche) Religion zu verlangen. Der öffentliche Schutz der Religion könnte uns in der Zukunft einmal alle sehr teuer zu stehen kommen. Wobei die Christen unter uns natürlich einen Vorteil haben, denn sie bekommen ja vielleicht einen Sonderstatus, während man Heiden wie mich wohl eher sofort standrechtlich exekutiert.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.04.2015 10:20
#15 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von adder im Beitrag #14



Lieber adder, auch aus meiner katholischen Sicht, haben Sie die Inkulturation (http://de.wikipedia.org/wiki/Inkulturation) der Feste richtig beschrieben.
Zur Ostara ist Ihre Sicht zumindest umstritten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Ostara)

Aber ist es nicht so, dass zu jedem Land ein bestimmter Kulturkreis gehört?
Das kann man als Leitkultur bezeichnen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Leitkultur) (Den von Merz eingebrachten Aspekt die Leitkultur gegen Multikulturalismus zu stellen, lasse ich hier mal außen vor.)
In Deutschland ist diese Leitkultur christlich geprägt.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie der Meinung, dass diese Leitkultur nicht mehr der Wirklichkeit in Deutschland entspricht. Da kann ich Ihnen sogar zustimmen. (Nicht jeder, der "Ach du lieber Gott" sagt, glaubt auch an Gott.) Sollen aber deshalb Gewohnheiten, die manchen, auch ohne den Ursprungsgrund lieb geworden sind, abgeschafft werden? Sind diese Gewohnheiten nicht auch ein einigendes Band der Zugehörigkeit zu Deutschland? Was passiert wenn man das alles abschafft? Wobei ich nicht die Augen vor der schleichenden Abschaffung schließe. Aber diese schleichende Aushöhlung ist ebenfalls eine kulturelle Entwicklung, die man nicht künstlich beeinflussen sollte. Geben Sie doch den Raum, um den Dingen ihren Lauf zu lassen. Natürlich wird es sich nicht so entwickeln, wie Sie es gerne hätten. Aber in einem sozialen Gefüge wäre dies auch schon mehr als ein Zufall.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

adder Offline




Beiträge: 1.073

05.04.2015 11:19
#16 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #15
Zitat von adder im Beitrag #14



Lieber adder, auch aus meiner katholischen Sicht, haben Sie die Inkulturation (http://de.wikipedia.org/wiki/Inkulturation) der Feste richtig beschrieben.
Zur Ostara ist Ihre Sicht zumindest umstritten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Ostara)

Aber ist es nicht so, dass zu jedem Land ein bestimmter Kulturkreis gehört?
Das kann man als Leitkultur bezeichnen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Leitkultur) (Den von Merz eingebrachten Aspekt die Leitkultur gegen Multikulturalismus zu stellen, lasse ich hier mal außen vor.)
In Deutschland ist diese Leitkultur christlich geprägt.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie der Meinung, dass diese Leitkultur nicht mehr der Wirklichkeit in Deutschland entspricht. Da kann ich Ihnen sogar zustimmen. (Nicht jeder, der "Ach du lieber Gott" sagt, glaubt auch an Gott.) Sollen aber deshalb Gewohnheiten, die manchen, auch ohne den Ursprungsgrund lieb geworden sind, abgeschafft werden? Sind diese Gewohnheiten nicht auch ein einigendes Band der Zugehörigkeit zu Deutschland? Was passiert wenn man das alles abschafft? Wobei ich nicht die Augen vor der schleichenden Abschaffung schließe. Aber diese schleichende Aushöhlung ist ebenfalls eine kulturelle Entwicklung, die man nicht künstlich beeinflussen sollte. Geben Sie doch den Raum, um den Dingen ihren Lauf zu lassen. Natürlich wird es sich nicht so entwickeln, wie Sie es gerne hätten. Aber in einem sozialen Gefüge wäre dies auch schon mehr als ein Zufall.

