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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 34 Antworten
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Elmar Offline



Beiträge: 282

26.05.2015 08:45
Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Ein mMn sehr guter Kommentar zum Thema Meinungsfreiheit und Toleranz in unserem Land:
http://m.welt.de/kultur/article141461694...e-Schlampe.html

Paul Offline




Beiträge: 1.285

26.05.2015 19:43
#2 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Es ist einfach erschreckend und erinnert mich an meine Zeit in der DDR.
Dort sagten die Kommunisten: "Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir die Fresse ein."

Der Skandal hinter dem Skandal und den halte ich für den eigentlichen Skandal, ist, dass die Redaktion in dieser Weise vor der "tobenden Meute" einknickt.
Was ist nur los in diesem Land?

___________________________
JE SUIS JUIF

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

27.05.2015 00:03
#3 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat
"Der Skandal hinter dem Skandal und den halte ich für den eigentlichen Skandal, ist, dass die Redaktion in dieser Weise vor der "tobenden Meute" einknickt.
"



Es ist sogar noch schlimmer - will ich sagen. Auch wenn ich Frau von Rönne nicht leiden kann, an diesem Punkt hat sie den richtigen Nerv getroffen.

Die Kollegen vom Westfalen-Blatt sind nicht eingeknickt. Das Bild impliziert ja, dass sie selbst dazu Schaden nehmen oder zumindest sich biegen müssen. Die haben die arme Frau einfach ins Messer laufen lassen.
Es gibt hier:
http://www.sueddeutsche.de/medien/westfa...den-1.2491169-2
ein Interview mit Frau Eggert. Ich teile ihre Ansicht nicht, dass die Kolumne nicht homphob war. Ich finde, sie hat - wie oft - Sex und Sexualität vermischt. Allerdings nicht in dem Maß, in dem es ihr nur vorgehalten wird.
Hier:
http://www.westfalen-blatt.de/Ueberregio...chter-schuetzen
kann man sich das ganze Problem angucken. Eggerts Kolumne war in der Urfassung länger. Zu der shitstorm-auslösenden Kürze hat es erst die Redaktion gebracht. (Eggert sagt im SZ-Interview ja, dass die Kolumne schon in einem anderen Blatt erschienen sei - ohne Reaktionen). Auch die Überschrift stammt von der Redaktion.

Die Redaktion kürzt also Eggerts Text sinnverändernd und überschreibt ihn provokant.
Dann kommt es zu den Reaktionen.
Die Redaktion beruhigt Eggert, rät von Reaktionen ab, hält sie an, das Problem auszusitzen.
Während Eggert die Hände in den Schoß legt, schmeißt einer der Chefredakteure Eggert raus und macht das über die Medien publik.

Ich finde nicht, dass die Redaktion nur eingeknickt ist. Das ist - so wie es aussieht - ein ganz mieses Spiel. Wie gesagt, das finde ich als jemand, der die Kolumne problematisch findet. Aber das, was die Redaktion mit der Frau gemacht hat, sollte einen Shitstorm auslösen.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

27.05.2015 07:29
#4 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Was mich stört ist die Verhältnismäßigkeit. Vor einigen Wochen in Wien: Ein Postler hängt einen Zettel mit den Worten "Nix AMS" auf, und wird entlassen. (Wo war hier eigentlich die Gewerkschaft?) In der Gegend muss man sich den Tonfall (und Schlimmeres) von seinen Kunden zwar dauernd gefallen lassen.

Hingegen der Gendarm, der vor ein paar Jahren einen völlig unschuldigen und unbeteiligten Motorradfahrer, einfach in den Rücken erschossenen hatte, wurde nur versetzt.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

27.05.2015 07:34
#5 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #3
Zitat:Ich finde nicht, dass die Redaktion nur eingeknickt ist. Das ist - so wie es aussieht - ein ganz mieses Spiel. Wie gesagt, das finde ich als jemand, der die Kolumne problematisch findet. Aber das, was die Redaktion mit der Frau gemacht hat, sollte einen Shitstorm auslösen.

Ich finde ja grundsätzlich nicht, lieber vielleichteinlinker, dass wir noch mehr Shitstorms brauchen, auch wenn ich Ihnen zustimme, dass die Reaktion sich schäbig verhalten hat. Aber es wird ohnehin nicht passieren. Warum auch? Die Welt ist doch wieder in Ordnung .

Shitstorms passieren ja nicht in der Provinz, sondern sie ergießen sich von der selbstreferentiellen Berliner chattering class aus in Richtung Provinz und haben nur ein Ziel: Distinktionsgewinn: "Schaut mal, wie zurückgeblieben und intolerant die da in Ostwestfalen sind im gegensatz zu uns Bionadeschlabberern am Prenzelberg". Und dann ist natürlich jeder Anstand überflüssig, wenn man sich auf der richtigen Seite wähnt. Die Feministinnen haben mit dem im Vergleich zu heutigen Shitstorms beinahe liebevoll anmutenden Begriff der "sexistischen Kackscheiße" angefangen, mittlerweile gibt es kein Tabu mehr.

Und da es so gut wie keine keine aufrechten Lokaljournalisten mehr gibt, sondern alle Teil dieses Zirkus sein wollen, knicken die natürlich ein, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, zu den Zurückgebliebenen zu gehören.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

27.05.2015 10:04
#6 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Ich glaube, bei aller Aufregung und gut recherchierten Überlegungen, dass es Elmar mit seinem einleitenden Kommentar am besten getroffen hat:
Der Artikel zeichnet ein Bild (des Verständnisses) der Meinungsfreiheit in Deutschland 2015.

Mir fällt dazu eine alte Formulierung von Volker Zastrow ein:
„Die Hetzmeute, die sich die Gehetzten als Hetzer vorstellt.“

Eines hat sich in Deutschland die letzten 100 Jahre nicht geändert: Die Weltanschauung ist unverhandelbar. Die Welt ist schwarz und weiß. Es gibt Dinge, die müssen sein und Dinge, die dürfen nicht sein. Gleichgeschlechtliche Beziehung ist dabei aktuell ein Fetisch zeitgeistiger Aufgeklärtheit, so wie es in den letzten Jahrhunderten immer wieder wechselnde Fetische zeitgeistiger Aufgeklärtheit gab. -- Ohne sie werten zu wollen.

