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Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 47 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

13.04.2019 20:21
Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

An den jetzt wieder (un)fröhliche Urständ feiernden Enteignungsphantasien zeigt sich die zeit- und ideologieübergreifende Kontinuität des hässlichen Deutschen.

flobotron Offline



Beiträge: 333

14.04.2019 08:10
#2 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Was mir bei der Enteignungskampagne in Berlin auffällt, ist das die Bewohner Karl-Marx-Allee hier eine entscheidende Rolle spielen und Ausgangspunkt der ganzen Kampagne sind.
Nur ist die Karl-Marx-Allee nicht irgendeine Straße in Berlin, sondern war die Prachtallee der alten DDR Hauptstadt. Hier hat nicht der einfache Arbeiter gewohnt:

Zitat

Die Linientreuen zogen ein, die Nomenklatura und die Genossen. Überall parkten Autos. An jeder Ecke stand die Stasi.


https://www.zeit.de/kultur/karl-marx-all...html#chapter-01

Ich nehme an, dass diese zum Teil dort immer noch wohnen.

Zitat

Als es die DDR noch gab, arbeitete Lothar Herzog mehr als zwei Jahrzehnte in der Zentrale der SED, die meiste Zeit als Personenschützer und persönlicher Kellner des Staatsratsvorsitzenden. Mit Erich Honecker reiste er zu Staatsbesuchen in mehr als 30 Länder. Jetzt verteilt er Gratiszeitungen, damit er unter Leute kommt.


Aus dem selben Zeitartikel.

Setze ich mal meinen Aluhut auf, so erscheint mir dir ganze Enteignungsnummer in Berlin doch sehr wie ein Geschenk der neuen Genossen im Roten Rathaus für die alten Genossen aus Erichs Lampenladen.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.292

14.04.2019 08:43
#3 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Was ich an der Diskussion schon faszinierend finde ist die Tatsache, wie man eigentlich vom Problem "hohe Mieten" auf die Lösung "Enteignung" kommt. Als ob sich an den Miethöhen etwas ändern würde wenn der Eigentümer wechselt. Es gibt ja übrigens bereits einige staatliche Wohnungsgesellschaften, aber mit besonders niedrigen Mieten sind die bisher eher nicht aufgefallen. Wie auch, wenn diese Gesellschaften Verluste erwirtschaften wird das Management ausgetauscht, da verhält sich der Staat nicht anders als ein privater Eigentümer.

Im Prinzip gibt es bei der Thematik so viele Dinge die man Habeck und seinen Geistesbrüdern entgegenhalten könnte, dass es schwer fällt zu glauben, dass deren Argumentation ausserhalb der Hardcore-Kommunisten Gehör findet.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

14.04.2019 09:21
#4 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #3
Was ich an der Diskussion schon faszinierend finde ist die Tatsache, wie man eigentlich vom Problem "hohe Mieten" auf die Lösung "Enteignung" kommt. Als ob sich an den Miethöhen etwas ändern würde wenn der Eigentümer wechselt. Es gibt ja übrigens bereits einige staatliche Wohnungsgesellschaften, aber mit besonders niedrigen Mieten sind die bisher eher nicht aufgefallen. Wie auch, wenn diese Gesellschaften Verluste erwirtschaften wird das Management ausgetauscht, da verhält sich der Staat nicht anders als ein privater Eigentümer.

Im Prinzip gibt es bei der Thematik so viele Dinge die man Habeck und seinen Geistesbrüdern entgegenhalten könnte, dass es schwer fällt zu glauben, dass deren Argumentation ausserhalb der Hardcore-Kommunisten Gehör findet.


Enteignung macht doch nur Sinn, wenn es der Stadt um die Kontrolle geht, wer wo wohnt, beispielsweise wenn die Stadt Wohnraum sucht, den sie Zuwanderern zuteilen will/muss, ihn aber trotz attraktiver Mieten am freien Markt nicht bekommt. Zudem müsste man die für solche Fälle bezahlten Mieten kennen, möglicherweise käme es auf Dauer doch billiger, Wohnungen aufzukaufen, als solche Mieten zu bezahlen. Sollte das stimmen, müssten sich die jetzigen Bewohner auf die Hinterbeine stellen.

Gruß
Martin

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.292

14.04.2019 11:03
#5 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Dass die Intention hinter den Enteignungen eine andere ist als die öffentlich vorgetragene kann man wohl als gesichert ansehen.

Die Frage ist eher ob die vorgetragene Argumentation verfängt. Mit Kapitalisten-Bashing kann man in Deutschland grundsätzlich immer punkten, aber in diesem Fall ist das schon sehr an den Haaren herbeigezogen, eben gerade deshalb, weil der Staat schon jetzt massiv auf dem Wohnungsmarkt engagiert ist und diese Aktivität sichtbar eben NICHT zu sinkenden Mieten geführt hat. Und weil die Leute eben auch bei jedem Umzug merken, dass hier ein Knappheitsproblem vorliegt, von dem auch Gutverdienende betroffen sind.

Eloman Offline



Beiträge: 251

14.04.2019 14:20
#6 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Und wo ist jetzt der Unterschied zwischen National- und Internationalsozialisten, zu denen auch die Grünen zu zählen sind? Sozialisten sind sie alle beide, und Faschisten (rot- und grün lackierte) auch, wie schon Kurt Schumacher so richtig sagte.

