Nach einem bedenklich negativistischen Ungedenk an den letzten Praeceptor Germaniae G.G. jetzt ein weiterer Beweis, daß manche unfrommen Verfasser eine übel schorfige Hornhaut auf ihrer Seele tragen:
Mißfelder war ein interessanter Typ, weil er nicht richtig in eine Schublade gepasst hat. Transatlantiker und Putinfreund zugleich, einer der öligsten Karrieristen und zugleich von so schonungsloser Offenheit, dass trotz seines jugendlichen Gipfelstürmertums klar war, dass er nie zur ersten Garnitur gehören würde.
Zitat "Mit Befremden und Empörung" nehme sie die Forderungen des Vorsitzenden der Jungen Union (JU) zur Kenntnis, bestimmte Kassenleistungen wie künstliche Hüften und Zahnprothesen für 85-Jährige zu streichen. Mit einem Generationenkonflikt würden die Probleme nicht gelöst.
Nun ja, bei 'Zahnprothesen' kann man ja streiten, ob es eine Rundumerneuerung sein muss, bei künstlichen Hüften dürfte es in der Regel vor allem den Chirurgen pekuniär zuträglich sein, die Anästhesisten dürften eher zögern, und der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit bald an post-operativem Delir jämmerlich zugrunde gehen. Dabei geht dann nicht nur das Kassengeld für die Operation die Wupper runter, sondern auch das Pflegegeld für pflegeintensive Folgemonate, wenn nicht Kassengeld für eine geriatrische Psychiatrie.
Ich halte es nicht für pietätlos, dies den alten, schlecht beratenen Patienten ersparen zu wollen. Vielleicht war Mißfelder nur besser informiert.
Zitat Es ist nicht das erste Mal, dass sich der ehrgeizige 23jährige mit Alten-Bashing hervortut. Schon öfter hat er sich mit den Älteren in der Union angelegt. Erst im Mai hatte Vorsitzende der Nachwuchsorganisation von CDU und CSU für medienwirksamen Ärger gesorgt, als er in der "Bild" forsch für die Rente ab 70 plädiert. Die dürfe "kein Tabu" sein.
Da war Biedenkopf Vorbild. Nichts spricht gegen rationale Politik.
Für mich ist es nicht angemessen über einen Toten in dieser Weise zu sprechen. Er kann nicht mehr darauf erwidern. Es bestand zu seinen Lebzeiten genügend Gelegenheit sich an ihm abzuarbeiten.
Ich gestehe, mir ist er nirgendwo als Politiker aufgefallen. Auch in den verschiedenen Blogs im Internet, in denen ich zu Gange bin, ist er nicht vorgekommen. Wann hat er das mit der Hüftoperation gesagt? Ist das nicht der Schnee von gestern? Außerdem hatte er da so ganz unrecht? Da stimme ich @Martin zu. Wie viele Operationen werden nur aus geschäftlichen Gründen durchgeführt. Wie vielen alten Menschen wird etwas eingeredet, das nur dem Ratgeber von Nutzen ist. Ging nicht erst vor einigen Tagen die Meldung durch die Medien, dass einer sehr alten Frau ein Bausparvertrag aufgeschwatzt wurde. Ganze Industriezweige leben von unnützem Zeug, das sie alten Menschen andrehen. Solange sie es selbst bezahlen, soll es mir egal sein. Sobald aber eine Solidargemeinschaft das bezahlen soll, sollen die Mitglieder dieser Gemeinschaft schon mitreden können.
Viele Alte denken, sie haben die ewige Jugend gepachtet. Weshalb werden über 70jährige im Fernsehen bewundert dargestellt, weil sie noch ein Kind gezeugt habe. Dazu sage ich nur, dass dies von einer großen Verantwortungslosigkeit zeugt. Von nichts Anderem.
Es wäre gut, wenn man einen Toten damit in Ruhe lassen würde.
Ich bete R.I.P.: Der HERR gebe ihm die Ewige Ruhe und das Ewige Licht leuchte ihm. Er tröste die Frau und die Kinder, die Ihren Ehemann und Vater so überraschend verloren haben.
