Zitat von Unter der Haut eines mittelalterlichen Bibelrätsels (22. Dez. 2015)Im 13. Jahrhundert wurden Tausende Taschenbibeln hergestellt. Die Herkunft des Pergaments – oft „uterine vellum“ genannt – ist eine Quelle jahrelanger Kontroversen gewesen. Bis jetzt…
Ein einfacher PVC Radiergummi hat einem internationalen, von den Bioarchäologen der Universität York geleiteten Team von Wissenschaftlern geholfen das Geheimnis um das hauchdünne Pergament zu lösen, das von mittelalterlichen Schreibern benutzt wurde um die ersten Taschenbibeln herzustellen.
Tausende dieser Bibeln wurden im 13. Jahrhundert hergestellt, vor allem in Frankreich, aber auch in England, Italien und in Spanien. Die Herkunft dieses Pergaments, das oft „uterine vellum“ (fötales Pergament) genannt wird, war Quelle langanhaltender Debatten.
Die Nutzung des lateinischen Wortes „abortivum“ (Frühgeburt) in vielen Quellen hat einige Gelehrte dazu verführt anzunehmen, dass die Haut von Kalbsföten für die Herstellung dieses Pergaments benutzt wurde. Andere haben diese Theorie abgelehnt und argumentiert, dass es unmöglich gewesen sei, eine Herde von Nutztieren zu halten, wenn so viel Pergament aus fötaler Haut hergestellt worden wäre. Ältere Wissenschaftler argumentierten sogar, dass wahrscheinlich unvermutete Alternativen wie Kaninchenhaut oder die Haut von Eichhörnchen benutzt wurden, während wiederum andere mittelalterliche Quellen vermuten lassen, dass die Haut mit Hilfe einer vergessenen Technik aufgespalten worden sei.
Ein spartenübergreifendes Forscher-Team, angeführt von Dr. Sarah Fiddyment und Professor Matthew Collins vom BioArCh Forschungslabor des archäologischen Fachbereichs in York, entwickelten eine einfache und objektive Technik, indem sie eine standardisierte Behandlung zur Konservierung benutzten um die tierische Herkunft des Pergaments herauszufinden.
Die nicht invasive Methode ist eine Variante des ZooMS (zoologische Archäologie durch Massenspektrometer) peptider Fingerabdrücke, allerdings werden dadurch Proteine des Pergaments extrahiert, die durch Elektrostatik auftauchen, wenn man mit einem PVC-Radierer sanft über die Oberfläche der Membran reibt.
Die im „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Forschungsergebnisse involvierten Forscher und Wissenschaftler aus Frankreich, Belgien, Dänemark, Irland, den USA und dem Vereinigten Königreich. Sie analysierten 72 Taschenbibeln aus Frankreich, England und Italien und Proben von weiteren 293 Pergamenten aus dem 13. Jahrhundert. Die Dicke der Pergamentproben betrug 0,03 – 0,28 mm.
Dr. Fiddyment sagte: „Wir fanden keinerlei Beweise für unübliche Tiere, allerdings identifizierten wir mehr als eine Säugetierart in einem einzigen Manuskript, entsprechend der örtlichen Verfügbarkeit von Häuten. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das ultrafeine Pergament nicht notwendigerweise auf die Nutzung von frühgeborenen oder neugeborenen Tieren mit sehr dünner Haut zurückzuführen ist. Stattdessen zeigt es einen Produktionsprozess, der es erlaubt die Haut von erwachsenen Tieren verschiedener Arten so zu behandeln, dass daraus Pergamente von gleicher Qualität und Feinheit entstehen.“ ... Alexander Devine vom Schoenberg Institut für Manuskriptforschung an der University of Pennsylvania sagte dazu: „Diese in großer Anzahl im 13. Jahrhundert hergestellten Bibeln begründeten Inhalte und Erscheinungsbild der uns heute bekannten christlichen Bibeln. Ihre Wichtigkeit und ihr Einfluss kommen direkt von dem Format als tragbare, einbändige Bücher, was durch die innovative Kombination der Miniaturisierung und Verdichtung, erreicht über die Nutzung extrem dünnen Pergaments, ermöglicht wurde. Deshalb vergrößern die Entdeckungen dieser neuartigen Forschung unser Verständnis darüber immens, wie diese Bibeln hergestellt wurden und im weiteren Sinne erhellen sie unser Wissen über eine der wichtigsten Text Technologien in der Geschichte der Bibel und es westlichen Christentums.“
Und Professor Collins setzte hinzu: „Der Zugang, den wir nun erreicht haben wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung dieser Technik. Ohne die Radiergummitechnik hätten wir niemals Proteine von so vielen Pergamentproben nehmen können. Außerdem glauben wir, da es keinen Beweis von unerwarteten Arten, wie Kaninchen oder Eichhörnchen gibt, dass das „uterine vellum“ oft durch eine technische Produktion erreicht wurde, die vorhandene Resourcen nutzte.“
Hier die Arbeit: http://www.pnas.org/content/112/49/15066.full - Sarah Fiddyment et al., "Animal origin of 13th-century uterine vellum revealed using noninvasive peptide fingerprinting", PNAS 112, 15066-15071 (2015)
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
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