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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 18 Antworten
und wurde 1.891 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.06.2016 17:25
Eskalation Antworten

Spätestens als sich "Kapo" Schulz einmischte und vom Chefkommentator unseres lokalen Blättchens dafür als "Sturmgeschütz der Demokratie" gelobt wurde war dieser kurze Beitrag fällig.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.568

10.06.2016 23:28
#2 RE: Eskalation Antworten

Zitat
...eingebunden in eine Allianz, deren führende Mitglieder etwas mehr Ahnung von Diplomatie haben und es nicht zu einer echten Krise kommen lassen werden.



Wenn damit Obama & Hillary gemeint sein sollten... Wo bei man zugeben muss, daß die beim direkten Sich-selbst-in-die-Ecke-malen, zumal bei Anfgelegenheiten, deren Scheitern wie Umsetzung unmittelbare gravierende Konsequenzen im eigenen Port nach sich ziehen, besser gefahren sind als unsere Kasperltruppe. Vielleicht kann man in der Resolution einen Anwendungsfall der List der Vernunft sehen, um den eh' so schäbigen wie klotzblöden Merkeldeal in angemessener Art zu entsorgen: der Kaiser ist nicht nur nackt, sondern das Gegenteil von Lady Godiva. Die Causa selbst liegt ja schon seit einiger Zeit auf Wiedervorlage; mindestens seit Mitte der 1980er Jahre; seit Anfang der 90er hierzulande ziemlich vernehmlich. Quelle ironie: das Hauptargument derer, die Moral als Politikersatz nehmen (gibt ja seit Weizsäcker nix andres mehr auf diesem Speiseplan) war, daß der Holocaust durch die Anerkennung als Genozid gewissermaßen "entwertet", quasi als nicht länger einzigartig, würde.

Böhmermann scheint als Halbschwergewicht in der falschen Klasse plaziert; selbst fürs Halbfliegengewicht dürfte es nicht ausreichen. Daß solche Gnome derart lange Schatten werfen können, ist aber ein gutes Eichmaaß für den Stand für den Sonnenstand unserer Kultur, frei nach Karl Kraus.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

11.06.2016 09:34
#3 RE: Eskalation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #1
Spätestens als sich "Kapo" Schulz einmischte und vom Chefkommentator unseres lokalen Blättchens dafür als "Sturmgeschütz der Demokratie" gelobt wurde war dieser kurze Beitrag fällig.


Ich bin in diesem Punkt gespalten. Einerseits hat die Armenien-Resolution schon auch das Gepräge der Böhmermann-Debatte; gewissermaßen ist beides eine Art Strohmann und dient dem moralischen Behagen und der Selbstbeweihräucherung. Andererseits stehe ich auf dem Standpunkt, daß Erdogan längst den Bereich verlassen hat, in dem Appeasement eine noch irgendwie vertretbare politische Option ist. Du hast schon recht, daß hier eine eskalative Dynamik zu erkennen ist, durch die in der Vergangenheit auch Kriege entstanden sind. Aber vermutlich hätte Neville "Peace for our time" Chamberlain 1938 genauso argumentiert...

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

11.06.2016 10:52
#4 RE: Eskalation Antworten

Jetzt bist Du mir wieder mit einem Thema zuvorgekommen. :)

Allerdings hatte ich eine andere Nuance: Welche Völkerfreundschaft bitte ?
Auch der türkische Premier hat sich ja auf die deutsch-türkische Freundschaft und die engen Beziehungen berufen. Ich frage mich ernsthaft welche das sein sollen. Wenn wir ein Fußballspiel zwischen Deutschland und der Türkei erleben, dann kann man diese Völkerfreundschaft live beobachten. Dabei sein möchte ich allerdings nicht (und bedauere auch die Hundertschaften, die das gemeinsame Feiern zu verhindern suchen).

