Daß mein heutiger Beitrag thematisch an den gestrigen vom Kollegen Noricus anschließt, ist Zufall. Daß sich heute der Mauerbau jährt, ebenfalls. Oder auch nicht.
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Ich meine, das Problem ist nicht, dass sich Liberale zu schnell zurückzögen. Ich meine, das Problem ist, dass Liberale keine Antenne für soziale und kulturelle Prozesse haben. Solche, die z.B. dazu führen, dass nach außen hin Freiwilligkeit behauptet wird, in Wirklichkeit aber ein komplexes System der Machtausübung dahinter steckt.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Werwohlf im Beitrag #2Ich meine, das Problem ist nicht, dass sich Liberale zu schnell zurückzögen. Ich meine, das Problem ist, dass Liberale keine Antenne für soziale und kulturelle Prozesse haben. Solche, die z.B. dazu führen, dass nach außen hin Freiwilligkeit behauptet wird, in Wirklichkeit aber ein komplexes System der Machtausübung dahinter steckt.
Eine Schwäche meines Textes, die ich inzwischen sehe, ist die mangelnde Differenzierung zwischen politischem Liberalismus und (im Zweifel unpolitischen) Menschen, die vom erreichten gesellschaftlichen Liberalismus profitieren und darin schlicht zu leben gewohnt sind. Ich meinte z. B. die Frau, die einfach irgendwann für sich selbst entscheidet, nicht mehr ins Schwimmbad zu gehen. Diese räumt schlicht das Feld.
P.S. ansonsten Zustimmung bezüglich der Antennen
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat Kann man gesellschaftlichen Liberalismus „verordnen“, indem man Verbote, etwa von Burkinis, erläßt? Nein, verordnen kann man ihn so nicht, aber man kann ihn, vermutlich nur auf diese Weise, schützen.
Und wer ist in Deutschland gerade dabei, sich um solche Verbote zu bemühen? Die konservative CDU. Nicht? So gut durchdacht alles ist, so paradox wirkt es auf mich. Insofern kann ich nur einen hochbetagten bayrischen Royalisten zitieren, der mir mal gesagt hat, mehr im Scherz, aber vor dem Hintergrund Ihres schönen Artikels nicht so ganz abwegig: "Die beste Staatsform ist und bleibt die Anarchie - mit einem starken Anarchen an der Spitze."
Zitat Kann man gesellschaftlichen Liberalismus „verordnen“, indem man Verbote, etwa von Burkinis, erläßt? Nein, verordnen kann man ihn so nicht, aber man kann ihn, vermutlich nur auf diese Weise, schützen.
Und wer ist in Deutschland gerade dabei, sich um solche Verbote zu bemühen? Die konservative CDU. Nicht? So gut durchdacht alles ist, so paradox wirkt es auf mich. Insofern kann ich nur einen hochbetagten bayrischen Royalisten zitieren, der mir mal gesagt hat, mehr im Scherz, aber vor dem Hintergrund Ihres schönen Artikels nicht so ganz abwegig: "Die beste Staatsform ist und bleibt die Anarchie - mit einem starken Anarchen an der Spitze."
Chapeau, liebe Daska
Hier gilt analog das, was ich schon Werwohlf erwidert habe. Ein "konservativer" Islam ist etwas völlig anderes als ein Konservatismus Franz-Josef-Straußscher Prägung. Man muß wohl weiter unterscheiden zwischen Konservatismus im eigentlichen Wortsinne von Bewahren und Konservatismus im Sinne von Rückschrittlichkeit (inzwischen oft die AfD, in jedem Fall aber "konservative" Muslime; siehe auch den Beitrag von R.A. zu politischer Nostalgie). Was Konservative heute verteidigen, haben sie (freilich nicht dieselben Personen) in den 60ern bis auf Blut bekämpft: sexuelle Selbstbestimmung der Frau, bestimmte Kleidungsstile...
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #5Man muß wohl weiter unterscheiden zwischen Konservatismus im eigentlichen Wortsinne von Bewahren und Konservatismus im Sinne von Rückschrittlichkeit
Diese Unterscheidung gefällt mir. Ich erinnere mich an eine Professorin, die laut Wikipedia "gut aber konservativ" sei. Darauf angesprochen antwortete sie: "Mei, ich komme aus Donuawörth, aus Schwaben, und die Schwaben werfen nicht leicht weg, wenn sich etwas bewährt hat. Insofern kann ich mit dem Attribut konservativ ganz gut leben."
- Und ich möchte hinzufügen: Sind im Deutschland 2016 die Liberalen mit ihren liberalen Idealen nicht auch als konservativ im eigentlichen Wortsinne zu bezeichnen, während zeitgenössische, "moderne" Politiker eher auf allerlei Regulierung zu drängen scheinen, und somit konservativ im Sinne von rückschrittlich? (zu sehr um die Ecke gedacht?)