Was sich überhaupt nicht geändert zu haben scheint ist der völlige Verlust von Emapthie und Beißhemmung, wenn jemand diesen Fetisch nicht teilt.
Ich nenne das den Sieg der Weltanschauung über die Zivilisation.

Was sich geändert hat ist die faktische Bereitschaft zu körperlicher Gewalt.
Ich nenne das Wohlstand und Angst vor Verlust.

Um das unflätige Zitat von Meister Petz zu bemühen (Man verzeihe mir diese Wortwahl, aber sie bringt ein bisschen meine Mißbilligung der kritisierten Geisteshaltung zum Ausdruck):
Mir ist es „kackscheißegal“ wer mit wem, wie seine sexuellen Vorlieben auslebt, solange dies in beiderseitigem Einverständnis geschieht.
Mir ist es „kackscheißegal“, wenn jemand irgendeine sexuelle Präferenz nicht gut findet und das gesittet äußert.

Was mir nicht „kackscheißegal“ ist, ist die Menge der Menschen die missionarisch das Denken und Fühlen aller anderen mit ihrer persönlichen Sicht auf die Welt vereinahmen wollen und dazu kein Mittel scheuen. Auch die Mittel nicht, die sie bei anderen mißbilligen.

„Kackscheißegal“ zu finden, was betroffene Menschen in gegenseitigem Einvernehmen tun, könnte man übrigens auch liberal nennen. Fortschrittlich mögen diese ganzen weltanschaulich gefestigten Bionadeschlabberer ja sein, liberal sind sie nicht. Die können das Wort „kackscheißegal“ nämlich nicht einmal denken. - Möglicherweise sind sie dazu zu wohl erzogen. Im Gegensatz zu mir.

Diese ganzen Shitstorms und Anfeindungen anderen Denkens sind in meinen Augen nichts anderes als Wohlstandsfaschismus. Erling Plaethe würde es vielleicht, völlig zurecht in meinen Augen, Kulturpessimismus nennen. Damit wäre dann in meinen Augen auch sehr trefflich auf die Verbindung zwischen Faschismus und Kulturpessimismus aufmerksam gemacht.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Nola Offline



Beiträge: 1.719

27.05.2015 15:26
#7 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #6

„Kackscheißegal“ zu finden, was betroffene Menschen in gegenseitigem Einvernehmen tun, könnte man übrigens auch liberal nennen. Fortschrittlich mögen diese ganzen weltanschaulich gefestigten Bionadeschlabberer ja sein, liberal sind sie nicht. Die können das Wort „kackscheißegal“ nämlich nicht einmal denken. - Möglicherweise sind sie dazu zu wohl erzogen. Im Gegensatz zu mir.




Ab und zu, lieber n.s.n., muß man mal mit der Faust verbal auf den Tisch hauen. Gut gemacht, denn sonst wird man ja nicht mehr von den im moralischen Weihrauch wabernden Mitbürgern und leider eben auch Politikern gehört. Abgebügelt wird alles was nicht eklatant daherkommt und dem man unterstellen kann, ohne Lobby zu sein. Nur wenn die Ausdrucksweise eine schärfere Rhetorik aufweist, wird zumindest über Für und Wider diskutiert, wobei der Einheitsbrei dann doch ein paar Rosinen aufweist.

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

27.05.2015 16:49
#8 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Liebe Nola,

ob Sie es glauben oder nicht. Auf den Tisch zu hauen, war genauswenig meine Absicht, wie von Politikern oder Moralmonopolisten gehört zu werden. Letzteres geht gar nicht, weil meine eigene Erfahrung sagt, dass gegen Weltanschauung in der Regel kein Kraut gewachsen ist. Ich hatte lediglich einen kurzen, schwachen Moment der Wut. Ich hoffe, er ist verzeihlich.

Die Gabe, die eigene Überzeugung in Frage zu stellen, ist eine äußerst seltene. Daher sind Versuche die Weltanschauung anderer ins Wanken zu bringen, verschwendete Energie. Das gilt aber für Bionadeschlabberer leider ebenso, wie für Kaffeetrinker wie mich.

Daher plädiere ich für unvoreingenommene Sachlichkeit, den Schutz des Individuums vor Bevormundung und die Freiheit von Rede und Gedanken. – und gegen Weltanschauungen jeglicher Art.

Das kann ich tun und das werde ich versuchen zu tun. Wut, auch wenn sie sich manchmal nicht verhindern läßt, ist dabei nicht hilfreich.

Aber sie läßt mich hin und wieder durchatmen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Nola Offline



Beiträge: 1.719

27.05.2015 20:55
#9 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #8
Liebe Nola,

ob Sie es glauben oder nicht. Auf den Tisch zu hauen, war genauswenig meine Absicht, wie von Politikern oder Moralmonopolisten gehört zu werden. Letzteres geht gar nicht, weil meine eigene Erfahrung sagt, dass gegen Weltanschauung in der Regel kein Kraut gewachsen ist. Ich hatte lediglich einen kurzen, schwachen Moment der Wut. Ich hoffe, er ist verzeihlich.

Die Gabe, die eigene Überzeugung in Frage zu stellen, ist eine äußerst seltene. Daher sind Versuche die Weltanschauung anderer ins Wanken zu bringen, verschwendete Energie. Das gilt aber für Bionadeschlabberer leider ebenso, wie für Kaffeetrinker wie mich.

Daher plädiere ich für unvoreingenommene Sachlichkeit, den Schutz des Individuums vor Bevormundung und die Freiheit von Rede und Gedanken. – und gegen Weltanschauungen jeglicher Art.

Das kann ich tun und das werde ich versuchen zu tun. Wut, auch wenn sie sich manchmal nicht verhindern läßt, ist dabei nicht hilfreich.

Aber sie läßt mich hin und wieder durchatmen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht


Aber an wen, lieber n.s.n., richtet sich denn Ihr Plädoyer? An Gleichgesinnte doch nicht?

