Morgen erfahren wir, ob die Deutschen (dh diejenigen, die das dem ZDF mitgeteilt haben) Johann Sebastian Bach oder vielleicht Nena für den "größten Musikstar" halten. Irgendwie absurd? Nein, argumentiere ich in diesem Beitrag.
Ein sehr schöner Text wieder mal. Irgendwie wird bei allem, was du schreibst, zwar eine Vertrautheit mit den Dingen, aber gleichzeitig auch eine Art souveräne, innere Distanz gegenüber ihnen erkennbar. Das erinnert von der Art her an Davila und wirkt richtig schön konservativ, finde ich
Du hast bei mir zwei Schalter gedrückt:
Zitat von ZettelBeim Jazz wird es etwas schwierig; da er heute überwiegend in den Kulturprogrammen der Sendeanstalten gespielt wird, ist er wohl zur E-Musik avanciert.
In Deutschland vielleicht. In den USA ist das anders. Denn es gibt natürlich auch im Jazz Formen, die versuchen, Anspruch und Unterhaltsamkeit zu verbinden, und die nicht nur den Typ im schwarzen Rollkragenpulli vor einem Glas Pinot Grigio, sondern auch den in Jeans und T-Shirt mit dem Bierglas in der Hand ansprechen, der Freude an Melodien und Rhythmus hat. Der Konflikt zwischen "E" und "U" geht dann durchaus quer durch den Jazz. Da gibt es dann die ernsthaften Jazzer, die ihren Kollegen "Kommerzialität" vorwerfen - was im Ergebnis ein Vorwurf ist, vielen Leuten zu gefallen. Elite muss vielleicht so denken. Jedenfalls gibt es in den USA Radiosender und auch eigene Billboard-Charts für z.B. "Smooth Jazz", was zwar letztlich auch keine befriedigende Abgrenzung ist, worunter sich dann aber vieles auch für Musiklaien Hörbare tummeln kann. Und Gruppen wie mein geliebtes "Spyro Gyra" füllen da Stadien. Aber nun ja, Amerika, du hast es besser: Was würde der deutsche Progressive wohl denken, wüsste er, dass die Musik der "Eagles" drüben als Country gilt?
Zitat von ZettelUnd zweitens hat Qualität nichts damit zu tun, ob Musik oder Literatur unterhaltsam ist.
Da wage ich mal einen indirekten Widerspruch. Ich finde, wirklich qualitiv Hochwertiges ist immer auch unterhaltsam. Gut, es gibt da Experten, die mir glaubhaft versichern, dass z.B. Zwölftonmusik oder der "Ulysses" wichtige Kulturgüter sind, aber das ist dann ein Paralleluniversum, das ich diesen Experten auch gerne überlasse. Mir war da immer der MRR so sympathisch, wenn bei ihm der größte Verriss in dem Vorwurf gipfelte, ein Werk habe ihn gelangweilt.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
In Antwort auf:Und zweitens hat Qualität nichts damit zu tun, ob Musik oder Literatur unterhaltsam ist.
Da wage ich mal einen indirekten Widerspruch. Ich finde, wirklich qualitiv Hochwertiges ist immer auch unterhaltsam. Gut, es gibt da Experten, die mir glaubhaft versichern, dass z.B. Zwölftonmusik oder der "Ulysses" wichtige Kulturgüter sind, aber das ist dann ein Paralleluniversum, das ich diesen Experten auch gerne überlasse. Mir war da immer der MRR so sympathisch, wenn bei ihm der größte Verriss in dem Vorwurf gipfelte, ein Werk habe ihn gelangweilt.
Der Satz, lieber Rayson, war eigentlich nur dagegen gerichtet, daß Unterhaltsamkeit und Qualität einander ausschließen; was ja in dem Begriff der "Unterhaltungsliteratur", die als gar keine ernsthafte Literatur gilt, zum Ausdruck kommt.