Wenn man es aus deutscher Sicht betrachtet ist die Türkei nur aus dem Grunde interessant, weil in Deutschland mehrere Millionen Türken wohnen. Was an für sich ein Problem ist, wenn sie diesen Status (wie von Erdogan gewollt) beibehalten wollen. Wären diese Einwanderer nicht da, wäre die Türkei aus deutscher Sicht nur mässigst interessant. Wirtschaftlich in der Priorität irgendwo zwischen Platz 15 und 20 (umgekehrt übrigens deutlich (!) wichtiger), militärisch nicht mehr so bedeutend wie früher und mit einer Anspruchshaltung die Kim Jong Un alle Ehre machen würde. Insofern würde ich das alles etwas tiefer hängen.

Und was Schulz betrifft. Schulz ist eine Pfeife. War immer eine und wird immer eine bleiben. Indiskutabel ohne Ende. Aber in diesem Fall hat er nur auf etwas reagiert, was andere losgetreten haben. Und die Angriffe von Erdogan auf Özdemir und Co. sind schlicht unter aller (!) diskussionsmöglicher Kanone. Da gibts auch nicht wirklich Öl ins Feuer zu giessen. Wenn man so daneben liegt, dann muss man mit allem leben was man dazu auf die Nase bekommt.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.06.2016 11:15
#5 RE: Eskalation Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #2
Wenn damit Obama & Hillary gemeint sein sollten...

Gemeint sind die diplomatischen Profis in den Regierungsapparaten der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Zu denen ich auch Hillary zählen würde. Ungeachtet ihrer sonstigen Defizite hat sie deutlich mehr außenpolitische Kompetenz als die komplette Bundesregierung zusammen.
Was nicht heißt, daß nicht auf die Profis Fehler machen oder umstrittene Entscheidungen fällen.
Aber zumindestens sehen sie die Außenpolitik als selbständiges Gebiet und nicht als populistisches Anhängsel innenpolitischer Debatten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.06.2016 11:18
#6 RE: Eskalation Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #3
Andererseits stehe ich auf dem Standpunkt, daß Erdogan längst den Bereich verlassen hat, in dem Appeasement eine noch irgendwie vertretbare politische Option ist.

Das Gegenteil von dümmlicher Eskalation (aus rein innenpolitischen Motiven) ist nicht Appeasement!
Selbstverständlich ist Erdogan hochproblematisch und man müßte ihm bei einigen Themen klare Kante zeigen.
Aber das heißt bei Profis, daß man ihm klare und realistische Forderungen stellt, und glaubhafte und durchführbare Maßnahmen androht, wenn er diese nicht erfüllt. Das aktuelle Kasperletheater hat damit überhaupt nichts gemein, es gibt überhaupt kein vernünftiges Ziel, das mit der Armenien-Resolution durchgesetzt werden sollte.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.06.2016 11:32
#7 RE: Eskalation Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #4
Welche Völkerfreundschaft bitte ?

Von "Völkerfreundschaft" habe ich bewußt nichts geschrieben, sondern vom traditionell guten "deutsch-türkischen Verhältnis". Und das in Kontrast gesetzt zu einer "oberflächlich zelebrierten Freundschaft".

Und die diplomatischen, wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten waren über Jahrzehnte ganz ausgezeichnet. Und von Seiten der Türken auch lange Zeit sehr freundschaftlich geprägt - die Deutschen haben das immer distanzierter bis desinteressiert gesehen. Diese Einseitigkeit hat dazu geführt, daß das auch auf türkischer Seite nachgelassen hat - verstärkt durch die Reislamisierung/Reosmanisierung durch Erdogan.
Anti-deutsche Zeitungsschlagzeilen wie aktuell wären vor Erdogan völlig undenkbar gewesen, die Zeitungen hätten großen Ärger mit ihren Lesern bekommen.

Da ist also durchaus schon einiges im Vorfeld kaputt gemacht worden. In erster Linie von Erdogan und Kumpanen, aber auch von deutscher Seite, insbesondere diversen Unions-Politikern.

Trotzdem: Trotz der aktuellen Hysterie ist Deutschland für die Türken immer noch eines der wichtigsten Partnerländer und hat einen immensen Sympathie-Bonus. Eine kluge Außenpolitik würde diesen Vorteil nutzen - die Bundesregierung macht das Gegenteil.