LG, Paul
Noch etwas OT: Was ist passiert? Dieser Treaded steht bei mir "auf dem Kopf", d.h. der jüngste Beitrag steht oben. Liegt das an mir oder am Flat im ZkZ? Nachtrag: Das ist anscheinend überall so. Noch ein Nachtrag: Falscher Alarm. Habe gerade gesehen, dass ich wohl in der Kopfzeile versehentlich was geändert habe. Habe diese Einstellmöglichkeit bisher noch nicht wahrgenommen. Bin eben ein PC-Blödmann.
Zitat von Paul im Beitrag #4Außerdem hatte er da so ganz unrecht?
Ganz sicher nicht. Sein Vorschlag der Rationierung ist moralisch nicht anders zu bewerten als jeder andere. Und auch nicht als die bereits praktizierten Formen der Rationierung. Schlimmstenfalls. Denn ohne geht es nicht. Die ökonomischen Gesetze sind auch im Gesundheitswesen nicht außer Kraft. Auch wenn Primaten der Politik noch so sehr mit dem Fuß aufstampfen und rufen "Gesundheit ist keine Ware!"
Ich hielte es für ehrlicher und ethischer, wenn man statt Rationierungen zu vertuschen und ihre Notwendigkeit zu leugnen mal Kriterien für sie aufstellen würde. Maximierung von Lebensjahren wäre ein solches Kriterium, über das man diskutieren müsste. Es gibt sicher auch andere, aber auch hier trifft das stärkste Tabu Vernunft und Logik. Man zeigt seine Qualitäten als Gesundheitspolitiker am besten durch Vogel-Strauß-Taktik.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Paul im Beitrag #4Außerdem hatte er da so ganz unrecht? Da stimme ich @Martin zu. Wie viele Operationen werden nur aus geschäftlichen Gründen durchgeführt. Wie vielen alten Menschen wird etwas eingeredet, das nur dem Ratgeber von Nutzen ist. Ging nicht erst vor einigen Tagen die Meldung durch die Medien, dass einer sehr alten Frau ein Bausparvertrag aufgeschwatzt wurde. Ganze Industriezweige leben von unnützem Zeug, das sie alten Menschen andrehen. Solange sie es selbst bezahlen, soll es mir egal sein. Sobald aber eine Solidargemeinschaft das bezahlen soll, sollen die Mitglieder dieser Gemeinschaft schon mitreden können.
Sogar wenn eine Hüft-OP kein Geld kostet, können alterstypische Komorbiditäten genug medizinische Kontraindikation sein. Reha und Narkose und Infektionsrisiken sind schon schon genug Grund, eine Hüft-OP zu vermeiden, wenn man nicht sonst fit genug ist. Ein Patient ist eben keine Maschine, die unendlich lange läuft, wenn man nur genug Ersatzteile hat.
"Botschaft des Staates Israel P R E S S E M I T T E I L U N G (13.07.2015) Botschafter Yakov Hadas-Handelsman und Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zum Tod von Philipp Mißfelder
Zum plötzlichen Tod von Philipp Mißfelder sagte der Botschafter des Staates Israel, Yakov Hadas- Handelsman, am heutigen Montag: „Die Nachricht von dem viel zu frühen Tod von Philipp Mißfelder hat uns alle schockiert. Unsere Gedanken und unser Beileid gelten seiner Familie. Philipp Mißfelder war ein großer Vertreter der modernen deutschen Politik und Gesellschaft. Sein Tod ist ein großer Verlust für Deutschland, aber auch für Israel. Mit seinem sensiblen und zugleich entschiedenen Engagement hat Philipp Mißfelder die besonderen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland mitgestaltet und unermüdlich weiter entwickelt. Er war ein Vertreter der jungen deutschen Generation, die sich für Israel und das gesamte jüdische Volk engagiert, im Sinne der Vergangenheit und der Zukunft gleichermaßen. Wir schätzen seine Leistungen und werden uns dafür einsetzen, seine Errungenschaften zu erhalten und weiter für sie einzustehen. Wir behalten Philipp Mißfelder als wahrhaftigen Freund und freundlichen Menschen in Erinnerung. Ich persönlich werde unsere Begegnungen vermissen und unsere regelmäßigen Gespräche, von der Lage der Weltpolitik bis hin zu Fußball.“ Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte: „Der viel zu frühe Tod des Bundestagsabgeordneten Philipp Mißfelder wurde in Israel mit tiefer Trauer aufgenommen. Mißfelder war ein wahrer Freund des jüdischen Volkes und des Staates Israel und zögerte nie, seine Freundschaft mit deutlicher und klarer Stimme auszudrücken. Wir sprechen seiner Familie und seinen Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag unser Beileid aus.“ Hintergrund: Der CDU-Politiker Philipp Mißfelder ist überraschend im Alter von 35 Jahren verstorben. Mißfelder galt mehr als ein Jahrzehnt lang als das Gesicht der Jungen Union. Zuletzt war er außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion."