Rapsack Offline



Beiträge: 169

14.04.2019 18:38
#7 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Ist hier irgend wer wirklich erstaunt über die Parallelen?

Es waren und sind Sozialisten/Kommunisten.
Was soll da anderes bei rauskommen...

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.04.2019 10:05
#8 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #3
Was ich an der Diskussion schon faszinierend finde ist die Tatsache, wie man eigentlich vom Problem "hohe Mieten" auf die Lösung "Enteignung" kommt. Als ob sich an den Miethöhen etwas ändern würde wenn der Eigentümer wechselt.

So ganz ohne Logik ist das nicht.
Die großen Wohnungsunternehmen haben in Berlin einen hohen Bestand gekauft, der bei den bei Kauf üblichen Mieten normale Gewinne erwarten ließ.

Inzwischen sind durch gestiegene Neubaukosten (wg. verschärfter Vorschriften) und stark gestiegene Nachfrage die Mieten deutlich gestiegen. Erst einmal nur für die Neuvermietungen, aber mittelfristig wird sich das über den Mietspiegel auch auf die Bestandsmieten auswirken. Das sind zusätzliche Erlöse für die Eigentümer, denen kaum zusätzliche Kosten gegenüberstehen.
Mit Enteignung erhofft man sich den bestehenden Zustand zu konservieren, d.h. die Bestandsmieten bleiben unverändert.

Kaufmännisch ist das erst einmal nicht falsch. Die Probleme (abgesehen vom Grundsatzproblem der Enteignung selber) sind indirekt und schwerer zu verstehen. Einerseits die Ineffizienz staatlicher Unternehmerschaft, andererseits natürlich vor allem die Beibehaltung des Wohnungsmangels, wenn man sowohl die Marktsignale als auch die Investitionsbereitschaft kaputt macht.


Übrigens: Es wird in diesem Kontext oft über das Vorbild Wien gesprochen, wo angeblich ein großer Teil des Wohnungsbestands städtisch ist und als Folge niedrige Mieten und ausreichende Versorgung zu beobachten wären.
Ich mißtraue diesen Erzählungen, habe aber keine Fakten dazu. Weiß da jemand im Forum mehr?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.04.2019 10:12
#9 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #1
An den jetzt wieder (un)fröhliche Urständ feiernden Enteignungsphantasien ...

Die von Habeck durchaus demagogisch geschickt bedient werden.
Bewußt hängt er sich natürlich an die von den Kommunisten begonnene Enteignungsdiskussion dran und kommt damit groß in die Schlagzeilen.

Aber im eigentlich Text differenziert er und befürwortet NICHT die Enteignung der großen Wohnungsbestände, sondern "nur" die von leeren Baugrundstücken. Das klingt dann schon viel mehr nach der grundgesetzlichen Sozialbindung des Eigentums und er kann sich von der DDR-Tradition absetzen.

De facto sind baureife, aber nicht bebaute Grundstücke in den gesuchten Wohnlagen aber sehr selten. Und eine Enteignung dürfte normalerweise nicht gerichtsfest durchsetzbar sein. Habeck führt also eine Phantomdiskussion und profitiert noch von den Angriffen seiner Gegner.

Xanopos Offline



Beiträge: 217

16.04.2019 09:28
#10 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #8
Übrigens: Es wird in diesem Kontext oft über das Vorbild Wien gesprochen, wo angeblich ein großer Teil des Wohnungsbestands städtisch ist und als Folge niedrige Mieten und ausreichende Versorgung zu beobachten wären.
Ich mißtraue diesen Erzählungen, habe aber keine Fakten dazu. Weiß da jemand im Forum mehr?

Von den 911.000 Wohnungen [1] in Wien gehören 220.000 [2] der Stadt.

Quellen:
[1]: https://www.raiffeisen.at/eBusiness/serv...617-1-30-NA.pdf
[2]: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadt_Wien...3_Wiener_Wohnen

Zitat
Das führte auch dazu, dass viele Mietwohnungen an die Nachfahren vererbt wurden. Es entstand durch die Regulierung also eine Art Eigentumsverhältnis am Wiener Mietenmarkt. Die Situation, die sich heute durch diese auf die Moderne angepasste Maßnahme darstellt, unterstreicht vor allem die Prämisse „Bezahlbarer Wohnraum für alle.“ Die Stadt Wien, die fast 60 Prozent der Wohnungen im Gebiet besitzt, fördert daher sehr stark das soziale Wohnen. In der Realität bedeutet das, dass man selben Haus Mieter antreffen kann, die 1,50 Euro pro Quadratmeter zahlen und Mieter die 12 Euro pro Quadratmeter zahlen.

https://www.handelsblatt.com/finanzen/im...rW7eJBGskcR-ap4

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.04.2019 11:28
#11 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von Xanopos im Beitrag #10
Von den 911.000 Wohnungen [1] in Wien gehören 220.000 [2] der Stadt.

Im anderen Artikel sollen der Stadt deutlich mehr Wohnungen (60%) gehören. Aber vielleicht bezieht sich das nur auf einen Teil des Stadtgebiets, der Artikel ist da etwas unklar.