Zitat
Wären diese Einwanderer nicht da, wäre die Türkei aus deutscher Sicht nur mässigst interessant.


Eigentlich nicht. Natürlich gibt es locker ein Dutzend wichtigerer Partner. Aber bei über 200 Staaten auf der Welt ist auch ein Platz 13 wichtig, und ein so großes, wirtschaftlich dynamisches und strategisch wichtiges Land auf seiner Seite zu haben wäre für Deutschland viel besser als sich unnötig einen Feind zu machen.
Erdogan wird nicht ewig regieren, außenpolitische Beziehungen sind langfristig angelegt. Eine intelligente Außenpolitik würde schlicht auf Zeit spielen und die Konflikte aus Eis legen, bis wieder eine vernünftige Regierung in Ankara am Ruder ist.

Zitat
Und was Schulz betrifft. Schulz ist eine Pfeife. War immer eine und wird immer eine bleiben. Indiskutabel ohne Ende. Aber in diesem Fall hat er nur auf etwas reagiert, was andere losgetreten haben.


Aber diese Sache geht ihn schlicht nichts an.
Ich habe nichts dagegen, wenn Lammert die türkischen Vorwürfe zurück weist. Das ist sein Job, die Vorwürfe sind Murks, und er hat das auch im richtigen Tonfall gemacht.
Schulz hat mit dem Bundestag nichts zu tun, er mischt sich hier ein, weil Erdogan-Bashing derzeit in Mode ist.

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

12.06.2016 12:07
#8 RE: Eskalation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #7
Und von Seiten der Türken auch lange Zeit sehr freundschaftlich geprägt - die Deutschen haben das immer distanzierter bis desinteressiert gesehen. Diese Einseitigkeit hat dazu geführt, daß das auch auf türkischer Seite nachgelassen hat - verstärkt durch die Reislamisierung/Reosmanisierung durch Erdogan.

Ich glaube das trifft es nicht ganz. Die Deutschen haben das distanzierter gesehen, weil die Beziehungen für die Türkei wichtiger waren als für die Deutschen. Wie schon gesagt, aus deutscher Sicht rangiert die Türkei irgendwo auf den Plätzen 15 bis 20. Aus türkischer Sicht auf Nummer 1-2. Vor allem deswegen weil die Türkei im Erbe Attatürks sich nach Westen orientiert hat. Unter Erdogan ist genau das Gegenteil der Fall. Wie dem aber auch genau sei, so eng sind die Beziehungen nicht. Zumindest nicht aus deutscher Sicht.

Zitat
Trotzdem: Trotz der aktuellen Hysterie ist Deutschland für die Türken immer noch eines der wichtigsten Partnerländer und hat einen immensen Sympathie-Bonus. Eine kluge Außenpolitik würde diesen Vorteil nutzen - die Bundesregierung macht das Gegenteil.


Ich denke die Bundesregierung verhält sich noch viel zu zurückhaltend. Wir haben den Präsidenten eines fremden Landes der unsere Frau Bundeskanzler offen der Lüge bezichtigt. Und die sagt nicht einmal was dazu. Wir haben ein ausländisches Staatsoberhaupt, dass die deutsche Pressefreiheit einstampfen möchte. Und die Frau Bundeskanzler hilft. Wir haben ein Land, das gerne in die EU aufgenommen werden will, und eben selbiger Geld abpresst, in dem es den Grenzschutz fallen lässt. Ich denke eine kluge Außenpolitik wäre dringend notwendig. Die nämlich die Dinge mal klar beim Namen nennt. Ich hatte neulich beim Mittagessen eine interessante Unterhaltung: Ein Kollege von mir hat ausgedrückt, warum er Erdogan eigentlich ganz gut findet. Nicht wegen dem was er tut, sondern weil er (im breiten Unterschied zu unserer Regierung) ehrlich ist. Er sagt was er denkt. Das würde ich mir bei unseren Vortänzern deutlich mehr wünschen.

Zitat
Natürlich gibt es locker ein Dutzend wichtigerer Partner. Aber bei über 200 Staaten auf der Welt ist auch ein Platz 13 wichtig, und ein so großes, wirtschaftlich dynamisches und strategisch wichtiges Land auf seiner Seite zu haben wäre für Deutschland viel besser als sich unnötig einen Feind zu machen.