Zitat "Mit Befremden und Empörung" nehme sie die Forderungen des Vorsitzenden der Jungen Union (JU) zur Kenntnis, bestimmte Kassenleistungen wie künstliche Hüften und Zahnprothesen für 85-Jährige zu streichen. Mit einem Generationenkonflikt würden die Probleme nicht gelöst.
Zitat:Nun ja, bei 'Zahnprothesen' kann man ja streiten, ob es eine Rundumerneuerung sein muss, bei künstlichen Hüften dürfte es in der Regel vor allem den Chirurgen pekuniär zuträglich sein, die Anästhesisten dürften eher zögern, und der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit bald an post-operativem Delir jämmerlich zugrunde gehen. Dabei geht dann nicht nur das Kassengeld für die Operation die Wupper runter, sondern auch das Pflegegeld für pflegeintensive Folgemonate, wenn nicht Kassengeld für eine geriatrische Psychiatrie.
Ich halte es nicht für pietätlos, dies den alten, schlecht beratenen Patienten ersparen zu wollen. Vielleicht war Mißfelder nur besser informiert.
An die Hüftgeschichte kann ich mich auch erinnern. Und mein erster, zugegebenermaßen äußerst unnetter Gedanke (den ich mir dann gleich verboten habe), war auch: Nun, in die Lage, als alter Mensch eine Hüftoperation zu brauchen, kommt er nun nicht mehr. Über die hier geäußerten Kommentare kann ich mich nur wundern. Ich kenne einige alte Leute, die ein künstliches Hüftgelenk bekamen. Mag ja sein, daß es auch die Fälle gibt, wo jemand durchaus noch halbwegs laufen kann und ihm trotzdem eine Operation aufgeschwatzt wird. Aber in den mir bekannten Fällen kamen die Leute fast um vor Schmerzen. Im Moment wartet eine Verwandte auf einen Termin, deren Schmerzen so stark sind, daß sie fast nur noch liegt. (Das andere Bein wurde vor einem Jahr mit gutem Erfolg operiert.) Solchen Leuten die Berechtigung zu einer Operation absprechen zu wollen, kommt dem "sozialverträglichen Ableben" schon recht nahe.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #8Solchen Leuten die Berechtigung zu einer Operation absprechen zu wollen, kommt dem "sozialverträglichen Ableben" schon recht nahe.
Dir ist bewusst, dass dieses Geld an anderer Stelle fehlt?
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Über die hier geäußerten Kommentare kann ich mich nur wundern. Ich kenne einige alte Leute, die ein künstliches Hüftgelenk bekamen. Mag ja sein, daß es auch die Fälle gibt, wo jemand durchaus noch halbwegs laufen kann und ihm trotzdem eine Operation aufgeschwatzt wird. Aber in den mir bekannten Fällen kamen die Leute fast um vor Schmerzen. Im Moment wartet eine Verwandte auf einen Termin, deren Schmerzen so stark sind, daß sie fast nur noch liegt. (Das andere Bein wurde vor einem Jahr mit gutem Erfolg operiert.) Solchen Leuten die Berechtigung zu einer Operation absprechen zu wollen, kommt dem "sozialverträglichen Ableben" schon recht nahe.
'Alte Leute' ist sehr unspezifisch. Hier ging es um > 85 Jahre. Die Wahrscheinlichkeit für postoperatives Delir liegt bei über 60-jährigen bei 30-40%. Für >85 Jahre habe ich keine Zahl, man darf aber gerne etwas extrapolieren. Dementsprechend werden Anästhesisten in den meisten Fällen abraten (nicht so der Chirurg, der ist nur fürs Grobe zuständig). Bleibt das Delir nach ca. 1 Woche ist die Wahrscheinlichkeit, innerhalb 3 Monaten elend zu sterben recht hoch.