♥lich Nola

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Zettel im August 2008

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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27.05.2015 23:49
#10 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #9
Aber an wen, lieber n.s.n., richtet sich denn Ihr Plädoyer? An Gleichgesinnte doch nicht?
An die Indifferenten .

Ich glaube es gibt einige, da zähle ich mich auch selbst dazu, die vieles an unserer Gesellschaft stört, die aber garnicht so recht wissen was. Das Wesentliche seines Unbehagens zu erkennen ist aus meiner Sicht alles andere als einfach. Es ist eben nicht die unsägliche Meinung des Gegenüber, sondern das Unterstellen, dass die eigene Einsicht der des anderen überlegen ist.

Das Vertrauen in die eigene, überlegene Urteilsfähigkeit ist ein schmaler Grat, auf dem man leicht abstürzt. Das gilt für die Bionadeschlabberer, wie für mich.

Meine Botschaft soll sein: Die Antwort auf eine (falsche) Weltanschaunung ist keine andere, richtige, sondern eben gar keine. Dies richtet sich nicht an die, die bereits eine Weltanschauung haben, sondern an die, die ein indifferentes Unbehagen gegenüber der Weltanschaung anderer empfinden - auch wenn solche menschen möglicherweise eher selten anzutreffen sind.

Die Versuchung ist groß, das Gegenteil von dem was man verachetet als "richtig" zu empfinden. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Meißt entpuppt sich das aber als folgenschwerer Trugschluß, denn viele Dinge sind so falsch, dass auch ihr Gegenteil, bzw. die Totalopposition nicht richtig ist.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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28.05.2015 13:26
#11 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Was mir übrigens noch so in den Sinn kam, als ich mir das ganze nochmals durch den Kopf gehen ließ:

Das von mir beschriebene Phänomen ist wohl auch im Ansatz der Grund für den latenten Antiamerikanismus hierzulande: Die Liberalität der amerikanischen Gesellschaft verträgt sich nicht mit gefestigter Weltanschauung.

Im Allgemeinen ist der Amerikaner nämlich in der Lage „Kackscheißegal“ zu denken. Er ist tatsächlich in der Lage den anderen sein zu lassen wie er ist, solange er selbst dadurch nicht gestört wird.

Dieses liberale Selbstverständnis ist dem Deutschen fremd. Nicht nur das. Er empfindet dies als einen Mangel an Weltanschauung, gleichbedeutend mit einem Mangel an Seriosität und Tiefe. Seriosität und Tiefe, die gleichzeitig ein Gefühl der Überlegenheit impliziert, gegenüber dem der sie nicht hat. .

In diesem Sinne ist der deutsche Antiamerikanismus, in dem sich ja linke, wie rechte selig einig sind, das Spiegelbild des Konfliktes zwischen Liberalität und dem Glauben an ein höheres Prinzip, dem man sich unterzuordnen hat, an dessen gelingen sich alles mißt.

Weltanschauung produziert notwendigerweise Kulturpessimismus, weil sie einen absoluten Wert schafft, gegen den alles gemessen werden muß. Liberalität produziert „Glaube an die Zukunft“, weil man sich nur sich selbst verantwortlich sieht, ein überschaubare Feld, welches man großteils in seinen Händen hält.

So gesehen ist der Antiamerikanismus in Deutschland lediglich eine Manifestation der fehlenden liberalen Geisteshaltung innerhalb der Deutschen Bevölkerung. - Eben die deutsche Unfähigkeit, "Kackscheißegal" zu denken.

Herzlich


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Nola Offline



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28.05.2015 15:57
#12 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #10
Zitat von Nola im Beitrag #9
Aber an wen, lieber n.s.n., richtet sich denn Ihr Plädoyer? An Gleichgesinnte doch nicht?



Zitat
An die Indifferenten



Ich nehme mal an, Sie meinen die politisch Indifferenten oder doch die Existenziellen?
Aber egal, bei Beiden würde ich keine Zeit investieren wollen, die Geduld bei "Null" anzufangen hätte ich nicht mehr.

Zitat: Ich glaube es gibt einige, da zähle ich mich auch selbst dazu, die vieles an unserer Gesellschaft stört, die aber garnicht so recht wissen was. Das Wesentliche seines Unbehagens zu erkennen ist aus meiner Sicht alles andere als einfach.



Eine Gesellschaft entwickelt sich genau so, wie der Staat bzw. PC es zu läßt oder im schlimmsten Falle sogar steuert. Also liegt m. E. zunächst mal der "schwarze Peter" nicht unbedingt in der Gesellschaft, auch wenn sie sich nicht befriedigend verhält. Übrigens erzeugt das eben die o.g. Indifferenten, man hat ihnen das Denken und Endscheidungen abgenommen, entledigt jeder Verantwortung. Damit muß sein Verhalten auch nicht auf Konsequenzen überprüfen. Eigentlich einfach.

Irrlichternd verschwimmen reale Fakten zwischen moralischem Ping-Pong und dem gut geübten Rhetoriker, der seine steten Tropfen (siehe Klimawandel) vergießt. Ist das nicht - bezogen auf die jetzige Gesellschaft - der ideale Zustand. Ein Souverän, der keiner ist und eine Regierung, die keine sein braucht.

♥lich Nola

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Zettel im August 2008

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

28.05.2015 17:17
#13 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #12
Eine Gesellschaft entwickelt sich genau so, wie der Staat bzw. PC es zu läßt oder im schlimmsten Falle sogar steuert.
Liebe Nola, da möchte ich entschieden widersprechen. Eine Gesellschaft entwickelt sich aus der Summe individueller Entscheidungen. Und individuelle Entscheidungen obliegen immer der persönlichen Verantwortung.

Zitat von Nola im Beitrag #12
Übrigens erzeugt das eben die o.g. Indifferenten, man hat ihnen das Denken und Endscheidungen abgenommen, entledigt jeder Verantwortung. Damit muß sein Verhalten auch nicht auf Konsequenzen überprüfen. Eigentlich einfach.
Sie formulieren passiv aber es handelt sich, zumindest in einem freien Land wie unserem, um einen ausschließlich „aktiven Prozeß“. Die Menschen lassen sich das Denken abnehmen und freuen sich, sich der Verantwortung entledigen zu können. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied.