Das muss man auch nicht. Aber für einen Platz 13 muss man sich auch nicht auf Biegen und Brechen verbiegen. Im übrigen glaube ich nicht, dass man die derzeitige Türkei mit Diplomatie zu irgendetwas groß bewegen kann. Es gibt einfach gegensätzliche Interessen.

Zitat
Erdogan wird nicht ewig regieren, außenpolitische Beziehungen sind langfristig angelegt. Eine intelligente Außenpolitik würde schlicht auf Zeit spielen und die Konflikte aus Eis legen, bis wieder eine vernünftige Regierung in Ankara am Ruder ist.


Schröder hat auch nicht ewig regiert. Und doch ganz entscheidende Prägungen hinterlassen. Die Türkei wird auch nach Erdogan keine säkulare Demokratie werden. Das Problem ist, so absurd es klingt, nicht Erdogan. Sondern die Entwicklung, die ihn trägt. Aber ich stelle mal die umgekehrte Frage: Was würdest Du denn tun ?
Würdest Du es hinnehmen, dass die Türkei der Bundesregierung Befehle erteilt, was veröffentlicht werden darf ? Würdest Du Böhmermann ausliefern (mal ab von der Problematik, dass das gesetzlich nicht ginge) ? Würdest Du einen gezielten Völkermord nicht als solchen benennen ? Würdest Du dem türkischen Verlangen nach Visa-Freiheit genügen ? Motzen kann jeder: Was machst Du anders ?

Zitat
Aber diese Sache geht ihn schlicht nichts an.


Aber klar. Die Türkei will Mitglied der EU werden. Und Schulz sieht sich als einen der Zuständigen (was er auch ist). Und deswegen sagt er klar, dass es so in der EU nicht geht. Das ist absolut sein Job.

Ich sehe ohnehin eine etwas anderen Hintergrund: Merkel hat den Deal mit der Türkei versaut. Niemand wollte den. Ausser Merkel und Erdogan. Erdogan weil er Geld bekommt und Merkel, um zu versuchen noch den Rest ihres Gesichtes zu wahren (als ob das möglich wäre). Aber abgesehen von den beiden will eigentlich keiner den Deal. Und eine Möglichkeit den Deal zu beenden erscheint vielen darin zu liegen, Erdogan so sehr zu provozieren, dass er ihn von sich aus schmeisst. Lustig daran ist allenfalls, dass der das vermutlich nicht tun wird. Denn wie schon gesagt, er ist beleidigt, aber in der Regel ehrlich. Ich glaube er wird sich eher an den Vertrag halten als die EU.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

12.06.2016 15:09
#9 RE: Eskalation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #5
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #2
Wenn damit Obama & Hillary gemeint sein sollten...

Gemeint sind die diplomatischen Profis in den Regierungsapparaten der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Zu denen ich auch Hillary zählen würde. Ungeachtet ihrer sonstigen Defizite hat sie deutlich mehr außenpolitische Kompetenz als die komplette Bundesregierung zusammen.


Und ich dachte die außenpolitische Kompetenz heißt Sid Blumenthal et al.. Vielleicht sollte sich Steinmeier aus der gleichen Quelle beraten lassen .

Gruß, Martin

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.568

12.06.2016 15:25
#10 RE: Eskalation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #7
Anti-deutsche Zeitungsschlagzeilen wie aktuell wären vor Erdogan völlig undenkbar gewesen, die Zeitungen hätten großen Ärger mit ihren Lesern bekommen.


Das ging allerdings schon vor über 20 Jahren los, nach Solingen. Das war 1993.

Zitat von DIE ZEIT, Nr 45/1996
Nationalistische Töne wurden lauter, mit antideutschen Ressentiments gemischt. "Der Brandanschlag in Solingen und die damalige Problematik des deutschen Waffenembargos gegen die Türkei wurden einfach in einen Topf geworfen." ... Nicht mehr nachvollziehbar sind die Hetz- und Diffamierungskampagnen, mit denen allen voran das auflagenstärkste Blatt, "Hürriyet", alle Wochen wieder zur Jagd auf deutsche Politiker und deutsche Journalisten aufruft.

