Wenn ein Einzelner alles, was um und über ihn gesagt wird, als Angriff auf sich versteht, dann würde man ihn wohl ohne Beleidigungsabsicht an den Psychologen seines Vertrauens verweisen. Wenn ein derartiger Befindlichkeitsfuror zur ideologischen Monstranz einer gesamten - ja, was? - Gruppe, Bewegung wird und die politische Mitte dem im besten Fall sprachlos, im schlechtesten Fall wohlwollend gegenübersteht, dann ist etwas faul im Staate nicht nur Dänemarks.
Weltuntergangsstimmung soll hier nicht verbreitet werden. Aber es wird meines Erachtens Zeit, dass diejenigen, denen an unserer Freiheit etwas liegt, den totalitären Irrsinn auch dann als solchen bezeichnen, wenn er sehr studentisch, sehr egalitär und sehr links daherkommt.
Zitat von Noricus im Beitrag #1Wenn ein Einzelner alles, was um und über ihn gesagt wird, als Angriff auf sich versteht, dann würde man ihn wohl ohne Beleidigungsabsicht an den Psychologen seines Vertrauens verweisen. Wenn ein derartiger Befindlichkeitsfuror zur ideologischen Monstranz einer gesamten - ja, was? - Gruppe, Bewegung wird und die politische Mitte dem im besten Fall sprachlos, im schlechtesten Fall wohlwollend gegenübersteht, dann ist etwas faul im Staate nicht nur Dänemarks.
Weltuntergangsstimmung soll hier nicht verbreitet werden. Aber es wird meines Erachtens Zeit, dass diejenigen, denen an unserer Freiheit etwas liegt, den totalitären Irrsinn auch dann als solchen bezeichnen, wenn er sehr studentisch, sehr egalitär und sehr links daherkommt.
Ein äußerst lesenswerter Text, lieber Noricus. Ebenso der "lange aber lesenswerte" Text auf Zeit Online, auf den Du verlinkt hast. Ich habe mich vor einiger Zeit ja auch einmal an dem Thema versucht, es jedoch auf den individuell-emotionalen Aspekt ("Gefühlsfetisch") verengt. Ich glaube, Du hast recht: was wir hier sehen ist das zentrale Einfallstor eines neuen Totalitarismus, der das gegenwärtig noch in Deutschland dominierende Thema der "einfachen Diskriminierung" (ganz zu schweigen von temporären Nebenthemen wie Energiewende oder Klimarettung) mit einer Verzögerung von vielleicht einem Jahrzehnt wie ein Sandsturm überrollen wird. Und wie der Deutsche das in solchen Fällen so macht: alles gründlicher und besser als der Rest der Welt. Schon 1968 waren die Unis der Ausgangspunkt für jenen Weg durch die Institutionen einer meinungsbildenden Elite, unter der wir noch heute leiden. Analoges geschieht heute.
Ich kann mich noch gut an ein Seminar in meinem Studium erinnern, es muß 1996 gewesen sein. Es sollte um kulturvergleichende Befunde ("Rasseunterschiede") zur Intelligenzverteilung des deutsch-britischen Psychologen Hans-Jürgen Eysenck gehen. Zu Beginn der Veranstaltung wollte der ASTA eine Art Plädoyer halten, daß das alles ganz rassistisch, Eysenck politisch ohnehin diskreditiert sei (er ist vor den Nazis aus Deutschland geflohen!), und es sollte ein "Appell" an den Prof gerichtet werden, diese Veranstaltung abzusagen. Fast alle Studenten haben sich deutlich gegen dieses Vorgehen gewehrt; man wollte die Befunde hören und (durchaus methodenkritisch) diskutieren. Der Prof hat die dann, unter dem Beifall fast aller Studenten, rausgeschmissen und wir haben unser Seminar abgehalten. Ich fürchte, daß eine solche Auseinandersetzung heute nicht nur ein anderes Ergebnis zeitigte, sondern daß Eysenck inzwischen längst vom Lehrplan entfernt worden ist.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #2Ich habe mich vor einiger Zeit ja auch einmal an dem Thema versucht, es jedoch auf den individuell-emotionalen Aspekt ("Gefühlsfetisch") verengt.
Danke, lieber Andreas, für diesen Hinweis. Ich hatte Deinen Text bei seiner Veröffentlichung gelesen, aber ihn tatsächlich eher als ein individual- als ein sozialpsychologisches Phänomen verortet. Vielleicht ist an der victimhood culture ja gerade die Vermischung von (gefühltem) gesellschaftlichen Missstand und empfundener individueller Betroffenheit das Verstörende. Frühere emanzipatorische Bewegungen abstrahierten vom Einzelschicksal und stellten auf die Benachteiligung aufgrund unsachlicher Kriterien ab. Dies erlaubte einen sachlichen Diskurs, während der heutige Beleidigtheitseifer eine rationale Auseinandersetzung verunmöglicht, frei nach dem Motto: Wer sich gekränkt fühlt, hat Recht.