Zur gesundheitsökonomischen Bewertung gibt es in der Medizin u.a. die sogenannten qualy (Quality adjusted life years) als Kennzahl, die bewerten soll, wie die Situation mit / ohne OP für den Patienten günstiger ist. Bei über 85jährigen mit OP ist in der Regel auch schon life years minimal. Über die Quality sollte man sich auch keine Illusionen machen.
Das sind so ungefähr die Fakten. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #8Solchen Leuten die Berechtigung zu einer Operation absprechen zu wollen, kommt dem "sozialverträglichen Ableben" schon recht nahe.
In genau diesem Kontext sind Mißfelders Äusserungen 2003 auch wahrgenommen worden:
Zitat von Tagesspiegel, 05.08.2003Vor fünf Jahren sprach ein ÄrztePräsident vom bevorstehenden „sozialverträglichen Frühableben“ älterer Krankenkassenpatienten. Er meinte, es könne eine Situation eintreten, in der ältere Menschen die notwendige medizinische Versorgung nicht mehr bekommen, weil man die Krankenkassen entlasten will. Dieser (ironisch gemeinte) Spruch des Ärztefunktionärs Karsten Vilmar löste einen Aufschrei aus – und zum ersten Mal eine breite öffentliche Debatte darüber, wie die Jungen in diesem Land mit den Alten umgehen. Die Gesellschaft für deutsche Sprache wählte „sozialverträgliches Frühableben“ zum Unwort des Jahres 1998. Zu Recht.
Fünf Jahre später zeigt sich, dass aus dieser Entgleisung offenbar niemand etwas gelernt hat. Da sagt der Vorsitzende der Jungen Union, der 23-jährige Philipp Mißfelder, im Interview mit dieser Zeitung, dass es zumutbar sei, wenn 85-Jährige an Krücken gehen, anstatt ein neues Hüftgelenk auf Krankenkassenkosten zu bekommen. Das war wohl nicht so böse gemeint, wie es ankommt. Aber es löst bei älteren Menschen die schlimmsten Befürchtungen aus, wie es ihnen künftig in dieser Gesellschaft ergehen wird, wenn die heute Zwanzigjährigen einmal das politische Klima bestimmen.
Natürlich läßt mein Blogpost das gebotene Maß an Anstand vermissen (dies an @Paul), aber das gilt gegenüber dem Privatmann Mißfelder. Nur ist er nicht Privatmann geblieben: das waren seine ersten Profilierungsversuche auf der politischen Bühne, der Versuch, als "Junger Aufmüpfiger" zu punkten. Und in der Verbindung mit der Forderung nach der "Arbeit bis 70" bekam dies einen bösen Beigeschmack: als Hinweis auf das steuerzahlende Fußvolk, bitte bis zum Umfallen zu arbeiten & dann allein gelassen zu werden, wenn die Produktivität dahin ist. Zum Zeitpunkt seiner Einlassungen war der Stand der Diskussion der, daß man innerhalb der nächsten 10 oder 15 Jahre diskutieren müsse, ob gegen Ende der 2010er Jahre oder später eine Anhebung des Rentenalters auf 67 ins Haus stehe. Es handelte sich also um gezielte, grobe Provokationen. Niemand hat Mißfelder gezwungen, sich diesen Hut aufzusetzen. Der Hinweis, hier handelte es sich um die Junge Union - Kaderschmiede also - um läßliche Fehltritte eines Frischlings, wie Fischers Prügel oder DCB's Kinderladenspiele, wäre aus 2 Gründen. scheint mir, schief: zum einen, weil ich es auch diesen Leuten nicht durchgehen lassen möchte; zum andern, weil Mißfelder sich hier im Rahmen der etablierten Parteienpolitik bewegte, nicht in einem "anarchistischen", "gegenpolitischen" Lebenstilzirkus. Wer sich hier zu profilieren sucht,von dem muß Augenmaß & Comment erwartet werden, ungeachtet von Unerfahrenheit & Provokationslust. Welpenschutz gibts nicht, wenn man ansteht, um in absehbarer Zeit an den "Schaltstellen der Macht" den Hebelzieher zu machen.