Jetzt hast du mich mit dem Einwand veranlaßt, darüber a bisserl nachzudenken.
Also, ich glaube, es ist so: Bei der Lektüre eines gelungenen (belletristischen) Textes sollte man sich eigentlich nie langweilen, das sehe ich wie Reich-Ranicki. Nur - was ist das Gegenteil von "sich langweilen"?
Es kann sein, daß man sich amüsiert. Sagen wir, bei der Lektüre des "Picture of Dorian Grey" (lese ich zufällig gerade).
Sei es, daß man gefesselt ist. Das war ich z.B. von Scotts "Ivanhoe" (von dem übrigens der "Wamba" kommt, das ist ein Narr).
Oder man ist fasziniert von der Sprache (ich bei Gottfried Keller z.B., bei Kleist, bei Flaubert). Da ist es im Grunde egal, was einer erzählt - und sei es eine wilde Geschichte, die in Karthago spielt.
Oder es ist das historische Interesse, das eine Lektüre interessant macht. "Krieg und Frieden" zum Beispiel habe ich nur aus diesem Grund gern gelesen.
Oder es ist der psychologische Realismus des Autors, sein gesellschaftlicher Realismus, seine Humanität. Das macht z.B. Fontane und Martin Walser zu meinen Lieblingsautoren; bei Walser ist es auch die meisterliche Sprache.
Oder es ist diese seltsame Mischung aus Depressivität und Humor, dieses Traumhafte, das die Texte durch diese Mischung bekommen, wie die von Kafka und von Robert Walser.
Und so fort.
Einer fasziniert mich auf allen diesen Ebenen und ist deshalb mein absoluter Lieblingsautor: Arno Schmidt.
Herzlich, Zettel
PS: Daß dir der Beitrag gefallen hat, freut mich. Auf dein Urteil gebe ich schon was.
Mir war schon klar, wie du das mit dem Zusammenhang von Unterhaltsamkeit und Qualität gemeint hattest. Deswegen war mein Widerspruch ja auch nur ein indirekter...
In deiner Antwort hast du "unterhaltsam" schön aufgefächert. Offensichtlich ist das Urteil darüber ein sehr subjektives, aber ich verlange ja auch keine Allgemeingültigkeit. Aber ist es nicht so, dass ein Werk geeignet sein muss, mehr als nur Respekt vor der Leistung des Künstlers auszulösen, dass es eben Menschen auch ansprechen können muss?
Ich habe einfach meine Probleme mit Kunst, die sich nur Experten erschließt. Ich könnte z.B. ein stümperhaftes Werk in Zwölftonmusik oder Free Jazz ebenso wenig von einem genialen unterscheiden, wie ich einer grünen Leinwand ansehe, ob der Maler ein Künstler oder ein Anstreicher war. Was ich aber weiß, ist, dass das eine für mich wie das Stimmen von Instrumenten klingt und das andere nicht zu meiner Wohnzimmereinrichtung passen würde. Mich würde mal interessieren, ob diejenigen, die sowas gut finden, sich wirklich mehr als über das Verstehen von Code hinaus angesprochen fühlen.
Es gibt ja auch Algorithmen, mathematische Lösungswege und Schachpartien, die als genial, elegant und schön beschrieben werden. Ist das wirklich vergleichbar mit dem Hören von Mozart (den ich nicht gerne höre, bei dem ich aber einen gewissen Zauber einfach spüre)? Ich habe keine Ahnung, kann es mir aber ernsthaft nicht vorstellen.
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Feynman
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gelöscht
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Beiträge:
23.11.2007 09:28
#5 RE: Zettels Meckerecke: Ist Bach der Beste? Über E-Kultur und U-Kultur
In Antwort auf:Und wenn es gar ums Lesen geht - "Der Herr der Ringe" auf Platz eins: Nicht wahr, da hört der Spaß auf? Da beginnen sich nun wirklich die Augenbrauen zu heben, da legt sich die Stirn in besorgte Falten. Höre ich jemanden "Kulturlosigkeit" murmeln?
