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Dieses Thema hat 2 Antworten
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Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.566

01.12.2015 15:39
Nicolaus Fest: Protestantische Ethik, Relaunch Antworten

NF auf seinem Blog, heute:

Zitat von 'Deutschland 2015: Delegitimation und Entwicklungsresistenz'
Deutschland gilt überall auf der Welt als wirtschaftliches Vorbild, als ökonomische ‚Lokomotive’ der europäischen Entwicklung und Stabilität. Doch ist die Frage, wie lange noch, und ob sich die Gesellschaft nicht schon längst, in den Kategorien Max Webers, von einer protestantisch-pharisäischen zu einer katholisch-publikanischen entwickelt hat, mit anderen Worten: Von einer, in der wirtschaftlicher Erfolg als Gunstbeweis Gottes gesehen wird, zu einer, in der sich Arme ihrer Armut nicht mehr schämen müssen und das schlechte Gewissen eher die Besserverdienenden trifft. Während in protestantisch fundierten Gemeinschaften der Anreiz zur Leistung wie zum Verlassen der Armut groß ist, sind publikanische Regionen eher entwicklungsresistent.

Für die Beurteilung dieser Frage hat der argentinische Staatsrechtler Mariano Grondona einst einen Katalog von kulturellen bzw. weltanschaulichen Faktoren entwickelt, die sich positiv oder negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes auswirken. Neben der oben genannten protestantisch-pharisäischen Disposition sprächen seiner Ansicht nach folgende Indizien für wirtschaftliche Entwicklung:

– Kennzeichen entwicklungszugewandter Gesellschaften ist das Vertrauen in das Individuum, in seine Kreativität und Vernunft unter Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken. Politisch heißt das: Achtung der Vertrags- und Tariffreiheit, gleichzeitig Minimierung von Bürokratie, Subventionierung und staatlichen Vorgaben.

– Für entwicklungsaffine Gesellschaften sind künftige Generationen bei der Verteilungsgerechtigkeit zu berücksichtigen; dies äußert sich in der Neigung zum Sparen. Dagegen betonen entwicklungsresistente Gesellschaften die Gegenwart und den Konsum.

– Positive Beurteilung von Wettbewerb. In entwicklungsresistenten Gesellschaften wird Wettbewerb dagegen als Aggression gesehen, durch staatliche oder ständische Eingriffe reguliert. Neid und Ideen von utopischer Gleichheit werden legitimiert.

– In entwicklungszugewandten Gesellschaften herrscht der Vorrang der Wissenschaft, also der Maßstab von Falsifizierung und Verifizierung. Dagegen sind wirtschaftsabgewandte Gesellschaften geprägt von Dogmen und Ideologien.

– Fortschrittliche Gesellschaften schätzen Sekundärtugenden wie Gewissenhaftigkeit, Pünktlichkeit, Höflichkeit, Ordentlichkeit, welche die Effizienz und Harmonie im Umgang fördern. Entwicklungsresistente Kulturen legen hierauf keinen Wert, weil diese Eigenschaften „im Schatten der großen Tugenden wie Liebe, Gerechtigkeit, Mut und Großherzigkeit stehen“.

– Entwicklungsaffine Länder zeichnen sich durch den Realismus ihrer Vorhaben aus; sie beginnen nur, was sie auch leisten, abschätzen und in ihren Folgen bewältigen können. Zeichen entwicklungsresistenter Kulturen sind daher unfertige Kolossalprojekte wie Bahnhöfe, Flughäfen, Kulturbauten. Jeder Tag bringt eben einen neuen Traum…

– Ökonomisch fortschrittliche Gesellschaften sehen sich als Schöpfer einer Welt, die man verändern kann; fortschrittsabgewandte dagegen im ewigen Kampf gegen sie und ihre furchtbaren Kräfte: Kapitalismus, Imperialismus, Zionismus, Gott oder Satan.

– Entwicklungsaffine Länder: Herrschaft des Rechts. Entwicklungsresistente Länder: Herrschaft von Basisdemokratie und Umfragen.

Soweit Grondona, die Schlüsse mag jeder selbst ziehen. Mitzuteilen wäre allerdings noch eine weitere Kategorie, die auch den Autor betrifft: Entwicklungsaffine Gesellschaften schätzen die Arbeit und jeden Ausdruck tätigen Schaffens, weshalb vor allem der Unternehmer im hohen Ansehen steht. Dagegen gilt in entwicklungsresistenten Ländern die Bewunderung solchen Berufe, die keine faßbar-schöpferischen Produkte erzeugen: Künstler, Kardinal, EKD-Vorsitzende, (Alt-)Politiker und: Journalisten.



