Man muß das auch im Zusammenhang sehen - die Wohnungen sollen also nicht für Touristen verwendet werden, aber gleichzeitig wird per Mietpreisbremse die Vergabe an Dauermieter unattraktiv gemacht.
Beide Maßnahmen zusammen sorgen dafür, daß Neubauten sich deutlich schlechter rechnen. Was dann für eine weitere Marktverengung sorgt - und damit verschärft sich die Problemlage, die mit Mietpreisbremse und Zweckentfremdungsverbot eigentlich gelöst werden sollte.
Wie bei den meisten staatlichen Eingriffen profitieren die alten Besitzstände: Wer bereits eine Mietwohnung besitzt, kann sich über steigende Einnahmen freuen (denn komplett bremsen kann der Gesetzgeber den Anstieg nicht). Und wer schon länger zu günstigen Konditionen in einer Wohnung als Mieter sitzt, kann schadenfroh die Entwicklung draußen beobachten. Aber neu bauen oder neu anmieten wird immer schwerer. Eine politisch verursachte und teilweise auch gewollte Sklerose.
Völlig unberücksichtig läßt der Berliner Senat übrigens auch, daß mit der Vermietung an Touristen erhebliche Zusatzeinnahmen in anderen Branchen möglich werden. Tourismus ist ja einer der wenigen Sektoren, in denen in Berlin wirtschaftlich noch etwas läuft.
Zitat von R.A. im Beitrag #2Man muß das auch im Zusammenhang sehen - die Wohnungen sollen also nicht für Touristen verwendet werden, aber gleichzeitig wird per Mietpreisbremse die Vergabe an Dauermieter unattraktiv gemacht.
Richtig. Auf lange Sicht beeinflusen die Masssnahmen das Angebot negativ und verschaerfen damit das Problem. Aber auch auf kurze Sicht gibt es nachteilige Effekte. Die Mietpreisbremse macht es zB attraktiver Wohnungen zu (ver-)kaufen, statt zu (ver-)Mieten. Einige Wohnungen, die vorher vermietet wurden, werden nun, da die Miete nicht erheoht werden kann, stattdessen zum erhoehten Preis verkauft. Das aber bevorzugt diejenigen, die es sich leisten koennen zu kaufen, also wohl eher nicht in prekaerer Lage sind, ueber diejenigen, die angewiesen sind zu mieten.
Zitat von dirk im Beitrag #3 Das aber bevorzugt diejenigen, die es sich leisten koennen zu kaufen, also wohl eher nicht in prekaerer Lage sind, ueber diejenigen, die angewiesen sind zu mieten.
Die Antwort darauf wäre dann wohl eine weitere Einschränkung des Kündigungsgrundes "Eigenbedarf. Sie sehen: in der Welt der Sozialisten ist die Antwort auf die immanent eingebaute Funktionsunfähigkeit des Sozialismus immer "noch mehr Sozialismus".
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Mietpreisbremse und Zweckentfremdungs-Verbot sind ja nur zwei Beispiele, wie der Staat in jüngster Zeit in den Mietmarkt eingegriffen hat. Weitere Beispiele wären:
- Die aktuell in vielen Kommunen sehr beliebte Anhebung der Grundsteuer. Die Grundsteuer ist als Nebenkosten voll auf den Mieter umlegbar und erhöht entsprechend die Mietkosten. (siehe z.B. hier: http://www1.wdr.de/nachrichten/grundsteuer-102.html )
- Ein wichtiger Kostentreiber sind die immer weiter verschärften energetischen Vorschriften. Die Kosten für immer aufwändigeres Dämmen etc. sind hoch und stehen in keinem Verhältnis zu möglichen Einsparungen bei den Heizkosten.
- Ganz neu noch: die Neuregelung der Makler-Entlohnung. Der Vermieter hat zusätzliche Kosten. Wenn er sich die zurück holen will, muss er entsprechend die Miete erhöhen. (Insgesamt ist das zwar zwischen Mieter und Vermieter ein Nullsummenspiel, aber optisch steigt die Miete natürlich).
- Zahlreiche kommunale Beschlüsse, die die Ausweisung von Bauland erschweren. Ein Beispiel aus Berlin ist der Beschluss, das Gelände des Flughafens Tempelhof nicht zu bebauen.
- Und dann viele kleine kommunale Drangsalierungen bei Baumaßnahmen. Ein schönes und sehr kostenträchtiges Beispiel sind die "Stellplatz-Verordnungen". Die funktionieren zweistufig: Erstens wird ein Bauherr gezwungen, Kfz-Stellplätze zu errichten. (Zum Beispiel: 1,5 Stellplätze pro Wohnung. Falls er das nicht kann, muss er die Stellplätze ablösen. Und das ist nicht billig und kann locker 20.000 Euro pro Stellplatz sein). Zweitens wird ihm dann aber unabhängig davon oft verboten (!) Kfz-Stellplätze zu errichten. D.h. faktisch verteuert sich durch die Stellplatz-Ablöse jede Wohnung dann um 30.000 Euro.
In jedem dieser Fälle sind zwei Marktreaktionen möglich: Entweder, die Vermieter sind (aufgrund der Marktsituation und aufgrund der Rechtslage) in der Lage, die zusätzlichen Kosten auf die Mieter abzuwälzen (=> dann steigen die Mieten). Oder, die Vermieter können das nicht. Dann verschlechtert sich ihre Rendite. Und ab einem gewissen Punkt wird dann eben nicht mehr neu gebaut.
Edit Nachtrag: Deutschlandweit lag das Aufkommen der Grunderwerbsteuer 2014 bei 9,4 Mrd. (2009 bei 4,9 Mrd.) Die Grundsteuer hat sich von 2009 auf 2014 von 9,2 Mrd. auf 11,3 Mrd. erhöht. Beide zusammen also eine Erhöhung von 14,1 Mrd. auf 20,7 Mrd. in nur fünf Jahren.