Auf jeden Fall ist es wohl so, daß der Hauptunterschied zwischen "alten" und "neuen" Bewohnern liegt. Das Wiener Modell begünstigt Leute, die schon lange in der Stadt wohnen, bzw. deren Vorfahren schon in der Stadt wohnten. Neulinge haben kaum eine Chance (es sei denn durch Korruption und Parteibuchwirtschaft, die soll bei der Wohnungsvergabe in Wien eine Rolle spielen ...).
Bei einem freien Wohnungsmarkt kommen Neubürger eher mal zum Zuge - aber es kann halt umgekehrt sein, daß Altbewohner ausziehen müssen, weil sie sich ihre Miete nicht mehr leisten können.

Laut Artikel scheint es insgesamt so zu sein, daß in Wien weniger neue Wohnungen entstehen und die "Wohnungsnot" größer ist. Wobei es allerdings m. W. keine vernünftige Meßbarkeit gibt, wie groß der Bedarf an Wohnungen in einer Stadt eigentlich ist. Und die Vergleichbarkeit mit anderen Städten ist dabei erst recht schwierig, weil dieser Bedarf stark vom Preis abhängt.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

16.04.2019 11:57
#12 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Ohne Marktpreis ist es unmöglich, den Knappheitsgrad von Wohnungen festzustellen. Schon deswegen, weil es ein fast unbegrenzt konsumierbares Gut ist.
Während die meisten Menschen irgendwann aufhören zu essen oder zum Friseur zu gehen, gibt es fast keine Grenze bei der Wohnungsgrösse. Wenn es nix kosten würde, würden auch Einzelpersonen in 400qm-Wohnungen ziehen.

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.

Xanopos Offline



Beiträge: 217

16.04.2019 12:06
#13 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #11
Zitat von Xanopos im Beitrag #10
Von den 911.000 Wohnungen [1] in Wien gehören 220.000 [2] der Stadt.

Im anderen Artikel sollen der Stadt deutlich mehr Wohnungen (60%) gehören. Aber vielleicht bezieht sich das nur auf einen Teil des Stadtgebiets, der Artikel ist da etwas unklar.


Die 220.000 gehören dar Stadt, dazu kommen noch Wohnungen im Besitz des Bundes und ein paar gemeinnützigen Bauvereinigungen. Laut dem Raika-Dokument sind das in Summe 40%. https://www.raiffeisen.at/eBusiness/serv...617-1-30-NA.pdf

Zitat
es sei denn durch Korruption und Parteibuchwirtschaft, die soll bei der Wohnungsvergabe in Wien eine Rolle spielen ...


Soll es geben. Aber da hat man als Neuling auch keine Chance, dann dazu muss man gut in der Partei vernetzt sein, oder das Kind von so jemanden sein. Die Vergabe eine Gemeindewohnung geht manchmal auffallend schnell, wenn der Papa was Wichtiges bei der Partei, Stadt oder Gewerkschaft ist.
Beispiel, ein Nationalratsabgeordneter wohnte im Sozialbau: https://diepresse.com/home/panorama/wien...nt-im-Sozialbau

Xanopos Offline



Beiträge: 217

16.04.2019 12:10
#14 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #12
Ohne Marktpreis ist es unmöglich, den Knappheitsgrad von Wohnungen festzustellen. Schon deswegen, weil es ein fast unbegrenzt konsumierbares Gut ist.
Während die meisten Menschen irgendwann aufhören zu essen oder zum Friseur zu gehen, gibt es fast keine Grenze bei der Wohnungsgrösse. Wenn es nix kosten würde, würden auch Einzelpersonen in 400qm-Wohnungen ziehen.

Gibt es zur 400 qm Wohnung dann auch eine Putzfrau?

Florian Offline



Beiträge: 3.180

16.04.2019 13:10
#15 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #8
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #3
Was ich an der Diskussion schon faszinierend finde ist die Tatsache, wie man eigentlich vom Problem "hohe Mieten" auf die Lösung "Enteignung" kommt. Als ob sich an den Miethöhen etwas ändern würde wenn der Eigentümer wechselt.

So ganz ohne Logik ist das nicht.
Die großen Wohnungsunternehmen haben in Berlin einen hohen Bestand gekauft, der bei den bei Kauf üblichen Mieten normale Gewinne erwarten ließ.

Inzwischen sind durch gestiegene Neubaukosten (wg. verschärfter Vorschriften) und stark gestiegene Nachfrage die Mieten deutlich gestiegen. Erst einmal nur für die Neuvermietungen, aber mittelfristig wird sich das über den Mietspiegel auch auf die Bestandsmieten auswirken. Das sind zusätzliche Erlöse für die Eigentümer, denen kaum zusätzliche Kosten gegenüberstehen.
Mit Enteignung erhofft man sich den bestehenden Zustand zu konservieren, d.h. die Bestandsmieten bleiben unverändert.

Kaufmännisch ist das erst einmal nicht falsch.


Hier ist halt entscheidend, wie hoch die Enteignung entschädigt werden muss.
Wenn die Entschädigung auf dem Niveau des historischen damaligen Kaufpreises liegt, dann haben sie recht.

Wenn aber der aktuelle Marktpreis entschädigt werden muss (was mir plausibel erschiene), dann hat man halt Wohnungen mit üblichen Mietrenditen eingekauft.
Und übliche Mietrenditen sind in deutschen Großstädten zur Zeit bei vielleicht 2,5% bis 3%. (In München eher 2%).
Wenn man davon noch 1% abzieht für Instandhaltung und nicht umlagefähige Nebenkosten, dann bleibt da nicht mehr so wahnsinnig viel übrig.
(Private Investoren haben außerdem noch den Steuervorteil aus den Abschreibungen. Für den Staat ist das aber linke Tasche, rechte Tasche).
Auf jeden Fall bleibt nicht viel übrig, um die Mieten großartig zu senken.

