Werter n_s_n, Sie sind sich aber schon darüber im Klaren, dass es für Erdogan zwei Möglichkeiten der juristischen Klärung gab?
Den normalen Prozess auf der Basis einer Beleidigung gemäß 185 und die dem normalen Bürger nicht offen stehende mit erweitertem Straßfmaß ausgestattete Klage gemäß 103. Ich denke hier in Zettels Raum werden sich viele Teilnehmer finden, die Erdogan eine KLage gemäß 185 zugestehen. Nicht, dass es von Erdogan klug war - obwohl dieses Urteil sehr davon abhängt, welche Ziele er hat (was ein ganz eigenes Thema wäre). Aber er sollte das Recht dazu haben. Diese Position scheint ja auch Lucke mit seinem gestern publizierten Ausfall gegen Böhermann zu meinen. Wobei Lucke interessanterweise einen Hauch von Pharisäertum in seiner Aussage hat: ich vermute ganz stark Lucke geht davon aus, dass Böhermann zur Zeit kein Interesse hat, selbst eine Beleidigungsklage anzustrengen. Denn Luckes Äußerungen, so sie denn wahr sind, erfüllen ebenfalls den Tatbestand gemäß 185. Lucke wirft Böhermann eine Instrumentalisierung von Erdogan vor; aber so ein bischen macht Lucke das jetzt auch mit Böhermann: Lucke kommt ins Gespräch, hat aber selbst wenig zu befürchten, da mit einer KLage nicht zu rechnen ist.
Ganz anders das Urteil darüber, ob Politiker mehr Rechte als ein normaler Bürger haben sollten. Da kann ich nicht mal ansatzweise nachvollziehen, was dafür sprechen würde.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
wenn ich recht informiert bin, hatte Erdogan seinen Strafantrag im Sinne des § 194 StGB bereits gestellt, als Merkel die Ermächtigung zur Strafverfolgung im Sinne des § 104a StGB wegen des Vorwurfs des § 103 StGB erteilte.
Merkel hätte sich elegant aus der Affäre ziehen können, indem sie auf den Strafantrag Erdogans sowie die deshalb ohnehin erfolgende Befassung der Justiz mit diesem Vorfall verwiesen und deshalb die Ermächtigung zur Strafverfolgung als gleichsam überflüssig bezeichnet (und deshalb abgelehnt) hätte.
Ich kann den Causae Böhmermann und Extra 3 bislang zwei positive Perspektiven abgewinnen:
1. § 103 StGB ist hoffentlich bald Rechtsgeschichte.
2. Es wird einmal mehr klar, dass die von der AKP transformierte Türkei sicher nicht in die EU gehört.
Zitat Recht sollte immer für alle gleich angewandt werden. Meines Ermessens auch, wenn wie in diesem besonderen Falle, die Bundesregierung vorgeschaltet ist. Wenn die Anzeige lächerlich ist, wird Herr Erdogan dies von der deutschen Justiz erfahren. Wenn sie es nicht ist, bekommt Böhmermann ein Strafmaß nach geltendem Recht, was nun einmal so ist in einem Rechtsstatt, auch wenn das (selbst mir) nicht immer gefällt. Dass es den Paragraphen 103 noch gibt, kann man dabei wirklich nicht Merkel anlasten. Bis vor ein paar Tagen hat das niemanden interessiert.
Dieser messerscharfen Logik kann ich nicht widerstehen!
wenn ich recht informiert bin, hatte Erdogan seinen Strafantrag im Sinne des § 194 StGB bereits gestellt, als Merkel die Ermächtigung zur Strafverfolgung im Sinne des § 104a StGB wegen des Vorwurfs des § 103 StGB erteilte.
Merkel hätte sich elegant aus der Affäre ziehen können, indem sie auf den Strafantrag Erdogans sowie die deshalb ohnehin erfolgende Befassung der Justiz mit diesem Vorfall verwiesen und deshalb die Ermächtigung zur Strafverfolgung als gleichsam überflüssig bezeichnet (und deshalb abgelehnt) hätte.
