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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

16.07.2015 11:59
Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Ein Gastbeitrag unseres Foristen nachdenken_schmerzt_nicht.

Aus einem wertekonservativen Weltbild heraus war nachdenken_schmerzt_nicht Kulturpessimist. In der Folge wurde er aufgrund des Kontaktes zu liberalen Ideen zum Zukunftsoptimisten und glaubte damit, seinen Kulturpessimismus überwunden zu haben.

Heute beschreibt er, dass es sich um zwei unterschiedliche Phänomene handelt, die einander nicht notwendiger Weise ausschließen.

http://zettelsraum.blogspot.de/2015/07/g...mismus-ein.html

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Zodac Offline



Beiträge: 15

16.07.2015 14:25
#2 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Vielleicht hat die Aufnahme von politischen Flüchtlingen in diesem Bereich positive Effekte auf die Gesellschaft. Man denke nur an die Exilkubaner, welche in den USA die überzeugtesten Antikommunisten sind.
Andererseits sind Länder wie die USA oder die Schweiz auch ohne große Erfahrung mit autoritärer Herrschaft immer noch sehr freiheitliche Länder. Und das politische und wirtschaftliche Notsituationen nicht unbedingt dazu geeignet sind, die Bevölkerung zum besseren zu belehren, zeigen die Erfahrungen aus der Weimarer Republik.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

16.07.2015 17:17
#3 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Zodac im Beitrag #2
Vielleicht hat die Aufnahme von politischen Flüchtlingen in diesem Bereich positive Effekte auf die Gesellschaft. Man denke nur an die Exilkubaner, welche in den USA die überzeugtesten Antikommunisten sind.
Andererseits sind Länder wie die USA oder die Schweiz auch ohne große Erfahrung mit autoritärer Herrschaft immer noch sehr freiheitliche Länder. Und das politische und wirtschaftliche Notsituationen nicht unbedingt dazu geeignet sind, die Bevölkerung zum besseren zu belehren, zeigen die Erfahrungen aus der Weimarer Republik.

Lieber Zordac,

in meinen Augen sind Ihre Argumente valide und zwar dafür, dass das was ich thematisiert habe auf keinen Fall eine hinreichende Bedingung für den Niedergang einer Kultur ist. Das glaube ich auch nicht. Würde ich das glauben, wäre ich ja nicht "nur" Pessimist, sondern würde definitiv "schwarz" sehen.

Ich glaube dass die beschriebenen Erfahrungen ein gewisses Gefahrenpotential in sich tragen. Sie alleine entscheiden natürlich nicht über die endgültige Entwicklung.

In der Schweiz, wie auch der USA gibt es zu vielen Dingen andere Selbstverständnisse, die über Erziehung und Traditionspflege weitergeben werden, als bei uns. Und auch diese spielen natürlich eine Rolle in der kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung. Der Glaube an Individualismus und das Mißtrauen gegen Kollektivismus ist in vielen Ländern, gerade in den beiden genannten, zum Beispiel sehr viel stärker ausgeprägt als in Deutschland. RA hat dazu einmal in den Tiefen dieses Forums eine sehr gute Erklärung geliefert. Unter diesen Bedingungen haben die drei von mir beschriebenen Erfahrungen sicherlich eine andere Wirkung als unter Bedingungen, wie man sie hierzulande vorfindet.

Auch die jüngere Deutsche Geschichte bietet ganz sicher einen anderen Nährboden für die Verarbeitung der beschriebenen Erfahrungen als die französische oder englische. Allgemein glaube ich aber die Tendenz in der westlichen Welt wahrzunehmen, bei Problemen die Verhandlungsmasse auf Dinge auszudehnen, die nicht verhandelbar sind. Mit welchen Folgen bleibt abzuwarten und wird von einigem mehr abhängen als den drei von mir spezifizierten Erfahrungen. Ich sehe es derzeit allerdings aufgrund meiner persönlichen Wahrnehmung, insbesondere für Deutschland aufgrund "seiner kollektivistischen Neigungen", pessimistisch.