So oder so:
Für den Mietmarkt gilt das gleiche wie für jeden Markt: Der Preis wird gebildet durch Angebot und Nachfrage.
Wenn in deutschen Großstädten in den letzten Jahren die Mieten gestiegen sind, dann nicht deshalb, weil die Vermieter auf einmal zu bösen Kapitalisten mutiert wären (das waren sie nämlich schon immer), sondern weil die Nachfrage stärker gestiegen ist als das Angebot.

Bei beiden Parametern hätte die Politik Stellschrauben.
Die sie aber eben oft gerade kontraproduktiv nutzt. Nur um nachher über das Ergebnis zu jammern.

Zum Angebot:
Da gibt es halt viele zusätzliche Kosten, die der Staat aufbürdet. Neue teure Dämmvorschriften, gestiegene Grund- und Grunderwerbsteuern, Stellplatzablösen, Gestaltungsvorschriften, usw.
Speziell die Stadt Berlin hätte es auch in der Hand, mehr Bauland auszuweisen und/oder Baugenehmigungen schneller zu bearbeiten.

Zur Nachfrage:
Hier gibt es natürlich den großen Elefanten im Raum, den keiner erwähnen will:
Schon 2016 gab es die Prognose, dass für Flüchtlinge 650.000 Wohnungen bis 2020 gebraucht würden.
(https://www.welt.de/finanzen/verbraucher...-Wohnungen.html)

Das ist sehr viel: So ungefähr 120.000 pro Jahr.
2010 wurden in Deutschland 160.000 Wohnungen gebaut.
2018 waren es 300.000 Wohnungen. Und wie jeder weiß, der zur Zeit einen Handwerker braucht: die Branche ist jetzt absolut an der Kapazitätsgrenze.
Ein hoher Anteil der neugebauten Wohnungen wurden also allein schon für Flüchtlinge gebraucht.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.04.2019 14:29
#16 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #15
Wenn aber der aktuelle Marktpreis entschädigt werden muss (was mir plausibel erschiene), dann hat man halt Wohnungen mit üblichen Mietrenditen eingekauft.

Ich gehe davon aus, daß sich eine Entschädigung an den aktuellen Mieteinnahmen der zu verstaatlichten Wohnungen orientieren würde. Das wäre höher als der damalige Kaufpreis, aber niedriger als ein Marktpreis mit Mieterhöhungserwartung.

Zitat
Auf jeden Fall bleibt nicht viel übrig, um die Mieten großartig zu senken.


Es geht den Enteignern m. W. gar nicht um Senkung, sondern um Einfrieren des aktuellen Niveaus. Damit können die aktuellen Bewohner leben, die befürchten ja im wesentlichen künftige Steigerungen, wenn der übrige Mietmarkt weiter steigt.

Zitat
Für den Mietmarkt gilt das gleiche wie für jeden Markt: Der Preis wird gebildet durch Angebot und Nachfrage.


Richtig. Enteignung ist die Steigerung des "Wiener Modells". Besitzstände werden konserviert, aber der restliche Markt wird verengt und Neulinge müssen noch erheblich mehr zahlen.

Zitat
Da gibt es halt viele zusätzliche Kosten, die der Staat aufbürdet.


Angeblich sind die Baukosten in Deutschland in den letzten Jahren um 30% gestiegen, in den Niederlanden im gleichen Zeitraum nur um 6%. Die Differenz wäre dann alleine auf politische Faktoren zurückzuführen. Und zwar auf unnötige Faktoren, denn keiner kann ernsthaft behaupten, in den Niederlanden wäre die Neubauqualität schlecht.

Zitat
Hier gibt es natürlich den großen Elefanten im Raum, den keiner erwähnen will


Richtig. Und das ist etwas, was ich der Bundesregierung besonders zum Vorwurf mache.
Man kann ja mit verschiedenen Argumenten der Meinung sein, die Grenzöffnung 2015 und die Aufnahme einer Million "Flüchtlinge" wären richtig oder zumindestens alternativlos gewesen. Aber es gibt keine Argumente und keine Entschuldigung dafür, daß die Regierung sich fast nicht um die Folgen gekümmert hat, insbesondere um die Schaffung von neuem Wohnraum.

Es geht aber nicht nur um die absolute Wohnungszahl in Deutschland insgesamt.
Es geht auch um die Verschiebungen innerhalb Deutschlands (incl. des Problems, daß auch die "Flüchtlinge" bevorzugt in die ohnehin schon überlaufenen Ballungszentren strömen).
Denn während in manchen Gebieten über "Wohnungsnot" geklagt wird, stehen anderswo immer mehr Wohnungen leer.
Ein Teil davon liegt im ländlichen Raum, der wegen allgemeiner Strukturveränderungen nicht mehr wirklich genutzt werden wird - da werden wohl unvermeidlich Dörfer sterben und damit auch Häuser ungenutzt bleiben.
Aber wir haben eben auch sehr viele Städte mit Bevölkerungsrückgang und Leerständen. Und es ist nicht so, daß diese Städte wegen Lage oder anderer Rahmenbedingungen per se nicht für weitere Entwicklung geeignet wären. Aber bisher scheint niemand eine Idee zu haben, wie man die Boombranchen, die für Zuzug in München, Hamburg, Stuttgart oder Frankfurt sorgen, in Gebiete bringen könnte, die freie Kapazitäten haben.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

16.04.2019 16:44
#17 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #16
bisher scheint niemand eine Idee zu haben, wie man die Boombranchen, die für Zuzug in München, Hamburg, Stuttgart oder Frankfurt sorgen, in Gebiete bringen könnte, die freie Kapazitäten haben.