Grondonas Typologie findet sich im Sammelband Culture Matters: How Values Shape Human Progress, hgg. Lawrence E. Harrison & Samuel P. Huntington, Basic Books, 2001, als Kap. 4:
- Mariano Grondona, "A Cultural Typology of Economic Development" S. 44-55.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.566

17.01.2016 22:40
#2 RE: Nicolaus Fest: Protestantische Ethik, Relaunch Antworten

Max Weber, reloaded. Die Zweite.

Nicolaus Fest, 5.1.2016

Zitat
Schon Max Weber erkannte: Entscheidend für den Aufstieg des Kapitalismus war das Aufkommen der Kleinfamilie und der damit betonte Wert des Individuums. Dies beförderte Leistungsdenken, Wettbewerb, Rationalität. Dagegen seien Großfamilien entwicklungsfeindlich, weil sie nicht Leistung, sondern Treue belohnten, also feudalen Traditionen entsprächen. Von Großfamilien und Clans geprägte Kulturen seien daher oftmals rückständig, anfällig für Nepotismus und Korruption. Das wiederum führe zu Fehlallokationen von Steuergeldern: Statt in Bildung oder Forschung gingen Mittel eher in Bereiche, in denen sich Bestechung besser vertuschen lasse, also Großprojekte wie Autobahnen, Flughäfen, Müllanlagen. Süditalien, aber auch die arabische und afrikanische Welt liefern viele Beispiele.

Die anthropologische Forschung hat hierfür den Begriff des ‚amoralischen Familismus’ gefunden. Kennzeichnend sei neben der Korruption immer die Folgenlosigkeit individuellen Versagens. Egal was ein Familienmitglied auch anstellt, er bleibt eben Familie ­– und deshalb auf seinem Posten.

Das aber stellt die Frage, ob es auch so etwas wie einen ‚amoralischen Parlamentarismus’ geben kann, und ob wir ihn in diesem Land nicht schon haben. So bleibt Thomas de Maizière trotz aller Skandale um Drohnen, Hubschrauber oder G36 fest im Ministerrang, bleibt der skandalöse Eingriff von Justizminister Heiko Maas in die Ermittlungen gegen die Internet-Plattform ‚netzpolitik.org’ ohne Konsequenzen. Auch auf landespolitischer Ebene unzählige Beispiele für die Folgenlosigkeit individuellen Versagens. Ein großfamiliäres Boys- & Girls-Netzwerk der politischen Elite. Die Stagnation der gesellschaftlichen Debatte, die Leistungs- und Entwicklungsfeindlichkeit der deutschen Politik mag mit diesen großfamiliären Strukturen zusammenhängen.



http://nicolaus-fest.de/amoralischer-par...smus-und-koeln/



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Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.566

17.01.2016 22:50
#3 RE: Nicolaus Fest: Protestantische Ethik, Relaunch Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #1
Grondonas Typologie findet sich im Sammelband Culture Matters: How Values Shape Human Progress, hgg. Lawrence E. Harrison & Samuel P. Huntington, Basic Books, 2001, als Kap. 4:
- Mariano Grondona, "A Cultural Typology of Economic Development" S. 44-55.


Auf Grondonas Typologie fußend, aber ein wenig erweitert, die - idealtypische - Konstrastierung entwicklungsoffener vs. stillgestellter Gesellschaften:

Zitat
- Lawrence E. Harrison, „The Social Contract Cultural Capital Defined", Ch. 2:

In 1999, the Argentine scholar and journalist Mariano Grondona published an extraordinary book entitled Las Condiciones Culturales de desarollo Economico (The Cultural Conditions of Economic Development). Grondona is a columnist for La Nación, a leading Buenos Aires newspaper; a professor of government at the National University of Buenos Aires; and the host of a popular weekly public affairs television show. He has also taught at Harvard.

Over several years of thought and observationm Grondona evolved a theory of development that is captured in a typology of cultural charactestics that contrasts cultures that are favorable to economic development with those that resist it. In his words, drawn from a chapter in Culture Matters that derives from his book.

Values can be grouped in a consistent pattern that we may call „value system."

Real value systems are mixed; pure value systems exist only in the mind, as ideal types. It is possible to construct two ideal value systems: one including only valus that favor economic development and the other involving only values that resist it. A nation is modern as far as it approaches the former syspem; it is deemd traditional as far as it approaches the latter. Neither of these value systems exists in reality, an dno nation falls completely within either of these two systems. However, some countries approach the extreme favorable to economic development, whereas others approach the oposite extreme.

Real value systems are moving as well as mixed. If they are moving toward the favorable value-system pole, they improve a nation's chances of development. If they move in the opposite direction, they dimionish a natin's chances of developing. Four participants in the Culture Matters Reseach Propject peole have contributed to the expansion of the Grondona typology to embrace political and social as well as economic development: Irakli Chkonia, Ronald Inglehart, Mateo Marini, and I. Grondona is now working opn a book tentatively titled The Cultural Conditions of Political Development. His CMRP chapter on Argetina draws from it.

