Zitat von LlarianWie soll die Polizei (oder ganz allgemein die Strafverfolgung) damit umgehen, wenn Diskriminierungsverbote im krassen Gegensatz zur tatsächlichen (nicht gefühlten) kriminalistischen Erfahrung stehen ?
Rechtlich ist die Lage tatsächlich so, daß dann vernunftwidrig auch unverdächtige kontrolliert werden müssen. Das ist für die "Schwarzen" (gemeint als pars pro toto für alle mit einem Merkmal, was bei den jeweiligen Kriminellen häufiger ist als in der Gesamtbevölkerung) keine Besserstellung, da sie ja weiterhin kontrolliert werden. Es ist im Gegenteil sogar für sie eine Verschlechterung gegenüber der Situation mit Diskriminierung, da sie den Mehraufwand für die überflüssigen Kontrollen fiskalisch mittragen müssen. Die Rechtslage schützt das Eigentum vor der Besteuerung aber weniger, als sie vor Diskriminierung schützt. Das ist freilich für die Diskriminierungsphobiker nicht so schlimm, weil bei ihnen der Respekt vor der Eigentumsfreiheit sowieso geringer ausgeprägt ist (wieder so eine Abhängigkeit von Merkmalen!).
Vernünftig ist tatsächlich, wenn eine Diskriminanzanalyse vorgenommen wird und je nach Subgruppe eine unterschiedliche Kontrollwahrscheinlichkeit vorgenommen wird. Das ist so ähnlich wie beim Arzt. Da ist beispielsweise auch bekannt, daß Frauen mit afrikanischem Phänotyp eher eine für Brust- und Eierstockkrebs ungünstige Genmutation haben als etwa asiatische oder europäische Frauen (eine davon ist übrigens Angelina Jolie). Wenn keine Genanalyse angezeigt ist, wird also in diesem Falle eine unterschiedliche Behandlung/Prävention empfohlen.
Im Unterschied zur Diagnosestellung beim Arzt hat man allerdings in der Kriminalprävention eine Wechselwirkung mit der Kontrollwahrscheinlichkeit: Wenn bekannt ist, daß nur "Schwarze" kontrolliert werden, senkt dies bei "Weißen" möglicherweise die Hemmung zur Kriminalität. Insofern ist eine gewisse Nichtdiskriminierung in der Kriminalprävention sinnvoller als bei der Diagnosestellung. Aber das müßte man mal genauer durchrechnen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #2Vernünftig ist tatsächlich, wenn eine Diskriminanzanalyse vorgenommen wird und je nach Subgruppe eine unterschiedliche Kontrollwahrscheinlichkeit vorgenommen wird.
Warum so kompliziert? Sowohl der Diskriminierungsfreiheit/Gleichbehandlung als auch der Kriminalprävention/Kriminalitätsverfolgung wäre doch auch dann Genüge getan, wenn man schlicht alle immer kontrollierte. Letztlich ist das sogar die einzige Möglichkeit, beides maximal zusammenzubringen . Was zwar das Gegenteil von wünschenswert wäre, und bestenfalls eines Polizeistaats würdig (von der Verhältnismäßigkeit ganz zu schweigen). Allerdings funktionieren z. B. Geschwindigkeitskontrollen im Straßenverkehr, scheint mir, nach genau diesem Prinzip. Was ich damit sagen will: das Diskriminierungsverbot wäre im Zweifel wunderbar kompatibel mit einem protofaschistischen Polizeistaat und schützt mit Blick auf Freiheit und Bürgerrechte vor gar nix.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat Tja. Vernunft oder Rechtsstaat ? Was hätten Sie gern, lieber Leser ?
Was ist schlimmer: Ein Rechtsstaat ohne Vernunft oder Vernunft ohne Rechtsstaat? - Eigentlich gefallen mir beide Alternativen nicht. Ist die Option "ein vernünftiger Rechtsstaat" wirklich ausgeschlossen? -
Warum nicht das Häufiger-kontrolliert-werden
Zitat gesetzestreuer Bürger dunkler Hautfarbe
als deren Beitrag zur größeren Sicherheit im Land zu verbuchen, und somit auch zu deren größeren Sicherheit? So wie es Flughäfen gibt, an denen alleinreisende Männer orientalischen Aussehens im wehrfähigen Alter häufiger kontrolliert werden als andere Menschen. Wenn es insgesamt die Sicherheit aller erhöht, und damit auch die der ungerechtfertigt Gefilzten? Angewandter Utilitarismus, sozusagen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #2 Vernünftig ist tatsächlich, wenn eine Diskriminanzanalyse vorgenommen wird und je nach Subgruppe eine unterschiedliche Kontrollwahrscheinlichkeit vorgenommen wird. Das ist so ähnlich wie beim Arzt. Da ist beispielsweise auch bekannt, daß Frauen mit afrikanischem Phänotyp eher eine für Brust- und Eierstockkrebs ungünstige Genmutation haben als etwa asiatische oder europäische Frauen (eine davon ist übrigens Angelina Jolie). Wenn keine Genanalyse angezeigt ist, wird also in diesem Falle eine unterschiedliche Behandlung/Prävention empfohlen.
