Was übrigens die Fiktion eines chinesischen Marinestützpunkts auf der Krim betrifft: Das spiegelt die russische Propaganda wieder, mit der Krimbesetzung wäre Putin einem Versuch der NATO zuvorgekommen, in Sewastopol eine Marinebasis einzurichten.
Aber diese Idee wäre ähnlich absurd wie die einer chinesischen Basis. Für die NATO-Marinen ist die Krim völlig wertlos. Ein US-Admiral, der ernsthaft so etwas vorgeschlagen hätte, wäre wohl wegen Demenz aus dem Dienst entlassen worden ...
Man muss schon eine sehr einseitig pro-russische Sicht haben, um auf solche Ideen zu kommen. Wenn man den Begriff Seidenstraße überhaupt verwenden will, dann verläuft die heutzutage durch die Straße von Malakka, durch den Golf von Aden, das Rote Meer, der Suezkanal und dann durchs Mittelmeer, also ziemlich weit um Russland herum. Das wissen natürlich auch die Russen. Der russische Ölexport nach Asien läuft ja auch über diese "Seidenstraße", wobei sie eine interessante Variante haben, den Suezkanal zu umgehen. Tanker bringen das Öl nach Aschkelon, das geht dann über eine Pipeline nach Eilat und wird dort wieder in ein Schiff gepumpt. Das Schwarze Meer spielt da nur als Zubringer für die Russen und ein paar weniger wichtige Länder eine Rolle. Außer militärischer Stärke hat Russland Rohstoffe zu bieten und ansonsten sehr wenig, dieselbe Schwäche wie zu Sowjetzeiten. Russland bleibt nicht viel anderes als militärische Abenteuer, um den Bedeutungsverlust aufzuhalten. Gerade das macht Russland gefährlich.
Etwas Positives hat Putin trotz allem dennoch erreicht: Landesverteidigung wird wieder ernster genommen. Lange gab man sich der naiven Hoffnung hin, militärische Konflikte könne es in Mitteleuropa nicht mehr geben. Russland ist auch keineswegs die einzige mögliche Bedrohung.
Zitat von TF im Beitrag #3Man muss schon eine sehr einseitig pro-russische Sicht haben, ...
Sicher. Wobei ich bei einem russischen Außenpolitik-Kommentator eine solche Sicht nicht unbedingt überraschend finde. Und Einseitigkeit ist bei der Stellungnahme einer Seite auch legitim - wenn sie bei den Fakten bleibt.
Mich überrascht, wie stark der Kommentator neben der Realität liegt. Und offenbar nicht, weil er bewußt lügen will - sondern weil er wohl selber dran glaubt.
Zitat Wenn man den Begriff Seidenstraße überhaupt verwenden will, dann verläuft die heutzutage durch die Straße von Malakka, durch den Golf von Aden, das Rote Meer, der Suezkanal und dann durchs Mittelmeer, also ziemlich weit um Russland herum.
Richtig, die faktischen Handelsströme verlaufen so. Allerdings wird ja die chinesische Regierungsinitiative referenziert. Und da wird halt weit mehr hineingepackt (ich hatte das verlinkt). Aus Sicht der Chinesen gehört zur "neuen Seidenstraße" auch eine Landverbindung von China über Afghanistan, Iran, Türkei und durch den Balkan nach Westeuropa (was man wohl nur sehr langfristig für realistisch halten kann). Und zur guten Abrundung haben sie auch eine Landverbindung nach Rußland reingepackt. Was mit der historischen Seidenstraße nichts mehr zu tun hat, und auch jetzt nur eine Nebenfunktion haben soll. Erstaunlich ist eben, daß der russischen Kommentator das offenbar erkennt, sondern zur Basis für Wunschträume macht.
Zitat Außer militärischer Stärke hat Russland Rohstoffe zu bieten und ansonsten sehr wenig, ...
Und selbst die militärische Stärke ist ja eigentlich begrenzt. Es ist eine (vorübergehende) relative Stärke gegenüber Westeuropa und beruht im wesentlichen darauf, daß Putin bereit ist militärisch unterhalb der offiziellen Kriegsschwelle sehr rücksichtslos zu agieren. Falls das jemals über diese Schwelle eskalieren würde, hätte die russische Armee gegen die NATO keine Chance.
Zitat von R.A. im Beitrag #4Falls das jemals über diese Schwelle eskalieren würde, hätte die russische Armee gegen die NATO keine Chance.
Betrachten wir nur die konventionelle Mann- und Ausrüstungsstärke, dann bin ich mir da nicht so sicher. Die NATO hat sich in den letzten 20 Jahren hauptsächlich auf assymetrische Gegner in großer Entfernung vorbereitet. An einen Gegner mit starker Panzerbewaffnung in direkter Nähe hat keiner mehr geglaubt. Deswegen hat man jetzt in Europa hauptsächlich leichte Infanterie und kaum mehr Panzer oder Artillerie und auch keine Aufwuchsfähigkeit für längere, verlustreiche Konflikte. Rußland hat indessen keine militärische Fähigkeiten aus den 80er Jahren nicht grundlegend abgebaut, lediglich modernisiert und reorganisiert. Außerdem hat Rußland einen Informationsvorsprung, weil der Zustand und die Position von NATO-Truppen wegen Rüstungskontrollvereinbarungen und demokratischen Bedingungen sehr genau bekannt sind. Rußland selber legt aber schon seit langem nicht mehr der OSZE oder dem eigenen Volk die Gliederung und Ausrüstung seines Militärs offen.