Zitat von Doeding im Beitrag #2Ich kann mich noch gut an ein Seminar in meinem Studium erinnern, es muß 1996 gewesen sein. Es sollte um kulturvergleichende Befunde ("Rasseunterschiede") zur Intelligenzverteilung des deutsch-britischen Psychologen Hans-Jürgen Eysenck gehen.
Ich habe einst (dies ist sicher auch schon zwei Jahrzehnte her) ein Buch von Eysenck gelesen, dessen Titel mir entfallen ist, in dem es meiner Erinnerung nach darum ging, dass es nicht die eine richtige Kindererziehung gibt, sondern bei dem einen Kind mit einem verbalen Tadel das Auslangen zu finden ist, während das andere Kind die körperliche Züchtigung benötigt, um nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Wenn man heute davon schreibt, klingt dies alles politisch ziemlich unkorrekt. Seinerzeit empfand ich den Standpunkt des Autors als dezidiert, aber im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses vertretbar. In den letzten 20 Jahren hat sich das Spektrum der "zulässigen" Meinungsäußerungen (so ein von den linken Totalitären gerne gebrauchter Ausdruck) offenbar verengt.
Zitat von Doeding im Beitrag #2es muß 1996 gewesen sein. Es sollte um kulturvergleichende Befunde ("Rasseunterschiede") zur Intelligenzverteilung des deutsch-britischen Psychologen Hans-Jürgen Eysenck gehen.
Daran haben sich dann, 1975ff., bruchlos die ebenso extremen Haßviertelstunden gegen Edward O. Wilson nach der Publikation von "Socioobiology: The New Synthesis" angeschlossen.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Noricus im Beitrag #1Es ist ein Problem der westlichen Politiklandschaften, dass Personen wie die vorgenannten derzeit die Einzigen sind, die sich dem Wahnwitz der victimhood culture glaubwürdig in den Weg stellen.
Tun sie doch gar nicht, lieber Noricus. Sie schaffen nur eine neue Kategorie "Opfer" und "Täter" und übertreffen die institutionalisierten Minderheiten in schöner Regelmäßigkeit an Jämmerlichkeit (oder "Mimimi", wie es R.A. so treffend formuliert hat). Die Täter sind vor allem die etablierte politische Klasse incl. Lügenpresse, und das Opfer ist die Nation und diejenigen, die sich offensiv und exklusorisch zu ihr bekennen.
Zitat Trump and Sanders have built their campaigns around a victim mentality, which – as Rubio, Bush, and likely Kasich, found and will find out too late — is the most powerful campaign tool for 2016. Apparently, it’s not sunny days and optimism that get people fired up. Instead, as rhetorician Kenneth Burke theorized in the 20th century, the strongest way to unite people is to give them a common enemy. For President Obama, it was George W. Bush. For Trump and Sanders, it’s the entire system.
Zitat Elle serait victime d’une "campagne de diffamation d’Etat", orchestrée par Manuel Valls… A trois jours du second tour des régionales, Marine Le Pen s’est de nouveau victimisée jeudi soir, agitant une théorie du complot, lors d’une réunion des têtes de listes de son parti salle Wagram à Paris, pour un dernier meeting de campagne à la tonalité exclusivement nationale.
Zitat von Noricus im Beitrag #1Es ist ein Problem der westlichen Politiklandschaften, dass Personen wie die vorgenannten derzeit die Einzigen sind, die sich dem Wahnwitz der victimhood culture glaubwürdig in den Weg stellen.
Tun sie doch gar nicht, lieber Noricus. Sie schaffen nur eine neue Kategorie "Opfer" und "Täter" und übertreffen die institutionalisierten Minderheiten in schöner Regelmäßigkeit an Jämmerlichkeit (oder "Mimimi", wie es R.A. so treffend formuliert hat). Die Täter sind vor allem die etablierte politische Klasse incl. Lügenpresse, und das Opfer ist die Nation und diejenigen, die sich offensiv und exklusorisch zu ihr bekennen.