LG, Paul


Lieber Paul, es spricht nichts gegen den Begriff. Ich habe mich auch nicht für eine Abschaffung der Feiertage oder eine Aufweichung ihres Inhalts ausgesprochen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ein besonderer Schutz, den zur Zeit noch die seit über 1000 Jahren verbreitete Religion genießt, dem säkularen Staat nicht gut ansteht. Und dass dieser besondere Schutz (entsprechende politische Mehrheiten vorraussetzt) auch zum Bumerang werden kann, wenn eine deutlich restriktivere Religion ihn (plötzlich?) genießt. Ich habe nichts gegen "stille Feiertage". Ich denke nur, dass wir jede Religion unabhängig vom Staat betrachten sollten und dass wir Schutzrechte unabhängig von der Religion betrachten müssen. So wie nichts dagegen spricht, dass aufgrund der Tradition und der Begehung durch einen großen Teil der Bevölkerung bestimmte Tage als allgemeine Feiertage ausgewählt werden, so spricht doch aber auch nichts dagegen, die Begehung dieser Feiertage nicht durch besondere Schutzrechte übertrieben einzuschränken. Und mir geht es dabei nicht um Volksfeste, Disco oder andere Großereignisse. Nur: wen stören denn bitte Feiernde, die im privaten Rahmen etwas anderes machen? Wen stören Kinogänger (immerhin dürfen auch in NRW am Karfreitag alle Filme gezeigt werden, was nicht immer eine Selbstverständlichkeit gewesen war)?

Auf der anderen Seite spricht auch nichts dagegen, dass Umzüge, die religiös begründet sind, stattfinden (Wallfahrten oder Prozessionen). Die Einschränkungen, die dadurch der Bevölkerung auferlegt werden, sind minimal. Ich hätte allerdings ein Problem mit öffentlichen Riten, die nicht den westlichen Werten entsprechen: Selbstgeißelung, Durchbohrung des Körpers mit Gegenständen, auch Auspeitschen - und natürlich allem, was auch nur in die Richtung Menschen- oder Tieropfer geht.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.04.2015 11:46
#17 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von adder im Beitrag #16
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ein besonderer Schutz, den zur Zeit noch die seit über 1000 Jahren verbreitete Religion genießt, dem säkularen Staat nicht gut ansteht.


Lieber adder, das schreibt sich schnell dahin. Die Umsetzung wird aber schwierig. Dazu sind derzeit Staat und Kirche in der christlichen Leitkultur zu eng verwoben.

Wo mit der Änderung anfangen und wo aufhören.

Oder wollen Sie die Sonntagsruhe auch abschaffen? (http://de.wikipedia.org/wiki/Sonntagsruhe) Die ist auch aus religiösen Gründen eingeführt worden.
Als mein Sohn sein Haus gebaut hat, hat er diese Regelung "verflucht".

LG, Paul

PS: Wenn Deutschland islamisiert ist, wird sich auch die Leitkultur ändern. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

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JE SUIS JUIF

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

05.04.2015 12:28
#18 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von schattenparker im Beitrag #12
Nun, Atheisten verzichten seit Jahrhunderten auf eigene Feiertage (Tag der Aufklärung, Giordano-Bruno-Tag, Tag der Atom-Spaltung, Tag der künstlichen Intelligenz, Tag der Wissenschaftstheorie, Galileo-Tag - je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr fallen einem ein, auf 10 Tage pro Jahr kommen wir locker !), um die Gesellschaft nicht weiter zu spalten und den Arbeitgebern keine zusätzlichen Probleme einzubrocken. Wir bescheiden uns friedlich mit den systemfremden christlichen Feiertagen - nur sollen uns die Christen in der Ausdeutung dieser Tage dann bitte auch in Ruhe lassen.

Entschuldigen Sie, lieber Schattenparker, aber wer bitte hat Sie zum Sprecher der Atheisten ernannt ? Ich glaube die Idee einen Tag der KI einzuführen ist nahezu absurd und Sie würden dafür selbst unter Atheisten nicht einmal zehn Prozent Anhänger finden, unter der ganzen Bevölkerung vermutlich weniger als fünf. Sie verzichten auf genau gar nichts (!), und wenn Sie der Meinung sind, es sollte diese Feiertage geben, dann steht es Ihnen frei sich im demokratischen Prozess dafür einzusetzen. Machen Sie sich keine Sorge, dabei die Gesellschaft zu spalten, ich bin sicher, Sie werden erleben wie geschlossen die Gesellschaft sich dabei aufstellen würde.

