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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Zeitgeschichte und Politik
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.11.2007 18:37
Marginalie: Wie konservativ sind die US-Amerikaner? Antworten

Wieder einmal ist es ein Kommentar von Jonah Goldberg, der mich zu einem Beitrag veranlaßt.

Viele Amerikaner, schreibt Goldberg, sind ideologisch konservativ - aber sozialdemokratisch, wenn es um ihren eigenen Vorteil geht.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

04.11.2007 11:41
#2 RE: Marginalie: Wie konservativ sind die US-Amerikaner? Antworten

In Antwort auf:
aber sozialdemokratisch, wenn es um ihren eigenen Vorteil geht.


Wie auch sonst hätte die "Public Choice"-Theorie in den USA entstehen können...

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.11.2007 13:30
#3 RE: Marginalie: Wie konservativ sind die US-Amerikaner? Antworten

Zitat von Rayson
In Antwort auf:
aber sozialdemokratisch, wenn es um ihren eigenen Vorteil geht.

Wie auch sonst hätte die "Public Choice"-Theorie in den USA entstehen können...

Hätte sie, lieber Rayson, nicht auch in Deutschland entstehen können, im Grunde in jeder funktionierenden Demokratie? (Wenn wir denn Wissenschaftler vom Rang eines James Buchanan hätten ...).

Daß Regierungen mit der Billigung der Wähler dazu neigen, Partikularinteressen zu bedienen, ist vermutlich unausrottbar. Und die "Public Choice"- Theorie sagt, warum es so ist: Weil die Kosten gering und die Vorteile groß sind.

Für die verantwortlichen Politiker - denn sie geben ja nicht ihr eigenes Geld aus, um sich einen Vorteil bei bestimmten Wählergruppen zu verschaffen.

Für die Wähler - denn jeder Wähler trägt ja nur einen geringen Betrag zu den Kosten der jeweiligen Wohltaten bei. Er sieht also nicht die Kosten, sondern er sieht den Vorteil für sich selbst, wenn er einer der begünstigten Gruppen angehört. Die Verlängerung von ALGI ist ein aktuelles Beispiel.



Als ich, angeregt durch deine Anmerkung, ein wenig herumgeklickt habe, bin ich auf einen Beitrag von Harry Browne gestoßen, der mir bekannt vorkam - ich glaube, das habe ich irgendwann schon einmal gelesen, vielleicht sogar verwurstet. Es steht hier, und das Thema ist ein Ausgabengesetz, das der US-Kongreß 2004 verabschiedete.

Browne hat sich aus den mehreren tausend Seiten dieses Gesetzes ein paar Perlen herausgefischt und kommentiert genüßlich:
There's a $1 million appropriation for the "Wild American Shrimp Initiative." I don't know about you, but I like shrimp — and anything that enhances their initiative is okay with me.

Es gibt Fördermittel von 1 Million Dollar für die "Amerikanische Wildgarneleninitiative". Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber ich mag Garnelen - und alles, was ihre Initiative anregt, hat meine Zustimmung.

And there's $150,000 for the "Therapeutic Horseback Riding Program" at the Lady B Ranch in California. If it's for therapy, I'm all for it.

Und es gibt 150 000 Dollar für das "Therapeutische Pferdereitprogramm" auf der Lady B Ranch in Kalifornien. Wenn es für eine Therapie ist, bin ich allemal dafür.

There's $150,000 for "Fishing Rationalization Research" in Alaska. I've only been fishing once in my life, and the fish didn't seem very rational to me. So maybe it's about time the government did something about that.

Es gibt 150 000 Dollar für "Forschungen zu Rationalisierung des Fischens" in Alaska. Ich habe nur einmal im Leben gefischt, und der Fisch erschien mir nicht sehr rational. Also ist es wohl an der Zeit, daß die Regierung da etwas tut.

Perhaps most important, there's $4 million for important research at the International Fertilizer Development Center in Alabama, as well as $2.3 million for the Animal Waste Management Laboratory in Kentucky. Good! Maybe they'll finally do something to make the stuff smell better.

Und vielleicht am wichtigsten - es gibt 4 Millionen Dollar für wichtige Forschungen im Internationalen Zentrum zur Entwicklung von Dünger in Alabama, sowie 2,3 Millionen Dollar für das Labor zur Behandlung von Tierfäkalien in Kentucky. Gut! Vielleicht tun sie sie endlich etwas dafür, daß das Zeugs besser riecht.

Ich denke, lieber Rayson, solche Beispiele ließen sich auch in Deutschland leicht finden. Man müßte sich nur, wie Browne das damals getan hat, durch die Folianten der Gesetzestexte hindurcharbeiten.

Herzlich, Zettel


Rayson Offline




Beiträge: 2.367

04.11.2007 14:57
#4 RE: Marginalie: Wie konservativ sind die US-Amerikaner? Antworten

In Antwort auf:
Hätte sie, lieber Rayson, nicht auch in Deutschland entstehen können, im Grunde in jeder funktionierenden Demokratie?


Aber selbstverständlich, lieber Zettel. Das war auch der Sinn meiner Aussage: Demokratien ermutigen die Menschen, "sozialdemokratisch" zu denken. Deswegen sind die Amerikaner gar nicht "so anders", wie uns manch ungewohnte Rhetorik erscheinen lässt. Nicht nur das Fressen kommt vor der Moral, sondern auch die eine oder andere Annehmlichkeit.