Zitat Trump and Sanders have built their campaigns around a victim mentality, which – as Rubio, Bush, and likely Kasich, found and will find out too late — is the most powerful campaign tool for 2016. Apparently, it’s not sunny days and optimism that get people fired up. Instead, as rhetorician Kenneth Burke theorized in the 20th century, the strongest way to unite people is to give them a common enemy. For President Obama, it was George W. Bush. For Trump and Sanders, it’s the entire system.
Zitat Elle serait victime d’une "campagne de diffamation d’Etat", orchestrée par Manuel Valls… A trois jours du second tour des régionales, Marine Le Pen s’est de nouveau victimisée jeudi soir, agitant une théorie du complot, lors d’une réunion des têtes de listes de son parti salle Wagram à Paris, pour un dernier meeting de campagne à la tonalité exclusivement nationale.
Wo ist die VT, wenn ich feststelle, dass die von Noricus angesprochene victim culture weniger vom politischen Lager abhängt, sondern offensichtlich ein allgemeines Phänomen in der politischen Auseinandersetzung unserer Zeit ist?
Wo ist die VT, wenn ich feststelle, dass die von Noricus angesprochene victim culture weniger vom politischen Lager abhängt, sondern offensichtlich ein allgemeines Phänomen in der politischen Auseinandersetzung unserer Zeit ist?
Gruß Petz
Kann ich nicht erkennen. Außer... jetzt wo Du es sagst... ich fühle mich zutiefst verletzt und getriggert von dem was Du schreibst...BELEIDIGT von dieser impertinenten Form der Fragestellung...eine UNVERSCHÄMTHEIT, auch gegenüber Menschen, die genauso empfinden wie ich...Behinderte vielleicht oder sonstwie Benachteiligte...weißt Du eigentlich was Du damit bei mir und bei andere Benachteiligten ausgelöst hast??!! SHAME. ON. YOU.
Soll heißen: ist kein "allgemeines Phänomen", sondern ein spezifisches, lieber Petz.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat Außer... jetzt wo Du es sagst... ich fühle mich zutiefst verletzt und getriggert von dem was Du schreibst...BELEIDIGT von dieser impertinenten Form der Fragestellung...eine UNVERSCHÄMTHEIT, auch gegenüber Menschen, die genauso empfinden wie ich...Behinderte vielleicht oder sonstwie Benachteiligte...weißt Du eigentlich was Du damit bei mir und bei andere Benachteiligten ausgelöst hast??!! SHAME. ON. YOU.
Moment mal, ich schau noch mal nach.
Zitat Trump, Marine Le Pen, Strache und Hofer, Petry
Nein, Du kommst gar nicht da vor. Le Pen habe ich bereits wörtlich zitiert, dass sie sich einer staatlichen Defamationskampagne ausgesetzt sieht. Trump sieht jetzt schon eine Wahlbetrug voraus für den Fall, dass er nicht gewinnt: http://www.politico.com/story/2016/08/do...election-226588
Zitat Außer... jetzt wo Du es sagst... ich fühle mich zutiefst verletzt und getriggert von dem was Du schreibst...BELEIDIGT von dieser impertinenten Form der Fragestellung...eine UNVERSCHÄMTHEIT, auch gegenüber Menschen, die genauso empfinden wie ich...Behinderte vielleicht oder sonstwie Benachteiligte...weißt Du eigentlich was Du damit bei mir und bei andere Benachteiligten ausgelöst hast??!! SHAME. ON. YOU.
Moment mal, ich schau noch mal nach.
Zitat Trump, Marine Le Pen, Strache und Hofer, Petry
Nein, Du kommst gar nicht da vor. Le Pen habe ich bereits wörtlich zitiert, dass sie sich einer staatlichen Defamationskampagne ausgesetzt sieht. Trump sieht jetzt schon eine Wahlbetrug voraus für den Fall, dass er nicht gewinnt: http://www.politico.com/story/2016/08/do...election-226588
Gruß Petz
Ja. Und wird das jetzt Konsens? An den Hochschulen? Bei den Journalisten in ihrer Mehrheit? Bei der Antifa? Bei Kleber und Slomka? Der Vergleich hinkt nicht nur, er hat ein abbes Bein.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Ein hervorragender Artikel, lieber Noricus, und das meine ich wortwörtlich so. Der verlinkte Artikel aus der Zeit ist ebenso ausgezeichnet (fast unerwartet heute noch in der Zeit eine so gute journalistische Arbeit zu finden).
Allerdings ist das Thema beängstigend. Geradezu erschreckend. Als ich vor knapp 20 Jahren studiert habe, waren auch die Grundzüge dessen schon an den Unis erkennbar, wenn auch noch in den Kinderschuhen. Das Binnen-I tauchte so dann und wann auf, die erste Kampagnen und Unterschriftenlisten wurden gefahren und die fachliche Qualifikation von Kandidaten für die Professorenauswahl war nicht mehr alleiniges Kriterium für die Berufung. Heute sind wir offenkundig deutlich weiter.