Mit Headlines wie "Dieser Deutsche ist unser Feind" und "Erteilen wir dem Fernsehkommentator eine Lektion" werden die "Feinde der Türkei" öffentlich vorgeführt. Wer sich in Deutschland etwa zum Thema "Kurden" nicht an die in der Türkei gültigen Denkverbote hält, wer die türkische Ehre vermeintlich kränkt, der muß damit rechnen, daß er steckbrieflich mit Photo, Adresse, Telephon- und Faxnummer auf der Titelseite landet.
...
Gänzlich unter der Gürtellinie verlief eine Hetzkampagne gegen den WDR-Redakteur Klaus Bednarz. "Die chinesische Regierung zahlt zwei Mark für jede getötete Ratte, was, glauben Sie, Herr Bednarz, ist Ihr Wert?" Der Anlaß: ein Kommentar, den der "Monitor"-Chef anläßlich der Kurdenkrawalle am 18. März 1996 in den ARD-"Tagesthemen" gesprochen hatte. Sein Vergehen: Er machte die türkische Armee und ihren "völkermörderischen Krieg" gegen die Kurden mitverantwortlich dafür, daß die PKK immer mehr Zulauf erhält.



http://www.zeit.de/1996/45/turk.txt.19961101.xml/seite-2



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

12.06.2016 19:42
#11 RE: Eskalation Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #8
Und eine Möglichkeit den Deal zu beenden erscheint vielen darin zu liegen, Erdogan so sehr zu provozieren, dass er ihn von sich aus schmeisst. Lustig daran ist allenfalls, dass der das vermutlich nicht tun wird. Denn wie schon gesagt, er ist beleidigt, aber in der Regel ehrlich. Ich glaube er wird sich eher an den Vertrag halten als die EU.
Da müßte man mal schauen, wie lange der Antrag auf die Erklärung zu dem Völkermord an den Armeniern schon her ist und von wem genau er eingebracht wurde. Zwischen Einbringung des Entwurfs und Abstimmung vergeht ja viel Zeit.
Abgesehen davon hat man ja in der türkischen Antiterrorgesetzgebung schon den Grund, die Visafreiheit nicht durchzusetzen, woraufhin die türkische Regierung ihren Teil der Abmachung erst recht nicht einhalten wird. Es heißt übrigens, daß Erdoğan Davotoglu den Popularitätszuwachs wegen der Visafreiheit geneidet habe. Das Abkommen war ja im Grunde zwischen Merkel und Davotoglu betrieben worden. Letzterer ist nicht mehr an der Regierung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.06.2016 12:21
#12 RE: Eskalation Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #8
Die Deutschen haben das distanzierter gesehen, weil die Beziehungen für die Türkei wichtiger waren als für die Deutschen.

Das ist natürlich richtig, trifft aber nur einen Teil. Denn eigentlich sind natürlich auch für die Türkei die Großmächte und die Nachbarstaaten viel wichtiger als das ferne Deutschland. Die spezielle Affinität der Türken zu Deutschland ist im wesentlichen ein Erbe des ersten Weltkriegs. In der Türkeit ist sehr präsent, daß wir da Verbündete waren. Aus Sicht der Türken waren die Deutschen die Einzigen, die ihnen damals gegen die übrigen Mächte geholfen haben. Und auch wenn der eigentliche Weltkrieg und die arabischen Gebiete verloren gingen - danach gelang eben die Zurückdrängung der Alliierten und die Gründung der modernen Türkei.
Aus deutscher Sicht ist der erste Weltkrieg überhaupt nicht mehr präsent, er wurde komplett vom zweiten überlagert. Für die Türken ist das aber immer noch prägend. Lange Zeit wurde auch in der NATO Deutschland als Hauptverbündeter gesehen, nicht die viel mächtigeren USA.

Zitat
Wie schon gesagt, aus deutscher Sicht rangiert die Türkei irgendwo auf den Plätzen 15 bis 20. Aus türkischer Sicht auf Nummer 1-2.