Was gegen Tolkien? Im Gegensatz zu Arno Schmidt lese ich Tolkien gerne mehrmals, bei Schmidt habe ich immer ein befreiendes Gefühl wenn es vorbei ist, dabei lese ich eher dünnere Büchlein von ihm. Liegt die Popularität von Herr der Ringe nicht an den Verfilmungen, die kennen bedeutend mehr Menschen als die Bücher.
Platz 2 der Liste geht in Ordnung, aber 3. Die Säulen der Erde, Roman von Ken Follett, naja darüber kann man von mir aus lästern, und haha Harry Potter abgeschlegen auf Platz 9 und 21.
Sparrowhawk
(
Gast
)
Beiträge:
23.11.2007 09:39
#6 RE: Zettels Meckerecke: Ist Bach der Beste? Über E-Kultur und U-Kultur
Tolkien ist nicht übel, allerdings lese ich, wenn es um Fantasy geht, wesentlich lieber "A Song of Ice and Fire" von G.R.R. Martin... ist aber nicht Jedermanns Sache, auch unter Fantasy-Fans nicht.
Es würde mich tatsächlich interessieren, ob der Herr der Ringe nicht doch eher in Filmform gelesen wurde? Die Bibel dürfte auf Platz zwei gelandet sein, weil es für viel das einzige Buch ist, an dessen Namen sie sich erinnern. Ich habe erhebliche Zweifel daran ob sie alle etwas über die Tätigkeit des von Arnats Sohn berichten können.
Ich will aber nicht zu sehr ablästern, ich lese so gut wie keine Bücher, sondern kaufe sie nur, wenn mir der Einband gefällt und es sich um einenbildband handelt. Trotzdem ünberrascht miich , dass mein Lieblingsklassiker "Animal Farm" nicht auftaucht, dafür der dusselige kleine Prinz soweit vorne gelandet ist. Aber es handelt sich ja auch nicht um ein repräsentative Umfrage.
Und wenn nicht Robbie Williams auf eine der ersten zehn Plätze landet, werde ich wirklich stinkig.
In Antwort auf:Und wenn es gar ums Lesen geht - "Der Herr der Ringe" auf Platz eins: Nicht wahr, da hört der Spaß auf? Da beginnen sich nun wirklich die Augenbrauen zu heben, da legt sich die Stirn in besorgte Falten. Höre ich jemanden "Kulturlosigkeit" murmeln?
Was gegen Tolkien?
Neinein, lieber Feynman.
In dieser Passage des Artikels habe ich ja eine Position entwickelt, gegen die ich mich dann im zweiten Teil wende.
Ich habe gar nix gegen Tolkien - schon deshalb nicht, weil ich ihn nicht kenne. Möge jeder mit seiner Lektüre glücklich werden.
Was Arno Schmidt angeht - das ist, glaube ich, wie mit, sagen wir, dem Tennis. Wenn man sich vors TV setzt und von Tennis nichts weiß, dann sieht man nur zwei Menschen, die einen Ball hin- und herschlagen. Öder als das Testbild, das früher nächtlings gesendet wurde.
Man muß das Spiel kennen, man muß sozusagen eine Abteilung im Gehirn herausgebildet haben, in der das Wichtigste über Tennis verzeichnet ist - dann macht es auf einmal einen Riesenspaß, sich das anzusehen. Weil man dann nicht mehr sieht, wie zwei Menschen einen Ball hin- und herschlagen, sondern man sieht, sagen wir, den Kampf zwischen einem aggressiven Spieler, der am liebsten Serve-and-Volley spielt, und einem defensiven, der ruhig auf seine Chance wartet.