Nicht zuletzt spielt mit hinein, daß Mißfelders Sätze schlicht unzutreffend sind. (Allerdings ist das der Normalfall, wenn ein Politiker auf den konkreten Fall abhebt): In der Medizin gibt es eine 80:20 Verteilung: gut 80% der konkreten Fälle beanspruchen 20% der Kosten, des Aufwands & der Zeit; für die Behandlung des restlichen Fünftels werden die Restkosten fällig (die genauen Relationen dürften schwanken, aber die Größenordnung müsste stimmen). Es ist auch keineswegs so, daß mit zunehmendem Durchschnittsalter die Menschen in gleichem Maß siecher & bresthafter würden: heutige 80-jährige sind mit Sicherheit aktiver & fitter (nicht nur in mentaler Hinsicht) als 70-jährige vor 50 oder 60 Jahren. Der gegenwärtige Tsunami an Palliativ-Propaganda versucht dem ja Rechnung zu tragen. Zumal die Hüftoperationen sind eins der ganz großen Erfolgskapitel der geriatrischen Medizin: der Zugewinn an schierer Lebensqualität, das Ausmaß der Erfolgsquote sprechen dermaßen für sich, dass Mäkeln entweder von blinder Ignoranz oder Boshaftigkeit zeugen müsste. Andererseits sind diese Eingriffe von solchem Umfang & die Genesung von solcher Dauer, daß hier keine nennenswerten Änderungen im Kosten/Nutzenverhältnis zu erwarten stehen.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #12Natürlich läßt mein Blogpost das gebotene Maß an Anstand vermissen (dies an @Paul), aber das gilt gegenüber dem Privatmann Mißfelder. Nur ist er nicht Privatmann geblieben: das waren seine ersten Profilierungsversuche auf der politischen Bühne, der Versuch, als "Junger Aufmüpfiger" zu punkten.
Nun, jeder will mal punkten. Die einen mit ungeschminkter Realität, die anderen mit Krokodilstränen:
Zitat Und in der Verbindung mit der Forderung nach der "Arbeit bis 70" bekam dies einen bösen Beigeschmack: als Hinweis auf das steuerzahlende Fußvolk, bitte bis zum Umfallen zu arbeiten & dann allein gelassen zu werden, wenn die Produktivität dahin ist.
Dem 20 jährigen gehört das Privileg, nicht schon karrieretaktisch denken zu müssen, ihm das Gegenteil zu unterstellen ist natürlich die negative Interpretation. Dabei geht verloren, dass das was Mißfelder gesagt hat, seine Berechtigung hat, wobei es natürlich andere Kriterien gibt als das Alter selbst. Aber dass sie mit dem Alter korrelieren ist nun mal Teil der Natur. Man kann den Kopf natürlich auch beleidigt in den Sand stecken.
Zitat Nicht zuletzt spielt mit hinein, daß Mißfelders Sätze schlicht unzutreffend sind. (Allerdings ist das der Normalfall, wenn ein Politiker auf den konkreten Fall abhebt): In der Medizin gibt es eine 80:20 Verteilung: gut 80% der konkreten Fälle beanspruchen 20% der Kosten, des Aufwands & der Zeit; für die Behandlung des restlichen Fünftels werden die Restkosten fällig (die genauen Relationen dürften schwanken, aber die Größenordnung müsste stimmen). Es ist auch keineswegs so, daß mit zunehmendem Durchschnittsalter die Menschen in gleichem Maß siecher & bresthafter würden: heutige 80-jährige sind mit Sicherheit aktiver & fitter (nicht nur in mentaler Hinsicht) als 70-jährige vor 50 oder 60 Jahren. Der gegenwärtige Tsunami an Palliativ-Propaganda versucht dem ja Rechnung zu tragen.
Wo ist der unzutreffende Teil der Sätze?
Zitat Zumal die Hüftoperationen sind eins der ganz großen Erfolgskapitel der geriatrischen Medizin: der Zugewinn an schierer Lebensqualität, das Ausmaß der Erfolgsquote sprechen dermaßen für sich, dass Mäkeln entweder von blinder Ignoranz oder Boshaftigkeit zeugen müsste. Andererseits sind diese Eingriffe von solchem Umfang & die Genesung von solcher Dauer, daß hier keine nennenswerten Änderungen im Kosten/Nutzenverhältnis zu erwarten stehen.