Ich glaube, dass der Mensch Gesellschaften verändern kann und kein Staat ihn daran wird hindern können, wenn er das möchte. Unsere Gesellschaft in der wir leben, verantworten wir selbst. Alle gemeinsam. Um sie zu ändern, können wir im positiven Sinne unsere Ideale vorleben und damit überzeugen oder eben nicht. Und es ist gut so, dass wir damit überzeugen müssen und nicht einfach bestimmen können.

Man stelle sich nur einmal die Frage, von was man den anderen denn überzeugen möchte. Davon dass er unrecht hat? Davon, dass es richtig ist, was man selbst möchte? Was möchte man denn selbst? Ich finde, das sind keine einfachen Fragen. Vor allem die letzte. Auch wenn man oft meint, diese Fragen seien einfach.

Für mich wage ich nur zwei Schlüsse zu ziehen: Das was ich möchte, möchte in diesem Lande eine Minderheit. Das was ist, möchte eine Mehrheit oder es ist zumindest der kleinste gemeinsame Nenner des gemeinschaftlichen Wollens.


Zitat von Nola im Beitrag #12
Ich nehme mal an, Sie meinen die politisch Indifferenten oder doch die Existenziellen?
Ich meinte diejenigen, die nachdenken möchten. Die sich selbst und auch andere verstehen möchten. Die interessiert sind, nicht gefestigt. Ich möchte diese Menschen um meine Facette bereichern und um ihre Facette bereichert werden. Dann möchte ich das vorleben von dem ich glaube, dass es richtig ist – in der Hoffnung es überzeugt.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

29.05.2015 01:15
#14 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #11
m Allgemeinen ist der Amerikaner nämlich in der Lage „Kackscheißegal“ zu denken. Er ist tatsächlich in der Lage den anderen sein zu lassen wie er ist, solange er selbst dadurch nicht gestört wird.

Dieses liberale Selbstverständnis ist dem Deutschen fremd. Nicht nur das. Er empfindet dies als einen Mangel an Weltanschauung, gleichbedeutend mit einem Mangel an Seriosität und Tiefe. Seriosität und Tiefe, die gleichzeitig ein Gefühl der Überlegenheit impliziert, gegenüber dem der sie nicht hat. .
Das ist, lieber n_s_n, eine wirklich interessante Gegenüberstellung, die m.E. insbesondere bei der Charakterisierung des Deutschen eine Menge pfirsich hat. Ich muss gestehen, dass ich als Mitglied dieser Gattung im Grunde ähnlich denke - mir sind reine "Pragmatiker" suspekt. Aber da bei solchen Verdächtigungen ein gewisser John Maynard Keynes mein Kronzeuge ist*, komme ich mir dann landsmannschaftlich doch nicht so ganz einsam vor...

Ich würde gerne auf einen anderen Aspekt hinweisen, der mir ins Auge springt: Ich bezweifle, dass "der Amerikaner" (alles natürlich wie immer cum grano salis) wirklich diese "Kackscheißegal"-Haltung hat. Vielleicht kommt dieser Eindruck daher, dass sich "der Amerikaner" eher für eine "Exit-" als für eine "Voice-"Option entscheidet. Will sagen: Wenn "der Amerikaner" andere Vorstellungen vom Zusammenleben hat, sucht er sich eine Gemeinschaft, die seine Vorlieben teilt, oder er gründet selbst eine solche. Aber er versucht nicht, die Anderstickenden in seinem Umfeld entweder zu überzeugen oder gar zu zwingen, fürderhin auf seine Richtung einzuschwenken. Soll doch jeder mit denen zusammenleben, bei denen er sich wohl fühlt. Deswegen gibt es in den USA sowohl San Francisco (jetzt mal als Beispiel für "Sündenpfuhl" hervorgezerrt) als auch die diversen Gemeinden der Amischen. Schließlich gehört es zur Identität der in Amerika Eingewanderten, sich aufgrund meistens religiöser Überzeugungen zur Auswanderung entschlossen zu haben, um in einer "Neuen Welt" unter Seinesgleichen zusammen zu leben und sich die Gesetze selbst zu geben.

Will sagen: Ein sehr, sehr weites Land und eine sehr föderale Struktur machen es viel wahrscheinlicher, dass auch wirklich ein jeder nach seiner Façon selig werden kann.

* "Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influence, are usually the slaves of some defunct economist."

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

29.05.2015 10:49
#15 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #14
Ich bezweifle, dass "der Amerikaner" … wirklich diese "Kackscheißegal"-Haltung hat. Aber er versucht nicht, die Anderstickenden in seinem Umfeld entweder zu überzeugen oder gar zu zwingen, fürderhin auf seine Richtung einzuschwenken. Soll doch jeder mit denen zusammenleben, bei denen er sich wohl fühlt.
Sprache ist so unpräzise, zumindest wenn man wie ich nur Äxte zur Verfügung hat und kein Florett.

Mit der "Kackscheißegal"- Haltung meinte ich genau das was du ausgeführt hast. Ich meinte nicht und das ist nach meiner Erfahrung etwas was dem Amerikaner hierzulande gerne unterstellt wird, dass ihm alles gleich ist. Er hat durchaus Wertevorstellungen, aber ihm fehlt die Neigung andere von den eigenen Werten überzeugen zu wollen, bzw. er besitzt die Freimütigkeit andere ihr Glück selbst wählen zu lassen. Beides versteht man hierzulande nicht.


Zitat von Werwohlf im Beitrag #14
Ich muss gestehen, dass ich als Mitglied dieser Gattung im Grunde ähnlich denke - mir sind reine "Pragmatiker" suspekt.
Auch ich, als Vertreter des homo germanicus, dachte (denke) schon immer so und ich bin gerade dabei diese Denkweise zu korrigieren, indem ich lerne den Pragmatismus anders zu sehen.