So ist es auch mit Arno Schmidt. Man muß sich a bisserl in ihn einarbeiten. Also am besten mit frühen Texten beginnen - zum Beispiel "Schwarze Spiegel", das könnte Ihnen liegen (Science Fiction!) oder "Brand's Haide" oder "Aus dem Leben eines Fauns". Und vor allem "Die Gelehrtenrepublik"! Einer der besten, der lustigsten und bittersten SciFi-Texte, die ich kenne.
Dann, schon a bisserl mehr Eingewöhnung verlangend, vielleicht "Das Steinerne Herz".
Und dann könnte man sich via "Kaff auch Mare Crisium" so langsam an die schwierigeren Texte herantasten.
Von denen die "Schule der Atheisten" der lustigste ist. Übrigens auch wieder ein Zukunfts-Stück (Roman trifft es nicht). Eine amerikanische Präsidentin (absolute Utopie, als Schmidt das Anfang der siebziger Jahre schrieb) kommt, mit u.a. ihrem Lustknaben im Gefolge, zur Visite ins deutsche Reservat, und es ergebn sich allerlei sehr lustige Verwicklungen. Eine geheimnisvolle Insel spielt auch eine Rolle.
In Antwort auf:zum Beispiel "Schwarze Spiegel", das könnte Ihnen liegen
Ein kuzer Blick in meine Bibliothek, und ja das habe ich, und es hat mir gefallen, das letzte-Mensch-Szenario finde ich sehr reizvoll, hat wahrscheinlich schon ein jeder einmal in seiner Phanasie durchgespielt.
Zitat von ZettelWas Arno Schmidt angeht - das ist, glaube ich, wie mit, sagen wir, dem Tennis. Wenn man sich vors TV setzt und von Tennis nichts weiß, dann sieht man nur zwei Menschen, die einen Ball hin- und herschlagen. Öder als das Testbild, das früher nächtlings gesendet wurde. Man muß das Spiel kennen, man muß sozusagen eine Abteilung im Gehirn herausgebildet haben, in der das Wichtigste über Tennis verzeichnet ist - dann macht es auf einmal einen Riesenspaß, sich das anzusehen. Weil man dann nicht mehr sieht, wie zwei Menschen einen Ball hin- und herschlagen, sondern man sieht, sagen wir, den Kampf zwischen einem aggressiven Spieler, der am liebsten Serve-and-Volley spielt, und einem defensiven, der ruhig auf seine Chance wartet.
Nun, wenn man Spengler gelesen hat, so wird man ihm möglicherweise zustimmen und diese (sehr bildhaft beschriebene) Eigenheit als Ausdruck unserer faustischen, abendländischen Seele verstehen. Während die antike Kultur immer auf die Abgeschlossenheit und Symbolhaftigkeit des körperlich-sinnlich Erfahrbaren abzielt, werden doch z.B. in der Zwölftonmusik oder abstrakten Malerei gerade die Grenzen unseres Hör- bzw. Sehsinns zunächst zum Gegenstand und schließlich ihre Überwindung zum Stilmittel der Kunst. Dass es eben auch Menschen gibt, die in ihren "somatischen" Grenzen verhaftet bleiben, beweist doch nur, dass diese von unserer Art zu fühlen und zu denken ausgeschlossen sind und dabei in einem rein gegenwärtigen, gewissermaßen kindlichen Stadium verweilen. Dies ist aber eine Entwicklung unserer Gesellschaft, die trotzdem nicht - wie so häufig - als eine Infantilisierung missverstanden werden sollte, sondern nur als Folge der Vergreisung zu sehen ist, denn ihre Ursachen liegen einzig in der Unwilligkeit und Unfähigkeit zur Bewegung.