Zitat von Daska im Beitrag #6- Und ich möchte hinzufügen: Sind im Deutschland 2016 die Liberalen mit ihren liberalen Idealen nicht auch als konservativ im eigentlichen Wortsinne zu bezeichnen, während zeitgenössische, "moderne" Politiker eher auf allerlei Regulierung zu drängen scheinen, und somit konservativ im Sinne von rückschrittlich? (zu sehr um die Ecke gedacht?)
Falls man sich in einer 'vollkommen liberalen' Gesellschaft befindet, dürfte 'liberal' und 'konservativ' dem Inhalt nach zusammenfallen. Mithin schätzt man das Maß an Freiheit, das die Gesellschaft gestattet und möchte es gern erhalten. Allerdings hätte man gleichzeitig ein Definitionsproblem, da unklar ist, was eigentlich eine 'wirklich liberale' Gesellschaft ist. Grundsätzlich scheint mir, man kann Freiheitskonzepte stets erweitern, bis man gegen die Anarchie konvergiert.
'Liberal' und 'konservativ' scheinen darum keine echten Gegensätze zu sein. Der Gegensatz zum Liberalismus dürfte eher der Dirigismus in ökonomischer bzw. der Paternalismus in politischer und sozialer Hinsicht sein.
Es nennen sich mittlerweile Parteien selbst 'liberal', die im eigenen politischen Konzept in manchen Bereichen Ideen vertreten, die die Freiheit erweitern, in anderen Bereichen jedoch solche, die die Freiheit einschränken. Etwa dergestalt, dass Drogenkonsum weniger stark als bisher reglementiert werden sollte und gleichzeitig der Konsum anderer Güter stärker als bisher reglementiert werden sollte, falls bei ihrer Erzeugung oder Nutzung größere Mengen CO2 freigesetzt werden. Hier vermischen sich Liberalismus und Paternalismus bzw. Dirigismus.
Und schließlich besteht natürlich noch die Möglichkeit, dass diejenigen, die nach Liberalismus streben, dabei ein bestimmtes paternalistisches Bild im Kopf haben, das sie überwinden wollen, aber das Risiko missachten, dass die Freiheit, die sie für alle schaffen, von einigen missbraucht werden könnte, um einen neuen Paternalismus zu errichten, so wie im Artikel geschildert.
Eine wichtige Einsicht scheint zu sein, dass Liberalismus immer auf die Gewährung individueller Freiheit zielt, und sich nicht damit zufrieden geben darf, Freiheitsrechte an Gruppen zu verteilen, wozu man sich Mittelsmännern oder Lobbyisten bedient, die nach Gusto Teile der gewährten Freiheit unterschlagen können, weil sie nach innen ein paternalistisches System pflegen. Statt weitere Freiheiten an fragwürdige Treuhänder zu vergeben, müsste ein liberaler Staat die Individuen im Inneren solcher Systeme auf ihre individuellen Freiheitsrechte hinweisen und sie zu deren Gebrauch ermutigen.
Zitat Kann man gesellschaftlichen Liberalismus „verordnen“, indem man Verbote, etwa von Burkinis, erläßt? Nein, verordnen kann man ihn so nicht, aber man kann ihn, vermutlich nur auf diese Weise, schützen.
Worin genau besteht nach Ihrer Ansicht „gesellschaftlicher Liberalismus“? Darin, daß man einer Frau nicht das Entkleiden sondern das Bekleiden verbietet? Darin, daß man im August 2016 unter den deutschen Wahlberechtigten durchschnittlich vorhandene Maß des Schamgefühls verbindlich festschreibt, und jede Abweichung als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ sanktioniert?
Der Begriff „gesellschaftlicher Liberalismus“ verbirgt einen Irrtum: bezeichnet man Freiheit Als Abwesehenheit von Zwang, so suggeriert die Verwendung des Worts „Zwang“, daß politischer und gesellschaftlicher Zwang ein und dasselbe seien. Das sind sie nicht. Der „politische“ Zwang ist real: die Androhung von Gewalt (Entzug des Eigentums, Gefängnis etc.). Der gesellschaftliche „Zwang“ ist dagegen nur eine Metapher dafür, daß einer versucht, dem anderen zu gefallen und daher vermeidet, was dieser mißbilligen könnte.
Daß „Liberale“ für solche Mechanismen keine „Antennen“ hätten ist eine zweifelhafte Behauptung. Siehe Hayek:
Zitat Vor hundert Jahren, […]in der strengeren moralischen Atmosphäre des viktorianischen Zeitalters […], richtete John Stuart Mill seine heftigsten Angriffe gegen solchen »moralischen Zwang« […] Jedenfalls fördert es die Klarheit, wenn man den Druck, den die öffentliche Zustimmung oder Ablehung ausübt, um die Befolgung von Moralregeln und Konventionen zu sichern, nicht Zwang nennt.