Die Erfolgsstatistiken werden von den Orthopäden gemacht, und sie erfassen gerade den Teil der Knochenarbeit und des meist kurz gehaltenen Krankenhausaufenthalts. Wenn Sie den Chefarzt der Orthopädie fragen, dann sagt er Ihnen, dass dies selbst bei 90jährigen Routine sei. Als Patient geben Sie dann Ihre Einverständniserklärung. Dann kommt der Anästhesist und will eine zweite Einverständniserklärung. Als schmerzgeplagter 90jähriger, der scharf auf eine neue Hüfte ist, bekommen Sie das kaum mit, die Folgen werden in der Orthopädenstatistik nicht aufgeführt. Andere Baustelle. Blinde Ignoranz ist es, diesen Teil der Realität auszublenden. Oder ist es lediglich geschäftsschädigend.
Als schmerzgeplagter 90jähriger, der scharf auf eine neue Hüfte ist, bekommen Sie das kaum mit, die Folgen werden in der Orthopädenstatistik nicht aufgeführt. Andere Baustelle. Blinde Ignoranz ist es, diesen Teil der Realität auszublenden. Oder ist es lediglich geschäftsschädigend.
Gruß, Martin
Und wie sieht dann Ihre Empfehlung für den schmerzgeplagten 90jährigen aus? Wegen des Risikos bei der Anästhesie soll er lieber Schmerztabletten einnehmen und geduldig und brav (als bettlägeriger Pflegefall) auf seinen Tod warten? Ich kann leider nicht mit fundierten Statistiken aufwarten und habe auch nicht die Einblicke wie Herr Elkmann, kann nur pars pro toto ganz subjektiv einen Fall aus der Verwandtschaft schildern: Eine Frau, hoch in den 80ern, schmerzgeplagt wegen Hüftgelenksarthrose, bekam ein künstliches Hüftgelenk. Unglücklicherweise infizierte sich sogar die Wunde, so daß noch zweimal eine Vollnarkose erforderlich war. Nachdem das alles doch noch ein gutes Ende fand, war die Frau fähig, wieder selbständig und völlig schmerzfrei ihren Haushalt zu führen und sogar Auto zu fahren (!), um ihre Einkäufe zu erledigen. Erst jetzt, schon deutlich über 90 Jahre alt, lebt sie seit kurzer Zeit in einem Pflegeheim, aber vergnügt und schmerzfrei.
PS: Die von Paul geschilderten Fälle von mißglückter später Selbstverwirklichung (künstliche Befruchtung mit 65 Jahren etc.) sind ein ganz anderes Thema.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #14 Und wie sieht dann Ihre Empfehlung für den schmerzgeplagten 90jährigen aus? Wegen des Risikos bei der Anästhesie soll er lieber Schmerztabletten einnehmen und geduldig und brav (als bettlägeriger Pflegefall) auf seinen Tod warten?
Keiner kann bei einer solchen Operation in die Zukunft schauen, bei solchen Operationen kommen auch zusätzlich viele Medikamente zum Einsatz, die Nieren sind sehr oft schon an ihrer Grenze - ein weiterer Punkt. Es wird immer positive Beispiele geben. Ich kenne den umgekehrten Fall, wo es sogar um einen relativ kleinen Eingriff ging, und man Schmerzen so lange medikamentös hätte behandeln können, bis Wirbelknochen selbst wieder verheilt wären. Der Oberarzt empfiehlt diese Variante, der Chefarzt überstimmt ihn, der Patient ist Privatpatient. Das war der Anfang eines mehrmonatigen Leidenswegs und endete mit dem Tod.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #14 Und wie sieht dann Ihre Empfehlung für den schmerzgeplagten 90jährigen aus? Wegen des Risikos bei der Anästhesie soll er lieber Schmerztabletten einnehmen und geduldig und brav (als bettlägeriger Pflegefall) auf seinen Tod warten?