Ich verstehe ihn eben nicht mehr als Mangel an Überzeugung für die man bereit ist einzustehen, sondern ich sehen ihn als die Größe, dem anderen die eigene Überzeugung zu lassen.

In Deutschland erscheint mir, dass der Umstand den anderen nicht überzeugen zu wollen nur so verstanden wird, dass man keine eigene Überzeugung hat, weil eine Überzeugung per se als Beglückungsplan die Welt genesen muß. Das meine ich wenn ich um den Begriff „Weltanschaung“ parliere.
Man kommt hierzulande gar nicht auf die Idee, dies als Größe und Stärke auszulegen auch andere Überzeugungen neben der eigenen gelten zu lassen.

Und „Stärke“ ist dabei ein gutes Stichwort. Man muß sich stark fühlen, um nicht alles dem eigenen Denken unterwerfen zu wollen. Und Schwäche könnte durchaus ein Grund sein, das Denken des anderen unterwerfen zu wollen.

Ich bin ein homo germanicus. Hier aufgewachsen, hier mit seinem geistigen Rüstzeug versehen. Aber ich beginne, den amerikanischen Pragmatismus mit anderen Augen, ihn als Stärke zu sehen.

Nachdenklich sollte alleine die Tatsache machen, dass der ordentliche Deutsche immer meint, die prinzipienlosen Amerikaner vor sich selbst schützen zu müssen, diese Amerikaner aber ganz real, in höchster Not einmal die Deutschen vor sich selbst und die Welt vor den Deutschen beschützt haben.

Das Thema, wie Prinzipienlosigkeit, Prinzipientreue, Liberalität, Größe und Stärke zusammenhängen, würde diese kleine Diskussion hier dabei gewiß sprengen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

p.s.
Keynes scheint mir da ledglich eine gewisse Ausprägung des Pragmatismus vor Augen zu haben. Ob dies alles beschreibt, was man unter Pragmatismus landläufig versteht, wage ich anzuweifeln.

p.p.s.
Die Meinungsfreiheit, das Ausgangsthema dieser Dískussion, fügt sich dabei sehr gut in diese Überlegungen ein. Das was man dem Gegenüber an Meinungsäußerung zugesteht scheint mir notgedrungen damit korreliert zu sein, wie sehr man von dem Auftrag durchdrungen ist, sein eigenens Denken und Fühlen zum Allgemeingut werden zu lassen.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

29.05.2015 12:03
#16 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #15
Ich meinte nicht und das ist nach meiner Erfahrung etwas was dem Amerikaner hierzulande gerne unterstellt wird, dass ihm alles gleich ist. Er hat durchaus Wertevorstellungen, aber ihm fehlt die Neigung andere von den eigenen Werten überzeugen zu wollen, bzw. er besitzt die Freimütigkeit andere ihr Glück selbst wählen zu lassen. Beides versteht man hierzulande nicht.

Abgesehen davon, daß es "den Amerikaner" natürlich nicht gibt - unter den Amerikanern sind sehr intelligente und weltoffene Leute ebenso wie Holzköpfe zu finden -, gibt es doch gewisse auffällige, bei den meisten Amerikanern und allgemein in ihrer Gesellschaft zu findende Eigenheiten. Aus dem Nähkästchen meines Lebens in den USA (das nun allerdings schon ein paar Jahrzehnte her ist) fallen mir ein:

1. Die relaxte Haltung gegenüber den Meinungen und Taten anderer: Leben und leben lassen. Diesen Punkt wollten Sie, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, wohl besonders herausstreichen. Er wird allerdings stellenweise (etwa im bible belt) temperiert durch eine ziemlich starre religiös-ideologische Fixation, die aber praktisch eher zur Ausgrenzung als zur Missionierung neigt.

2. Eine sehr ausgeprägte Einheitlichkeit im Denken, was praktische Angelegenheiten angeht. Ein Land, eine Währung, ein Maßsystem, (im wesentlichen) ein Typ und Geschmack von (fast) food, und zwar from coast to coast; und in Folge der Gewöhnung daran eine gewisse Unwilligkeit, sich mit den Komplexitäten der Existenz anderer Länder etc. auseinanderzusetzen.

3. Eine eigentümliche Mischung aus Optimismus und Fatalismus, die mit dem Leben zwischen extremen sozialen Gegensätzen (z.B. Villenviertel in zwei Block Entfernung von Slums; Marmor und Luxus in Hochhäusern von ca. 3 m aufwärts, Dreck, Armut und Kriminalität am Boden um die Hochhäuser herum) zusammenhängt.

4.* Ein ziemlich allgemein akzeptierter Ehrenkodex. Zunächst einmal gesteht man dem Mitmenschen zu, ein ehrlicher und gesellschaftlich akzeptabler Mensch zu sein, und zwar unabhängig von seiner äußeren Erscheinung: daher die Offenheit und Freundlichkeit der Amerikaner, denen man begegnet. Dahinter ist natürlich eine gewisse Schutzbarriere. Und wenn jemand den Ehrenkodex bricht, also z.B. sich unehrlich verhält und somit die Offenheit und Großzügigkeit der Gesellschaft in Frage stellt, dann ist er ziemlich irreversibel unten durch und nicht mehr akzeptabel.

Und dann stellt sich noch die Frage, wie sich das Prinzip des "Leben und leben lassen" mit der außenpolitischen Neigung der USA zu (oft militärischer) Intervention in anderen Ländern verträgt. Ein Eingriff von außen, insbesondere mit dem erklärten Ziel einer Regierungsänderung, steht auf den ersten Blick im Widerspruch zu diesem Prinzip (und moralischen wie liberalen Prinzipien allgemein. Es wäre überhaupt eine größere Frage, inwiefern, wann, wo und wie oft solche Interventionen historisch gesehen je Gutes bewirkt haben. Der 2. Weltkrieg gilt nicht als Beispiel, denn das war keine Intervention zwecks regime change, sondern verteidigende Reaktion auf militärische Aggression).
Ich denke, daß ein gewisser Teil des "Antiamerikanismus" (oder ist es in diesem Fall doch "berechtigte Kritik an der US-Außenpolitik"?) sich an diesem Interventionismus aufhängt.