Zitat von RobinNun, wenn man Spengler gelesen hat, so wird man ihm möglicherweise zustimmen und diese (sehr bildhaft beschriebene) Eigenheit als Ausdruck unserer faustischen, abendländischen Seele verstehen. Während die antike Kultur immer auf die Abgeschlossenheit und Symbolhaftigkeit des körperlich-sinnlich Erfahrbaren abzielt, werden doch z.B. in der Zwölftonmusik oder abstrakten Malerei gerade die Grenzen unseres Hör- bzw. Sehsinns zunächst zum Gegenstand und schließlich ihre Überwindung zum Stilmittel der Kunst.
Spengler, lieber Robin, habe ich mit sechzehn oder siebzehn gelesen und war fasziniert. Damals hatte ich die beiden Bände in der Stadtbibiliothek ausgeliehen. Vor ein paar Jahren habe ich sie antiquarisch gekauft, eigentlich mehr aus Nostalgie. Und war zu meiner großen Verwunderung beim Lesen wieder fasziniert.
Nicht mehr, weil ich Spengler glaube. Das meiste ist ja nicht eigentlich Wissenschaft; es entzieht sich der Überprüfung. Aber Spenglers Intelligenz, seine Fähigkeit, scheinbar Disparates in einen einsichtigen Zusammenhang zu stellen, vor allem auch seine Sprache - das macht den "Untergang des Abendlandes" schon sehr lesenswert.
Und was das Inhaltliche angeht: Er hat ja im Grunde die Globalisierung vorhergesagt, als "Weltkultur". Die faustische Kultur sah er als die letzte der Hochkulturen mit einem eigenen "Ursymbol" an.
Und er hat ein "cäsarisches Zeitalter" heraufdämmern sehen, vergleichbar der Zeit der Soldatenkaiser in der Spätantike. Als er das schrieb, war es prophetisch - denn es kamen Stalin, Hitler, Mao, Ho Tschi Minh.
Er hat den Totalitarismus kommen sehen. Er dachte, das sei sozusagen die Götterdämmerung. Und darin hat er sich, so sieht es jetzt aus, zum Glück geirrt.
Zitat von Robin... werden doch z.B. in der Zwölftonmusik oder abstrakten Malerei gerade die Grenzen unseres Hör- bzw. Sehsinns zunächst zum Gegenstand und schließlich ihre Überwindung zum Stilmittel der Kunst.
Das ist schön gesagt.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, wie weit das gehen kann.
Es stimmt ja - das, was gestern fremdartig, ja anstößig gewesen war, ist heute Normalität und morgen langweilig. Die erste Ausstellung der Impressionisten bewirkte einen Skandal; heute sind sie Klassiker. Ionescos "Absurdes Theater" wurde mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen; inzwischen finden wir die "Kahle Sängerin" nur noch witzig und gelungen. Der Jazz, in den zwanziger bis fünfziger Jahren die Musik einer aufmüpfigen Gegenkultur, wird heute in den Dritten Programmen für Intellektuelle gesendet.
Andererseits - die Zwölftonmusik ist nie wirklich "angenommen" worden. Das Konzertpublikum hört überwiegend immer noch lieber Bach oder Schubert als Schönberg oder Webern. In der Literatur werden immer noch Romane und Gedichte geschrieben; Sprachexperimente à la Dada oder Jandl sind doch eher Kuriositäten geblieben.
Jaja, ich weiß, lieber Robin. So ungefähr jede Generation war der Meinung, mit ihrer Kunst sei das Äußerste erreicht, und jetzt ginge es nicht mehr weiter.
Und dann geht es doch weiter - nur in eine ganz andere Richtung. In den fünfzgier, sechziger Jahren haben wir uns gefragt, ob nicht die ungegenständliche Malerei ein solches Ende markiert - abstrakter als, sagen wir, Josef Albers oder Jackson Pollock konnte es ja nicht mehr werden.
Und dann wurde es nicht immer noch abstrakter, sondern es kam ein neuer Realismus; es kam die Abkehr vom Tafelbild usw.
Ich sehe Kunst immer ganz pragmatisch als das, was es immer war, nämlich Kunst kommt von Können!