Mein Punkt ist demnach nicht so sehr, dass wir hier drei hinreichende Bedingungen für den Untergang der westlichen Kultur haben, sondern drei Entwicklungen, welche der westlichen Kultur gefährlich werden könnten, teilweise schon werden. Dass die Außengrenzen der Nato zum Beispeil "Verhandlungsmasse zu werden drohen" ist.... ja was soll man dazu sagen? Gefährlich?

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

16.07.2015 20:45
#4 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Interessanter Beitrag von nds, und auch ebenso interessante Folgediskussion durch den Einwurf von Zodac. Ich bin da emotional sehr nah bei nds. Ich sehe in diesem Land viel mehr negative als positive Entwicklungen. Und was mich besonders alarmiert, ist das völlige Fehlen einer Bewegung, die Aussichten hätte, diesem Pessimismus entgegenzutreten. Will sagen, ich bin ziemlich ohne Hoffnung, dass die von mir ausgemachten Probleme überhaupt von genug anderen Menschen als solche begriffen werden. Sicher, wenn ich nach den allzu simplen Antworten suchte, fände ich einige Verbündete, aber den Teufel mit Beelzebub auszutreiben, ist auch nicht mein Ding.

Kann natürlich sein, dass ich nur ein grantiger, alter Sack bin, der sich dem Neuen verschließt und die Schönheiten der sich entfaltenden neuen Welt nicht zu schätzen vermag. Kann sein. Zu einem gewissen Teil ist das wohl auch so. Aber da ich im RL am besten mit Leuten zurecht komme, die wenigstens 10 bis 20 Jahre jünger sind als ich (und nicht irgendwelchen - auch politischen - Sekten angehören), kann das aus meiner Sicht nicht die einzige Erklärung sein...

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Ludwig Weimer Offline



Beiträge: 292

16.07.2015 21:59
#5 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Es wird bei uns eine "mangelnde Erfahrung materieller Not" und eine "mangelnde Erfahrung des Verlusts der individuellen Freiheit" konstatiert.
Es ist doch merkwürdig, dass Erfahrungen nur am eigenen Leib (siehe die Oma mit der Butter) so tief gehen, dass sie etwas bedeuten.

Vor wenigen Stunden am Spätnachmittag läutete hier eine Passantin an jeder Wohnungsklingel und fragte, ob hier jemandem der BMW gehöre, der an der Straße parke; die Scheibe sei eingeschlagen und alles herausgerissen, der Dieb habe wohl das Navigationsgerät gesucht. Natürlich liefen manche hinaus und schauten das Auto an. Es hätte ja das eigene sein können oder das eines Nachbarn.

Was ist mit den Nachrichten über fremdes Leiden, die uns täglich überfluten? Oben wurden die Flüchtlinge genannt. Der Mensch zeichnet sich doch durch ein Mitfühlen mit dem Leid eines anderen aus. Sind wir überfordert durch die viel zu vielen schlechten Nachrichten? Wir erleben einerseits doch auch immer wieder, besonders bei Naturkatastrophen, sehr viel spontane Hilfe. Andererseits schotten wir uns seelisch ab, weil das Leid mehr als tausend km weg ist, also nur eine Nachricht. Wir sehen Leichen und essen munter weiter, weil es nur eine Nachricht ist und weil das ferne Leid alltäglich immer wieder als Nachricht eintreffen wird.

Ist der Mensch nicht dafür gebaut, soviel zu erfahren, was er gar nicht verdauen kann? Bleibt er ein regionales Wesen? Ist dann die Solidarität in Demos nur geheuchelt?
Ein jeder ist aber auch beschränkt. Höhlenforscher retten Höhlenforscher, Bergsteiger Bergsteiger. Ein Nichtfachmann muss fernbleiben, weil er nicht helfen, höchstens spenden kann.

Jedenfalls ist die Frage nach der Erfahrbarkeit interessant, abgesehen von dem Kompromiss zwischen Pessimismus und Optimismus, den jeder finden muss.
Ludwig Weimer

Paul Offline




Beiträge: 1.285

16.07.2015 23:13
#6 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Lieber nsn,
Ihre Ausführungen sind für mich plausibel.