Ich musste gerade wieder an eine Nachricht von Dez.2014 denken: "Erster direkter Güterzug zwischen China und Spanien" http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wi...n-13313348.html (die Strecke ging übrigens über Kasachstan, Russland, Weißrussland, Polen, etc.).
Man fragt sich wirklich, was das soll. Ganz offensichtlich ist das gegenüber einer Verbindung per Containerschiff extrem unwirtschaftlich. Ein Güterzug kann vielleicht 20 oder 30 Container befördern. Große Containerschiffe liegen bei 20 Tausend (!) Containern (mit einer Besatzung von 20 oder 25 Personen). [Ich habe mal als Praktikant bei einer Importfirma Frachtkosten berechnet. An was ich mich noch erinnere: Die Frachtkosten von Hamburg nach Düsseldorf per Güterzug waren merklich höher als die Kosten von Hong Kong nach Hamburg per Schiff].
Im Artikel wird die geringere Transportzeit per Zug genannt. Das mag in ganz seltenen Spezialfällen ein Argument sein. Aber wenn man bereit ist, wegen des Zeitvorteils den hohen Transportpreis per Zug zu bezahlen, dann ist meistens wahrscheinlich Luftfracht die bessere Alternative.
Aber auch wenn ich die wirtschaftliche Logik nicht verstehe: Fakt ist, dass es diesen Güterzug gegeben hat. Womöglich (bzw. wahrscheinlich) ist das ganze aus chinesischer Sicht tatsächlich nur politisch motiviert. Aber das China an einer solchen Landverbindung arbeitet (warum auch immer) scheint also schon zu stimmen.
Zitat von Florian im Beitrag #6Aber das China an einer solchen Landverbindung arbeitet (warum auch immer) scheint also schon zu stimmen.
Ein Grund könnte sein, daß China als eine der wenigen Nationen verblieben ist, in der man den massiven Ausbau der Eisenbahn als Zukunftsinvestition betreibt: Die Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Peking & Shanghai; die Anbindung der "tibetischen Provinz": das wird auch propagandistisch heftig gepusht. Und da war immer die Transsib das Ärgernis: nicht nur, daß die ungeliebten Russen das bewerkstelligt hatten, sondern daß China über die "Nebenstrecke" über Harbin daran hängt.
Zitat von R.A. im Beitrag #4Falls das jemals über diese Schwelle eskalieren würde, hätte die russische Armee gegen die NATO keine Chance.
Betrachten wir nur die konventionelle Mann- und Ausrüstungsstärke, dann bin ich mir da nicht so sicher. Die NATO hat sich in den letzten 20 Jahren hauptsächlich auf assymetrische Gegner in großer Entfernung vorbereitet. An einen Gegner mit starker Panzerbewaffnung in direkter Nähe hat keiner mehr geglaubt. Deswegen hat man jetzt in Europa hauptsächlich leichte Infanterie und kaum mehr Panzer oder Artillerie und auch keine Aufwuchsfähigkeit für längere, verlustreiche Konflikte. Rußland hat indessen keine militärische Fähigkeiten aus den 80er Jahren nicht grundlegend abgebaut, lediglich modernisiert und reorganisiert.
Man kann es auch so formulieren: Russland hat seit den 1980er Jahren kaum modernisiert. Nehmen wir einmal eine hochgelobte moderne europäische Waffe für asymmetrische kriegsführung: die britische Brimstone Eignet sich auch um IS-Fahrzeuge in Syrien zu zerstören, aber entwickelt wurde sie zur Panzerbekämpfung. Die Fähigkeiten zur symmetrischen Kriegsführung sind in Europa durchaus vorhanden, über die teilweise homöopathischen Stückzahlen kann man streiten.
Zitat von xanopos im Beitrag #8Man kann es auch so formulieren: Russland hat seit den 1980er Jahren kaum modernisiert.
Oh nein! Die exorbitanten Rüstungsausgaben hat man ja sogar im Westen deutlich registriert. Nur hat man gemeint, die würden ausschließlich aus innen- und wirtschaftspolitischen Gründen vorgenommen. Aus den unnötig hohen Verlusten 2008 gegen Georgien wird man auch gelernt haben. Die NATO hat gar nichts daraus gelernt.
Zitat von xanopos im Beitrag #8Die Fähigkeiten zur symmetrischen Kriegsführung sind in Europa durchaus vorhanden, über die teilweise homöopathischen Stückzahlen kann man streiten.
Zitat von Florian im Beitrag #6"Erster direkter Güterzug zwischen China und Spanien" ... Man fragt sich wirklich, was das soll. Ganz offensichtlich ist das gegenüber einer Verbindung per Containerschiff extrem unwirtschaftlich.