Nehmen wir mal ganz grob an, dass die Hälfte des Steueraufkommens auf Wohnungen entfällt (und die andere Hälfte auf Gewerbe). Dann ist die jährliche Belastung an Grundsteuer+Grunderwerbsteuer pro Wohnung rund 250 Euro. Und allein die Erhöhung dieser Steuer in den letzten 5 Jahren hat pro Wohnung zusätzliche Kosten von 80 Euro verursacht.
Zitat Menschen verwenden ihre Zeit lieber für sich. Warum für den Staat, warum für andere, schuften ? Warum soll ich neun Stunden arbeiten gehen, um mir eine Wohnung zum Vermieten zu kaufen, wenn meine Rendite mickrig ist und mir die Wohnung ohnehin faktisch enteignet wird ? Warum soll ich eine Extraschicht arbeiten, wenn die Aktien, die ich kaufe, mir kaum noch Profit bringen, weil der Staat mehr und mehr davon abschneidet?
Genau zu diesen Menschen gehöre ich. Ich habe eine gute (akademische) Ausbildung und bekomme guten Stundenlohn, aber warum soll ich mir den A**** aufreisen? Um fein zu konsumieren. Ein Luxusauto mit dem Stern vorn drauf fahren, was am Ende nicht zuverlässiger ist als mein Mittelklassemodell? Oder dauernd das neuste Smartphone, was sowieso nur nervt? Also arbeite ich nur 3/4, verzichte auf 500 Euro im Monat, aber die Zeit, die ich dadurch für mich gewinne, ist unbezahlbar - für mich zumindest. Nunja, letztendlich ist es halt eine Form von Freiheit! :-) Die frage ist nur, muss denn wirklich immer mehr entstehen, jedes Jahr die berühmten Prozente? Bei manchen Menschen hat man den Eindruck, sie sind dümmer als der Esel, immer schön ohne zu hinterfragender der Möhre hinterherrennen, ohne zu hinterfragen, ob es das ist, was sie wirklich vom Leben erwarten...
Und das soll kein Plädoyer gegen Konsum oder Kapitalismus sein, sondern eher gegen die vielverbreitete Ansicht, dass jemand Faul ist, sobald er sich mehr Zeit für sich nimmt, ohne dabei produktiv zu sein.
Zitat von hubersn im Beitrag #6 Ihre Texte wären (zumindest für mich) einfacher zu lesen, wenn Sie auf das Plenken vor den Fragezeichen verzichten würden.
Ich sehe das "Plenken" absolut nicht so negativ wie Sie, lieber hubersn. In der Regel mache ich das absichtlich und durchaus in vollem Bewusstsein, dass das nicht der deutschen Rechtschreibung entspricht. Das gilt allerdings ebenso für den Space nach Punkt und Komma. Und trotzdem bin ich diesem für seine Existenz recht dankbar. Für mich wird ein Text durch den Space vor dem Fragezeichen lesbarer, was einfach damit zusammenhängt das das Wortbild nicht gestört wird. Und die meisten Erwachsenen lesen ja irgendwann keine Buchstaben mehr sondern Wortbilder. Nehmen Sie die Sätze: >> Ist das alles? << und >> Ist das alles ? << Für mich ist der zweite Satz deutlich besser zu lesen, beim ersten ist das Wortbild des "alles" gestört.
Nebenbei, solche Fehler finden Sie bei mir dutzendfach. Meine Kommasetzung geht nach Gefühl (und ist oftmals fehlerhaft), ich liege auf Kriegsfuß mit der neuen Rechtschreibung und schreibe ansonsten wie mir der Schnabel (oder die Feder) gewachsen ist. Und, um dem noch einen drauf zu setzen, ich bin nicht einmal hundertprozent konsequent dabei. Insofern: Danke für den Hinweis, aber ich fürchte Sie müssen damit leben.
Überhaupt nicht off topic. Sie haben exakt beschrieben worum es mir ging, liebe(r) emjot.
Zitat Also arbeite ich nur 3/4, verzichte auf 500 Euro im Monat, aber die Zeit, die ich dadurch für mich gewinne, ist unbezahlbar - für mich zumindest. Nunja, letztendlich ist es halt eine Form von Freiheit! :-) Die frage ist nur, muss denn wirklich immer mehr entstehen, jedes Jahr die berühmten Prozente?
Ja. Unbedingt sogar. Eine stagnierende Gesellschaft ist eine sterbende Gesellschaft. Und die Menschheit ist nur deshalb da, wo sie heute ist, weil viele jedes Jahr die berühmten Prozente eingefahren haben. Gesellschaften, die das nicht getan haben, sind untergegangen. Und es haben sich die durchgesetzt, die das eben konsequent umgesetzt haben. Ich bin schon nicht mehr der allerjüngste, aber mir wird heute noch schwindelig wenn ich darüber nachdenke was alleine in den letzten 100 Jahren entstanden ist und was noch entstehen kann. Und es frustriert mich ohne Ende, dass ich das nicht mehr alles sehen werde. Aber eins stimmt eben auch: Diese Entwicklungen sind von Leuten gekommen, die die Prozente haben wollten. Die "Stagnanten" haben noch nie etwas beigetragen. Wie dem auch sei, ich bin insofern bei Ihnen, dass ich auch verzichte: Aber nicht weil die Zeit unbezahlbar ist. Sie ist sehr wohl bezahlbar. Aber sie ist teuer. Und in Anbetracht dessen, dass mir von den direkten Früchten gerade einmal 60% verbleiben und alles was ich damit anfangen kann, sinnfreier Konsum ist, habe ich eben auch keine Lust. Ich würde ja mehr arbeiten, sehr viel mehr sogar, und auf Konsum verzichten, wenn es sich rechnen würde. Nur tut es das eben kaum noch. Ich bin nicht daran interessiert wie blöde zu konsumieren, ich möchte die Möglichkeit haben gewinnbringend zu investieren. Dann bin ich auch bereit heute mehr zu leisten. Aber bei einer Realverzinsung von unter 5% habe ich auch irgendwann keine Lust mehr.
Zitat Bei manchen Menschen hat man den Eindruck, sie sind dümmer als der Esel, immer schön ohne zu hinterfragender der Möhre hinterherrennen, ohne zu hinterfragen, ob es das ist, was sie wirklich vom Leben erwarten...