Zitat
Das Wesentliche, was ich hierbei erkennen konnte, ist schnell formuliert: Die Verhaltensmuster des Menschen bleiben oftmals auch dann erhalten, wenn die die Bedingungen, unter denen sie erlernt wurden, längst überwunden sind.



Kann es sein, dass, folgt man diesem Gedanken, es unterschiedliche Verhaltensmuster von ehemaligen DDR-Bürgern und den anderen Bundesbürgern geben müsste? Überlegungen dazu habe ich nicht gefunden. Oder habe ich etwas übersehen?

LG,Paul

___________________________
JE SUIS JUIF

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

17.07.2015 09:39
#7 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #5
Es ist doch merkwürdig, dass Erfahrungen nur am eigenen Leib (siehe die Oma mit der Butter) so tief gehen, dass sie etwas bedeuten.

Lieber Ludwig Weimer,

Das finde ich nun überhaupt nicht erstaunlich. Der Mensch als Spezies, welche ihren großen evolutionären Erfolg der Organisation über stark verbundene soziale Strukturen verdankt, ist darauf angewiesen Mechanismen zu haben, welche diesen engen Zusammenhalt innerhalb der eigenen Sippe sicher stellen. Würde Mitgefühl oder Erfahrung über blose Beobachtung, nicht über persönliche Betroffenheit, entstehen, wäre dieser Zusammenhalt in meinen Auugen gefährdet, weil es die eigene soziale Struktur gegenüber konkurrierenden sozialen Strukturen aufweichen würde.

In diesem Zusammenhang finde ich es übringens erstaunlich, dieser Gedanke kommmt mir gerade, dass das Christentum die einzige der drei großen Weltreligionen ist, welche den Menschen, über den jeweiligen kulturellen Rahmen hinaus, als ganzes betrachtet. Das Christentum bemüht sich um den Menschen als ganzes, die anderen Weltreligionen eher um den Menschen ihres Kulturkreises. Zumindest ist das meine Wahrnehmung. Ich möchte daraus auf die Schnelle keine Schlußfolgerungen ziehen, obwohl sicherlich einge interessante Schlußfolgerungen auf der Hand liegen.

In diesem Sinne, auch dieser Gedanke kommt mir gerade durch Ihre Anregung, ist es vielleicht auch so unangebracht moralische Maßstäbe an Dinge anzulegen, die über persönliche Erfahung hinaus gehen. Gerade in Politik und Religion geschieht das ja sehr oft. Der moralische Kompass ist, nach meiner Überlegung, ja dafür konzipiert auf sein persönliches Umfeld zu reagieren und dort funktioniert er bei den meisten Menschen sehr gut. Würde der Mensch seine moralischen Maßstäbe auf alle Strukturen ausserhalb seiner Genmeinschaft ausdehnen, würde er sie damit gefährden, weil er sie dadurch im Wert relativieren würde, was, so meine ich, evolutionstechnisch nicht klug zu sein scheint.

Ob es trotzdem ein "transzendender Zustand" ist, den es anzustreben lohnen würde, will ich garnicht beurteilen. Ich möchte nur sagen, dass die moralische Kategorie mit der "globales Mitgefühl" oft gemessen wird, mir unagebracht erscheint.

Desweiteren wird mir gerade klar, dass das Christentum, im Gegensatz zu den anderen Weltreligion, diesen transzendenen Zustand der Menschheit als moralische Grundeinheit anstrebt, während die anderen Weltreligionen, eher in der evolutionsbedignten "Sippensicht" verharren. Was immer das bedeuten mag, auch darüber möchte ich nicht urteilen. Ein bemerkenswerter Untersched ist es allemal, wie ich finde. - Es sei denn ich habe Unrecht, was durchaus möglich ist bei meinem laienhaften Wissen über Religionen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

adder Offline




Beiträge: 1.073

17.07.2015 09:41
#8 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #5


Es wird bei uns eine "mangelnde Erfahrung materieller Not" und eine "mangelnde Erfahrung des Verlusts der individuellen Freiheit" konstatiert.
Es ist doch merkwürdig, dass Erfahrungen nur am eigenen Leib (siehe die Oma mit der Butter) so tief gehen, dass sie etwas bedeuten.