Man kann sich zwar über Geschmack streiten, die Grenzen sich über Können zu streiten sind hingegen sehr eng.
Ich selber halte mich für einen absolut unkünstlerischen Menschen, ich kann weder singen, noch musizieren, noch malen.
Wenn ich mir manche abstrakte Kunst ansehe, dann sag ich, es ist keine Kunst. Etwas von dem ich sage, das würde ich auch noch hinkriegen, ist für mich eben keine Kunst. Häufig hat man auch den Verdacht, die einzige Kunst eines solchen Künstlers besteht darin, sich absolut nichts in der Darstellung gedacht zu haben, seine Bildbetrachter aber wie einen dummen August vorzuführen, in dessen Spekulationen was der Künstler uns sagen will.
Zitat von M.SchneiderWenn ich mir manche abstrakte Kunst ansehe, dann sag ich, es ist keine Kunst. Etwas von dem ich sage, das würde ich auch noch hinkriegen, ist für mich eben keine Kunst.
Lieber M. Schneider,
seien Sie mir nicht böse - aber das klingt mir so wie das Urteil des in einem früheren Beitrag zitierten TV-Zuschauers, der keine Ahnung vom Tennis hat und der sich also fragt, wie man es interessant finden kann, zuzusehen, wie zwei Menschen einen Ball immer hin- und herschlagen.
Man kann sehr wohl auch bei abstrakter Kunst - die ja heutzutage längst passée ist, schon nachgerade klassisch - erkennen, was herausragend ist, was sehr gut, was so lala und was Stümperei ist. Das hat etwas zu tun mit Farben und Formen, mit Proportionen, mit optischen Überraschungen, mit Anspielungen, mit der Verwendung von Momenten wie Textur, Oberflächeneigenschaften von Farben usw.
Das merkt man nicht, wenn man sich nicht a bisserl drum kümmert - so, wie eben der Tennis-Laie den Reiz des Spiels nicht erkennt. Wenn man sich "eingesehen" hat, dann kann man auf Anhieb sagen, ob ein abstraktes Bild von einem Meister stammt oder von einem Epigonen.
"Kunst kommt von Können" - ja, gewiß doch, lieber M. Schneider. Die Frage ist nur, was man denn können muß. So zu malen, daß es "wie fotografier" aussieht, das ist ja nun keine Kunst. Was die Qualität eines Kunstwerks ausmacht, das ist ja nicht die Nachahmung der Natur, sondern die Abweichung von ihr.
Das ist immer so gewesen. Auch die Skulpturen des Praxiteles waren ja nicht einfach Abbilder der Mädchen und Jünglinge seiner Zeit. Oder nehmen sie die Schauderwelten von Hieronymus Bosch, die Eiseskälte bei El Greco, die Zauberein von Caspar David Friedrich. Oder die jetzt gerade ausgestellten erotischen Bilder von Lucas Cranach.
"Kunst kommt von Können" - ja, gewiß doch, lieber M. Schneider. Die Frage ist nur, was man denn können muß. So zu malen, daß es "wie fotografier" aus-sieht, das ist ja nun keine Kunst.
Nun muss ich aber doch mal lachen. Ich könnte so nicht malen und ich vermute mal Sie auch nicht. Ganz im Gegenteil, es ist für mich eine ungeheure Fähigkeit, wenn jemand in der Lage ist, die dreidimensionale Welt in ihren Formen in ihren Farben, in ihren Texturen und Spiegelungen, im Spiel von Licht und Schatten so präzise zu erfassen, die Farben so exakt zu mischen und dann das ganze auch noch zu malen, dass man kaum das Foto vom Gemälde unterscheiden kann.
Das ist für mich sogar Kunst im höchsten Maße.
Das wovon Sie sprechen ist etwas anderes, was bei einer solchen Malerei natürlich nicht der Fall ist, Fantasie oder Kreativität.