Richtig. Und das Problem ist nicht, daß die deutsche Bevölkerung die türkische Sicht nicht erwidert. Das ist sogar völlig rational.
Aber das Problem ist, daß die deutsche Außenpolitik die türkische Sicht nicht berücksichtigt.

Zitat
Ich denke die Bundesregierung verhält sich noch viel zu zurückhaltend.


Jein.
Ich gebe Dir recht, daß man in einigen Punkten klarer Kante zeigen müßte. Das tut man nicht, stattdessen wird auf anderen Ebenen gepöbelt.
Das ist eine fatale Mischung.

Erdogan ist der klassische Bully: Entgegenkommen wertet er als Schwäche. Der Punkt wäre also, ihm in der Sache NICHT nachzugeben. Keine Böhmermann-Klage zuzulassen, keine Milliarden zu schenken, keine Visa-Freiheit zu geben. Und schon gar nicht ohne echte Gegenleistungen. Aber im Ton sollte man die Affäre nicht verschärfen, das gibt ihm nur Vorlagen für anti-deutsche Propaganda.

Zitat
Wir haben den Präsidenten eines fremden Landes der unsere Frau Bundeskanzler offen der Lüge bezichtigt. Und die sagt nicht einmal was dazu.


Klarer Fehler. Aus türkischer Sicht besteht die deutsche Regierung aus konzeptlosen Weicheiern (und da würde ich Erdogan sogar recht geben). Man kann dieses Manko an der Spitze aber nicht durch Schulz-Pöbeleien ersetzen.

Zitat
Ein Kollege von mir hat ausgedrückt, warum er Erdogan eigentlich ganz gut findet. Nicht wegen dem was er tut, sondern weil er (im breiten Unterschied zu unserer Regierung) ehrlich ist.


Ich weiß nicht, woher der Kollege diesen Eindruck hat. Erdogan lügt, heuchelt und bricht sein Wort - und wie jeder Bully zieht er den Schwanz ein, wenn er wirklich auf Härte stößt. Siehe Putin: Gegen den traut er sich nichts mehr, seit der auf die Sache mit dem Flugzeugabschuß deutlich reagiert hat.

Zitat
Im übrigen glaube ich nicht, dass man die derzeitige Türkei mit Diplomatie zu irgendetwas groß bewegen kann.


Es geht erst einmal darum, das langfristige Verhältnis nicht unnötig zu beschädigen. Wenn mit Erdogan derzeit nichts geht, dann geht eben nichts. Dann muß man sich auch nicht an ihm abarbeiten und ihm damit die Möglichkeit geben, sich bei den Türken als Vorkämpfer der nationalen Sache zu gerieren.
Daß die klassische Deutschland-Freundlichkeit der Türken schon in Teilen ziemlich erodiert ist, hat auch damit zu tun, daß die deutsche Politik schon in der Vergangenheit zu oft unnötige Vorlagen geliefert hat. Weil es den deutschen Regierenden schlicht egal war, wie sich die öffentliche Meinung in einem anderen Land entwickelt.

Zitat
Was würdest Du denn tun ?


Wie geschildert: Härte in der Sache, aber keine Eskalation im Ton.

Zitat
Würdest Du einen gezielten Völkermord nicht als solchen benennen ?


Als Historiker selbstverständlich. Als deutsche Regierung oder Parlament nicht. Es gibt keinen vernünftigen Grund für solche historischen Bewertungen in einem politischen Gremium, machen wir in anderen Fällen doch auch nicht.

Zitat
Die Türkei will Mitglied der EU werden.


Das ist weiter weg als je. Was Schulz auch weiß. Wobei er ja immer einer der beitrittsfreundlichsten Politiker war und auch wieder sein wird, wenn die Frage käme.
Schulz geht es hier nur um deutsche Innenpolitik. Der sieht das Kanzleramt als mögliche Karriereoption, deswegen will er in deutschen Medien präsent sein und ordentlich auf Populismus machen.