Keiner kann bei einer solchen Operation in die Zukunft schauen, bei solchen Operationen kommen auch zusätzlich viele Medikamente zum Einsatz, die Nieren sind sehr oft schon an ihrer Grenze - ein weiterer Punkt. Es wird immer positive Beispiele geben. Ich kenne den umgekehrten Fall, wo es sogar um einen relativ kleinen Eingriff ging, und man Schmerzen so lange medikamentös hätte behandeln können, bis Wirbelknochen selbst wieder verheilt wären. Der Oberarzt empfiehlt diese Variante, der Chefarzt überstimmt ihn, der Patient ist Privatpatient. Das war der Anfang eines mehrmonatigen Leidenswegs und endete mit dem Tod.
Mit Einzelbeispielen kommt da nicht weit.
Gruß, Martin
Aha, Privatpatient. Kann die Politik auch Privatkassen Vorgaben machen? Oder ist der Patient sowieso Selbstzahler? Dann geht es den Mann (oder seine Angehörigen) nur selbst etwas an. Ihr Beispiel ist doch nicht ganz passend, weil offenbar auch eine Heilungsmöglichkeit durch Abwarten bestand. Ein morscher und zerbrochener Hüftkopf oder Schenkelhals heilt aber nicht von alleine zusammen. Im Falle der vorbestehenden Nierenschädigung sollte selbstverständlich eine Abwägung vorgenommen werden. Nur schädigen Schmerzmittel - dauerhaft eingenommen - die Nieren ebenfalls ganz erheblich. Das Empörende an Mißfelders Beitrag war ja die vollkommen willkürlich gezogene Altersgrenze, vor allem für eine doch erprobte Therapie zur Linderung und Erhaltung der Lebensqualität. (Niemand wird bei einem 90jährigen eine Nasenkorrektur, Fettabsaugung, Haartransplantation, O-Bein-Korrektur o. ä. vornehmen ). Daß es unsinnig und ärztlichem Ethos widersprechend wäre, einem schon in einem Hospiz Befindlichen ein neues Hüftgelenk einzusetzen, und sei er auch 55 Jahre alt, ist doch klar. Dann ist tatsächlich nur Schmerzlinderung angesagt.
PS: Die von Paul geschilderten Fälle von mißglückter später Selbstverwirklichung (künstliche Befruchtung mit 65 Jahren etc.) sind ein ganz anderes Thema.
Lieber(s) @alteseuropa, ich möchte Sie auf einen Irrtum aufmerksam machen. Von künstlicher Befruchtung habe ich nichts geschrieben. Das ist so offenkundig abartig, dass ich darüber kein Wort verliere.
Geschrieben habe ich über die Zeugung von Kindern durch Männer jenseits der 70. Im Gedächtnis hatte ich dabei Jan Pütz (Sie wissen schon: Hobbythek), der sich deshalb im Fernsehen förmlich "gespreizt" hat. Er protzte förmlich mit seiner männlichen Potenz. Das war für mich unbeschreiblich ekelhaft. Es ist m.E. auch verantwortungslos in diesem Alter noch Kinder zu zeugen.
Der andere Fall war ein 80jähriger Normalbürger, den das Fernsehen vor einiger Zeit meinte präsentieren zu müssen. Jetzt weiß ich wenigstens, Männlichkeit = Zeugungsfähigkeit. Na, wunderbar.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #16Das Empörende an Mißfelders Beitrag war ja die vollkommen willkürlich gezogene Altersgrenze, vor allem für eine doch erprobte Therapie zur Linderung und Erhaltung der Lebensqualität.
Erprobt werden solche Therapien nur an Gesunden, also an Patienten (Phase III), die außer dem behandelten Leiden sonst nichts haben. Im übrigen gibt es bereits diverse willkürlich gezogene Altersgrenzen, jenseits derer diverse erprobte Behandlungen nicht von der Kasse übernommen werden. Beispiel sind Hepatitisimpfungen.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #16Daß es unsinnig und ärztlichem Ethos widersprechend wäre, einem schon in einem Hospiz Befindlichen ein neues Hüftgelenk einzusetzen, und sei er auch 55 Jahre alt, ist doch klar. Dann ist tatsächlich nur Schmerzlinderung angesagt.
Wenn ein Arzt so einen Patienten trotzdem überzeugt, muß das die Kasse aber bezahlen. So ist eben die Rechtslage. Und wenn das ein Herr Mißfelder anspricht, dann ist das natürlich eine gute Gelegenheit, durch Empörung seine eigene moralische Überlegenheit zu zelebrieren.