Ich für meinen Teil kann sagen was ich will: Die Möhre. Nur hängt da eben keine Möhre mehr sondern nur noch der alte Schuh. Und nebenbei, der Esel muss die Möhre auch am Abend bekommen, sonst blickt er das auch irgendwann.
Zitat von Llarian im Beitrag #9Ich für meinen Teil kann sagen was ich will: Die Möhre. Nur hängt da eben keine Möhre mehr sondern nur noch der alte Schuh. Und nebenbei, der Esel muss die Möhre auch am Abend bekommen, sonst blickt er das auch irgendwann.
Um in Bild zu bleiben: Du willst nicht die Möhre, Du willst in möglichst kurzer Zeit zwei Möhren
Ich denke, dass man die unterschiedlichen Motivationen nicht so generalisieren kann - ich finde mich da persönlich gar nicht wieder, da ich ein geradezu grenzenloser Konsument bin und mich die Aussicht, steinreich in die Kiste zu fallen, zu nichts anderem motivieren würde als den Wecker auszumachen und mich nochmal umzudrehen.
Und im Grunde genommen beruht gerade die Wirtschaft in entwickelten Ländern unter anderem darauf, dass Leute wie ich Phantasiepreise für Produkte zahlen, die sie überhaupt nicht brauchen, damit die anderen wieder mehr davon herstellen können. Insofern sehe ich daran nix Verkehrtes. Allerdings muss, und da bin ich bei Dir, ein gewisses Gleichgewicht herrschen, so dass jede Motivation irgendwie bedient wird.
Zitat von emjot im Beitrag #7Also arbeite ich nur 3/4, verzichte auf 500 Euro im Monat, aber die Zeit, die ich dadurch für mich gewinne, ist unbezahlbar - für mich zumindest.
Es ist ja letztlich ein simples mikroökonomisches Kalkül. Mit steigender Arbeitszeit steigen die individuellen Kosten in Form der entgangenen Freizeit (praktisch als Kehrseite des abnehmenden Grenznutzens selbiger). So lange der Stundenlohn gleich bleibt, wird irgendwann ein Optimum erreicht sein, ab dem es sich individuell nicht mehr lohnt zu arbeiten. Bauen wir in das Modell noch einen abnehmenden Grenznutzen des Einkommens ein, ist es schon bei noch weniger Arbeitszeit erreicht. Von progressiver Einkommensteuer noch gar nicht zu reden...
Das Problem ist nur: Wer hat schon die freie Wahl? Als "normaler" Arbeitnehmer bewegt man sich um eine fixe Arbeitszeit herum und nimmt dabei vielleicht ungewollt in Kauf, längst das o.g. Optimum überschritten zu haben.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von emjot im Beitrag #7Also arbeite ich nur 3/4, verzichte auf 500 Euro im Monat, aber die Zeit, die ich dadurch für mich gewinne, ist unbezahlbar - für mich zumindest.
Es ist ja letztlich ein simples mikroökonomisches Kalkül. Mit steigender Arbeitszeit steigen die individuellen Kosten in Form der entgangenen Freizeit (praktisch als Kehrseite des abnehmenden Grenznutzens selbiger). So lange der Stundenlohn gleich bleibt, wird irgendwann ein Optimum erreicht sein, ab dem es sich individuell nicht mehr lohnt zu arbeiten. Bauen wir in das Modell noch einen abnehmenden Grenznutzen des Einkommens ein, ist es schon bei noch weniger Arbeitszeit erreicht. Von progressiver Einkommensteuer noch gar nicht zu reden...
Das Problem ist nur: Wer hat schon die freie Wahl? Als "normaler" Arbeitnehmer bewegt man sich um eine fixe Arbeitszeit herum und nimmt dabei vielleicht ungewollt in Kauf, längst das o.g. Optimum überschritten zu haben.
Ich arbeite freiwillig nur 7/8. Durchbekommen habe ich das relativ einfach. Wenn man bereit sich auch entsprechend weniger zahlen zu lassen, und nicht die Gewerkschaftsforderung von weniger Arbeiten bei gleichem Gehalt übernimmt, sind, glaube ich, viele Firmen offen für solche Vorschläge.
Zitat von xanopos im Beitrag #12Ich arbeite freiwillig nur 7/8. Durchbekommen habe ich das relativ einfach. Wenn man bereit sich auch entsprechend weniger zahlen zu lassen, und nicht die Gewerkschaftsforderung von weniger Arbeiten bei gleichem Gehalt übernimmt, sind, glaube ich, viele Firmen offen für solche Vorschläge.
Weil es Werwohlf angesprochen hat: Dank des sozialdemokratischen progressiven ESt-Tarifs hat man sogar ein höheres Nettogehalt pro Arbeitsstunde. Als ich ein Arbeitsverhältnis beendet habe, um an die Universität zurückzukehren, bin ich durch die Halbierung meiner Vollerwerbszeit so weit im progressiven Tarif gesunken, daß ich eine gigantische Steuerrückzahlung von ca. einem (vorherigen) Monatseinkommen bekommen habe. "Arbeite sechs Monate nicht, bekomme einen trotzdem bezahlt!" Das ist wie ein Mengenrabatt auf Nichterwerb. Für freizeitpräferente Menschen ist Deutschland ein richtiges Paradies. Das hierzulande übliche rege Vereinsleben und die gute kulturelle Ausstattung des Landes ermöglicht auch, viele nutzbringende Aktivitäten zu entfalten, ohne vom Fiskus belästigt zu werden. Da muß man gar nicht faul sein, um nur reduziert erwerbstätig zu sein.
Zitat von emjot im Beitrag #7Die frage ist nur, muss denn wirklich immer mehr entstehen, jedes Jahr die berühmten Prozente?
Ja. Unbedingt sogar. Eine stagnierende Gesellschaft ist eine sterbende Gesellschaft. Und die Menschheit ist nur deshalb da, wo sie heute ist, weil viele jedes Jahr die berühmten Prozente eingefahren haben. Gesellschaften, die das nicht getan haben, sind untergegangen. Und es haben sich die durchgesetzt, die das eben konsequent umgesetzt haben.