* Nachtrag



A free society is a society where it is safe to be unpopular. - Adlai Stevenson

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

29.05.2015 12:43
#17 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #14
Ich würde gerne auf einen anderen Aspekt hinweisen, der mir ins Auge springt: Ich bezweifle, dass "der Amerikaner" (alles natürlich wie immer cum grano salis) wirklich diese "Kackscheißegal"-Haltung hat. Vielleicht kommt dieser Eindruck daher, dass sich "der Amerikaner" eher für eine "Exit-" als für eine "Voice-"Option entscheidet. Will sagen: Wenn "der Amerikaner" andere Vorstellungen vom Zusammenleben hat, sucht er sich eine Gemeinschaft, die seine Vorlieben teilt, oder er gründet selbst eine solche. Aber er versucht nicht, die Anderstickenden in seinem Umfeld entweder zu überzeugen oder gar zu zwingen, fürderhin auf seine Richtung einzuschwenken. Soll doch jeder mit denen zusammenleben, bei denen er sich wohl fühlt. Deswegen gibt es in den USA sowohl San Francisco (jetzt mal als Beispiel für "Sündenpfuhl" hervorgezerrt) als auch die diversen Gemeinden der Amischen. Schließlich gehört es zur Identität der in Amerika Eingewanderten, sich aufgrund meistens religiöser Überzeugungen zur Auswanderung entschlossen zu haben, um in einer "Neuen Welt" unter Seinesgleichen zusammen zu leben und sich die Gesetze selbst zu geben.

Will sagen: Ein sehr, sehr weites Land und eine sehr föderale Struktur machen es viel wahrscheinlicher, dass auch wirklich ein jeder nach seiner Façon selig werden kann.
Diesen Aspekt finde ich höchst plausibel, zumal ja die USA das Mutterland der political correctness sind.

Ich möchte einen entsprechenden Aspekt auf deutscher Seite vorstellen, wegen dessen trotz unserer langen föderalen Tradition ("Kleinstaaterei" geschimpft) der Liberalismus eben keine solchen Wurzeln schlagen konnte wie in Amerika. Hier hat der Liberalismus sich einfach mit den falschen Kräften verbündet. In Amerika (und z.T. England) war er insgesamt im Bündnis mit den maßgeblichen religiösen Kreisen. In Kontinentaleuropa war er meistens in Konfrontation mit ihnen, dafür zeitweise im Bündnis mit den Nationalen, wodurch man sogar effektiv gegen den Föderalismus als freiheitliches Prinzip gewirkt hat. Damit meine ich insbesondere 1848 und die zeitweilige Allianz Bismarcks mit den Liberalen im Kulturkampf.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

29.05.2015 12:44
#18 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Dieser Artikel in der FAZ online ist übrigens Anschaungsunterricht in Sachen Weltanschung am Ursprungsthema dieses Beitrags:

Warum manche Menschen gegen die Homo-Ehe sind

Mit welcher Anmaßung man hier konfrontiert wird, fasst die Überschrift prägnant zusammen: Ich kann erklären, was andere denken.

Wenn man glaubt alles zu verstehen und eine absolute Werteskala zu besitzen, ist dies natürlich eine schlüssige Annahme. Ob man jetzt den Stil der Autorin mag oder nicht, möglicherweise auch in diesen etwas hineininterpretieren möchte, sei dahingestellt. Die Anmaßung der (moralischen) Überlegenheit der eigenen Meinung fällt aus jeder zweiten Zeile.

Interessieren würden mich im speziellen dabei zwei Dinge:

Zitat von FAZ
Die Natur mag es nämlich bunt.

Woraus genau erschließt sich, dass die Natur es bunt mag und was genau ist daraus zu folgern?

Wird der liebe Gott, der Homosexualität als Sünde geiselt, durch einen ersetzt, der sie prima findet? Welch eine uncharmante, kleingeistig, einfallslose Problemlösung wäre dies.

Zitat von FAZ
„Ist das denn gut für das Kind? ... Bislang gibt es wenig Hinweise, die dagegen sprechen.

Es gibt (wenn auch wenige) Hinweise, die dafür sprechen, dass es dem Kind schaden könnte? Zumindest glaubt die Autorin, dass dem so sei, sonst würde sie es ja nicht schreiben. Wie genau begründet sich dann ihre Legitimation über diese Hinweise mit der besseren Moral hinwegzugehen?

Möglicherweise mit dem neuen lieben Gott, der es jetzt eben "bunt" mag, nicht mehr schwarz? So einfach könnte es sein? Der liebe Gott wurde bisher einfach nur falsch interpretiert: Jetzt wo wir ihn verstehen, können wir seinen selbsternannten Predigern wieder beruhigt folgen. Auf Gottes Seite zu sein heißt gut zu sein, dann ist die Welt einfach. - So einfach wie sie schon immer einfach war, wenn dem dem "Guten und Wahren" gefolgt ist.

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nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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29.05.2015 14:19
#19 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #16
1 Die relaxte Haltung gegenüber den Meinungen und Taten anderer: Leben und leben lassen. Diesen Punkt wollten Sie, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, wohl besonders herausstreichen. Er wird allerdings stellenweise (etwa im bible belt) temperiert durch eine ziemlich starre religiös-ideologische Fixation, die aber praktisch eher zur Ausgrenzung als zur Missionierung neigt.
Ja. Das ist ziemlich exakt was ich meine. Und ich denke, Ausgrenzung ist das bessere Prinzip, verglichen mit Diskriminierung.

Zitat von Fluminist im Beitrag #16
Ich denke, daß ein gewisser Teil des "Antiamerikanismus" … sich an diesem Interventionismus aufhängt.
Ich würde meinen, dass er das ganz sicher tut, in dem Sinne, dass er ihn als Argment bemüht. Aber ich zweifele an, dass der Antiamerikanismus in diesem Interventionismus begründet liegt. Wäre es so, dann müsste es meines Ermesens auch einen "Antirussismus" geben. Oder?