Zitat von Christoph im Beitrag #8 Der gesellschaftliche „Zwang“ ist dagegen nur eine Metapher dafür, daß einer versucht, dem anderen zu gefallen und daher vermeidet, was dieser mißbilligen könnte.
Das scheint mir ein wenig euphemistisch für das in Frage stehende zu sein, lieber Christoph (freut mich, Sie wieder einmal hier zu lesen). Was die von mir im Blog erwähnte junge Frau in Leichtbekleidung davon abhält, durch Neukölln zu flanieren ist ja nicht die Sorge vor Nichtgefallen, sondern vor Pression unterschiedlicher Art, auch physischer, vor der sie weder der Staat noch eine angeblich liberale Gesellschaft angemessen schützt.
Sie argumentieren stringent aus einer liberalen Perspektive heraus. In einem liberalen Paradies (d. h. ohne sozialstaatliche Anreize) wären aber viele der Menschen, gegen die ich glaube "Freiheit westlicher Prägung" verteidigen zu müssen, gar nicht hier. In einem liberalen Paradies, könnte sich zwar jeder niederlassen wo er mag, jedoch nur im Rahmen der Nachfrage, die lokal für sein Befähigungs- und Kompetenzangebot existiert. Wäre dies hier aber so, hätten wir die meisten Probleme, vermutlich einschließlich des von mir im Blog thematisierten, nicht oder zumindest nicht so.
Ich hätte kein Problem mit Verhüllung oder Burkini, wenn dies als rein privater Ausdruck persönlicher Frömmigkeit zu verstehen wäre und nicht als Symbol für einen ausgesprochen missionarisch orientierten Lebensstil. Wenn ich davon ausgehen könnte, daß die Verhüllung nicht die Abwertung des anderen implizierte. Freiheit ist eben mehr als die Abwesenheit von staatlichem Zwang, und Unfreiheit kann gänzlich ohne staatliches Zutun daherkommen.
Mir ist die Angreifbarkeit meiner Position aus liberaler Perspektive durchaus klar. Ich fordere ja nichts anderes als das Unterdrücken eines um sich greifenden muslimischen Konservatismus unter Verwendung ausgesprochen konservativer Methoden (Verbote), und das ganze im Namen von Freiheit. Ich sehe nur keine andere Lösung für den öffentlichen Raum. Es ist mir lieber als die Preisgabe des öffentlichen Raumes im Namen eines "echten" Liberalismus, der oft nichts anderes ist als Permissivität und wehrloses geschehenlassen.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Hermes im Beitrag #7Eine wichtige Einsicht scheint zu sein, dass Liberalismus immer auf die Gewährung individueller Freiheit zielt, und sich nicht damit zufrieden geben darf, Freiheitsrechte an Gruppen zu verteilen, wozu man sich Mittelsmännern oder Lobbyisten bedient, die nach Gusto Teile der gewährten Freiheit unterschlagen können, weil sie nach innen ein paternalistisches System pflegen. Statt weitere Freiheiten an fragwürdige Treuhänder zu vergeben, müsste ein liberaler Staat die Individuen im Inneren solcher Systeme auf ihre individuellen Freiheitsrechte hinweisen und sie zu deren Gebrauch ermutigen.
Zustimmung. Das, lieber Hermes, ist ja genau die Frage jenseits (staatlich) gewährter individueller Freiheiten und der Ermunterung zu ihrem Gebrauch: wie soll man damit umgehen, wenn sich Individuen die Freiheit nehmen, sich zu Kollektiven zusammenzuschließen, sich frei entscheiden, das Individuum gering zu schätzen und unter das Kollektiv zu stellen und schließlich anfangen, anderen ihre Freiheit streitig zu machen? Wer kann nun als Garant für individuelle Freiheit auftreten und jene in die Schranken verweisen als (ausgerechnet!) der Staat? Ein nicht wirklich aufzulösendes Dilemma, scheint mir...
Herzliche Grüße, Andreas
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Im Prinzip ist es ganz einfach: Liberalismus besteht aus zwei Dingen. Freiheit des Individuums und abwehrrechten gegen Übergriffe auf diese Freiheit und diese abwehrrechte müssen, wenn nötig, auch mit staatlicher Gewalt garantiert werden. Bei letzterem haben wir ein größeres Defizit im Bewusstsein, dass dies unabdingbar und nötig ist. Vielleicht ein Erbe der 68er.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
In der Auseinandersetzung mit freiheitsfeindlichen Bestrebungen hat der Liberalismus m. E. Probleme mit Widersprüchen im eigenen Weltbild. Denn die Priorität der persönlichen Freiheit stößt sich leicht mit zwei anderen für Liberale ganz zentralen Prinzipien.