Nunja, die Zeit in der Menschheitsgeschichte, in der man tatsächlich nennenswertes Wirtschaftswachstum pro Kopf hatte, ist doch eher kurz. Lange Zeit bestand Wirtschaftswachstum einzig darin, daß man seinen Holzpflug durch vormals unberührte Böden gezogen hat, die es damals noch zuhauf gab. Technologischer Fortschritt, der Wirtschaftswachstum pro Kopf befeuern könnte, indem er für akkumuliertes Kapital eine sinnvolle Verwertung eröffnet, war selten und langsam. Die Menschen überlebten trotzdem. Gewiß, irgendwann kreuzten bei ihnen diejenigen Völker auf, in denen es ein langsames Wirtschaftswachstum durch Erfindungen in Lagerung und Konservierung, Landwirtschaft und Nautik gab. Daher waren es nicht die Aborigines mit dem traditionellen Bumerang, die England unterwarfen, sondern die Seefahrer mit Sextant, Kompaß, Flaschenzügen und einer Arbeitsteilung zwischen Navigator, Matrose, Koch, Zimmermann und Schiffsarzt an Bord. Doch inzwischen sind wir am anderen Ende der Wachstumskurve angekommen. Es zeigen sich Sättigungseffekte. Die Zinsen sind säkular gefallen, die Forschungsrenditen (z.B. in der pharmazeutischen Industrie für jedes neue Medikament) sind deutlich gesunken. Sparen zum Investieren lohnt sich nicht mehr wie früher. Die Gegenwartspräferenz erlebt ihr Comeback. Es normalisiert sich wieder, was durch die industrielle Revolution aufgewirbelt wurde. Manche Historiker sagen, daß im Mittelalter gar nicht so viel gearbeitet wurde wie heute. Der große Interessent am Wirtschaftswachstum ist tatsächlich der Staat, nämlich insofern er Anteile daran an seine Kostgänger verteilen möchte und natürlich einen militärtechnischen Vorteil hätte.
Zitat von Emulgator im Beitrag #14die Zeit in der Menschheitsgeschichte, in der man tatsächlich nennenswertes Wirtschaftswachstum pro Kopf hatte, ist doch eher kurz.
Das würde ich doch nicht sagen. Nur ganz wenige Gesellschaften (meist in klimatisch extremen Regionen) leben so am Subssistenzlevel, daß gar kein Wachstum möglich ist. In der Regel läßt sich immer ein bißchen quantitatives oder qualitatives Wachstum erreichen: Einen Acker urbar machen, den Stall etwas erweitern und mehr Tiere halten, mit mehr pflegeintensiver Gartenfläche höhere Erträge bekommen als mit reinem Ackerbau ... Aufs Jahr umgerechnet waren die Zuwächse natürlich niedrig, über die Generationen aber durchaus spürbar. Wenn sie auch regelmäßig durch Naturkatastrophen, Krieg oder Seuchen wieder zunichte gemacht wurden ...
Zitat Doch inzwischen sind wir am anderen Ende der Wachstumskurve angekommen. Es zeigen sich Sättigungseffekte.
Das sehe ich nicht. Schon gar nicht für die Entwicklungs- und Schwellenländer, und nur eingeschränkt für die Industrieländer. Natürlich gibt es immer Leute, die nicht auf Zugewinn aus sind. Und vielleicht ist deren Zahl leicht gestiegen. Aber gerade beim qualitativem Wachstum ist die Entwicklung eher schneller geworden.
Zitat Die Zinsen sind säkular gefallen
Das hat aber andere Ursachen (Währungspolitik). Ansonsten: Der Trend geht zum qualitativen Wachstum, das schlägt sich nicht so direkt in den Finanzkennzahlen nieder wie das gewohnte quantitative.
Zitat die Forschungsrenditen (z.B. in der pharmazeutischen Industrie für jedes neue Medikament) sind deutlich gesunken.
Vielleicht in der Pharmazie, da kenne ich mich nicht aus. Aber in anderen Branchen, insbesondere mit starkem EDV-Einfluß, sieht das doch anders aus.
Zitat Manche Historiker sagen, daß im Mittelalter gar nicht so viel gearbeitet wurde wie heute.
Ja und Nein. Die Jahressume an Arbeitsstunden war vielleicht nicht so anders. Jedenfalls für die bezahlte Arbeit. Aber die Verteilung war krass anders: Extrem viel mehr Arbeit an langen Sommertagen, sehr viel erzwungene Untätigkeit im Winter. Die Frauen haben dagegen deutlich mehr gearbeitet - im Haushalt gab es kaum Freizeit.
Zitat Der große Interessent am Wirtschaftswachstum ist tatsächlich der Staat
Auch. Aber entscheidend ist das Interesse der Bürger am Wachstum - fehlt dieses Interesse, wächst auch nichts. Und dann fällt für den Staat auch nichts ab.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #10Um in Bild zu bleiben: Du willst nicht die Möhre, Du willst in möglichst kurzer Zeit zwei Möhren
Genaugenommen will das und noch mehr, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Der Kern um den es geht ist, dass ich nicht für den alten Schuh arbeite. Es muss wenigstens die Möhre da sein.
Zitat Ich denke, dass man die unterschiedlichen Motivationen nicht so generalisieren kann - ich finde mich da persönlich gar nicht wieder, da ich ein geradezu grenzenloser Konsument bin und mich die Aussicht, steinreich in die Kiste zu fallen, zu nichts anderem motivieren würde als den Wecker auszumachen und mich nochmal umzudrehen.
Und ich finde Konsum bisweilen nicht übermäßig spannend. Mal ab von der Familie kann ich durchaus mit einem Raum leben, so lange dieser ein Bett, einen Computer und einen Kühlschrank hat. Das Gefühl das man hat, wenn man gerade 15 Kilometer gelaufen ist kann man mit dem neuesten Handy eh nicht kompensieren. Und mein Polo steht im selben Stau wie der Bentley vom Nachbarn. Aber die Vergrösserung meiner Freiheit, beispielsweise der, irgendwann nicht mehr zu arbeiten oder auch nur die Möglichkeit zu haben, soviel zu konsumieren, wie ich es vielleicht irgendwann einmal will, das motiviert mich. Konsum macht mich nicht frei, Investments tun das.
