Zitat Ich habe morgens vor dem Fernseher gesessen und mit Tränen der Rührung und Freude die Ausfahrt der 33 chilenischen Bergleute aus dem Schacht in San José verfolgt, die zuvor drei Monate dort gefangen waren. Komplett, auch nach der zehnten Ausfahrt habe ich mir zu keinem Zeitpunkt gedacht, "jetzt habe ich es gesehen, jetzt kann ich wegschalten".
Genauso war's, es war ganz möglich, auszuschalten. Ich schlucke immer noch, wenn ich daran denke.
Zwei Tage danach, am 15.10., gab es noch ein Bergereignis im Fernsehen, wenn auch ein nicht ganz so ergreifendes: der Durchschlag beim Gotthard-Basistunnel. Das nackte Wahre, sozusagen.
Lieber Meister Petz, vielen Dank für Ihre kommentierende Erinnerung, der ich zustimmen kann. Warum gibt es bei solchen guten lebensrettenden Taten negative Anmerkungen? Das liegt nicht am Ereignis, sondern immer an dem das Ereignis Beurteilenden. Es gibt eben gute Menschen und schlechte. Diese Kommentare spiegeln nur die Vielfalt der Menschen wieder. Warum sind die Menschen so verschieden?
Zitat Was die Rettung in San José angeht, so wurde das ganze Thema im Nachhinein so zerredet (die Bergleute sind traumatisiert, arbeitslos, die Bergwerksgesellschaft hält die Entschädigung zurück usw.), dass das nackte Gute nicht mehr zu erkennen ist.
So weit mir das präsent ist, kam das allerdings hauptsächlich in den quälenden Wochen im September & Oktober in den Medien vor, als es hieß, da würde den Bergleuten Post vorenthalten, zensiert, kein Videokontakt mit den Angehörigen im Zeltkamp erlaubt. Und da hatte man das Gefühl, da drehten die Medien am Rad, weil sie auf Distanz gehalten wurden. Und zudem war den Medien, allen voran SpOn, nachgerade Frust anzumerken, daß sich die Kumpels so unglaublich diszpliniert verhielten: keine Zusammenbrüche, keine Verzweiflung, statt dessen Nüchternheit & Pragmatismus. Man könnte sich fragen, ob die ganze Atemlos-durch-die-Nacht-Lifetickeritis seitdem von dieser Seite her nicht forciert worden ist.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4da würde den Bergleuten Post vorenthalten, zensiert, kein Videokontakt mit den Angehörigen im Zeltkamp erlaubt.
Check.
Zitat von The Australian, October 18, 2010Alvarez felt the officials on the surface were not doing enough to relieve his strain.
"These government psychologists," she complained. "They are treating these strong men like children. They are humiliating them. They are punishing them, like in a reality show. If they are bad, they don't get treats or special food. If they rebel, they are chastised. You cannot treat grown men, tough miners, like this. It is torture." ... Through that lifesaving 10cm tube, officials sent down undoubtedly useful objects such as dismantled camping cots, a video camera, nicotine patches and all those messages from loved ones. But several miners were furious that many requests were denied.
"The miners want booze, cigarettes, hamburgers. They think we are a hotel room service," one psychologist said. "It is not our job to make them happy. It is our job to keep them alive."
Eine sehr schöne Betrachtung, lieber Meister Petz.
Ich sehe einen gewissen Zusammenhang zu den Überlegungen von Llarian unlängst um die Thematik "Danksagen", denn es geht doch darum, an der Berechtigung des intellektuellen Todesurteils
unkritisches naives Dummchen
mal gehörig zu kratzen, welches uns davon abhält......... quatsch, MICH davon abhält am Glück anderer ohne Wenn und Aber teilzunehmen. Mitunter reicht's ja noch nicht einmal zur Teilnahme an seinem eigenen Glück , denn auch das könnte ja womöglich "naiv" sein. Mal souverän über diesen Verdacht erhaben zu sein ist indessen alles andere als dumm.
Man braucht's ja gar nicht als moralische Großtat abzufeiern, denn ehrliche Mitfreude erleichtert ja mein eigenes Leben, gehört also lebensökonomisch durchaus nicht in die Klein-Dummchen-Abteilung. Das Glücksgefühl, nach stundenlangem Forschen das Haar in der Suppe endlich gefunden zu haben ist da doch vergleichsweise öde.
Es zeigt sich ja auch bei weniger ernsthaften Themen: Die Oma, die sich über die neusten Bilder vom Nachwuchs bei William und Kate in der Yellow Press so richtig freut ist womöglich glücklicher als ich, der ich mich – man will ja schließlich kritisch sein - frage: Zahlen diese Royal-Typen überhaupt Steuern und wenn ja, auch genug?
Um wieder ernsthaft zu werden: Der von Ihnen beschriebene Vorgang scheint unsere Urängste in besonders profunder Weise anzusprechen. Beim "Wunder von Lengede" - Herr Elkmann hat schon darauf verwiesen bzw. verlinkt - war ich noch im Kindesalter, kann mich aber noch gut erinnern – sicherlich deswegen, weil die Eltern in heller Aufregung waren und das abgefärbt hat. Bei allen Erwachsenen-Gesprächen war das das Thema Nr. 1, desgleichen im noch relativ jungen Fernsehen.
Ja, wir sollten uns das, was Sie als Ihre Reaktion beschrieben haben, nicht abgewöhnen. Für die schlechten Nachrichten und den kritischen Blick ist dann immer noch genug Zeit.
"All die Gespräche umsonst, die umgebauten Keller, die gehorteten Haferflocken, die Angst. Die eventuell nur die Angst vor dem eigenen Verschwinden ist?"
Die Angst vor dem eigenen Verschwinden ist eine "nur Angst", eventuell?
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
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