Die Direktverbindung nach Spanien ist natürlich nur PR-Gag.
Der Landtransport ist m. E. für China vor allem deswegen wichtig, weil es das eigene Landesinnere (nicht nur Tibet) erschließen muß. Da gibt es bisher ja erhebliche Defizite. Und es macht sich in den Provinzen natürlich besser, wenn diese Landtransportverbindungen nicht nur immer als Sackgasse enden, sondern auch hinter der Grenze noch Optionen aufscheinen. Und im näheren Bereich sind die vielleicht auch mal nützlich - vielleicht können die ansonsten wirtschaftlich abgehängten Gebiete wie Sinkiang tatsächlich mal ein paar Produkte z. B. im reichen Kasachstan absetzen. Und da wäre die Eisenbahn das Mittel der Wahl.
Für den Haupthandel von China bleibt natürlich der Seeweg (und etwas Luftfracht) ungeschlagen.
Zitat Aber das China an einer solchen Landverbindung arbeitet (warum auch immer) scheint also schon zu stimmen.
Sicher stimmt das, ich hatte das offizielle "Seidenstraße"-Programm Chinas ja verlinkt, da gehören auch Landverbindungen dazu.
Aber die haben eben nicht die Bedeutung, die der russische Autor hineininterpretiert.
Zitat von Emulgator im Beitrag #5Deswegen hat man jetzt in Europa hauptsächlich leichte Infanterie und kaum mehr Panzer oder Artillerie und auch keine Aufwuchsfähigkeit für längere, verlustreiche Konflikte.
Wenn die NATO nur aus europäischen Partnern bestehen würde, wäre ich auch etwas nervöser. Aber die USA gehören doch auch noch dazu ...
Auch die unter Putin wieder etwas gestärkte russische Armee ist nur noch ein Schatten der Militärstärke des Warschauer Pakts. Putin blufft.
Zitat von R.A. im Beitrag #11Wenn die NATO nur aus europäischen Partnern bestehen würde, wäre ich auch etwas nervöser. Aber die USA gehören doch auch noch dazu ...
Was an Landstreitkräften in Amerika stationiert ist, spielt keine Rolle, weil diese Kräfte erst zeitraubend über den Atlantik geschafft werden müssen, evtl. gegen russischen Widerstand zur See. Früher gab es dafür Übungen und Pläne, aber das ist schon lange her. Hier in Europa sind die USA gerade mal so stark wie die halbe Bundeswehr. Da darf man nicht Putin auf dem Leim gehen, der die Stärke der USA in Europa maßlos übertreibt.
Zitat von R.A. im Beitrag #11Wenn die NATO nur aus europäischen Partnern bestehen würde, wäre ich auch etwas nervöser. Aber die USA gehören doch auch noch dazu ...
Was an Landstreitkräften in Amerika stationiert ist, spielt keine Rolle, weil diese Kräfte erst zeitraubend über den Atlantik geschafft werden müssen, evtl. gegen russischen Widerstand zur See.
Die russischen Fähigkeiten zur Seezielbekämpfung sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Selbst kleinere Länder wie Dänemark oder Norwegen verfügen heute über sehr gute Flugabwehrfähigkeiten zur See.
Zitat von xanopos im Beitrag #13Die russischen Fähigkeiten zur Seezielbekämpfung sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Selbst kleinere Länder wie Dänemark oder Norwegen verfügen heute über sehr gute Flugabwehrfähigkeiten zur See.
Es geht ja nicht um Schiffeversenken, sondern darum, daß Seetransporte über den Atlantik unter Bedrohung schwieriger sind. Im Kalten Krieg wären die gar nicht so nötig gewesen, weil das Material schon in Deutschland eingelagert war.
Als "Vorbereitung" darauf haben die USA übrigens inzwischen Island geräumt. Wenn jetzt die NATO die Dänemarkstraße kontrollieren will, geht das nur durch Maßnahmen, bei denen Putin gleich "Einkreisungspolitik" schreit. Man kann es auch so formulieren: Durch den von Pazifisten befürworteten Um- und Abbau stehender Streitkräfte in der NATO sind Defensivmaßnahmen so umständlich und politisch riskant geworden, daß eine Aggression glatt Erfolg haben kann.
Ein interessanter Artikel über die chinesische "Seidenstraße"-Planung. Während die Hauptverbindungslinie des chinesischen Schwerpunkts an der Küste weiterhin maritim nach Europa führen wird, geht es beim Land-Teil der "Seidenstraße" im wesentlichen um die Entwicklung des Landesinneren. Und dort in erster Linie um die Anbindung an den Rest Chinas und an die direkten Nachbarländer. Eine Landverbindung nach Europa wird erwähnt, weil für einige wenige dort ansässige Exportbetriebe der Weg nach Shanghai so weit ist, daß die Vorteile des anschließenden Seewegs nicht mehr ausschlaggebend sind.
Insgesamt machen die Chinesen hier das, was Putin in Rußland weitgehend verpennt: Die eigene wirtschaftliche Basis entwickeln, eingebunden in die globale Wirtschaft.
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