Zitat Und im Grunde genommen beruht gerade die Wirtschaft in entwickelten Ländern unter anderem darauf, dass Leute wie ich Phantasiepreise für Produkte zahlen, die sie überhaupt nicht brauchen, damit die anderen wieder mehr davon herstellen können.
Das halte ich tatsächlich eher für die Argumentation einer Gesellschaft, die gar nicht mehr realisiert, wieviel sie für ihre eigene Erhaltung braucht. Dein Wohlstandshandy, Tablet, deine Glotze oder dein zigtausend Euro Fahrrad mag man nicht unbedingt brauchen, aber der allergrößte Teil der Wirtschaftsleistung wird dringend gebraucht um unsere Gesellschaft zu erhalten.
Richtig ist, dass die EZB-Politik die kurzfristigen Zinsen in den letzten Jahren massiv nach unten gedrückt hat.
Aber: Dass die Zinsen "säkular" fallen ist erstens richtig und zweitens nicht durch kurzfristige Notenbankpolitik veranlasst bzw. auch nur zu beeinflussen. Die langfristige Zinsentwicklung fällt seit Jahrzehnten (!). Hier eine Illustration der deutschen Hpothekenzinsen seit 1970: https://www.immobilienfinanzierung.de/bl...cklung-baugeld/ Und hier die Leitzinsen weltweit seit 1970: http://www.handelsblatt.com/infografiken...en/9311190.html (bei dieser Abbildung kann man einzelne Länder an- oder ausschalten. Wenn man den Sonderfall China rausnimmt, sieht man die weltweite Tendenz sehr deutlich).
Diese Entwicklung hat 2 Ursachen:
a) die Inflationsraten sind heutzutage nicht mehr so hoch wie früher. Entsprechned müssen die nomnialen Zinsen auch nicht mehr so hoch sein wie früher. Allerdings erklärt das das Phänomen nur zum Teil. Denn auch die realen Zinsen sinken tendenziell seit über 30 Jahren. Siehe z.B. hier: http://www.dasinvestment.com/uploads/RTEmagicC_Grafik_G.jpg
b) letzen Endes sind die realen Zinsen ein Spiegelbild davon, welche realen Investitions-Chancen es in der Wirtschaft gibt. Wenn ein Unternehmen auf seine Investitionen nur geringe Renditen erwartet, dann kann es entsprechend auch nur niedrige Zinsen zahlen. Und es wird in reifen Volkswirtschaften halt zunehmend schwerer, gute Investitionsmöglichkeiten zu finden. Die niedrig hängenden Früchte sind geerntet. Jetzt geht es zunehmend darum, die letzten paar Prozent rauszukitzeln.
Zitat von Emulgator im Beitrag #14 Nunja, die Zeit in der Menschheitsgeschichte, in der man tatsächlich nennenswertes Wirtschaftswachstum pro Kopf hatte, ist doch eher kurz.
Aber nicht der Teil der Menschheitsgeschichte in der es vorwärts ging. Sicher hat es in tausenden von Jahren eine Menge stagnierende Gesellschaften gegeben. Die allermeisten sind eingegangen.
Zitat Die Menschen überlebten trotzdem.
Gewiss. Die Menschen werden auch weiterhin "überleben". Nur sind dekadente Gesellschaften zum Scheitern verurteilt und ordnen sich irgendwann den erfolgreichen unter. Das meine ich mit den sterbenden Gesellschaften. Das heisst nicht das alle Menschen aussterben.
Zitat Doch inzwischen sind wir am anderen Ende der Wachstumskurve angekommen. Es zeigen sich Sättigungseffekte.
Kühne Aussage. Ich halte dagegen: Was wir in Europa (und leider auch stark in Deutschland) sehen ist eine Entwicklung zur Dekadenz. Und die ist mit Sicherheit auch mit Sättigung begleitet. Aber das ist keine weltweite Entwicklung: In Asien, speziell in China, sehen wir eher das Gegenteil. Die Welt an sich wächst nicht langsamer als vor 50 Jahren und ganz sicher nicht langsamer als vor 500 Jahren.
Zitat Die Zinsen sind säkular gefallen,
Dank Draghi. Aber auch das ist nicht weltweit der Fall. In China liegt der Leitzins derzeit bei etwas über 4 Prozent. Das wäre vor 50 Jahren in Deutschland auch normal gewesen. Klar: Wir haben in diesem Jahr weltwirtschaftlich nicht gerade einen Boom. Aber Europa verhält sich derzeit dennoch sehr speziell.
Zitat Die Gegenwartspräferenz erlebt ihr Comeback.
Es gibt diesen schönen Satz über den Kern grüner Politik: Menschen, die die Zukunft für eine Energiesparvariante der Gegenwart halten. Das ist natürlich ein bisschen verkürzt, trifft aber das Problem ganz gut. Es gibt zunehmend weniger Menschen, die an Lust haben viel in die Zukunft zu investieren. Eine sehr, sehr traurige Entwicklung wie ich finde.
Zitat Es normalisiert sich wieder, was durch die industrielle Revolution aufgewirbelt wurde.
Zitat Das Gefühl das man hat, wenn man gerade 15 Kilometer gelaufen ist kann man mit dem neuesten Handy eh nicht kompensieren.
Schon wieder "man". Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass mich kein Telefon dazu bringen könnte, mir die Teerlunge aus dem Leib zu kotzen, ist mir das Ganze einfach zu normativ.
Zitat Das halte ich tatsächlich eher für die Argumentation einer Gesellschaft, die gar nicht mehr realisiert, wieviel sie für ihre eigene Erhaltung braucht. Dein Wohlstandshandy, Tablet, deine Glotze oder dein zigtausend Euro Fahrrad mag man nicht unbedingt brauchen, aber der allergrößte Teil der Wirtschaftsleistung wird dringend gebraucht um unsere Gesellschaft zu erhalten.