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

05.04.2015 13:26
#19 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #13
Meinethalben könnte man gesetzliche Feiertage (und den Sonntag gleich mit) gerne abschaffen.

Man kann schon. Man sollte sich nur der Folgen bewusst sein. Als junger Mensch sieht man den Sonntag beispielsweise eher hinderlich: Man kann nicht frei einkaufen, man kann viele Dinge nicht tun, alles ist irgendwie ... langweilig. Aber mit zunehmendem Alter freut man sich auch darüber, dass es so etwas wie Ruhe am Wochenende gibt. Es gibt einen Tag, wo man mal einfach nix tun muss (kann und muss ist eben nicht so weit entfernt, wie man meint). Ein Tag, wo man sich mal in Ruhe mit einem guten Buch in den Garten setzen kann und nicht alle zehn Minuten die Strassenbahn vorbeirattert. Und wo beispielsweise meine Nachbarin ihren Mann nicht schon um sechs in der früh lautstark zusammenstaucht. Hat man Kinder bekommt das Wochenende noch einmal mehr Bedeutung, nämlich die Tage, die man wirklich mit seinen Kindern verbringen kann.
Ein Wochenende hat Vorteile, und es birgt ebenso Vorteile, dass diese (verordnete) Ruhe auch für alle anderen gilt. Denn wie hier schon geschrieben wurde, es reicht ein einziger Depp aus, um 100 Leuten das Wochenende zu versauen.
Kulturelle Regelwerte zu schleifen hat immer zwei Seiten: Zum einen wird man natürlich freier in Bezug auf die eigene Handlungsfreiheit. Man verliert aber auch Freiheiten dadurch, dass andere diese Handlungsfreiheit auch wahrnehmen können. Am Ende ist es gar nicht so unwahrscheinlich in einer deutlich unfreieren Situation zu landen. Und dann will es wieder keiner gewesen sein.

Natürlich sind gerade diejenigen, die noch den letzten stillen Feiertag gerne schleifen wollen, absolut sicher diesen ja nie zu brauchen. Und in aller Regel stimmt das auch. Umgekehrt wird die Situation in dem Moment, wenn es um Dinge geht, die einen plötzlich selber betreffen. Ich habe vor ein paar Jahren die Situation erlebt, dass ein Professor eine wichtige Klausur an Aschermittwoch hat schreiben lassen. Im Rheinland. Das gab einen Aufschrei. Wobei die Argumentation ja exakt die selbe ist wie hier: Karneval betrifft nicht jeden, also kann man da auch eine Klausur schreiben. Muss ja keiner am Dienstag in der Kneipe versacken. Meinethalben überhaupt kein Problem, ich trinke weder Alkohol, noch kann ich mit Karneval viel anfangen (das korreliert ja auch nicht zu knapp). Aber ich finde das Verhalten des Profs trotzdem daneben. Weil wir eine Gemeinschaft sind, und da nimmt man auch Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer (ist für mich eine Frage des Anstands). Mir geht Karfreitag am Allerwertesten vorbei. Aber ich kenne Leute, bei denen das nicht so ist. Mir geht auch Karneval am selbigen vorbei. Aber ich kenne (sogar noch mehr) Menschen, bei denen das nicht so ist. Ich habe kein Problem damit an Karfreitag nicht zu tanzen, an Weihnachten nicht einkaufen zu gehen, am Aschermittwoch keine Klausur zu stellen und am Sonntag nicht den Rasenmäher zu schwingen. Das sind alles Nickeligkeiten, die für andere Leute sehr wichtig sind. Und vielleicht gibt es auch die eine oder andere Sache, die mir wichtig ist, die für andere nur Nickeligkeiten darstellen, die mir diese aber auch nicht geben müssen, aber tun.