Ist zwar ein anderes Thema.
Aber hier ist wirklich ein Phänomen, dass ich mir nicht so recht erklären kann:

Der große Mega-Trend der letzten 20 Jahre ist "Internet".
Und damit verbunden die Verheißung, dass Raum keine Rolle mehr spielt.
Heutzutage kann man jeden Büro-Arbeitsplatz irgendwo auf der Welt haben. Und die Telefon- oder Mail-Gegenpartei merkt nicht einmal, dass man nicht in München sitzt sondern im bayerischen Wald.
Was also spricht dagegen, Dienstleistungs-Firmen (z.B. Werbeagenturen, Rechtsanwaltskanzleien, Architekturbüros, usw.) irgendwo außerhalb der Metropolen anzusiedeln.
Oder den dort tätigen Mitarbeitern verstärkt Home-Office zu erlauben (so dass die irgendwo in einem Bauernhof auf der Schwäbischen Alb wohnen können?).

Ebenso für den Konsum:
Früher bekam man das chice Armani-Kleid nur in der Großstadt. Und den neuesten französischen Noir-Film konnte man auch nur im Großstadt-Kino sehen. Dank Internet ist beides heute auch in der Provinz verfügbar.

Klar, es gibt auch Gründe, die für die Metropolen sprechen. (Etwa, dass Metropolen gerade für junge Menschen einfach spannender sind und man daher dort leichter junges Talent rekrutieren kann).
Aber diese durchaus gewichtigen Argumente, die FÜR Metropolen sprechen, gab es eben schon immer.
Neu ist aber, dass es durch das Internet verstärkt auch Argumente gibt, die GEGEN Metropolen sprechen.

Eigentlich sollte also der Trend aufgrund Internet eher gegen Metropolen sprechen.

Das Gegenteil ist aber der Fall.
Beispiel München:
Von 1970 bis 2000 (also in der Ära vor der Dominanaz des Internet) ist die Einwohnerzahl von München konstant geblieben (bzw. hat sogar leicht von 1294 Tsd. auf 1210 Tsd. abgenommen).
Seither wächst München aber kräftig (auf zuletzt 1466 Tsd. in 2018.
Die aktuelle Prognose der Bertelsmann-Stiftung sieht für 2030 dann 1584 Tsd. Einwohner vor.

Schon seltsam, oder?
1970 bis 2000 gab es doch die gleichen Pull-Faktoren, die München als Metropole attraktiv gemacht haben.
Nach 2000 hätte es aber verstärkt Gründe GEGEN München gegeben.
Und zudem wird die Bevölkerung ja auch noch älter. Was zusätzlich eigentlich gegen Metropolen spricht (die ja besonders junge Leute anziehen. Sei es als Studenten oder als Club- und Bar-Besucher).

Die Wanderungsströme passen also eigentlich nicht zu den gesellschaftlichen Mega-Trends.
Wer kann das Rätsel für mich lösen?

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.292

16.04.2019 17:25
#18 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #17

Früher bekam man das chice Armani-Kleid nur in der Großstadt. Und den neuesten französischen Noir-Film konnte man auch nur im Großstadt-Kino sehen. Dank Internet ist beides heute auch in der Provinz verfügbar.


Und das Armani-Kleid trägt man dann zum jährlichen Hopfenfest.

Im Ernst: Betrachtet man die von Ihnen genannten Faktoren statisch, haben Sie recht. Ich denke aber dass es da eine starke Dynamik gibt die man nicht vernachlässigen sollte, sowohl wirtschaftlich als auch privat.

Die genannten Dienstleistungsfirmen siedeln sich eben auch dort an wo die potenziellen Kunden sitzen, weil das den persönlichen Kontakt erleichtert. Gerade bei Werbeagenturen und Rechtsanwaltskanzleien ist der doch extrem wichtig. Ansonsten müsste man viel fahren, was einfach verschwendete Zeit ist. Nebenbei kann man davon ausgehen dass im Internetzeitalter auch der Grad der Internationalisierung von Unternehmen stark angestiegen ist. Unternehmen die international tätig sind brauchen bspw. einen Flughafen in der Nähe. Und einen großen Arbeitsmarkt mit Leuten, die ggf. aus den Zielländern stammen und die Sprache beherrschen, der wiederum von Menschen gefüllt wird, die gute Karrierechancen sehen und lieber in einer Stadt wohnen in der sie schon viele Leute kennen, diverse Annehmlichkeiten haben, usw.