Wir reden ja nicht über die Gesamtwirtschaftsleistung, sondern über den privaten Konsum (trotzdem immerhin 2/3). Auch wenn das ganze letztlich auf eine Marxsche Gebrauchswert-Tauschwert-Diskussion rausläuft, nur so viel: Ich denke, dass ein nicht unbeachtlicher Teil aller Gegenstände, die ich besitze und verkonsumiere, in abgespeckter, aber genauso brauchbarer Form - wenn es hoch kommt - zur Hälfte des von mir bezahlten Ladenpreises erhältlich sind. Eigentlich alles, was nicht gesetzlicher Preisbindung bzw. hohem Einfluss unterliegt wie Gesundheitskosten, Bücher, öffentlicher Verkehr (wobei ich da auch das Taxi bevorzuge), Tabakwaren und Energiekosten. Bleibt noch der ursprüngliche Aufhänger Deines Artikels - Wohnungskosten, die halt regional bedingt sind.
Ich würde den Anteil des Konsums durchaus als beträchtlich für die deutsche Wirtschaft einschätzen: Zum einen sind sehr viele Konsumprodukte, die noch in Deutschland hergestellt werden, Premiumprodukte - Autos zuallererst. Zum anderen kann ich mir durchaus vorstellen (ohne dass ich auf die Schnelle eine Studie dafür aus dem Borsalino zaubern könnte), dass gerade dieser Konsumanteil den Unterschied zwischen Stagnation und Wachstum ausmacht.
Zitat von R.A. im Beitrag #15Nur ganz wenige Gesellschaften (meist in klimatisch extremen Regionen) leben so am Subssistenzlevel, daß gar kein Wachstum möglich ist. In der Regel läßt sich immer ein bißchen quantitatives oder qualitatives Wachstum erreichen: Einen Acker urbar machen, den Stall etwas erweitern und mehr Tiere halten, mit mehr pflegeintensiver Gartenfläche höhere Erträge bekommen als mit reinem Ackerbau ...
Wozu einen Acker urbar machen, der weiter vom Hof entfernt liegt als der Acker, von dem man schon Jahre lebt? Warum mehr Tiere halten, wenn man weder mehr Milch braucht noch sie auf die Allmende treiben darf? Wozu mehr Erträge, wenn es keinen Fernhandel gibt, über den man sie verkaufen kann? Die Subsistenzwirtschaft ist historisch die Regel, auch in Europa, die Tausch- und Geldwirtschaft ist seltener und wirkliches Wirtschaftswachstum gibt es nur mit einem Kreditwesen, das funktional identisch ist zu dem, was sich in den italienischen Kaufmannskontoren entwickelt hat. Die steigenden Skalenerträge, die Sie angesprochen haben, kann man nur Nutzen bei Fernhandel, also ausgebauten Verkehrswegen. Das Römerstraßennetz war dafür zu dünn und zu schnell verfallen. Erst zur Zeit der industriellen Revolution entstanden Chausseen, Kanäle und Eisenbahnen.
Zitat von R.A. im Beitrag #15Aufs Jahr umgerechnet waren die Zuwächse natürlich niedrig, über die Generationen aber durchaus spürbar.
Das meine ich. Die 1000 Jahre von Germanien zum mittelalterlichen Mitteleuropa haben einen Lebensstandardgewinn gebracht, der aber klein ist gegen dem, den die 200-300 Jahre seit der industriellen Revolution gebracht haben.
Zitat Schon gar nicht für die Entwicklungs- und Schwellenländer, und nur eingeschränkt für die Industrieländer.
In den Entwicklungsländern ist Wachstum das, was aus den höher entwickelten Ländern wegen hoher Lohnkosten abwandert. Es ist wirtschaftliches Wachstum durch Integration (Freihandel), nicht Innovation.
Zitat von R.A. im Beitrag #15Das hat aber andere Ursachen (Währungspolitik).
Die kann nur die Geldmarktzinsen beeinflussen. Die Transmission auf die Kapitalmarktzinsen (welche für langfristige Investitionen eigentlich relevant sind) geht nicht so einfach, wie sich das Herr Draghi vermutlich denkt, weil die Goldene Bankregel beschränkt, wie man als gewissenhafter Finanzwirt langfristigen Kapitalbedarf durch revolvierende kurzfristige Darlehen decken darf. In der Deutschen Bundesbank vor dem EWM hat man insbesondere aus diesem Grunde in der Niedriggeldmarktzinspolitik keinen Sinn gesehen. Das konnte man so auch in ihren Monatsberichten nachlesen. Es gibt sogar Währungstheoretiker, die argumentieren, daß niedrige Geldmarktzinsen durch den Umweg über Inflations- und Abwertungserwartungen und die Zinsparität zu höheren Kapitalmarktzinsen führen können, womit man gerade keinen Konjunktureffekt erreicht. Im Übrigen gilt das, was @Florian geschrieben hat.
Zitat von R.A. im Beitrag #15Der Trend geht zum qualitativen Wachstum, das schlägt sich nicht so direkt in den Finanzkennzahlen nieder wie das gewohnte quantitative.
Was meinen Sie mit qualitativen Wachstum? Meinen Sie damit, daß man ohne exotisches Spezialwerkzeug oder spezialisierte Nichtstandardersatzteile seine Geräte (Autos, Telefone, Computer, Waschmaschinen) nicht mehr selber warten kann? Daß man diese Geräte in ihrer Funktion gar nicht mehr verstehen kann? Daß man den betriebssicheren Umgang gar nicht mehr über das eigene technische Verständnis erraten kann, sondern die 200-seitige automatisch übersetzte Betriebsanleitung enträtseln muß?
Zitat von R.A. im Beitrag #15Aber in anderen Branchen, insbesondere mit starkem EDV-Einfluß, sieht das doch anders aus.
Durch Modularisierung und Vernetzung hat man in Softwareentwicklung und EDV tatsächlich große Produktivitätszuwächse. Bei der Hardware, den Mikroprozessoren, hat die Technik die Möglichkeiten der Physik inzwischen fast ausgeschöpft.