Dann hätte Merkel ihren vorangegangenen Kotaus nicht noch den vor der 'Majestät' hinzufügen können. Erdogan hat wohl großen Wert darauf gelegt, diese Ehre wird ihm so schnell sicher nicht nochmal zuteil.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #2Ganz anders das Urteil darüber, ob Politiker mehr Rechte als ein normaler Bürger haben sollten. Da kann ich nicht mal ansatzweise nachvollziehen, was dafür sprechen würde.
Ich persönlich vermute, der Grund warum es diesen Paragraphen gibt ist/war der Gedanke, dass Diplomatie dies manchmal erfordern könnte. Unabhängig davon, ob man das jetzt gut oder schlecht, richtig oder falsch findet, politische Entscheidungen mit der Justiz zu verquicken, könnte man das als Argument für diesen Paragraphen sehen. Damit ist in meinen Augen aber auch relativ klar, dass die Entscheidung, welche Merkel zu treffen hatte ein politische und keine juristische ist, und insofern kann man ihre Entscheidung, wie immer sie ausgesehen hätte, schwerlich als eine Stärkung oder Schwächung der Meinungsfreiheit sehen.
Anders, sicherlich überspitzt formuliert, könnte man über den Sinn des Paragraphen 103 vielleicht sagen: Wenn sich ein Bürger in die Aussenpolitik der Bundesrepublik Deutschland einmischt, kann er sich in manchen Fällen strafbar machen.
Immerhin hat die Bundesregierung mit der Ankündigung der Aufhebung des Paragraphen ja nun zu verstehen gegeben, dass Sie Ihre Sicht teilt und zukünftig diese „Verquickung von Politik und Justiz“ nicht mehr möchte.
Zitat von Noricus im Beitrag #3Merkel hätte sich elegant aus der Affäre ziehen können, indem sie auf den Strafantrag Erdogans sowie die deshalb ohnehin erfolgende Befassung der Justiz mit diesem Vorfall verwiesen und deshalb die Ermächtigung zur Strafverfolgung als gleichsam überflüssig bezeichnet (und deshalb abgelehnt) hätte.
Der Anlaß für meine Gedanken war die Frage, ob Sie sich denn wirklich so schlecht aus der Affäre gezogen hat, bzw. ob es besser gegangen wäre – und das scheint mir zumindest nicht so klar, wie man oft liest. Hätte sie die von dir vorgeschlagene Lösung umgesetzt, hätte sie damit „ohne Not“ ein starkes politisches Statement abgegeben, welches ihrer Politik aktuell nicht hilft. Denn nur als ein starkes politisches Statement gegen Erdogan und die Türkei, hätte man eine solche Entscheidung verstehen können.
Auf der anderen Seite und das war mein Gedanke, muß man das Zulassen der Strafanzeige nicht unbedingt als starkes politisches Statement verstehen. Dazu sollte mein hypothetisches Beispiel dienen, in dem man ihr ein solches Verhalten möglicherweise als „clever“ auslegen würde. Zumindest kann ich mir schwer vorstellen, dass in einem solchen Falle die Entscheidung der Kanzlerin ein großes Aufsehen erregt hätte. Man wäre wohl eher über das „befreundete Staatsoberhaupt“ belustigt gewesen, von dem man wahrscheinlich glauben würde, dass es sich gerade zum Affen macht, als das man Merkels Entscheidung als ein politisches Stattement oder einen Eingriff in die Meinungsfreiheit begreifen würde. Bei Erdogan sieht man das aber komplett anders, was meines Ermessens daran liegt, dass man es als strakes politisches Statement „pro Erdogan“ sieht. Das muß man aber nicht zwingend.