Techniknörgler Offline



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05.04.2015 14:42
#20 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat
Als junger Mensch sieht man den Sonntag beispielsweise eher hinderlich: Man kann nicht frei einkaufen, man kann viele Dinge nicht tun, alles ist irgendwie ... langweilig.



Bei ihnen war das vielleicht so, als Sie jung waren. Wer hat Sie zum Sprecher aller jungen Menschen ernannt?

Nachtrag:

Zitat

Natürlich sind gerade diejenigen, die noch den letzten stillen Feiertag gerne schleifen wollen, absolut sicher diesen ja nie zu brauchen. Und in aller Regel stimmt das auch.



Wofür sollte man das Verbot freudiger Veranstaltungen anderer den brauchen? Wie schon geschrieben: Um Schutz vor Ruhestörung geht es ja nicht. Es geht um den "Schutz" davor, dass andere den Tag nicht anders begehen - auch wenn man davon nicht wirklich etwas mitbekommen muss. Ist das so schlimm? Für einige Offenbar. Ein Grund für ein Verbot ist es nicht.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Techniknörgler Offline



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05.04.2015 14:43
#21 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat
. Machen Sie sich keine Sorge, dabei die Gesellschaft zu spalten, ich bin sicher, Sie werden erleben wie geschlossen die Gesellschaft sich dabei aufstellen würde.



In Bezug auf einen Tag der KI vielleicht, aber bei einem Tag der Aufklärung wäre ich mir da nicht so sicher. Vielleicht werden Sie von ihrer persönlichen Filterbubble etwas in die Irre geführt, lieber Llarian?

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Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

05.04.2015 14:50
#22 Tanzveranstalltungen sollen keine Pflicht werden. Antworten

Zitat
Aber ich finde das Verhalten des Profs trotzdem daneben. Weil wir eine Gemeinschaft sind, und da nimmt man auch Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer (ist für mich eine Frage des Anstands).Zitat:

Nein, der stille Feiertag hat mit Rücksichtsnahme nichts viel zu tun. So ist er auch nicht begründet.
Zitat:
Ich habe vor ein paar Jahren die Situation erlebt, dass ein Professor eine wichtige Klausur an Aschermittwoch hat schreiben lassen. Im Rheinland.



Zitat
Mir geht Karfreitag am Allerwertesten vorbei. Aber ich kenne Leute, bei denen das nicht so ist. Mir geht auch Karneval am selbigen vorbei. Aber ich kenne (sogar noch mehr) Menschen, bei denen das nicht so ist. Ich habe kein Problem damit an Karfreitag nicht zu tanzen



Der Vergleich mit der Klausur hinkt gewaltig. So gewaltig, dass es jedem auffallen müsste. Mit der Klausur am Aschermittwoch drängt er Leute bei ihm anzutanzen (wenn sie nicht durchfallen wollen). Soll irgend eine Tanzveranstalltung zur Pflicht werden?

Aber mit einer Antwort muss ich wohl nicht rechnen. Sie sind sich ja sicher, die Gesellschaft geschlossen hinter sich zu haben...

Edit: Wäre die Gesellschaft geschlossen hinter ihnen, dann wäre mein Kompromissvorschlag, das Tanzverbot per Kommunalsatzung, welche der Zustimmung per Bürgerentscheid bedarf (also einer direktdemokratischen Mehrhheit), zu ermöglichen, anstatt es direkt in Landesgesetzen für verbindliche zu erklären, kein Problem. Ein Vorschlag, auf den interessanter Weise noch nicht eingegangen wurde. Das Verbot bestimmter Theaterstücke (Drama erlaubt, Komödie verboten, in einem geschlossenen Theatersaal) lässt sich sowie so nicht mit Rücksichtnahme begründen. Das man selber kein Problem mit einer solchen Einschränkung hat ist da kein Argument. Nicht die Aufhebung der Zensur braucht gründe, sondern ihre Beibehaltung braucht sehr gute Gründe. Und die bestehen hier nicht.