Das glaube ich nicht. Ein persönlicher Bezug scheint notwendig zu sein - aber es reicht anscheinend auch ein Familienmitglied, das man selbst noch erlebt hat, welches in Armut gelebt oder seine Freiheit eingebüßt hat.
Ich bin erst in den 1970ern geboren, aber aufgrund der Erfahrungen meines Großvaters, Großonkels und des Cousins meines Großvaters sensibilisiert für das Unrecht, welches das Dritte Reich auch den Deutschen antat. Ich habe noch Holocaust-Überlebende kennengelernt, darunter einen ehemaligen Straßenbauarbeiter, der in der Arbeitsgruppe meines Großvaters gewesen war, bevor die Nazis ihn abgeholt hatten und gleich meinen Opa mitzunehmen drohten, wenn er nicht "den Mund hielt".

Zitat
Was ist mit den Nachrichten über fremdes Leiden, die uns täglich überfluten? Oben wurden die Flüchtlinge genannt. Der Mensch zeichnet sich doch durch ein Mitfühlen mit dem Leid eines anderen aus. Sind wir überfordert durch die viel zu vielen schlechten Nachrichten? Wir erleben einerseits doch auch immer wieder, besonders bei Naturkatastrophen, sehr viel spontane Hilfe. Andererseits schotten wir uns seelisch ab, weil das Leid mehr als tausend km weg ist, also nur eine Nachricht. Wir sehen Leichen und essen munter weiter, weil es nur eine Nachricht ist und weil das ferne Leid alltäglich immer wieder als Nachricht eintreffen wird.



Ich glaube, dass viele Menschen sehr viel Empathie zeigen, wenn sie fremdes Leid lindern können, aber kaum Empathie, wenn sie das Leid nicht beeinflussen können. Sieht man einen einzelnen Flüchtling, mißhandelt oder erschöpft ankommend, dann hilft der Mensch. Sieht man dagegen viele Flüchtlinge, die von ihrer eigenen Regierung oder der eines Nachbarstaates mißhandelt werden, stellt sich schnell eine Abschottung ein: denn man kann diesen Menschen nicht helfen - selbst wenn man die eigene Regierung überzeugen könnte, diesen Menschen zu helfen, die Regierung vor Ort läßt sich nicht so leicht beeinflussen. Die Hilfe wird zu abstrakt. Der Mensch ist nicht geeignet, abstrakte Solidarität, abstrakte Empathie zu leisten. Konkrete Hilfe, konkrete Empathie - das geht.
Umgekehrt ist das ja auch so: der Mensch nimmt konkrete, persönliche Hilfe nur an, wenn er sie unbedingt benötigt, oder wenn sie selbstverständlich gegeben wird in einem Freundschaftsumfeld (z.B. Hilfe eines Freundes beim Umzug,...). Abstrakte Hilfe wird aber vielfach einfach als gegeben hingenommen - das ist ja auch eines der Probleme unseres Sozialstaates.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

17.07.2015 09:45
#9 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #6
Kann es sein, dass, folgt man diesem Gedanken, es unterschiedliche Verhaltensmuster von ehemaligen DDR-Bürgern und den anderen Bundesbürgern geben müsste?

Ich würde im allegmeinen davon ausgehen, wobei ich auch glaube, dass sich diese Unterschiede über die Generationen langsam angleichen.

In diesem Zusammenhang glaube ich übrigens schon lange, dass die (Innen, wie Außen)Politk Deutschlands dieser Tage wesentlich dadurch geprägt wird, dass seine Bundeskanzlerein in der DDR sozialisiert wurde.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Paul Offline




Beiträge: 1.285

17.07.2015 10:18
#10 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #9
Zitat von Paul im Beitrag #6
Kann es sein, dass, folgt man diesem Gedanken, es unterschiedliche Verhaltensmuster von ehemaligen DDR-Bürgern und den anderen Bundesbürgern geben müsste?