Der Kostendruck scheint mir übrigens grundsätzlich nicht annähernd zu hoch zu sein um diese Entwicklung auszubremsen. Man spricht viel von Mieten, vergisst dabei aber dass bspw. in einer Stadt wie München ALLES wesentlich teurer ist als in der Provinz. Ein guter Kaufkraftindikator - analog zum Big Mac Index - wären z.B. Kebab- und Bierpreise. Da zahlt man in München ca. doppelt so viel wie in einer bayerischen Kleinstadt im Nordosten, von wirtschaftlich noch schwächeren Regionen ganz zu schweigen. D.h. die hohen Mieten können von voll Berufstätigen aufgrund der ebenfalls hohen Gehälter normalerweise auch gestemmt werden.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.04.2019 17:55
#19 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #17
Ist zwar ein anderes Thema.

Nicht wirklich. Baukostensteigerungen etc. haben alle ihren Anteil, aber der wesentliche Faktor für die "Wohnungsnot" und damit die Enteignungsphantasien ist schon dieser sehr starke Trend, daß Leute in gewisse Wohngegende ziehen wollen.

Und ich habe auch keine echte Erklärung, versuche mich mal mit etwas Raten.

Z. B. vermute ich hier als eine wesentliche Ursache eine Wellenbewegung bei der Generationenabfolge.
Vor 30-40 Jahren waren die Innenstädte unattraktiv, mit blöden alten Geschoßwohnungen und häßlicher Stadtgestaltung wg. hingeklotztem Nachkriegsbau. Da sind massenhaft Leute ins Umland gezogen, mit dem Idealbild des kleinen Häuschens mit Garten - und die Arbeitsplätze waren halbwegs ordentlich mit dem Auto und manchmal mit dem ÖV zu erreichen.
Inzwischen sind in manchen Städten (meist die wirtschaftlich prosperierenden Städte, Berlin ist eine Ausnahme) ganze Stadtviertel grundüberholt worden. Mit einem Gemisch aus edel renovierten Altbauten und interessanten Neubauten. Immer noch Geschoßwohnungsbau, aber mit Balkons und begrünten Innenhöfen und Infrastruktur in Fußreichweite. Und da ziehen jetzt begeistert die Kinder der "Haus-im-Grünen"-Generation hin. Weil es inzwischen ätzend geworden ist, die Arbeitsplätze in der Stadt mit Auto oder ÖV zu erreichen und weil sie die spießigen Pendlergemeinden als Kind schrecklich fanden.
Mir scheint es jedenfalls so, daß diese 70er/80er Jahre Wohngebiete wenig Heimatgefühle bei den dort Aufgewachsenen erzeugen konnten.
Während noch weiter draußen wirklich auf dem Dorf zwar Menschen wegziehen, wenn da kein Job zu kriegen ist - aber eigentlich mögen sie das Dorfleben dort durchaus.

Daneben gibt es immer noch viele Städte (nach meinem Eindruck vor allem in NRW, Niedersachsen, Nordhessen, Teile im Osten), die haben sich optisch und strukturell in den letzten Jahrzehnten kaum verbessert und da geht es bevölkerungsmäßig ziemlich bergab.

Aber abgesehen von der Wohnqualität ziehen die Leute natürlich stark den Arbeitsplätzen nach.

Zitat
Heutzutage kann man jeden Büro-Arbeitsplatz irgendwo auf der Welt haben. Und die Telefon- oder Mail-Gegenpartei merkt nicht einmal, dass man nicht in München sitzt sondern im bayerischen Wald.


M. E. eben nicht "jeden Büro-Arbeitsplatz". Das trifft auf viele Sachbearbeitertätigkeiten zu. Aber die sind inzwischen nicht aufs deutsche Land, sondern gleich ins Ausland verlegt worden. In unserer Firma sitzt die interne Verwaltung (Buchhaltung, Personalbearbeitung etc.) zu einem großen Teil inzwischen in Prag. Die fachlichen Sachbearbeiter sitzen sehr stark in Cork. In Frankfurt verbleiben die Projekt- und Steuer-Tätigkeiten, bei denen es aber einen hohen internen Kommunikationsbedarf gibt. Und geht viele nicht über Email und schlecht über Videokonferenz, sondern da sitzen die Leute dauernd zusammen und diskutieren direkt. Wobei "verbleiben" täuscht: Die Gesamtfirma ist erheblich gewachsen, in Frankfurt gibt es mehr Arbeitsplätze als früher, allerdings nur noch die besser qualifizierten.

Zitat
Was also spricht dagegen, Dienstleistungs-Firmen (z.B. Werbeagenturen, Rechtsanwaltskanzleien, Architekturbüros, usw.) irgendwo außerhalb der Metropolen anzusiedeln.


Das sind nun Tätigkeiten, die leben sehr stark von der Nähe zum Kunden. Und zwar physische Nähe, per Email gewinnt man nicht das Vertrauen neuer Kunden.
Auch hier meine Vermutung, daß der Boom in den Ballungsgebieten stark von der Zunahme solcher qualifizierter und kommunikationsbasierter Jobs geprägt ist.

Zitat
Aber diese durchaus gewichtigen Argumente, die FÜR Metropolen sprechen, gab es eben schon immer.
Neu ist aber, dass es durch das Internet verstärkt auch Argumente gibt, die GEGEN Metropolen sprechen.