Zitat
Und eine Möglichkeit den Deal zu beenden erscheint vielen darin zu liegen, Erdogan so sehr zu provozieren, dass er ihn von sich aus schmeisst.


Ich traue keinem der aktuelle Agierenden so ein komplexes Manöver zu. Und auch nicht den Versuch, eine sachlich sinnvolle Politik zu befördern.

Zitat
Ich glaube er wird sich eher an den Vertrag halten als die EU.


Er hält sich doch schon jetzt nicht daran. Er schickt uns eine Negativauswahl von in der Türkei unerwünschten "Flüchtlingen" und nimmt nur sehr wenige zurück.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.568

13.06.2016 13:23
#13 RE: Eskalation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12
Der Punkt wäre also, ihm in der Sache NICHT nachzugeben. Keine Böhmermann-Klage zuzulassen, keine Milliarden zu schenken, keine Visa-Freiheit zu geben. Und schon gar nicht ohne echte Gegenleistungen.


Na, da paßt das ja ganz ausgezeichnet:

Merkel ready to cave to Turkish pressure on visas, British diplomats think

Zitat von Telegraph, 12 June 2016
Angela Merkel is ready to cave in to Turkish “blackmail” and grant visa-free access to the Schengen zone for 75 million people, despite President Erdogan refusing to meet key EU conditions, according to a leaked cable from Britain’s ambassador in Berlin.

In public, leaders have vowed there would be no deal until all conditions were met.

But Sir Sebastian Wood, in a leaked diplomatic telegram (‘DipTel'), wrote that the Chancellor’s officials are ready to strike a “compromise formulation” on the terrorism law.

He wrote: “Despite the tough public line, there are straws in the wind to suggest that in extremis the Germans would compromise further to preserve the EU-Turkey deal.”



Nach der Ansicht des diplomatischen Dienstes scheint es da nur noch um die Frage zu gehen, ob das erst nach der Brexit-Entscheidung über die Bühne geht oder vorgezogen wird.



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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.06.2016 14:33
#14 RE: Eskalation Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #13
Na, da paßt das ja ganz ausgezeichnet:

Weiß nicht.
Der Standfestigkeit ausgerechnet von Merkel traue ich keinen Millimeter.
Aber über die Visa-Freigabe entscheidet sie ja nicht alleine und ihr Einfluß innerhalb der EU ist auf einem all-time-low.

Ich bin auch sehr skeptisch wenn in einem Blatt wie dem Telegraph - das eine offensive Pro-Brexit-Kampagne fährt - jetzt kurz vor dem Referendum angebliche Geheiminfos "geleakt" werden, die der britischen Wählerschaft Angst vor unkontrolliert einströmenden Türkenhorden machen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.06.2016 15:18
#15 RE: Eskalation Antworten

Zum Thema passend die aktuelle Rubrik von Fleischhauer.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.568

13.06.2016 16:53
#16 RE: Eskalation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12
machen wir in anderen Fällen doch auch nicht.


Da hat jemand ein Stichwort gehört: Lammert für Bekenntnis zu Völkermord an Herero. (Wobei das Thema ja auch seit nun zehn Jahren auf Wiedervorlage liegt & über diverse Erstanträge & Medienreportagen nicht hinaus gediehen ist.)

Im Fall der Armenier gibt es aber eine Gemengelage. Zum einen wollen Russland, China, Indonesien pp. nicht demnächst turnusmäßig den EU-Vorsitz übernehmen. Zum anderen gibt es ja die Rechtslage in Frankreich, wo die Leugnung strafbewehrt ist; während die Bewertung als Genozid wiederum in der Türkei geahndet wird. 2001, als die Anerkennung durch die Nationalversammlung ging, gabs bei uns ja keinen Artikel zum Thema, in dieser Widerspruch nicht betont wurde (wobei ich gerade feststelle, daß die Leugnung als Straftatbestant erst fünf Jahre später Gesetzeskraft bekam). Und zum dritten gibt es eben in DE die mehr-oder-weniger Diskurs-Koppelung mit dem Holocaust; als "Vorläufer", als "Probelauf", nicht zuletzt über die Bande mit der Allianz im 1. Wk betont. Der aktuelle Antrag stammt übrigens vom Februar '16 & wurde von den Grünen eingebracht.