Nach meinem persönlichen Empfinden, gründet sich der Antiamerikanismus vielmehr auf einer Verachtung des Zugrunde liegenden Lebensstils, vor allem eben des Individualismus und die Akzeptanz für (finaziellen) Erfolg.
Da kommt mir in den Sinn: Möglicherweise ist dies auch der Grund, dass finanzieller Erfolg in Deutschland so verpönt ist. Er ist der einzig ernstzunehmende Gegner einer gefestigten Weltanschauung, wenn sie sich als konkurrierende Alternativen gegenüber stehen.

Zitat von Fluminist im Beitrag #16
Und dann stellt sich noch die Frage, wie sich das Prinzip des "Leben und leben lassen" mit der außenpolitischen Neigung der USA zu (oft militärischer) Intervention in anderen Ländern verträgt.
Neigt die USA, gemessen an ihrer Größe, Machtposition und Anfeindung zu übermäßigem Interventionieren? Ich bin mir da zumindest nicht sicher, ob man das so sehen kann - auch wenn das hierzulande ein Allgemeinplatz zu sein scheint.

Anyhow. Ich denke, hier sollte man trennen. Zwischen einem großen mächtigen Staat mit Interessen, so wie auch Bedrohungen, auf welche er reagieren muß und den Menschen, die in ihm leben. Ein Staat hat die äußere Sicherheit zu gewährleisten. Die USA legt darauf großen Wert. Das führt eben auch zu Fehlern und garantiert auch zu Flecken auf der eigenen Weste.

Aber wie gesagt sehe ich diese Frage ohnehin nicht im Fahrwasser des deutschen Antiamerikanismus. Der richtet sich meines Ermessens gegen Individualität, Freiheit und Toleranz und nutzt nur gerne vordergründig das Kriegstreiber Argument, weil es vordergründig so gut sticht.
Entlarvend dabei erscheint mir, dass bei der eigenen Vergangenheitsbewältigung umgekehrt argumentiert wird. Hier stehen die Bürger als Wertmaßstab im Vordergrund, nicht der Staat, wenn es darum geht, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei.

Mir kommt es daher eher so vor als habe man die Meinung (Weltanschauung) und bastelt sich dafür die Argumente, als das man umgekehrt die Arguemte wertet und zu einer Meinung kommt.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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Frank2000 Online




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01.06.2015 13:39
#20 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #19

Neigt die USA, gemessen an ihrer Größe, Machtposition und Anfeindung zu übermäßigem Interventionieren? Ich bin mir da zumindest nicht sicher, ob man das so sehen kann - auch wenn das hierzulande ein Allgemeinplatz zu sein scheint.



Vielleicht früher; aber heutzutage ganz sicher nicht. Und das "Heute" schließt die letzten 40 Jahre mit ein.

Wenn man mal einen Imperialisten bei der Arbeit zusehen möchte, dann kann man seinen Blick auf China lenken. Und damit meine ich nicht, dass China Tibet plattgemacht hat. Geschichte. Sondern die ganz aktuellen Entwicklungen. China rüstet massiv auf, übt Druck aus auf die Grenzen der Nachbarn und rechtlich unklare Gebiete. Da werden mal eben Inseln aus dem Boden gestampft, um ein paar tausend Quadratmeilen zusätzlichen Gebietsanspruch zu begründen. Als nächstes werden Truppen stationiert und dann ist China mal wieder gewachsen. China kennt nur eine Richtung: größer und stärker werden.

Erstaunlich, dass China diese Politik seit 40 Jahren völlig offen betreiben kann und in Europa wird das völlig ignoriert. Weder in der Presse noch in den Foren oder Blogs liest man irgendetwas zur Machtpolitik Chinas. Im Gegenteil werden die Chinesen in Schutz genommen, die sind richtig beliebt! Dieser Mythos des Esoterischen, der Drachen und von Feng Shui... diese höflichen Menschen mit "Bitte" und "Danke"... und dann sind das auch noch Kommunisten, was bei den europäischen Sektkommunisten bestens ankommt.

Ich kann das nur mit der Eigenart der Europäer erklären, in der Vergangenheit zu leben. Ja, die USA haben über Jahrzehnte die Weltpolitik dominiert. Aber im Moment dreht sich das Kräfteverhältnis und die Europäer sind unfähig, das zu realisieren.

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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12.06.2015 15:34
#21 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Werte Mitforisten,

ich weiß ich bin ein reaktionärer, unverbesserlicher Ewiggestriger. Aber ich mußte gerade um Atem ringen vor Lachen.

Man stelle sich vor, das hier würde ein beliebter Fernsehmoderator der Öffentlich Rechtlichen heute von sich geben: Ich bin mir nicht sicher, was mit diesem geschehen würde. Ob es neben dem obglitaorischen Shitstorm auch eine tatsächliche Verurteilung wegen eines Straftatbestands gebe.

Die Gesellschaft hat sich wahrlich verändert. Wie dramatisch wird einem manchmal erst klar, wenn man die Extreme nebeneinander sieht - Womit das wesentliche in meinen Augen gesagt ist: Beides sind Extreme. Das "Damals", wie das "Heute".

Man wird über die ostentative "Professor_x political correctness" des "Heute" irgendwann genauso lachend den Kopf schütteln, wie über den selbstverständlich vorgertragenen Chauvinismus der 70er. - Zumindest ist das meine Hoffnung.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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Werwohlf Offline




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12.06.2015 23:25
#22 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #21
Die Gesellschaft hat sich wahrlich verändert. Wie dramatisch wird einem manchmal erst klar, wenn man die Extreme nebeneinander sieht - Womit das wesentliche in meinen Augen gesagt ist: Beides sind Extreme. Das "Damals", wie das "Heute".
Ich finde selten eine Gelegenheit dazu, aber an dieser Stelle, lieber n_d_s, muss ich Dir widersprechen. Das "Damals" ist IMHO kein Extrem. Es ist, aus heutiger Sicht betrachtet, natürlich eine sehr peinliche Zurschaustellung männlichen Überlegenheitsdenkens, aber extrem geht anders, und dazu gibt es gerade heute genug Anschauungsmaterial, auch in Deutschland. Es ist nur so, dass jeder, der diesen wirklich extremen Chauvinismus brandmarkt, sofort als Rassist "entlarvt" werden würde, weil es offensichtlich nach Meinung der herrschenden Laberkaste doch wichtigere Dinge als die Situation der Frau gibt. Was wiederum diverse Aktivitäten der Schwesigs dieser Welt in neuem Licht erscheinen lässt.