Weiß nicht. Richtig ist wohl auf jeden Fall, daß das Internet einige Standort-Nachteile des platten Lands gemildert hat.
Aber die Metropolen passen wohl besser zum neuen Freizeitverhalten. Und das ist nicht nur vom Netflix-Abo geprägt, sondern von viel mehr Kneipen/Restaurants/Kunstevents/Livemusik als früher (ich habe dazu keine Zahlen, das ist nur gefühlt). Und dazu viel mehr Nischenangebote à la Biobäcker, Yoga-Bude, Delikatessenladen, ...
Übrigens alles Angebote, die einen hohen Zusatzbedarf an eher wenig qualifizierten Arbeitskräften generieren.

Ich bin mir auch nicht sicher, ob die "Metropolen" eigentlich das Ziel sind. Die Leute ziehen eher in einen Kiez. Und zwar sehr stark aus Verkehrsgründen. Man will nicht ins Umland von München, weil es ätzend ist in die Stadt zu kommen. Man will nicht nach München, um dort die breite Palette an Kulturangeboten zu nutzen - ziemlich lästig da abends hin- und zurückzukommen und Regensburg bietet inzwischen auch mehr als man nutzen kann.
Aber man zieht in die Maxvorstadt, weil man da in hochverdichteter Siedlungsstruktur fußläufig ein schönes Leben machen kann.

So mal als Spekulation ...

Zitat
Und zudem wird die Bevölkerung ja auch noch älter.


Die Alten wollen doch erst recht in die Stadt (und können sich das leisten!). Der neueste Schrei sind Seniorenwohnanlagen mitten in der City. Mit echten Wohnungen statt Altenheimzimmern, mit Concierge-Service - und wenn es irgendwann nötig ist, kann man auf die Pflegestation umziehen.

Ach ja, noch ein Verkehrsaspekt: Ein Flughafen mit vielen schönen Ferienverbindungen in der Nähe zu haben gehört natürlich auch zum modernen Lebensstil ...


So weit meine unsortierten Überlegungen. Und wenn die stimmen, dann müßte der nächste Trend eigentlich in mittelgroße Städte gehen, in denen genug kritische Masse für ein ausdifferenziertes Freizeitangebot da ist und durch städtebauliche Aufwertung nette "Kieze" möglich sind. Und wo man noch preiswert schöne Wohnungen kriegt.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.04.2019 18:05
#20 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #18
Die genannten Dienstleistungsfirmen siedeln sich eben auch dort an wo die potenziellen Kunden sitzen, weil das den persönlichen Kontakt erleichtert.

Richtig. Und das trifft nicht nur für Rechtsanwälte und PR-Berater zu, sondern auch für die vielen anderen Tätigkeiten, die Firmen in den letzten Jahrzehnten ausgelagert haben: Reinigung, Sicherheit, Netzwerkbetreuung, Gebäudemanagement, SAP-Programmierung, Catering, Gutachter ...

Aber in diesem ganzen Gewirr an Dienstleistern sitzt drinnen immer noch eine Firma, die sich auf ihr Kerngeschäft konzentriert hat und mit dem die Wertschöpfung generiert, von der alle diese internen und externen Arbeitsplätze leben.

Und da ist die Frage, warum (ausweislich der Wanderungsbewegungen) neue Kerngeschäft-Firmen immer wieder in überlaufenen Ballungszentren wie München entstehen und nicht auch mal in Oldenburg, Herne oder Mühlhausen.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

16.04.2019 18:17
#21 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #19
Zitat von Florian im Beitrag #17
Was also spricht dagegen, Dienstleistungs-Firmen (z.B. Werbeagenturen, Rechtsanwaltskanzleien, Architekturbüros, usw.) irgendwo außerhalb der Metropolen anzusiedeln.

Das sind nun Tätigkeiten, die leben sehr stark von der Nähe zum Kunden. Und zwar physische Nähe, per Email gewinnt man nicht das Vertrauen neuer Kunden.



Jetzt mal aus meiner Mittelständler-Sicht:
Ich beschäftige alle möglichen unternehmensnahen Dienstleister (wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Anwalt, Werbeagentur, Internetagentur, usw).
Das Akquise-Gespräch passiert häufig im persönlichen Kontakt. (Allerdings kommen da die Leute i.d.R. zu mir. Wo die ihren Sitz haben ist da also erst mal egal).
Das normale Tagesgeschäft läuft dann aber praktisch komplett über Mail und Telefon.
Und nur im Ausnahmefall trifft man sich dann noch mal persönlich. Und wenn, dann erwarte ich i.d.R., dass der Dienstleister zu mir kommt und nicht ich zu ihm.
Ich habe über Jahre ein Anwaltsbüro beschäftigt, ohne jemals deren Kanzlei von Innen gesehen zu haben. Dito gleich mehrere Werbeagenturen. Dito Datenschutzbeauftragter, Betriebsarzt, Sicherheitsbeauftragter, usw. usf.
Selbst Banker kommen heutzutage zum Kundenbesuch.
Das Münchner Büro unseres Wirtschaftsprüfers (der für mein Unternehmen seit Jahrzehnten tätig ist) habe ich in all den Jahren nur ein mal betreten.
(Und selbst wenn der Wirtschaftsprüfer aus irgendwelchen Prestige-Gründen eine Münchner Adresse braucht: Seine Mitarbeiter müssten nicht alle ihren Büroarbeitsplatz dort haben).

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.292

16.04.2019 19:01
#22 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #20
Und da ist die Frage, warum (ausweislich der Wanderungsbewegungen) neue Kerngeschäft-Firmen immer wieder in überlaufenen Ballungszentren wie München entstehen und nicht auch mal in Oldenburg, Herne oder Mühlhausen.