Ein wesentlicher Zug der ganze Merkel Entscheidung ist nämlich in meinen Augen die Ankündigung der Abschaffung des Paragraphen, gleichzeitig mit dem Zulassen der Strafanzeige. So lächerlich ist diese gleichzeitig angekündigte Abschaffung nämlich gar nicht, da man es als „Abschwächung oder gar Nivellierung“ des durch das Zulassen der Anzeige getroffenen, impliziten „politischen Statements“ verstehen kann. Nach dem Motto: "Ich halte das Ganze für überflüssig und will demnach auch gar keine politische Entscheidung treffen. Für den vorliegenden Fall versuche ich mich daher herauszuhalten und überlasse alles Weitere unserer Justiz." -- In diesem Snne kann man das politische Statement Merkels zumindest als "neutral" verstehen.
Ich gebe zu, dass diese Interpretation natürlich ebenfalls nicht zwingend ist. Aber die Art und Weise, wie einhellig und schnell die Entscheidung an vielen Stellen in jedem Detail als „große Katastrophe“ beurteilt wurde, hat mich einfach etwas stutzig gemacht. Daher wollte ich darüber einmal zum Nachdenken anregen, indem ich versuche eine Gegenposition einzunehmen.
Bei einem bin ich mir jedoch relativ sicher: Eine Aussage über den Zustand der Meinungsfreiheit enthält die Entscheidung der Bundesregierung in dieser Sache nicht. Es ist eine politische Entscheidung, sonst nichts und es galt nur abzuwägen, welches politische Statement man treffen wollte und welches nicht. Ich denke Merkel hat das aus ihrer Sicht ganz clever gelöst, auch wenn ich ihre Politik derzeit an eigentlich keiner Stelle mittrage.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #6Damit ist in meinen Augen aber auch relativ klar, dass die Entscheidung, welche Merkel zu treffen hatte ein politische und keine juristische ist, ...
Richtig.
Zitat und insofern kann man ihre Entscheidung, wie immer sie ausgesehen hätte, schwerlich als eine Stärkung oder Schwächung der Meinungsfreiheit sehen.
Aber sicher ist das eine (politische!) Entscheidung über den Stellenwert der Meinungsfreiheit. In einem Fall gibt sie der Außenpolitik Priorität, im anderen Fall der Meinungsfreiheit. Beide Entscheidungen kann man richtig oder falsch finden, aber die Regierung kann sich nicht um die Wahrheit herumdrücken, was ihr wichtiger ist.
Zitat Immerhin hat die Bundesregierung mit der Ankündigung der Aufhebung des Paragraphen ja nun zu verstehen gegeben, dass Sie Ihre Sicht teilt und zukünftig diese „Verquickung von Politik und Justiz“ nicht mehr möchte.
Und das paßt eben überhaupt nicht zur inhaltlichen Entscheidung.
Wenn sie den Paragraphen richtig findet, kann sie nach Belieben Pro oder Contra entscheiden. Das ist halt eine Frage der politischen Wertung und kann entsprechend diskutiert werden.
Aber wenn sie den Paragraphen nicht nur für falsch hält, sondern auch konkret abschaffen will - dann kommt nur die Contra-Entscheidung in Frage. Es ist völlig absurd und unlogisch, wenn man sich bewußt für eine Option entscheidet, die man grundsätzlich ablehnt.
Zitat Der Anlaß für meine Gedanken war die Frage, ob Sie sich denn wirklich so schlecht aus der Affäre gezogen hat,
Viel schlechter hätte sie es kaum noch machen können. Und die Reaktionen sind ja auch ganz überwiegend kritisch, bis hin zu zwei Dritteln Ablehnung in den Meinungsumfragen.
Es ist schon merkwürdig: Keine ihrer massiven Fehlentscheidungen hat Merkel so geschadet wie nun das konfuse Rumtappen in einer letztlich recht unwichtigen Affäre.
Durch Zufall drüber gestolpert wollte ich nur kurz anmerken, dass der 103 tatsächlich aufgehoben wurde. Falls jemand noch den Ursprungsfall im Kopf haben sollte. :-)
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
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