Allerdings: Auch wenn man sich heutzutage bei Thoelkes Kommentar als Mann eher fremdschämt, so muss man doch konstatieren, dass nicht nur Boris Becker Recht hatte, als er die Sportarten Tennis und Frauentennis voneinander getrennt sehen wollte. Wer's nicht glaubt, möge sich aktuell die Spiele der Frauen-WM anschauen und später vielleicht ein paar x-beliebige Bundesliga-Matches.

Am biologischen Unterschied, der Männern unbestreitbar deutliche Vorteile im Bereich der Schnellkraft gewährt (gemessen an den jeweils Besten ihrer Zunft), lässt sich nunmal nicht rütteln - und es sind eben meist die Leistungen in diesem Bereich, die beim Anschauen von Sportarten wie Fußball oder Tennis als attraktiv eingeschätzt werden.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

dirk Offline



Beiträge: 1.538

13.06.2015 14:28
#23 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #22
[quote="nachdenken_schmerzt_nicht"|p123176] Das "Damals" ist IMHO kein Extrem. Es ist, aus heutiger Sicht betrachtet, natürlich eine sehr peinliche Zurschaustellung männlichen Überlegenheitsdenkens, aber extrem geht anders, und dazu gibt es gerade heute genug Anschauungsmaterial, auch in Deutschland. Es ist nur so, dass jeder, der diesen wirklich extremen Chauvinismus brandmarkt, sofort als Rassist "entlarvt" werden würde, weil es offensichtlich nach Meinung der herrschenden Laberkaste doch wichtigere Dinge als die Situation der Frau gibt. Was wiederum diverse Aktivitäten der Schwesigs dieser Welt in neuem Licht erscheinen lässt.


Wie wahr. Und derlei Beispiele gibt es ja auch in anderen Bereichen genug; ich denke da zum Beispiel an die Schwulenbewegung, die immer extremer wird je weniger Berechtigung sie hat.

Vielleicht wird ja umgekehrt ein Schuh daraus. Man/frau hat sich eine Identität als Opfer aufgebaut (Eine Moral nach der Schwächen Ausweis des Guten und Stärken Ausweis des Bösen sind), und nun wo frau immer weniger Opfer ist muss ihr - damit sie ihre Identität aufrecht erhalten kann - staatlich bescheinigt werden, dass sie es eben doch ist. Die wirklich benachteiligten Frauen haben das aus Sicht der Schwesigs gar nicht nötig (wie glücklich müssen sie sein). Deren Benachteiligung ist ja objektiv und für jeden sichtbar. Da muss nicht mittels staatlicher Maßnahmen einem subjektiven Gefühl erst die Anerkennung verschafft werden. Und genau darum geht es heute: Gefühlen und subjektiven Eindrücken die Anerkennung geben; nicht um um objektive Tatbestände.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

13.06.2015 17:51
#24 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #22
Ich finde selten eine Gelegenheit dazu, aber an dieser Stelle, lieber n_d_s, muss ich Dir widersprechen.
Ich wünsche dir viele gelegenheiten zum Widerspruch, denn es kommt nie vor, dass ich aus deinem nicht lernen könnte.

Das Wort "Extreme" habe ich, so möchte ich dennoch anmerken, benutzt um die beiden äußeren Pole einer durchaus freiheitlichen Gesellschaft zu bezeichnen. Nicht als Superlativ.

Ansonsten hast du natürlich Recht und deine Relativiernug dessen was ich schrieb, erscheint mir durchaus angebracht und läßt das alles in einem neuen Licht erscheinen.

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adder Offline




Beiträge: 1.073

14.06.2015 06:02
#25 RE: Gelebte Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #22
Allerdings: Auch wenn man sich heutzutage bei Thoelkes Kommentar als Mann eher fremdschämt, so muss man doch konstatieren, dass nicht nur Boris Becker Recht hatte, als er die Sportarten Tennis und Frauentennis voneinander getrennt sehen wollte. Wer's nicht glaubt, möge sich aktuell die Spiele der Frauen-WM anschauen und später vielleicht ein paar x-beliebige Bundesliga-Matches.

Am biologischen Unterschied, der Männern unbestreitbar deutliche Vorteile im Bereich der Schnellkraft gewährt (gemessen an den jeweils Besten ihrer Zunft), lässt sich nunmal nicht rütteln - und es sind eben meist die Leistungen in diesem Bereich, die beim Anschauen von Sportarten wie Fußball oder Tennis als attraktiv eingeschätzt werden.


Aus diesem Grund wird ja auch im Fussball geschlechtergetrennt. Das heißt übrigens nicht, dass die Leistung der Damen schlechter sei als die der Männer - gemessen an den biologischen Möglichkeiten und der weniger langen Geschichte des professionellen Frauenfussballs ist sie durchaus vergleichbar. Die Männer haben aber einige Jahrzehnte Vorsprung und dazu noch massiv bessere biologische Möglichkeiten. Das läßt sich leider nicht beseitigen. Dennoch schaue ich mir gerne Frauenfussball an. Die Damen sind nämlich noch nicht so abgebrüht, so satt, sondern hungriger und begeisterungsfähiger. Auch das sind durchaus Kriterien, die dem einen oder anderen Fussballfan noch etwas bedeuten. Kampfgeist und Siegeswille habe ich leider im Vereinsfussball vermissen müssen, zumindest bis Bruno Labbadia den Jungs ein zweites Leben (ach was, eigentlich drittes) eingehaucht hatte. Und eine Simone Laudehr oder Lena Lotzen spielt im Moment nicht schlechter als ein Rafael van der Vaart - eher besser - und sieht dazu noch deutlich besser aus.

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