Eine interessante Analogie. Ich erlaube mir mal sie ein bischen weiterzuspinnen. Aufgrund der Wahrscheinlichkeiten hat eine Frau mit afrikanischem Phänotyp eine wesentlich höhere Chance an den betreffenden Krebsarten zu erkranken. Entsprechend hätte sie auf verständlicherweise Anspruch auf mehr und intensivere Vorsorgeuntersuchungen, bzw. im Extremfall (wie bei Angelina Jolie) Anspruch auf eine Amputation mit anschließender chirurgischer Wiederherstellung. Wie geht man damit um, wenn jetzt eine Frau ohne diesen Phänotyp für sich die selben Rechte in Anspruch nimmt ? Ist es nicht eine Diskriminierung ihr das zu verweigern ? Genauso wie bestimmte Vorsorgeuntersuchungen erst ab einem bestimmten Alter von der Kasse getragen werden. Dennoch kann man auch mit 18 an Prostatakrebs erkranken, es ist nur eben unwahrscheinlich. Altersdiskriminierung ?
Zitat Insofern ist eine gewisse Nichtdiskriminierung in der Kriminalprävention sinnvoller als bei der Diagnosestellung. Aber das müßte man mal genauer durchrechnen.
Das könnte man, wird aber kaum etwas ändern. Wie auch im Lawblog diskutiert wurde, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Mensch heller Hautfarbe in Deutschland illegal aufhält extrem gering. Ich unterstelle auch unserer Bundespolizei im Wesentlichen an Ergebnissen interessiert zu sein und sich nicht allzu lange mit Vorurteilen aufzuhalten.
Zitat von Daska im Beitrag #5als deren Beitrag zur größeren Sicherheit im Land zu verbuchen, und somit auch zu deren größeren Sicherheit? So wie es Flughäfen gibt, an denen alleinreisende Männer orientalischen Aussehens im wehrfähigen Alter häufiger kontrolliert werden als andere Menschen.
Dies Sichtweise ist für einen hellhäutigen Europäer kaukasischer Abstammung leicht einzunehmen. Es betrifft ihn ja nicht. Der Staat hat aber prinipiell schon einen höheren Anspruch an die Gleichheit vor dem Gesetz. Und wir reden hier von vergleichsweise harmlosen Sachen. Seinen Pass im Zug zu zeigen tut keinem wirklich weh. Aber das sind aber eben auch nur die harmlosen Beispiele. Unlustig wird es, wenn, wie bereits im Beispiel erwähnt, meine Chance erschossen zu werden, von meiner Hautfarbe abhängt. Oder wenn es von meiner Hautfarbe abhängt, ob ich einer Leibesvisitation (sehr unangenehm) unterzogen werden. Soll man das auch hinnehmen, weil das die Sicherheit aller erhöht ?
Zitat Tja. Vernunft oder Rechtsstaat ? Was hätten Sie gern, lieber Leser ?
Was ist schlimmer: Ein Rechtsstaat ohne Vernunft oder Vernunft ohne Rechtsstaat? - Eigentlich gefallen mir beide Alternativen nicht.
Gibt die Dritte Alternative: weder Vernunft noch Rechtsstaat. Nennt sich "Hypermoral" & beherrscht flächendeckend die öffentliche Diskussion.
In der Praxis staatlichen Handelns ist der Rechtsstaat vorgeordnet, die Vernunft kommt immer erst hinterher - man kann sie erst ans Tragen bringen, wenn es Appelationsinstanzen gibt, ab Antigone. Da die Rechtsvernunft sofort in Aporien reinläuft, braucht sie stillgestellte Freiräume, in denen die prozessmäßige Klärung & Gewichtung aller Aspekte in einem quasi zeitweisen Vakuum erfolgt. Die Ausfaltung des Subsystems Rechtsstaat ("Vernunft") setzt seine apriorische Setzung, samt Durchsetzung, voraus.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Llarian im Beitrag #6Wie geht man damit um, wenn jetzt eine Frau ohne diesen Phänotyp für sich die selben Rechte in Anspruch nimmt ? Ist es nicht eine Diskriminierung ihr das zu verweigern ?
"Zum Glück" nimmt man diese Rechte ja nicht aus Spaß wahr. Mammographie und erst recht Operationen sind selber eine Belastung, die man gerne vermeidet. Auch ist das Risiko für eine falsch-positiv-Diagnose wesentlich erhöht, wenn man keiner Risikogruppe angehört, man wird als nur überflüssig in Panik oder in den OP-Saal gebracht, wenn man trotzdem auf solchen Vorsorgemaßnahmen besteht. Insofern reguliert sich die Sache bei diesem Beispiel von selbst. Nichtsdestotrotz:
Zitat von Llarian im Beitrag #6Genauso wie bestimmte Vorsorgeuntersuchungen erst ab einem bestimmten Alter von der Kasse getragen werden. Dennoch kann man auch mit 18 an Prostatakrebs erkranken, es ist nur eben unwahrscheinlich. Altersdiskriminierung ?
Ja, es ist eine Altersdiskriminierung. Genau wie gerechte Lebensversicherungstarife, die nach dem Äquivalenzprinzip (Erwartungswert der Einzahlungen = Erwartungswert der Auszahlungen + Risikozuschlag und Vertriebskosten) kalkuliert das Geschlecht einbeziehen.
Ursprünglich verstand man unter Diskriminierung etwas anderes als "vernünftige Anwendung von Statistik". Ein Interesse an Diskriminierung hat eigentlich nur ein von politischem Haß getriebener Staat, nicht Versicherungen und Ärzte, die einfach auskömmlich wirtschaften wollen.
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