Ich frage mich an der Stelle was der Grund dafür ist, warum diese Bewegung erst durch die letzten 10 oder 20 Jahre soviel Fahrt aufgenommen hat, die 68er gabs schliesslich schon ein bischen länger und dennoch war deren Weltrevolution eher in den sozialwissenschaftlichen Fächer stecken geblieben. Ist es Jugendromantik ? Oder gesellschaftliche Dekadenz in einer Zeit, wo echte Armut kaum noch existiert ? Ist es die Suche nach Herausforderungen in einer Welt, die viele der tatsächlichen Probleme wie Armut, Umweltverschmuzung, Kriege, Seuchen schon weitgehend (und schon recht erfolgreich) bekämpft hat ? Oder ist es tatsächliche die politische Mitte, die nicht mehr in der Lage ist, eigene Vorstellungen entgegenzusetzen und insofern nur noch reagieren aber nicht mehr agieren kann ?
Zitat von Llarian im Beitrag #11Ich frage mich an der Stelle was der Grund dafür ist, warum diese Bewegung erst durch die letzten 10 oder 20 Jahre soviel Fahrt aufgenommen hat, die 68er gabs schliesslich schon ein bischen länger und dennoch war deren Weltrevolution eher in den sozialwissenschaftlichen Fächer stecken geblieben.
Vielleicht nicht zuletzt weil "wir" es zulassen, lieber Llarian? Noricus hat ja durch die ausnehmend ansehnliche Blume seiner Schreibe eine krachende Kritik am (liberalen) Bürgertum abgelassen, gerichtet also an Dich und mich. Und ich glaube, daß da was dran ist. Man könnte mehr tun. Viel mehr. Klar, wir (ich bleibe jetzt mal für den Moment bei dem ansonsten problematischen "wir") schreiben hier und meckern, aber ansonsten ziehen "wir" uns auf die Standardargumente zurück: irgendwer muß den ganzen Rotz schließlich mit seinen Steuergeldern finanzieren; wir sind beruflich und familiär eingebunden blabla. Außerdem will das liberale Bürgertum in Ruhe gelassen werden und sein Leben leben. Wir werden aber ganz und gar nicht in Ruhe gelassen. Und eigentlich sind diese Argumente auch alle nicht stichhaltig. Wenn es so sehr um die Wurst geht wie wir oft sagen, dann wäre ein sehr viel deutlicheres und zeitraubenderes Engagement gegen diese Entwicklungen kein zu hoher Preis. Selbst wenn man dann weniger Zeit für die Familie hätte, denn um die, insbesondere um die Lebensverhältnisse der eigenen Kinder und Enkel, geht es hier schließlich. Machen "wir" aber nicht. Ich bin nicht mal Mitglied einer Partei. Ich trete nicht z. B. der FDP bei, um meinen winzigen Einfluß geltend zu machen, dieser Partei eine etwas vernünftigere Richtung zu geben. Und da das "keiner" macht, bleibt alles wie es ist. Und das haben uns diese neuen Linken mit ihren totalitären Ansichten schlicht voraus. Sie engagieren sich, sie agitieren, sie netzwerken, sie nutzen und vergrößern ihren Einfluß. Sie wissen nicht nur was sie wollen, sie setzen sich auch mit Herzblut dafür ein.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat Auf der Titelseite einer neuen Ausgabe von Kants Kritik der reinen Vernunft heißt es: "Bevor sie ihnen erlauben, dieses klassische Werk zu lesen, sollten Eltern mit ihren Kindern besprechen, wie sich die Sicht auf Themen wie Rasse, Geschlechterrolle, Sexualität, Ethnizität und interpersonelle Beziehungen verändert hat, seit dieses Buch geschrieben wurde."
Die Kinder, die gerne die KrV lesen möchten und denen ich dann als Erziehungsberechtigter ein vorbereitendes Gespräch über Geschlechterrollen und anderes Gedöns aufzudrängen habe, möchte ich gerne sehen - ebenso gerne aber diese neue Ausgabe. Kann vielleicht jemand die Existenz dieser dezent bowdlerisierten Ausgabe bestätigen?
Zitat von DrNick im Beitrag #13Aus dem Zeit-Artikel:
Zitat Auf der Titelseite einer neuen Ausgabe von Kants Kritik der reinen Vernunft heißt es: "Bevor sie ihnen erlauben, dieses klassische Werk zu lesen, sollten Eltern mit ihren Kindern besprechen, wie sich die Sicht auf Themen wie Rasse, Geschlechterrolle, Sexualität, Ethnizität und interpersonelle Beziehungen verändert hat, seit dieses Buch geschrieben wurde."