Ich würde im allegmeinen davon ausgehen, wobei ich auch glaube, dass sich diese Unterschiede über die Generationen langsam angleichen.

In diesem Zusammenhang glaube ich übrigens schon lange, dass die (Innen, wie Außen)Politk Deutschlands dieser Tage wesentlich dadurch geprägt wird, dass seine Bundeskanzlerein in der DDR sozialisiert wurde.


Lieber nsn,
das sehe ich auch so. Deshalb sehe ich Schäuble als eine gute Ergänzung, vielleicht sogar ein Korrektiv zur Kanzlerin.
Natürlich wirken sich die Erfahrungen der Vergangenheit bei den einzelnen Menschen unterschiedlich aus. Nicht jede alte Witwe packt den Butterrest ein.

Bezogen auf die deutsche Vergangenheit, kann ich mir so auch das unterschiedliche Wahlverhalten erklären. Die LINKE profitiert davon. Auch die Rechten. Die Motive können sogar die gleichen sein: Die Sehnsucht nach der "Friedhofsordnung"; die relative Geborgenheit im Schoß der Diktatur gefällt nicht wenigen. Ach Zootiere haben Schwierigkeiten und wollen nicht durch die geöffnete Tür ins Freie. Bei Zootieren gibt es deshalb eine gezielte Vorbereitung auf die Freiheit.
Wer hat die DDR-Bürger auf die Freiheit vorbereitet?
Meine Hoffnung ist, dass diese Konditionierung durch die Vergangenheit recht bald ausstirbt. Meine Enkel, Mitte der 90er geboren, sind schon nicht mehr davon betroffen. Das liegt aber wohl auch an den Eltern.

LG, Paul

___________________________
JE SUIS JUIF

Krischan Offline




Beiträge: 609

17.07.2015 12:55
#11 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #6

Kann es sein, dass, folgt man diesem Gedanken, es unterschiedliche Verhaltensmuster von ehemaligen DDR-Bürgern und den anderen Bundesbürgern geben müsste? Überlegungen dazu habe ich nicht gefunden. Oder habe ich etwas übersehen?



Lieber Paul, dem ist ganz gewiss so. Der Ø-Ossi, also wirklich im Osten sozialisiert, weist etwas andere soziale Fähigkeiten auf als der typische Westdeutsche. Ich verallgemeinere, da Ausnahmen hier wir dort existieren. Interessanterweise ist der Ostdeutsche in seiner Gefühlslage, der starken Wertigkeit des Gemeinwesens und der Harmonie sehr skandinavisch, insbesondere schwedisch.
Und natürlich schleicht sich das aus. Irgendwann. Die nächsten 20-30 Jahre wird uns das allerdings noch begleiten, solange eben, wie die letzte in der DDR richtig sozialisierte Generation aktiv am Leben teilnimmt.

Bei mir selbst beobachte ich oft eine tiefe Skepsis, verbunden mit der Fähigkeit, kleinste Schwankungen in Aussagen aufzunehmen (das berühmte "zwischen den Zeilen lesen"), während meine westdeutschen Kollegen Dinge oft für bare Münze nehmen. Beides hat seine Vorteile, aber auch Nachteile.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

17.07.2015 15:04
#12 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Krischan im Beitrag #11


Der Ø-Ossi, also wirklich im Osten sozialisiert, weist etwas andere soziale Fähigkeiten auf als der typische Westdeutsche. Ich verallgemeinere, da Ausnahmen hier wir dort existieren. Interessanterweise ist der Ostdeutsche in seiner Gefühlslage, der starken Wertigkeit des Gemeinwesens und der Harmonie sehr skandinavisch, insbesondere schwedisch.
Und natürlich schleicht sich das aus. Irgendwann. Die nächsten 20-30 Jahre wird uns das allerdings noch begleiten, solange eben, wie die letzte in der DDR richtig sozialisierte Generation aktiv am Leben teilnimmt.