Zum Einen wäre da das Rechtsstaatsprinzip. Im Prinzip ist ja gegen das Tragen einer Burka nicht wirklich etwas einzuwenden. Wenn das als private Mode-Marotte aufgekommen wäre, würde sich auch überhaupt niemand dran stören. Kritisch wird es eben weil man vermuten muß, daß die Burka nicht wirklich freiwillig getragen wird, sondern daß da direkter und indirekter Zwang im Spiel ist. Wobei dieser Zwang im Prinzip natürlich verboten ist. Wer eine Frau gegen ihren Willen zum Burka-Tragen nötigt, macht sich strafbar. Nur daß die Praxis eben zeigt, daß dieser Zwang nicht beweisbar ist. Man muß zwar davon ausgehen, daß beim Burka-Tragen und anderen Sachen kriminelle Hintergründe da sind - aber die rechtsstaatlichen Vorschriften die Gewährleistung der individuellen Freiheit der Trägeriennen im Einzelfall nicht leisten. Weil also der individuelle Schutz am Rechtsstaat scheitert, vertreten dann plötzlich auch Liberale als Generalprävention eine eigentlich illiberale Maßnahme wie das Burka-Verbot.
In leichter Abwandlung geht man mit diesem Verbot auch gegen einen "Mißbrauch" der Meinungsfreiheit vor. Wenn man nämlich die Burka als Symbol für Frauenfeindlichkeit ansieht - das Verbot wäre dann äquivalent zum Hakenkreuz-Verbot. Es geht letztlich um Meinungen die als so krass anti-liberal empfunden werden, daß man ihnen nicht das liberale Recht der normalen Verbreitung lassen möchte.
Zum Anderen hat der Liberalismus ein grundsätzliches Problem mit dem Demokratieprinzip. Nicht alle von einer demokratischen Mehrheit getroffenen Entscheidungen sind legitim - wenn sie persönliche Freiheiten zu sehr einschränken. Die Grenzziehung dafür ist aber hochproblematisch. Sie wird in der Verfassung festgeschrieben und ist dann demokratischer Änderung nicht mehr zugänglich. Und es ist extrem schwer zu argumentieren, warum eine solche Einschränkung legitim sein soll und wer eigentlich die Befugnis hat, sie zu formulieren. Von der reinen Logik her ist "diese Punkte dürfen nicht per Mehrheit geändert werden, weil die verfassungsgebende Versammlung das mehrheitlich so beschlossen hat" keine bessere Begründung als "diese Punkte dürfen nicht gesetzlich eingeschränkt werden, weil Allah das per Koran so festgelegt hat". Es gibt kein Naturgesetz und keine absolute Wahrheit die festlegt, daß die Wertebasis von liberalen Demokratien per se wahrer oder besser ist als die von Nazis, Kommunisten oder religiösen Fanatikern. Sondern irgendwann kommt der Punkt, da kann man nicht mehr rational ableiten, sondern muß aus dem Bauchgefühl oder dem moralischen Empfinden her kategorisch sagen: "Wir haben recht, und ihr nicht". Und das ist vielen Leuten im Westen nicht mehr bewußt.
An den südfranzösischen Stränden (jetzt auch in Korsika) geht es eher um so was hier.
Im Grunde geht es doch um den Schutz der Freiheit des Individuums vor den durch die Gemeinschaft auferlegten Zwängen. Die Freiheit, seine Bekleidung in sehr weiten Grenzen frei wählen zu dürfen, gehört dazu und ist eine relativ junge Errungenschaft in Europa; in der Ständegesellschaft war unstandesgemäße Bekleidung sehr verpönt. Liberalität, wie ich sie verstehe, kann mit einer allgemeinen Bekleidungsvorschrift nicht wirklich vereinbart werden. Wenn man argumentiert, die Verschleierung in geringerer oder extremerer Form sei erzwungener Ausdruck religiöser Zugehörigkeit und wegen des dahinter vermuteten Zwangs zu verbieten, dann macht man sich die Denkweise der Gesinnungswächter zu eigen, die auch hinter an sich mehr oder weniger harmlosen Äußerungen verwerfliches Gedankengut vermuten und, um auf letzterem sicher den Deckel zu halten, auch die Äußerungen lieber summarisch verbieten wollen, bei denen sich mit hinreichender Böswilligkeit etwas Schlimmes dazudenken läßt.
Konkret auf die Burkiniträgerin bezogen soll das Verbot wohl erzieherisch wirken - ganz analog z.B. zu der Öko- und Gendererziehung, die uns unsere von uns beauftragten Oberen angedeihen lassen -, sie zur Auflehnung gegen ihre mehr oder weniger traditionelle oder vielleicht auch nur vom Familienpatriarchen geforderte Ordnung zu ermutigen? Wenn das aus dem einen oder anderen Grund nicht klappen sollte (es gibt schließlich noch andere Gründe dafür, in der Familie Frieden und Einigkeit zu bewahren, als bloße Feigheit oder Unwissenheit), dann läuft das Verbot praktisch auf ein öffentliches Badeverbot für die potentiellen Burkiniträgerinnen hinaus (so wird es übrigens auch in Frankreich offiziell begründet: Vermeidung der Erregung öffentlichen Ärgernisses); inwiefern das ihre Integration, ihr Verständnis für liberale Ideen oder auch nur ihre Lebensfreude fördern soll, bleibt ein Geheimnis.