Aha, Privatpatient. Kann die Politik auch Privatkassen Vorgaben machen? Oder ist der Patient sowieso Selbstzahler? Dann geht es den Mann (oder seine Angehörigen) nur selbst etwas an. Ihr Beispiel ist doch nicht ganz passend, weil offenbar auch eine Heilungsmöglichkeit durch Abwarten bestand. Ein morscher und zerbrochener Hüftkopf oder Schenkelhals heilt aber nicht von alleine zusammen.
Nix aha. Ich habe das Beispiel gewählt, weil es die Entscheidungswege in den Kliniken etwas deutlicher zeigen soll. Die Patienten werden nicht zu ihrem Besten beraten. Die Kosten werden von der Allgemeinheit der Versicherten getragen, die Folgen für den Patienten werden nicht der Klinik angelastet. Für Kassenmedikamente gibt es ja die IQWIG, die dafür sorgt, dass Ärzte nicht willkürlich teuer verschreiben können. Ein vergleichbares, neutrales Verfahren gibt es für Hüftoperationen nicht, es würde aber das von Mißfelder angesprochene Problem adressieren. Dann könnte auch mal bei einem 70jährigen gegen eine Hüftoperation entschieden werden.
Zitat Das Empörende an Mißfelders Beitrag war ja die vollkommen willkürlich gezogene Altersgrenze, vor allem für eine doch erprobte Therapie zur Linderung und Erhaltung der Lebensqualität. (Niemand wird bei einem 90jährigen eine Nasenkorrektur, Fettabsaugung, Haartransplantation, O-Bein-Korrektur o. ä. vornehmen ). Daß es unsinnig und ärztlichem Ethos widersprechend wäre, einem schon in einem Hospiz Befindlichen ein neues Hüftgelenk einzusetzen, und sei er auch 55 Jahre alt, ist doch klar. Dann ist tatsächlich nur Schmerzlinderung angesagt.
Ich weiß nicht, was daran empörend ist. Man kann ja ein Argument in die Arena werfen, um Diskussionen anzuregen. Das ist nun mal politischer Alltag. Ich glaube nicht, dass die Resilienz der Bürger so niedrig ist, eher der Spaß am beleidigt Spielen groß.
ich hatte Sie nicht mißverstanden. Ich habe nur Ihren Gedanken ("Viele Alte denken, sie haben die ewige Jugend gepachtet") etwas weitergesponnen. Denn was ist es denn sonst, wenn alte und ältere Frauen der Natur ins Handwerk pfuschen und sich fremde Eizellen einpflanzen lassen (und geldgierige Ärzte bei solch einem Unsinn mitmachen). Männer müssen nicht diesen anstrengenden Weg gehen ...
Mit der künstlichen Hüfte "pfuscht man" zwar auch der "Natur ins Handwerk", aber hier sollte es ja um Leidensverminderung gehen.
Zitat von alteseuropa im Beitrag #16Das Empörende an Mißfelders Beitrag war ja die vollkommen willkürlich gezogene Altersgrenze, vor allem für eine doch erprobte Therapie zur Linderung und Erhaltung der Lebensqualität.
Erprobt werden solche Therapien nur an Gesunden, also an Patienten (Phase III), die außer dem behandelten Leiden sonst nichts haben. Im übrigen gibt es bereits diverse willkürlich gezogene Altersgrenzen, jenseits derer diverse erprobte Behandlungen nicht von der Kasse übernommen werden. Beispiel sind Hepatitisimpfungen.
Daß eine nicht verabreichte Hepatitisimpfung irgendwelche Beschwerden verursacht, wäre eine ganz neue Art von Krankheit. Für die Behandlung einer tatsächlich erworbenen Hepatitis dürfte es wohl keine Altersgrenze geben ...
Zitat von alteseuropa im Beitrag #20Mit der künstlichen Hüfte "pfuscht man" zwar auch der "Natur ins Handwerk", aber hier sollte es ja um Leidensverminderung gehen.
Zitat Seit einer Hüftoperation Anfang Mai liegt Helmut Kohl im Krankenhaus. Doch auf dem Weg der Besserung befindet sich der Altkanzler auch nach mehreren Operationen noch immer nicht, wie sein Berliner Büro jetzt mitteilte.
Es scheint deutlich schlimmer um den 85jährigen zu stehen.
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