Tja, lieber Krischan, dazu fällt mir folgendes ein :

Wenn ich in die so umschriebene Personenkategorie Ossi fallen würde (was nicht der Fall ist), wäre Ihr Argument schon - wie man so zu sagen pflegt - ein gefundenes Fressen, denn ich würde mal ganz cool darauf hinweisen, dass man in den, ich sach mal, (vorsicht: Schmuddelkram) sozialdemokratisch geprägten Gesellschaften dort droben nicht unbedingt in Unglück, Armut und sonstiger Drangsal vegetiert. Im Gegenteil: Bei allen Wohlstandrankings sind die da oben doch international auffallend weit oben, und das namentlich interessanterweise auch bei Wettbewerbindices, wie z.B. beim IMD nachlesber. Mit Norwegen auf Platz 7 weltweit. Gibt es irgendwo etwas noch Sozialdemokratischeres als Norwegen? Gleichwohl hochgradig "competitive" ? Es ist dabei übrigens weitgehend wurscht, ob die gleichnamige Partei jeweils dran ist oder nicht, denn in den einschlägigen Ländern gilt der Grundsatz: Irgendwie sind wir doch alle Sozialdemokraten, was - wie Sie das ganz richtig umschrieben haben - mit "starker Wertigkeit des Gemeinwesens und der Harmonie" übersetzt werden kann. Nuancen und politische Petitessen mal weggelassen.

Klar, in einem eher liberal geprägten Blog bzw. im angrenzenden Zimmer mögen solche Argumente die pure Pornografie sein, deswegen sagte ich ja: WENN ich ein so gestickter ex-DDRler wäre.

lich
Dennis

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

17.07.2015 15:28
#13 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #12
Bei allen Wohlstandrankings sind die da oben doch international auffallend weit oben, und das namentlich interessanterweise auch bei Wettbewerbindices, wie z.B. beim IMD nachlesber. Mit Norwegen auf Platz 7 weltweit. Gibt es irgendwo etwas noch Sozialdemokratischeres als Norwegen? Gleichwohl hochgradig "competitive"


Ich kenne mich in Norwegen nicht so gut aus, aber meines Wissens ist die Tatsache, dass es dort richtig viel Asche zum Umverteilen gibt, dem Sprudeln des Nordseeöls zu verdanken.

Geht das irgenwann zur Neige, ist die Frage, ob die ihr sozialdemokratisches Paradies noch erhalten können. Hier ist ein ganz guter Bericht darüber: http://www.welt.de/wirtschaft/article133...l-versiegt.html

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

24.07.2015 19:10
#14 RE: Gedanken zum Kulturpessimismus Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #13
Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #12
Bei allen Wohlstandrankings sind die da oben doch international auffallend weit oben, und das namentlich interessanterweise auch bei Wettbewerbindices, wie z.B. beim IMD nachlesber. Mit Norwegen auf Platz 7 weltweit. Gibt es irgendwo etwas noch Sozialdemokratischeres als Norwegen? Gleichwohl hochgradig "competitive"


Ich kenne mich in Norwegen nicht so gut aus, aber meines Wissens ist die Tatsache, dass es dort richtig viel Asche zum Umverteilen gibt, dem Sprudeln des Nordseeöls zu verdanken.

Geht das irgenwann zur Neige, ist die Frage, ob die ihr sozialdemokratisches Paradies noch erhalten können. Hier ist ein ganz guter Bericht darüber: http://www.welt.de/wirtschaft/article133...l-versiegt.html



Dann grundsätzlich genauso wie Schweden, Dänemark und Finnland. Wird nur ein Umstellungsschock. Und ein Absturz vom weltweit höchstens Niveau auf das zweit, dritt oder vierthöchste ist sicherlich ein nicht so angenehmes Gefühl, wie ein materieller Aufstieg in einem dritten Welt Land. Aber das ist das Paradoxon des materiellen Wohlstandes: Es kann einem objektiv sehr gut gehen, für das Wohlbefinden ist die (Aussicht auf) relative Veränderung bedeutender.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

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