Dein Beispiel mit den Fördermitteln für Partikularinteressen steht ganz bestimmt stellvertretend für Haushalte von Körperschaften, die sich der unmittelbaren, anschaulichen Kontrolle durch die Bürger entziehen. Das kann die föderale Regierung viel besser als eine Kommune, und ein künstlicher Überbau wie die EU kann das am besten.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.11.2007 18:02
#5 Subsidiarität und "Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse" Antworten

Lieber Rayson,

Zitat von Rayson
Dein Beispiel mit den Fördermitteln für Partikularinteressen steht ganz bestimmt stellvertretend für Haushalte von Körperschaften, die sich der unmittelbaren, anschaulichen Kontrolle durch die Bürger entziehen. Das kann die föderale Regierung viel besser als eine Kommune, und ein künstlicher Überbau wie die EU kann das am besten.

Ja, und das ist eines der vielen Argumente für das Subsidiaritätsprinzip.

Ich bin dafür, daß den Gemeinden ein erheblich größerer Anteil an den Steuern zufließt. Und daß sie im Gegenzug das, was sie bauen und unterhalten wollen, auch selbst finanzieren müssen.

Das hätte zur Folge, daß die Bürger bei den kommunalen Steuern spüren, was sie für die neue Schwimmhalle, das Opernhaus usw. aufzubringen haben. Bezahlen sie hohe kommunale Steuern, dann bekommen sie viele kommunale Leistungen. Bezahlen sie niedrige Steuern, dann können sie eben auch nur wenig erwarten.

Der Einwand liegt auf der Hand: Dann wären die Lebensverhältnisse in Gemeinden mit wohlhabenden Einwohnern krass verschieden von denen in Gemeinden mit geringverdienenden Einwohnern. Also keine Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse.

Man wird das eine wohl nicht ohne das andere haben können. Mehr Gleichheit wird immer nicht nur mit mehr Unfreiheit bezahlt, sondern auch mit mehr Bürokratie, mit mehr Verschwendung, mit mehr unsinnigen Subventionen.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

04.11.2007 21:41
#6 RE: Subsidiarität und "Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse" Antworten

Lieber Zettel, es wird dich wahrscheinlich kaum überraschen, dass da bei uns keinerlei Dissenz existiert.

Tatsächlich halte ich das Subsidiaritätsprinzip für vollkommen "underrated". Ich finde, dort fließen urliberale, urkonservative und auch links-anarchistische Grundsätze fast widerspruchsfrei zusammen. Der Gegensatz Staat-Individuum, den wir Liberale (dich als expliziten Nicht-nur-Liberalen mal ausgenommen) so hochhalten, ist für mich deshalb auch ein weitgehend taktischer. In Wirklichkeit geht es darum, den Nachteil von künstlichen und zwangsweise geschaffenen Kollektiven gegenüber freiwillig geschaffenen und "spontan" entstanden aufzuzeigen. Ganz hayekianisch.

--
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.11.2007 22:18
#7 Mein liberalkonservativer Vermittlungsausschuß; Deregulation und die Ordoliberalen Antworten

Lieber Rayson,

Zitat von Rayson
es wird dich wahrscheinlich kaum überraschen, dass da bei uns keinerlei Dissenz existiert.

Nein, damit hatte ich in der Tat gerechnet.
Zitat von Rayson
Der Gegensatz Staat-Individuum, den wir Liberale (dich als expliziten nicht-nur-Liberalen mal ausgenommen) so hochhalten, ist für mich deshalb auch ein weitgehend taktischer.

Ja, vom sozusagen lupenreinen Liberalen unterscheide ich mich wohl dadurch, daß ich kein Vertrauen in das Gute im Menschen habe. Also glaube ich, daß wir einen starken Staat brauchen, wenn es darum geht, die Einhaltung der Gesetze sicherzustellen, Übeltäter zu fassen und zu bestrafen, uns vor Terroristen und - wer weiß, wann das wieder akut werden wird - vor Angriffen von außen zu schützen.

Ich bin auch vielleicht kein lupenreiner Liberaler, was das Vertrauen in einen Markt angeht, der am besten funktioniert, wenn niemand über die Einhaltung der Regeln wacht. Aber eigentlich weiß ich nicht, ob es in dieser Hinsicht lupenreine Liberale wirklich gibt.

Wenn man einen Zellautomaten laufen läßt - ich habe das schon mal erwähnt, ich habe einen auf meinem Desktop -, dann kann man sich angucken, was ein sich selbst überlassenes System macht: Je nach Wahl der Parameter kann es in sich auf eine dynamische Weise stabilisieren ("settle"), in dem eine Reihe von Zuständen zyklisch durchlaufen werden; mit manchmal sehr langen, komplexen Zyklen. Es kann aber auch sehr schnell einen Endzustand erreichen, in dem überhaupt nur noch eine Zelle aktiv ist, oder vielleicht zwei. Alle anderen sind niederkonkurriert.

Zitat von Rayson
In Wirklichkeit geht es darum, den Nachteil von künstlichen und zwangsweise geschaffenen Kollektiven gegenüber freiwillig geschaffenen und "spontan" entstanden aufzuzeigen. Ganz hayekianisch.

Ich tendiere eher zu den Ideen der Freiburger, der Ordoliberalen, denen Hayek ja freilich wohl nicht allzu fernstand. So, wie das Verhalten eines Zellautomaten radikal verschieden sein kann, je nachdem, welche Ausgangsparamter man wählt, so kann auch - nach meinem Verständnis als Nicht-Ökonom - eine Wirtschafts sich ganz unterschiedlich entwickeln, je nach Rahmenbedingungen.

Und die zu setzen ist nach meinem Dafürhalten die Aufgabe des Staats bzw. - in der sich entwickelnden Staatengemeinschaft der EU - auch der Brüsseler Wirtschaftslenker.

Herzlich, Zettel

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