Zitat von R.A. im Beitrag #12Zum Anderen hat der Liberalismus ein grundsätzliches Problem mit dem Demokratieprinzip. Nicht alle von einer demokratischen Mehrheit getroffenen Entscheidungen sind legitim - wenn sie persönliche Freiheiten zu sehr einschränken.
So gesehen haben alle anderen politischen Doktrinen noch viel mehr Schwierigkeiten mit der Demokratie. Bei den Linken gelten sogar bestimmte Entscheidungen gar nicht aus ihrem demokratisch-verfassungsrechtlich korrekten Zustandekommen heraus als demokratisch, sondern nur wenn sie als im Interesse des "wahren Volkes" empfunden werden. Da dieses "wahre Volk" aber so arg unterdrückt und marginalisiert ist, ist die eigene Partei trotz ihres Minderheitenstatus die einzige demokratische mit dem einzig demokratischen Programm. So ähnlich argumentieren übrigens auch die neuen Rechten.
Ich glaube, was den Liberalismus ausmacht, ist nicht so sehr ein freiheitliches Programm so wie andere ein sozialistisches, islamisches oder orientierungsloses Programm haben, sondern es ist die Auffassung, daß man auch diese Freiheit selber wollen muß, um sie zu verdienen. Das ist mit den anderen Programmatiken nicht so, denn sie funktionieren sogar am besten durch Zwang.
Insofern ist es tatsächlich so, daß in einer liberalen Ordnung allerhand Einfallstore für jene sind, die diese Freiheit abschaffen wollen; sowohl politisch über die "Schwachstelle Demokratie" als auch über den "Mißbrauch von Rechten" wie bei Ihrem Beispiel mit nichtstaatlich erzwungener Kleiderordnung. Das ist aber kein Grund für liberalen Pessimismus, sondern es ist Grund für liberalen Optimismus: Wer die Freiheit nicht will, bekommt sie auch nicht.
Zitat von R.A. im Beitrag #12Es gibt kein Naturgesetz und keine absolute Wahrheit die festlegt, daß die Wertebasis von liberalen Demokratien per se wahrer oder besser ist als die von Nazis, Kommunisten oder religiösen Fanatikern. Sondern irgendwann kommt der Punkt, da kann man nicht mehr rational ableiten, sondern muß aus dem Bauchgefühl oder dem moralischen Empfinden her kategorisch sagen: "Wir haben recht, und ihr nicht". Und das ist vielen Leuten im Westen nicht mehr bewußt.
Das stimmt. Und weil Sie jetzt die Gretchenfrage explizit ansprechen und sich die Parallelen aufdrängen, möchte ich tatsächlich bekennen, woraus sich mein Liberalismus speist. Denn im (apostolischen) Christentum glauben wir, daß Gott jedem seine Liebe anbietet, aber auch jedem die Freiheit läßt, diese Liebe zu verschmähen. Ebenso glauben wir, daß bestimmte Einsichten über den Menschen und uns selbst, über die wir nachsinnen können, uns verraten, was richtig und falsch ist. Diese Einsichten sind etwa das Gefühl, eigenes Handeln selbst willentlich zu wählen oder bestimmte Sehnsüchte und Bedürfnisse (z.B. nach Gemeinschaft, Nahrung usw.) zu haben. Das ist Parallel zum Liberalismus. Zwangsweise Befreiung gibt es nicht, es wäre ein Paradox. In Unfreiheit oder in der Hölle zu landen, ist beides schlecht. Vielmehr noch: Ist zwangsweise Einweisung in den Himmel nicht selbst höllisch? Ebenso überläßt es der Liberalismus dem Denken der Menschen, ihre Bedürfnisse selber zu erkennen und eigenverantwortlich nach ihrer Befriedigung zu suchen.
Interessant in diesem Kontext ist folgendes Zitat:
Zitat von Declaration of Independence We hold these Truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.
Auch hier wird die "self-evidence" letztlich auf Gott geschoben. Nun sind die Gründerväter bekanntlich konfessionell vage geblieben. Sie haben Religion als ein Mittel benutzt, um ein ganzes Bündel von Ideen über menschliches Sein und Zusammenleben zu kommunizieren. Damit schließen sie an die menschliche zivilisatorische Geschichte an, denn nichts anderes tun Religionen, wenn sie ihren Gott oder ihre Götter beschreiben. Dies soll nicht heißen, daß man eine bestimmte Religion haben müsse oder gar religiös sein müsse. Aber man sollte sich über die Bedeutung bewußt sein, wenn jemand eine antiliberale Weltanschauung hat. Das schafft Klarheit.