Das eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun, es sind zwei völlig verschiedene Gebiete und es gibt keine Wertungen des einen Gebietes contra anderes Gebiet.
seien Sie mir nicht böse - aber das klingt mir so wie das Urteil des in einem früheren Beitrag zitierten TV-Zuschauers, der keine Ahnung vom Tennis hat und der sich also fragt, wie man es interessant finden kann, zuzusehen, wie zwei Menschen einen Ball immer hin- und herschlagen.
Im Hinblick auf Malerei und Musik ist dies ein schlechtes Beispiel.
Bei der Beurteilung eines Bildes oder eines Musikstückes muss ich nicht selber die Regeln des Farbmischens, des Papiers kennen oder ein Musikinstrument stimmen oder spielen können, während hingegen beim Tennis ich das Spiel schon kennen muss.
Es hat auch keiner gesagt, dass alle abstrakte Kunst Müll sei, aber es hat wahrscheinlich kein Gebiet der Malerei gegeben, wo mehr mangelnde malerische, handwerkliche Fähigkeit immer noch als Kunst verkauft wurde.
Das wovon Sie sprechen ist etwas anderes, was bei einer solchen Malerei natürlich nicht der Fall ist, Fantasie oder Kreativität.
Das eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun, es sind zwei völlig verschiedene Gebiete und es gibt keine Wertungen des einen Gebietes contra anderes Gebiet.
Der wie kein anderer bewiesen hat, dass er beide Gebiete beherrschte, war Salvatore Dali.
Aber auch andere Künstler malten zum Teil fotografisch, zum Beispiel Albrecht Dürer.
Hier ein paar Beispiele von abstrakter Kunst, die ich meinte, die für mich nichts mit Kunst zu tun haben. Das bekäme ich locker auch hin. Beim zweiten Bild, "Frau mit Vogel" frage ich mich wer hier wohl den Vogel hat. Bei dem schwarzen Quadrat fühlt man sich schlicht verarscht.
das schwarze Quadrat ist ja ein sehr bekanntes Werk von Malewitsch; das dritte Bild von links in Ihrer kleinen Galerie dürfte auch von ihm sein, oder eventuell von Kandinsky.
Das schwarze Quadrat gehört zu einer ganzen Serie von Malewitsch, in der er die Farbe schwarz als Farbe einfacher geometrischer Figuren sozusagen experimentell untersucht hat. Natürlich macht man so etwas nur, wenn eine neue Richtung entsteht, wie damals, vor hundert Jahren, die abstrakte Malerei - da guckt man, wieweit man gehen kann. Josef Albers hat später mit ähnlich einfachen Formen gearbeitet und dabei faszinierende Effekte mit Farben hinbekommen; er hatte sich eingehend mit der Physiologie und Psychologie des Farbensehens beschäftigt.
Nochmal, lieber M. Schneider: Daß etwas in dem Sinn "gekonnt" ist, daß so ungefähr wie fotografiert aussieht, macht nicht die künstlerische Leistung aus und hat sie niemals ausgemacht. Es ist eine Voraussetzung für gegenständliche Malerei, daß man so etwas kann; so, wie es beim Tennisspieler Voraussetzung ist, daß er den Ball treffen kann. Aber diese Fertigkeit allein macht noch nicht den Ivan Lendl oder Boris Becker aus.
Es gab - denken Sie z.B. an die "akademische Malerei" des 19. Jahrhunderts - jede Menge Stümper, die heute zu Recht vergessen sind und die perfekt darin waren, "nach der Natur" zu malen. Das konnte sogar der Postkartenmaler Hitler ganz gut.
Und wenn ich Sie jetzt noch nicht überzeugt habe - dann sehen Sie sich bitte "Werke" des sozialistischen Realismus an, ob nun des roten oder des braunen.
Überwiegend fürchterlicher Kitsch. Aber "gekonnt" gemalt, gemeißelt.