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Techniknörgler Offline



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05.04.2015 15:17
#23 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #17
Zitat von adder im Beitrag #16
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ein besonderer Schutz, den zur Zeit noch die seit über 1000 Jahren verbreitete Religion genießt, dem säkularen Staat nicht gut ansteht.


Lieber adder, das schreibt sich schnell dahin. Die Umsetzung wird aber schwierig. Dazu sind derzeit Staat und Kirche in der christlichen Leitkultur zu eng verwoben.

Wo mit der Änderung anfangen und wo aufhören.


Wie wäre es, wenn wir erst einmal bei Einschränkungen von Art. 5 GG anfangen. Können wir uns darauf einigen?

Danach kann man gerne nach säkularen Gründen suchen, warum man bestimmte Dinge beibehalten will...

Zitat

Oder wollen Sie die Sonntagsruhe auch abschaffen? (http://de.wikipedia.org/wiki/Sonntagsruhe) Die ist auch aus religiösen Gründen eingeführt worden.
Als mein Sohn sein Haus gebaut hat, hat er diese Regelung "verflucht".



Für den Sonntag findet sich da schnell eine Mehrheit. Die Gesellschaft will einen arbeitsfreien Tag, an dem möglichst viele gleichzeitig frei haben (für gemeinsame Unternehmungen, Treffen, etc.). Wenn man einen solche Tag will, dann kann man gerne den historisch überlieferten Sonntag dafür wählen.

Wenn die Gesellschaft unbedingt einen Tag mit Zensur haben will (damit meine ich nicht das Tanzverbot, sondern die Film- und Theaterzensur am Karfreitag), dann könnte man den historisch überlieferten Karfreitag wählen.

Ich denke aber nicht das eine Mehrheit das will, viele wissen bloß nicht über die Zensur am Karfreitag Bescheid, bis sie selber damit konfrontiert werden. Dann regt man sich kurz auf und dann wird man von anderen Dingen abgelenkt. Für die Befürworter der Zensur ist das der Beleg, das den meisten Menschen die Kunst-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit am Karfreitag nicht sonderlich wichtig sei, den Gegnern aber die Zensur sehr wichtig ist, daher gehe die Zensur in Ordnung. Zensur wäre aber selbst dann in der Regel nicht in Ordnung, wenn es tatsächlich eine aktive Mehrheit für sie geben. Das zeichnet ja gerade Grundrechte aus. Sogar nur ein passiv-resigniertes Hinnehmen der Grundrechtseinschränkung angesichts des Eifers der Zensoren, ist da als Rechtfertigung der Zensur eher schwach.


Zitat

PS: Wenn Deutschland islamisiert ist, wird sich auch die Leitkultur ändern. Da beißt die Maus keinen Faden ab.



Lieber Paul, dies ist der Grund warum ich das Tanzverbot mit Kulturpessimismus verbinde. Manchmal habe ich das Gefühl, einige sehen im Tanzverbot am Karfreitag so eine Art Bollwerk der christlich-abendländischen Kultur gegen eine Islamisierung - oder sie sehen das Tanzverbot zumindest als wichtiges Symbol dafür.

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― Robert A. Heinlein

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

05.04.2015 16:49
#24 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Techniknörgler Karfreitag


Die Fakten des angeblichen 'Verbots' sehen allerdings anders aus:.

1. Der Link führt zur erstinstanzlichen Entscheidung des VG Köln. Der bestätigende Beschluß des OVG NRW findet sich hier

http://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pr...50324/index.php


2. Um Rechtsschutz nachgesucht hatte nicht etwa die Familie, die die Beschneidungsfeier abhalten, sondern der Gastwirt, der sein Lokal vermieten wollte. Das OVG stellt fest, er könne sich selbst nicht auf die Religionsausübungsfreiheit berufen, da er nur gewerbliche Interessen ohne gerechtfertigten Vorrang vor dem Schutz des Karfreitags hätte.