Zitat von Fluminist im Beitrag #14Konkret auf die Burkiniträgerin bezogen soll das Verbot wohl erzieherisch wirken - ganz analog z.B. zu der Öko- und Gendererziehung, die uns unsere von uns beauftragten Oberen angedeihen lassen -, sie zur Auflehnung gegen ihre mehr oder weniger traditionelle oder vielleicht auch nur vom Familienpatriarchen geforderte Ordnung zu ermutigen? Wenn das aus dem einen oder anderen Grund nicht klappen sollte (es gibt schließlich noch andere Gründe dafür, in der Familie Frieden und Einigkeit zu bewahren, als bloße Feigheit oder Unwissenheit), dann läuft das Verbot praktisch auf ein öffentliches Badeverbot für die potentiellen Burkiniträgerinnen hinaus (so wird es übrigens auch in Frankreich offiziell begründet: Vermeidung der Erregung öffentlichen Ärgernisses); inwiefern das ihre Integration, ihr Verständnis für liberale Ideen oder auch nur ihre Lebensfreude fördern soll, bleibt ein Geheimnis.
Ist halt immer schwierig, wenn reine Lehre, in diesem Fall liberale Lehre, auf Wirklichkeit trifft. Meine Hoffnung, bei sich verschiebenden prozentualen Bevölkerungsanteilen "liberale Ideen und Lebensfreude" durch fröhliches Miteinander vorbildhaft vorleben zu können und die sich zunehmend in konservative Wagenburg zurückziehenden Muslime auf diese Weise überzeugen zu können geht gegen Null und erinnert mich an genau das Phänomen, das ich im Ursprungsbeitrag angerissen habe: Liberalismus, der in einer Permissivität daherkommt, die für Zuwanderer aus autokratischen, religiös-normorientierten und missionarischen Regimes und Kulturen nur als verachtenswerte Submission gedeutet werden kann und am Ende einer Selbstaufgabe nahekommt. Hierauf hat der Liberalismus für mich überhaupt keine zufriedenstellenden Antworten.
Ich bin auch nicht einverstanden mit der von Ihnen angedeuteten Verantwortungsumkehr: aus dem Burkiniverbot können nur die Betroffenen selbst ein da-facto-Badeverbot machen; niemand sonst. Es gibt hier seit vielen Jahrzehnten Zuwanderer aus der Türkei. Jahrzehntelang hat das in Schwimmbädern und anderswo, alles in allem, gut geklappt, und nun, nachdem ein bestimmter prozentualer Bevölkerungsanteil erreicht ist, soll alles anders werden, ansonsten handelt es sich um Diskriminierung? Für mich nicht einsichtig, und viele Liberale lassen sich hier mMn am Nasenring durch die Manege ziehen.
Herzliche Grüße, Andreas
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Zitat von Fluminist im Beitrag #14Im Grunde geht es doch um den Schutz der Freiheit des Individuums vor den durch die Gemeinschaft auferlegten Zwängen. Die Freiheit, seine Bekleidung in sehr weiten Grenzen frei wählen zu dürfen, gehört dazu und ist eine relativ junge Errungenschaft in Europa; in der Ständegesellschaft war unstandesgemäße Bekleidung sehr verpönt. Liberalität, wie ich sie verstehe, kann mit einer allgemeinen Bekleidungsvorschrift nicht wirklich vereinbart werden.
Der Staat hat doch seine Finger längst drin, und zwar durch die Ausweitung seiner Neutralitätspflicht und seines Gleichbehandlungsgrundsatzes auf natürliche und juristische Personen, vulgo Antidiskriminierungsgesetz. Vorschlag: man läßt das Burkaverbot bleiben und kassiert dafür das Gleichstellungsgesetz. Nur so, wenn es mir also erlaubt ist, als privater Träger von Schwimmbädern, mein Hausrecht dahingehend wirksam werden zu lassen, daß auf meinem Grundstück Burkinis verboten sind, wird ein freiheitlicher Schuh draus. Der Wettbewerber darf dann gerne Burkinis zulassen, und alle sind glücklich. Deal? Aber so ist es ja nunmal nicht; der Staat hat die eine Hälfte der Medaille längst unter seinem Nagel, also ist er (aus meiner Sicht) auch in der Pflicht, die andere Hälfte sicherzustellen.
Herzliche Grüße, Andreas
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Zitat von Doeding im Beitrag #16Hierauf hat der Liberalismus für mich überhaupt keine zufriedenstellenden Antworten.