I also want to reemphasize Grondona's characterization of the typology as idealized. It is also highly generalized. As I observed in the Introduction, there is no monolithic culture; all cultures have crosscurrents in teir mainstreams, and that is true of the Argentine/Latin American culture that served s the model for the progresa-resistant column of the typology as it is for American culture, the model for the progress-prone culture. This is an extremely important point. As Robert Hefner, who contributed papers on Islam and Indonesia to the CMRP, states, „...this theme [of variety within cultures] allows us to recognize that even in relatively progress-unfriendly cultures, there are alternative streams at work, some of which may contain bits and pieves of progressive values." [3]

As we will see in subsequent chapters, cultural change may be facilitated by reference to a progressive culturtal tradition, even if out of the mainstram and even if largely mythical.

Ronald Inglehart has tested the 25 elements of the typology with data from the World Values Suvey; we shall make reference to his findings as we review the typology. In general, these empirical findings tends to support the Progress Typology - sometimes very strongly. [4]

Of the 25 factors, 11 receive „strong confirmation" from the Wold Value Survey data; three receive" moderately strong confirmation", there is „no significant support" for two; and no data are available for nine. As Inglehart streses, „the World Values Survey was not designed to test the Progress typology. But it was designed to provide a comprehensive exploration of all important realms of human values, and conseuqently it does tap most...of the domnains included in the Progress Typology." [5]

Inglehart's colleague Miguel Basanez has since developed a questionnaire tailored t the CMRP typology that we hope to test in Guatemala in 2005.

Bassam Tibi, who wrote papers on Islam and Egypt for the CMRP, prsented the typology at a conferenc ein Abu habi, and as we addres the typology commponents, I will draw on some of his comments ansd those of bnglehart. I will also refer to Haiti, a protoype of the progress-resistant model.

<https://umshare.miami.edu/web/wda/hemisphericpolicy/Larry_Harrison.pdf>

Typology of Progress-Prone and Progress-Resistant Cultures

Based on the original strcture of Mariano Grondona with inputs from Irakli Chkonia, Lawrence Harrison, Marreo Marini, and Rionald Inglehart.

Factor:

Worldview

1. Religion
Progress-Prone Culture:
- Nurtures rationality, achievement, promotes material pursuits, focus on this world, pragmatism
Progress-Resistant Culture:
- Nurtures irrationality, inhibits material pursuits, focus on the other world, utopianism

2. Destiny
- "I can influence my destiny for the better."
- Fatalism, resignation, sorcery

3. Time orientation
- Future focus promotes planning, punctuality, deferred gratification
- Present or past focus discourages planning, punctuality, saving

4. Wealth
- Product of human creativity, expandible (positive sum)
- What exists (zero-sum)

5. Knowledge
- Practical, verifiable, facts matter
- Abstract, theoretical, cosmological, not verifiable, debate matters

Values, virtues

6. Ethical code
- Rigorous within realistic norms, feeds trust
- Plastic, wide gap twixt utopian norms and behavior = mistrust

7. The lesser virtues
- A job well done, tidiness, courtesy, punctuality matter
- Lesser virtues unimportant, love, justice, courage matter

8. Education
- Indispensible. promotes autonomy, heterodoxy, dissent, creativity
- Less priority, promotes dependency, orthodoxy


Economic behavior

9. Work/achievement
- Love to work: work leads to wealth
- Work to live: work doesn't lead to wealth; work is for the poor

10. Frugality
- The mother of investment and prosperity
- A threat to equality

11. Entrepreneurship
- Investment and creativity
- Rent-seeking

12. Risk propensity
- Moderate
- Low, occasional adventures

13. Competition
- Leads to excellence
- Aggression, a threat to equality - and privilege

14. inmnovation
- Open, rapid adaptation
- Suspicious, slow adaptation

15. Advancement
- Merit, achevement
- Family, patron, connections

Social behavior

16. Rule of law/corruption
- Reasionably law-abiding; corruption is prosecuted
- Money, conenctins mater, corruptin is tolerated

17. Radius of identificatin and trust
- Stronger identification with the broader society
- Stronger identification with the narrower community

18. Family
- The idea of "family" extends to the broader society
- The family is a fortress against the broader society

19. Association (social capital)
- Trust, identification breed cooperation, affiliation, participation
- Mistrust breeds excessive individualism, anomie

20. The individual & the group
- Emphasizes the individual but not excessively
- Emphasizes the collectivity

21. Authority
- Dispersed; checks and balances, consensus
- Centralised; unfettered, often arbitrary

22. Role of elites
- Responsible to society
- Power and rent seeking; exploitative

23. Church-state relations
- Secularized; wall betweem church and state
- Religion plays major role in civic sphere

24. Gender relationships
- If not a reality, equality at least not inconsistent with value system
- Women subordinated to men in most dimensions of life

25. Fertlity
- The number of children should depend on the family's capacity to raise and educate them
- Children are the gifts of God; they are an economic asset



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