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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.06.2016 18:57
#17 RE: Eskalation Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #16
Da hat jemand ein Stichwort gehört: Lammert für Bekenntnis zu Völkermord an Herero.

Vor dem Bekenntnis sollte Lammert aber erst einmal eine solide historische Untersuchung beauftragen. So klar ist die populäre Einstufung "Völkermord" beim Herero-Aufstand nicht.
Aber wie auch immer: Vor der eigenen deutschen Tür mag der Bundestag kehren, wenn ihm nach historischen Urteilen ist. Aber nicht vor den Türen anderer Staaten.

Zitat
Zum einen wollen Russland, China, Indonesien pp. nicht demnächst turnusmäßig den EU-Vorsitz übernehmen.


Nun ja, es haben schon einige europäische Länder den EU-Vorsitz innegehabt, deren koloniale und sonstige historische Altlasten sie durchaus auf "Augenhöhe" mit der Türkei stehen lassen.

Zitat
Und zum dritten gibt es eben in DE die mehr-oder-weniger Diskurs-Koppelung mit dem Holocaust; als "Vorläufer", ...


Und diese Kopplung beruht nicht nur schwächstmöglich basiert auf einem einzigen dümmlichen Hitler-Zitat, sie ist auch inhaltlich dämlich. Will denn ernsthaft jemand behaupten, ohne die pösen Türken als Vorbild wäre Hitler nicht gegen die Juden vorgegangen oder hätte keine Ausrottungspläne entwickelt?

Zitat
... nicht zuletzt über die Bande mit der Allianz im 1. Wk betont.


Und das war halt eine Allianz gegen die Entente und nicht gegen die Armenier.
Auch wenn es im Bundestag wieder einmal gerne suggeriert wurde: Das deutsche Reich war nicht schuld und nicht beteiligt an den Massakern. Es fällt vielen deutschen Politikern ja generell schwer sich vorzustellen, daß andere Völker ganz selbständig und ohne deutsche Mitschuld böse Dinge tun könnten. Siehe die aktuelle Nahost-Diskussion, wo es ja auch gängiges Klischee ist, daß "der Westen" den syrischen Bürgerkrieg verschuldet hätte und Deutschland sich die Flüchtlingskrise schon von der Ursache her selber eingebrockt hätte.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

13.06.2016 19:00
#18 RE: Eskalation Antworten

aus aktuellem Anlass:

der (ohnehin sehr empfehlenswerte) Youtube-Kanal "the Great War" dokumentiert Woche für Woche, was vor genau 100 Jahren im 1. Weltkrieg passierte.
Und hat dazwischen auch immer wieder "Specials" zu einzelnen Themen.

Das aktuelle Thema: "Armenia in World War 1"
( https://www.youtube.com/watch?v=tUZxZhlf42w )

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

13.06.2016 20:17
#19 RE: Eskalation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #15
Zum Thema passend die aktuelle Rubrik von Fleischhauer.

Fleischhauer schreibt:

Zitat
Vor dem Russen habe man Respekt und auch ein bisschen Angst, sagte er, schließlich stand der schon einmal mit dem Panzer im Wohnzimmer. Außerdem ist der Russe Christ und liebt den Wald, damit kann jeder Deutsche etwas anfangen. Vor dem Türken hat niemand in Deutschland Angst. Er evoziert nie das Bild eines Panzers, sondern immer nur das eines Dönerspießes.


Ich weiß nicht, ob die Angst den Unterschied macht. Fragt man z.B. den durchschnittlichen Linken, so hat er wahrscheinlich am meisten Angst vor [beliebiger republikanischer US-Präsident]. Der evoziert das Bild von Napalm und Atombomben (obwohl beide von demokratischen Präsidenten eingesetzt wurden ). Trotzdem wünscht er sich keine größere Annäherung an die Yankees. Der durchschnittliche Rechte hat keine Angst vor dem Türken, solange er sich in der Türkei befindet. Also Angst als Motiv überzeugt mich nicht.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

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