Da stimme ich zu. Es ist wohl eine prinzipielle Eigenschaft des Liberalismus, hier keine großen Lösungen anbieten zu können, weil er eben nicht mit kollektiven Zwängen operieren kann, ohne sich selbst zu verlieren. Was wie zurückziehende Resignation aussieht, ist eben die individualistisch-liberale Reaktion auf den äußeren Druck, das Candidesche il faut cultiver notre jardin, die innere Emigration. Liberale Individualisten sind immer in der Minderheit, selbst wenn sie mehr als 50% der Bevölkerung ausmachen sollten, weil sie keine Menge, sondern ein Anzahl Individuen sind und sich daher nicht so bemerkbar machen wie ein kleiner Prozentsatz ideologischer Schreihälse. Die Frage für den Individualisten ist: wieviel Antiindividualisten in der Gesellschaft und wieviel antiindividualistische Gesetze sind erträglich, bevor ich mich in bessere Gefilde aufmache?
Zitat von Doeding im Beitrag #16Ich bin auch nicht einverstanden mit der von Ihnen angedeuteten Verantwortungsumkehr: aus dem Burkiniverbot können nur die Betroffenen selbst ein da-facto-Badeverbot machen; niemand sonst. Es gibt hier seit vielen Jahrzehnten Zuwanderer aus der Türkei. Jahrzehntelang hat das in Schwimmbädern und anderswo, alles in allem, gut geklappt, und nun, nachdem ein bestimmter prozentualer Bevölkerungsanteil erreicht ist, soll alles anders werden, ansonsten handelt es sich um Diskriminierung? Für mich nicht einsichtig, und viele Liberale lassen sich hier mMn am Nasenring durch die Manege ziehen.
Jahrzehntelang war die Türkei ein absolut säkularer Staat. - Aber Sie schreiben von Diskriminierung, nicht ich. Auch liegt mir gar nichts daran, die "Verantwortung" in irgendeine Ecke zu fegen. Ich sehe das ganz konkret auf das Individuum bezogen. Die Frau mit Burkini würde gerne an den Strand gehen, aber mit Burkini darf sie nicht, ohne Burkini will oder darf sie nicht. Das ist doch eine klares Dilemma. Wenn sie nicht (was die wahrscheinlichste Lösung ist) zuhause hocken bleibt, dann muß sie eines der Verbote anfechten - warum sollte es ausgerechnet das ihr vertrautere sein?
Zitat von Doeding im Beitrag #17Nur so, wenn es mir also erlaubt ist, als privater Träger von Schwimmbädern, mein Hausrecht dahingehend wirksam werden zu lassen, daß auf meinem Grundstück Burkinis verboten sind, wird ein freiheitlicher Schuh draus. Der Wettbewerber darf dann gerne Burkinis zulassen, und alle sind glücklich. Deal?
Richtig - aus der konsequenten Anwendung des privateigentümlichen liberalen Prinzips ergibt sich, wenn die gemeinsame kulturelle Basis fehlt, ein fragmentiertes System von Parallelgesellschaften in gated communities.
Zitat von Doeding im Beitrag #17Nur so, wenn es mir also erlaubt ist, als privater Träger von Schwimmbädern, mein Hausrecht dahingehend wirksam werden zu lassen, daß auf meinem Grundstück Burkinis verboten sind, wird ein freiheitlicher Schuh draus. Der Wettbewerber darf dann gerne Burkinis zulassen, und alle sind glücklich. Deal?
Richtig - aus der konsequenten Anwendung des privateigentümlichen liberalen Prinzips ergibt sich, wenn die gemeinsame kulturelle Basis fehlt, ein fragmentiertes System von Parallelgesellschaften in gated communities.
Zugegeben, eine unschöne Vorstellung. Wenn dies jedoch das Endergebnis unter konsequenter Anwendung des privateigentümlichen Prinzips wäre, dann wird es das auch ohne dessen Anwendung sein. Es dauert nur länger und ist konfliktreicher.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #16erinnert mich an genau das Phänomen, das ich im Ursprungsbeitrag angerissen habe: Liberalismus, der in einer Permissivität daherkommt, die für Zuwanderer aus autokratischen, religiös-normorientierten und missionarischen Regimes und Kulturen nur als verachtenswerte Submission gedeutet werden kann und am Ende einer Selbstaufgabe nahekommt. Hierauf hat der Liberalismus für mich überhaupt keine zufriedenstellenden Antworten.
Wer aus diesen Regierungssystemen kommt, kennt aber das Werben um eine andere Lehre nicht. Der Unterschied zwischen Liberalismus und Submission ist die Werbung. Wenn man mit den ach so frommen Menschen ins Gespräch kommt, dann merkt man, daß das oft ziemlich arme Schweine sind, weil sie nicht nach ihrem Willen und Wohlbefinden handeln sondern auch nur aus Druck. Für sie selber stellt es sich aber als Teilhabe dar. Das ist so ähnlich wie ein Stockholm-Syndrom.
Zu den korsischen Vorgängen ist Le Monde im Ggs. zum Figaro kulturunsensibel genug, die Leser mit unnötigen Einzelheiten zu beunruhigen.