Zitat von Llarian im Beitrag #18Die Menschen werden auch weiterhin "überleben". Nur sind dekadente Gesellschaften zum Scheitern verurteilt und ordnen sich irgendwann den erfolgreichen unter. Das meine ich mit den sterbenden Gesellschaften.
Was ist eine Gesellschaft? Es gibt Familien, die verarmen. Es gibt Familien, die sogar aussterben. Keiner will, daß dies den eigenen Erben geschieht; das Erbschaftsmotiv. Aber "die Gesellschaft" ist mir doch zu konstruiert, um sich davon berührt zu fühlen. Ich spare doch nicht für die Gesellschaft, sondern nur für meine Lieben und mich.
Zitat In Asien, speziell in China, sehen wir eher das Gegenteil.
Wie gesagt, das sind Effekte wegen der schieren Teilnahme am Welthandel. Dafür sind keine großen Investitionen in (global!) neue Technologien nötig. Also auch kein großes vorheriges Sparen. Man muß vor allem Zölle senken, damit man von seinen komparativen Vorteilen profitieren kann.
Zitat von Emulgator im Beitrag #21Aber "die Gesellschaft" ist mir doch zu konstruiert, um sich davon berührt zu fühlen. Ich spare doch nicht für die Gesellschaft, sondern nur für meine Lieben und mich.
Das ist vollkommen unbenommen, ändert aber nichts daran, dass es erfolgreiche Gesellschaften gegeben hat und solche, die das eben nicht waren. Über das Motiv oder eine Bewertung ist damit noch nicht viel ausgesagt. Aber man kann es durchaus auch auf die eigene Familie herunterbrechen: Für die eigenen Kinder ist es mit Sicherheit von Vorteil in einer erfolgreichen Gesellschaft zu leben. Ich habe, auch wenns hier sehr off-topic wird, den Eindruck das das eins der zentralen Probleme des Landes ist, denn weil die Leute zunehmend weniger Kinder haben ist es ihnen auch piepsegal was aus dem Land nach ihrem Tod wird.
Zitat Dafür sind keine großen Investitionen in (global!) neue Technologien nötig. Also auch kein großes vorheriges Sparen.
Aber genau das hat China getan. Und auch Unsummen in den Aufbau der eigenen Produktion investiert. Technologie ist doch nur ein Aspekt von Produktion und Weiterentwicklung. Infrastruktur, Bildung, Fabriken, Schiffe, Häuser, Autos, Minen, das alles sind Investitionen. Die China in den letzten 20 Jahren massiv betreibt. Technologie, respektive mangelnde Technologie, kann sicher ein wachstumsbegrenzender Faktor sein. Aber an diese Grenze muss man erst einmal kommen. Und nicht einmal Deutschland ist dort. Das Land könnte soviel in marode Strukturen investieren, so viel verbessern und investieren, da könnte man jahrzehntelang kräftigst wachsen. Alleine, man tut es nicht mehr. Und nicht weil die Technologie begrenzt.
Zitat "Säkular" heißt, daß es um einen Zeitrahmen geht, der länger ist als Draghis Amtszeit bei der EZB.
Nur ist das eben nicht ganz vollständig. Es hat durchaus auch vor 60 Jahren Phasen gegeben, in denen die Zinsen sehr niedrig waren. Das Extrem, das wir derzeit sehen, ist Draghi.
Zitat Das epsilon-Wachstum: Nicht Null, aber nahe dran. So wie es schon immer war, bis auf die kurze Ausnahmezeit seit der industriellen Revolution.
Irgendwann sind wie bei Meadows angekommen. Ich halte davon nix. Die industrielle Revolution war sicher singulär, aber Phasen des Wachstums, der Erkenntnis, der Weiterentwicklung hat es immer wieder gegeben. Goldene Zeitalter wären das Stichwort. Und immer waren diese Zeitalter davon getragen, das Leute sich massiv zu verbessern gesucht haben.
Ich denke wir kommen dabei auch irgendwann bei der philosophischen Frage an in was für einer Gesellschaft man leben möchte. Und ich für meinen Teil möchte nicht in einer stagnierenden oder sterbenden Gesellschaft leben und möchte auch nicht das meine Kinder dazu gezwungen sind. Und ich bin auch meinen Vorfahren sehr dankbar, dass sie nicht mit "epsilon" zufrieden waren.
Zitat von Emulgator im Beitrag #20Wozu einen Acker urbar machen, der weiter vom Hof entfernt liegt als der Acker, von dem man schon Jahre lebt?
Weil es ein zusätzlicher Acker ist, der zusätzliche Erträge bringt. Mit denen man z. B. Vorräte anlegen kann, die bei der nächsten Mißernte das Überleben sichern. Oder die es erlauben, zusätzlich Kinder durchzufüttern und später mit einem eigenen Hof zu versorgen. Wirtschaftswachstum heißt über lange Zeit in erster Linie auch Bevölkerungswachstum.
Zitat Wozu mehr Erträge, wenn es keinen Fernhandel gibt, über den man sie verkaufen kann?
Erstens gab es schon vor und in der Bronzezeit einen umfangreichen Fernhandel, der gute Erträge brachte. Aber zweitens und vor allem gehen landwirtschaftliche Überschüsse natürlich in erster Linie in den regionalen Handel, man bekommt dafür Handwerkerwaren und Dienstleistungen aus den dörflichen und später städtischen Zentren. Das funktioniert schon lange vor der Kreditwirtschaft der frühen Neuzeit.
Zitat Erst zur Zeit der industriellen Revolution entstanden Chausseen, Kanäle und Eisenbahnen.
Und die haben das Verkehrsvolumen natürlich vervielfacht. Aber trotzdem gab es schon vorher einen ausgedehnten Handel per Schiff oder Ochsenkarren.
Zitat Die 1000 Jahre von Germanien zum mittelalterlichen Mitteleuropa haben einen Lebensstandardgewinn gebracht, der aber klein ist gegen dem, den die 200-300 Jahre seit der industriellen Revolution gebracht haben.
Richtig, die Gewinne danach waren deutlich größer. Aber der Unterschied zwischen 600 und 1600 ist beträchtlich. Sowohl im Lebensstandard wie in der Größe der Volkswirtschaften (d.h. es gab deutlich mehr Bevölkerung).