Die Frage ist eher, was man unter "Kerngeschäft-Firmen" versteht. Ich verstehe den Begriff als jene Unternehmen, die letztendlich den größten Teil der Wertschöpfung produzieren, an den sich dann die Dienstleister dranhängen. Nur bedeutet das ja nicht automatisch, dass diese Unternehmen völlig autark sind und ihre Standorte frei wählen können. Letztendlich gibt es doch bei jeder dieser konkreten "Kerngeschäft-Firmen" auch irgendwelche wirtschaftlichen Verflechtungen und damit gute Gründe dafür, warum sie dort sitzen wo sie eben sitzen. Jedenfalls bei neueren Unternehmen. Mir fällt jetzt auf Anhieb jedenfalls kein einziges Unternehmen ein, das seinen Sitz - salopp formuliert - auf den Mond verlegen könnte ohne massive Nachteile zu erfahren.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

16.04.2019 19:50
#23 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat
Was also spricht dagegen, Dienstleistungs-Firmen (z.B. Werbeagenturen, Rechtsanwaltskanzleien, Architekturbüros, usw.) irgendwo außerhalb der Metropolen anzusiedeln.


Viele Arbeitgeber befürchten einen Standortnachteil beim Recruiting - ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings fällt mir auch eine Werbeagentur ein, die aus dem Bug ein Feature gemacht hat und damit einen gewissen Kultstatus erworben hat:
https://www.onetz.de/deutschland-und-die...l-d1066464.html

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.04.2019 20:12
#24 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #11
Auf jeden Fall ist es wohl so, daß der Hauptunterschied zwischen "alten" und "neuen" Bewohnern liegt.


Nicht nur, sondern auch zwischen alten und neuen Bauten.

Bestimmte Familienmitglieder des Hauptmieters, die bereits vor dessen Tod mit diesem im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben und ein dringendes Wohnbedürfnis haben, treten nach § 14 Mietrechtsgesetz (MRG) nach dem Tod des Hauptmieters ex lege in den Mietvertrag ein. Das ist der personale Aspekt.

Wenn ein Mietobjekt in den Vollanwendungsbereich des MRG fällt (es gibt einen Vollanwendungsbereich, einen Teilanwendungsbereich und einen Vollausnahmebereich; Masochisten oder beruflich dazu Verpflichtete mögen § 1 MRG lesen), das trifft vor allem auf Altbauten zu, gilt eine ziemlich strenge Mietzinsbindung (§§ 16, 16a MRG), die jedenfalls zum Teil auch darauf abstellt, ob ein Neumietverhältnis oder ein nach § 14 MRG übertragenes Mietverhältnis vorliegt. Diese Mietzinsbindung soll nach einer in der Literatur angegebenen Zahl mehr als 300.000 Wohnungen in Wien betreffen. Das ist der bauliche Aspekt.

Beides zusammen führt dazu, dass gut betuchte Wiener Familien, die das Glück haben, eine schmucke Altbauwohnung gemietet zu haben, sehr darauf bedacht sind, dass immer wieder ein Familienmitglied gemäß § 14 MRG in den Mietvertrag eintritt. Da werden zum Teil schöne Wohnungen im 1. Bezirk zu Spottmietzinsen weitergegeben, dies ohne eine im konkreten Fall einschlägige soziale Notwendigkeit. (Lehrbuchfall: Das Enkerl zieht bei der schon etwas altersschwach werdenden Großmutter, einer Hofratswitwe ein.)

Es ist tatsächlich so: Wer das Mietrecht an einer mietzinsgebundenen Wohnung in der Familie übertragen kann, hat den Jackpot geknackt. Genossenschaftswohnungen sind auch OK. Wer aber auf dem freien Mietmarkt als Neuling eine Wohnung in Bestand nehmen möchte, wird nicht weniger zur Kasse gebeten als in anderen angesagten europäischen Metropolen.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.04.2019 20:37
#25 RE: Der hässliche Deutsche zeigt wieder (sein) Gesicht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #21
Ich habe über Jahre ein Anwaltsbüro beschäftigt, ohne jemals deren Kanzlei von Innen gesehen zu haben.


Beim unternehmerischen Mandanten ist das in vielen Fällen möglich, bei anderen Klienten oftmals nicht. Diese sind überraschend häufig keine telekommunikationsaffinen Menschen, die Unterlagen scannen und mailen könnten. Vielmehr bringen diese Mandanten ihre fallbezogenen Unterlagen persönlich vorbei, wofür es natürlich günstig ist, wenn die Kanzlei in der Nähe des Wohnsitzes des Mandanten liegt. Auch Informationsaufnahmen mit dem Mandanten lassen sich bei persönlicher Anwesenheit meistens leichter bewerkstelligen als auf dem Telekommunikationsweg: So lässt sich z.B. bei einem Verkehrsunfall eine Unfallskizze anfertigen, während rein verbale Unfallschilderungen am Telefon oder per E-Mail meistens so schwammig oder von Missverständnissen/Unsicherheiten/mangelndem sprachlichen Ausdrucksvermögen geprägt sind, dass sie einen geringen oder gar keinen Wert für das weitere Einschreiten haben. Jedenfalls für die Massengeschäftskanzlei ist der Umzug in die Einöde keine Option.

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