Zitat L’un d’eux, d’origine tchèque mais résidant de longue date à Sisco, a reçu deux flèches de fusil-harpon tandis que son propre fils était battu. Ces deux personnes étaient, dimanche, toujours surveillées au centre hospitalier de Bastia en raison de leurs blessures. De source judiciaire, leurs jours ne seraient pas « en danger ».
Zitat "Le ton est monté", "les gens du village sont descendus", a ajouté la jeune fille selon laquelle les pneus de plusieurs de leurs voitures ont été éclatés par des femmes maghrébines tandis que les villageois ont renversé une voiture et incendié deux autres véhicules appartenant à des membres de la communauté maghrébine.
Trois véhicules ont été incendiés, provoquant de fortes perturbations de la circulation et un début de feu de végétation rapidement circonscrit", a précisé M. Cazeneuve, condamnant ces violences et appelant au calme.
daß die drei fotogen auf Rigaer94-Standard nachgerüsteten Mobile auf Kosten der autochthonen Jugend gehen, nachdem die Mädchenblüte des Maghrebs zuvor ihre Akupunkturprüfung abgelegt hatte.
Nun haben die korsischen Insulaner den Ruf einer gewissen archaischen Hartleibigkeit (was auch der Kölsche Jung Theodor I. schmerzlich erfahren mußte); und die 67 erhaltenen Türme der Torregiana mit den damit verbundenen Altweibergeschichten waren der Etablierung des willkommenskulturellen Narrativs womöglich leicht hinderlich.
Zitat "Le ton est monté", "les gens du village sont descendus", a ajouté la jeune fille selon laquelle les pneus de plusieurs de leurs voitures ont été éclatés par des femmes maghrébines tandis que les villageois ont renversé une voiture et incendié deux autres véhicules appartenant à des membres de la communauté maghrébine.
Trois véhicules ont été incendiés, provoquant de fortes perturbations de la circulation et un début de feu de végétation rapidement circonscrit", a précisé M. Cazeneuve, condamnant ces violences et appelant au calme.
[...]
Nun haben die korsischen Insulaner den Ruf einer gewissen archaischen Hartleibigkeit [...]
Hehe. Stichwort Hartleibigkeit: Im Gegenzug haben die Römer es geschafft, ihr ganzes Imperium, flächendeckend, kulinarisch komplett einzunorden. Gleichsam als Vorlauf späterer kulturimperialistischer Barbareien*. Fischsauce. Die dann ausnahmslos über alles & jedes, süß, sauer, gebacken, literweise gekübelt wurde. Marke Spezial-mit-alles.
Zitat von "Garum (auch Liquamen)"Garum erfreute sich in der römischen Küche größter Beliebtheit. ... Garum war eine Flüssigkeit, die dadurch entstand, dass man Fische wie Thunfisch, Europäische Sardelle, Aal, Makrele und andere einschließlich ihrer Eingeweide mit Salzlake vermischte und in offenen Becken teilweise monatelang der Sonne aussetzte. Dabei wurde das Fischeiweiß durch in den Eingeweiden enthaltene Enzyme abgebaut. Bei konstant gehaltener Temperatur von ca. 40 °C ist die Fermentation nach ca. einer Woche abgeschlossen.
Mit einer auch schon verschollenen hibbeligen Popikone zu sprechen: *Björk*. Wiki irrt übrigens leicht:
Zitat Dieses Gemisch wurde dann ausgepresst und mehrfach gefiltert, bis man eine klare, bernsteinfarbene Flüssigkeit erhielt.
"Garum" meint die vergorene Pampe; der filtrierte Sud trägt die Bezeichnung "liquamen". Um einen Fachmann zu zitieren:
Zitat I know of only one British academic who has tried to make garum: Clive Bridger, the keeper of antiquities at Xanten in Germany. In their quiet village house near the Rhine, Clive and his wife Kersten offered me a Roman meal that was historically accurate in almost every respect. [...] The fish sauce was from Indonesia, and it was from a bottle. What? I asked, no proper garum? "The last time I tried making garum," said Clive, "was at university. I did it in a rubbish bin. It was a disaster. I made the whole house completely uninhabitable." ... What dies this teach us, given that garum was probably, if not disgusting, at least an acquired taste? Across the Roman world,, people were becoming conditioned not just to want Roman citizenship, but to adore the same foul-smelling fish mulch that the Romans put on their food. It was a kind of Euro-ketchup. It is harmonization without regulation. The conquered people were not forced to eat garum; of course not. But garum was a distinguished feature of Roman life. (Boris Johnson, The Dream of Rome, 2006, 148-50)
Boris Johnson? Der Boris Johnson? Genau der Boris Johnson. Es gibt nur einen Boris Johnson. Es kann nur einen geben.
* Wobei Ketchup - ket-siap - hübscherweise gar keine amerikanische Erfindung ist, sondern eine chinesische. Und zwar, hehe, Fischsauce. Während Chop Suey in Amerika entstanden ist.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
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