Und wenn ich Sie jetzt noch nicht überzeugt habe - dann sehen Sie sich bitte "Werke" des sozialistischen Realismus an, ob nun des roten oder des braunen.
Überwiegend fürchterlicher Kitsch. Aber "gekonnt" gemalt, gemeißelt. Nochmal, lieber M. Schneider: Daß etwas in dem Sinn "gekonnt" ist, daß so un-gefähr wie fotografiert aussieht, macht nicht die künstlerische Leistung aus und hat sie niemals ausgemacht. Es ist eine Voraussetzung für gegenständliche Malerei, daß man so etwas kann
nein, damit überzeugen Sie mich nicht. Zwar ist es richtig, dass die Fähigkeit die Welt gegenständlich, annähernd fotografisch zu malen eine gewisse Grundvoraussetzung ist aber schon das stimmt nicht mehr richtig.
Viele große Maler, nehmen wir Rembrandt, malten zwar in gewisser Weise fotografisch, allerdings nur bedingt. Ein Bild wie der Mann mit dem Goldhelm ist immer als Gemälde zu erkennen. Ich habe allerdings auch schon fotorealistische Gemälde gesehen, wo es extrem schwer war zu erkennen, dass es eben doch noch ein Gemälde war. Man erkannte es im Grunde genommen nur an Nebensächlichkeiten, nämlich der Verwendung einer Leinwand aber nicht an der Darstellung selber.
Was soll denn Ihrer Meinung nach die künstlerische Leistung ausmachen? Kreativität, Fantasie?
- bei einem Künstler wie Salvatore Dali sicherlich alles klar gegeben.
Aber wie ist es bei einem Maler wie Rembrandt oder van Gogh? Der Mann mit dem Goldhelm stellt sicherlich keinerlei besondere Kreativität oder Fantasie da. Auch Landschaftsbilder oder Blumenbilder von van Gogh haben keine besondere Kreativität oder Fantasie, bei Ihnen mag man die besondere Pinseltechnik hervorheben. Die betenden Hände von Albrecht Dürer zeigen mir auch keine Besonderheiten dessen, was Sie künstlerische nennen wollen. Es ist eben auch nur eine mehr oder weniger realistische Darstellung der menschlichen Hand.
Also wo liegt Ihrer Meinung nach das Mehr an künstlerischem Wert dieser oben aufgeführten, und anerkannt Maler. Wo gehen diese Maler über einen vielleicht unbekannten Maler, der tatsächlich in der Lage ist 100% fotorealistisch zu malen hinaus?
Ich sehe das nicht. Berühmt zu werden ist häufig mehr ein Zufall als Können.
Es gibt noch eine Fähigkeit die ich als hoch künstlerisch ansehe. Übrigens beherrschte auch diese Darstellung Salvatore Dali. Ich meine ein Vixierbild zu malen. Ich glaube so nennt man sie, Bilder die im ersten Moment oder auf einen bestimmten Abstand ein Motiv darstellen versteckt darin jedoch ein ganz anderes Bild enthalten.
Dass ist für mich natürlich auch eine sehr große Kunst, von der ich auch glaube dass sie nur wenige der großen Maler beherrscht haben.
Klar also, es gibt über die fotorealistische Darstellung hinaus, sehr wohl deutlich weitergehende künstlerische Fähigkeiten, das heißt aber noch lange nicht, dass die Fähigkeit zu dieser Darstellung keine Kunst ausmacht.
Das schwarze Quadrat ist für mich nur Blödsinn. Anbei mal ein paar Beispiele für solche Studien mit wirklichem Tiefgang und Können.
Schauen Sie genau hin und trauen Sie nicht dem was Sie sehen.
Was sehen Sie, nur Veilchen? Was stimmt an den Säulenbau nicht? Wo tritt die Säule in der Winterlandschaft vor? Kann der Wasserfall so fließen? Sehen Sie eine junge oder eine alte Frau?
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