3. Verboten wurde nichts, die beiden Gerichte haben vielmehr eine Interessenabwägung vorgenommen zwischen dem Schutz des Feiertages einerseits, der Religionsausübungsfreiheit andererseits. In der Pressemitteilung des OVG heißt es dazu:

„ Etwaige Konflikte zwischen der Religionsausübungsfreiheit nach Art. 4 Abs. 2 GG, die grundsätzlich für die Durchführung einer Beschneidungsfeier streiten könne, und dem Feiertagsschutz seien im Rahmen der ge­setz­lichen Ausnahmemöglichkeiten zu lösen. Eine Ausnahme komme hier jedoch nicht in Be­tracht, weil die fraglichen Beschneidungsfeiern weder an einen Kalen­dertag ge­­bunden seien noch feste Vorgaben in Abhängigkeit vom Lebensalter des Kin­des existierten. Für die Beschneidung komme im isla­mischen Kulturkreis eine Lebensspanne von der Geburt bis zum 14. Lebensjahr des Kindes in Betracht. Es bestehe kein schutzwürdiges Interesse, die Feierlichkeiten gerade am Karfreitag abzuhalten, zumal die eigentliche Beschneidung häufig bereits mehrere Wo­chen zuvor stattgefunden habe. „

Das VG Köln:

„Insoweit ist hier unter Berücksichtigung der genannten Bedeutung der Feier bzw. des Feiertags für die jeweilige Religion einzustellen, dass es sich bei dem Karfreitag um einen kalendergebundenen kirchlichen Feiertag handelt, während weder die Beschneidung eines Jungen noch die anschließende, hier streitige Beschneidungsfeier kalendermäßig vorgegeben ist.“


Beide Gerichte machen also genau das, was ihre Aufgabe ist. Sie untersuchen den Sachverhalt und kommen zu dem Ergebnis, daß es sich bei dem fraglichen Fest jedenfalls auch um eine unterhaltende Veranstaltung handelt, die vom allgemeinen Verbot des §6 Abs.3 Nr. 2 FeiertagsG-NRW für den Karfreitag erfaßt wird (derartige Veranstaltungen nur in Wohnungen).

Anschließend wägen sie die Religionsausübungsfreiheit und den Schutz des Karfreitags als jeweils betroffene Schutzgüter im Rahmen des §10 FeiertagsG ab und, und kommen deswegen zu einem Vorrang des Feiertagschutzes, weil das islamische Beschneidungsfest problemlos an einem anderen Tag stattfinden kann.


Es geht also gerade nicht 'darum, ein Fest zu verbieten, weil Christen an diesem Feiertag nicht Feiern wollen', sondern darum, die Religionsausübungsfreiheit der einen Religionsgemeinschaft mit der der anderen so in Einklang zu bringen, daß beide nicht in ihrem Kernbereich beeinträchtigt werden. Der Grund ist auch nicht, 'dass sich eine Minderheit in diesem Land immer noch daran stört, wenn Andere manche Tage ihres Leben anderes gestalten'. Der Grund ist vielmehr, daß von einer religiösen Minderheit in diesem Land erwartet werden kann, die Religionsausübungsfreiheit einer anderen Minderheit zu respektieren, wenn das die eigene nicht beeinträchtigt.

Was der ganze Vorgang mit Art.5 GG oder mit 'Zensur' zu tun haben soll, erschließt sich mir auch nicht. Die Einschränkungen des §6 Abs.3 und 4 FeiertagsG-NRW gelten nur für wenige Stunden und sind bei Abwägung der Grundrechte aus Art 4 und 5 GG keine merkbare Beeinträchtigung des Art.5 GG.



Edit: Zwei Tippfehler berichtigt

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.04.2015 17:02
#25 RE: Eine Frage der Zeit Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #23

Wie wäre es, wenn wir erst einmal bei Einschränkungen von Art. 5 GG anfangen. Können wir uns darauf einigen?


Lieber Techniknörgler, ich verstehe nicht, was Sie damit meinen. Deshalb kann ich mich auch auf nichts mit Ihnen einigen.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

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