Zitat Was meinen Sie mit qualitativen Wachstum?
Im wesentlichen den technischen Fortschritt, aber auch davon abgeleitete neue Dienstleistungen und Ideen. Der Golf von vor 30 Jahren ist in ziemlichen allen Aspekten ein so viel schlechteres Fahrzeug als das heute übliche Modell. Und das gilt ähnlich für viele andere Sachen. Da ist die höhere Komplexität bei Reparaturen nebensächlich - dafür hat man ja Fachleute.
Zitat von R.A. im Beitrag #23Wirtschaftswachstum heißt über lange Zeit in erster Linie auch Bevölkerungswachstum.
Jetzt nicht. Sie haben offenbar übersehen, daß ich oben das Pro-Kopf-Wachstum angesprochen habe. Der Kontext war ja, daß in unseren Tagen Freizeit im Vergleich zu Sparen und Arbeit --insbesondere eingedenk der Verzerrungen durch die Steuererhebung aber auch durch technologische Sättigungseffekte-- mehr Nutzen bringt als es früher der Fall war. Diese Entscheidung macht sich nur im Pro-Kopf-Wachstum bemerkbar, und zwar bei Wachstum, das tatsächlich durch Innovationen erreicht wurde, nicht durch die Ausweitung des Handels und der Arbeitsteilung. Dies ist nämlich Wirtschaftswachstum, daß dadurch entsteht, daß etwas lediglich anders gemacht wird, nicht dadurch, daß etwas zuvor nie dagewesenes gemacht wird. Wirtschaftswachstum entsteht ja in der VGR schon allein dadurch, daß ein Klempner seine Kleider in die Wäscherei gibt, und zwar in Höhe der Reinigungskosten. Würde er sie selber waschen und entsprechend weniger Erwerbsarbeit machen, während die Wäscherei ihre Rohre selber reinigt, ist in der VGR die Wirtschaftsleistung niedriger, obwohl materiell genau dasselbe gearbeitet wurde. Vom Kapitalbedarf her passiert auch nichts: Der Klempner muß keine eigene Waschmaschine mehr vorhalten, das macht die Wäscherei für ihn. Natürlich hat man dabei Skalenerträge und Spezialisierungsgewinne, die bei einer großen Volkswirtschaft naturgemäß größer ausfallen können, als wenn man durch technologische Beschränkungen 99% seiner Produktion nur in seinem Dorf verwenden kann. Insofern müßte man das Pro-Kopf-Wachstum zusätzlich durch die "Weltgröße" bereinigen. Aber man sieht schon hier, daß es auch bei dem Wirtschaftswachstum durch Handel eine Rückstellkraft gibt:
Zitat von R.A. im Beitrag #23Da ist die höhere Komplexität bei Reparaturen nebensächlich - dafür hat man ja Fachleute.
Und Rechtsanwälte, wenn die "Fachleute" gepfuscht haben. Da auch Gerichtskosten (als Teil von Transaktionskosten) in die VGR eingehen, haben wir wieder ein Beispiel für "Wirtschaftswachstum", das keinem Nutzengewinn gegenübersteht, für den es sich lohnt, länger zu arbeiten. Es ging ja nur darum, von A nach B zu gelangen. Transaktionskosten sind die "Rückstellkraft" gegen immer weitergehendes Wirtschaftswachstum durch Arbeitsteilung und Handel. Naturgesetzlichkeiten und Sättigungseffekte sind Schranken gegen immer mehr Wachstum durch technologische Innovationen.
Zitat von Llarian im Beitrag #22Über das Motiv oder eine Bewertung ist damit noch nicht viel ausgesagt.
Die Ausgangsfrage war von @emjot war ja, ob denn immer "mehr" entstehen müsse. Individuell ja nicht. Wenn die Menschen in ihren materiellen Bedürfnissen gesättigt sind, in ihrem Bedarf nach Freizeit und Muße hingegen nicht, warum muß dann "mehr" sein? Historisch mag sein, daß Gesellschaften ohne Wachstum untergegangen sind, aber diese lebten nicht in der Epoche der Sättigung.
Zitat Dafür sind keine großen Investitionen in (global!) neue Technologien nötig. Also auch kein großes vorheriges Sparen.
Aber genau das hat China getan. Und auch Unsummen in den Aufbau der eigenen Produktion investiert.
Der eigenen, aber nicht der neuen Produktion. Man hat beispielsweise ein Stahlwerk in Salzgitter abgebaut, um es in China exakt so wieder auszubauen. Und man hat dieses Werk kopiert, um den eigenen Stahlbedarf zu decken und dann die Weltmarktpreise mit staatlich angeordnetem Dumping zu verderben. Abgesehen von den Sachen, die auf Teleshoppingsendern angepriesen werden, kommen aus China keine nennenswerten Innovationen wie neuartige Wirkstoffe, neuartige Technologien oder neue Sorten. Was dort wächst, ist bei uns schon gewachsen. China wird bald an dieselbe Sättigungsdecke stoßen.
Zitat Das Extrem, das wir derzeit sehen, ist Draghi.
Ich meine den allgemeinen Trend der letzten Jahrzehnte. Da setzten Notenbanken nicht die Kapitalmarktzinsen. Mit dem Anleihenkaufprogramm der EZB werden zwar durchaus auch am Kapitalmarkt die Preise verdorben, aber das ist im Grunde nur die steil nach unten weisende Schlagfläche eines Hockeysticks, dessen Schaft schon lange leicht nach unten zeigt.
Zitat Irgendwann sind wie bei Meadows angekommen.
Meadows düstere Aussage war, die Ressourcennutzung würde wachsen, bis es nicht mehr reiche, so daß wir irgendwann hungern würden. Meine Aussage ist, daß alle notwendigen Ressourcen ausreichend vorhanden seien, und das Wachstum hauptsächlich im Bereich der Muße stattfinden wird. Muße als Wachstumszweig, nur eben nicht "Wachstumsindustrie", weil industria ja von Fleiß kommt.
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