Die Kinder, die gerne die KrV lesen möchten und denen ich dann als Erziehungsberechtigter ein vorbereitendes Gespräch über Geschlechterrollen und anderes Gedöns aufzudrängen habe, möchte ich gerne sehen - ebenso gerne aber diese neue Ausgabe. Kann vielleicht jemand die Existenz dieser dezent bowdlerisierten Ausgabe bestätigen?
Die Lösung deutet sich zwei Sätze vorher im ZEIT-Aufsatz an:
Zitat In Yale verlangen sie ein Verbot des Kurses "Wichtige englische Poeten", er behandle nur weiße männliche Autoren wie Shakespeare und T. S. Eliot. An der New Yorker Columbia University bestehen Aktivisten auf Warnhinweisen auf griechischen Klassikern wie Ovids Metamorphosen, Grund: Der Inhalt sei "verstörend". Die Uni lehnte ab, doch ein Schulbuchverlag hat schon Konsequenzen gezogen.
Es geht also um US-Verhältnisse. Und um diese Ausgabe: Kant's Critiques (alle 3), Wilder Publications, 2008.
Zitat von Open Culture, March 20th, 2014Take the above omnibus edition of “Kant’s Critiques” printed by Wilder Publications in 2008. The publisher, with either kind but painfully obtuse motives, or with an eye toward pre-empting some kind of legal blowback, has seen fit to include a disclaimer at the bottom of the title page:
This book is a product of its time and does not reflect the same values as it would if it were written today. Parents might wish to discuss with their children how views on race, gender, sexuality, ethnicity, and interpersonal relations have changed since this book was written before allowing them to read this classic work.
Es handelt sich übrigens um eine unkommentierte Parallelausgabe der drei Kritiken: links Deutsch, rechts Amerikanisch, 624 S. Nicht weiter bowdlerisiert. Es handelt sich um einen schlichten Warnhinweis, um den Vertreiber gegenüber notorischen Querulanten aus der Schusslinie zu nehmen. Sonst kommt es zu Rückrufaktionen wie bei Lidl im Großen Britannien.
Zitat von FOCUS. 02.08.2016In Großbritannien ruft die deutsche Discounter-Kette "Lidl" Joghurt und Nüsse zurück. Der Grund klingt absurd: Auf den Verpackungen ist nicht in Englisch angegeben, dass die Produkte Milch, beziehungsweise Nüsse enthalten.
Amerika, du hast es besser. Zu Breschnew-Zeiten haben wir gelernt, daß Moskauer Taxifahrer den ganzen Tag mit Puschkin-Lesen beschäftigt sind. Jetzt wissen wir, daß man hinterm Großen Teich am Frühstückstisch Kant diskutiert.
Übrigens nix gegen Thomas Bowdler. Den haben schon die Zeitgenossen id Luft zerrissen. Seine Rechtfertigung für die Auslüftung des "Family Shakespeare" (zT sind da ganze Szenen ersatzlos gestrichen), war, daß damit die Essenz, die Dramatik dieses Werks auch denen zugänglich würde, denen man das aufgrund der Grobheiten sonst komplett vorenthalten müsste.
Zitat von The Family Shakespeare, 1819, PrefaceMany words and expressions occur which are of so indecent Nature as to render it highly desirable that they should be erased. Of these the greater part were evidently introduced to gratify the bad taste of the age in which he lived, and the rest may perhaps be ascribed to his own unbridled fancy. But neither the vicious taste of the age not the most brilliant effusions of wit can afford an excuse for profaneness or obscenity ... My great objects in the undertaking are to remove from the writings of Shakespeare some defects which diminish their value, and at the same time to present to the public an edition of his plays which the parent, the guardian and the instructor of youth may place without fear in the hands of his pupils, and from which the pupil may derive instruction as well as pleasure.
Das ersetzt u.a. alle Expletive "God!" durch "Heavens!", wirft Doll Trearsheet aus Heinrich IV, T. 2 &, more to the point, ersetzt in Romeo & Julia Mercutios "the bawdy hand of the dial is now upon the prick of noon" durch "the hand of the dial is now upon the point of noon". Wenn man sich 1x eine ordentlich kommentierte Ausgabe nimmt - oder einen Blick etwa in Eric Partridges Shakespeare's Bawdy (1947) oder die massiven 3 Bände von Stewart Gilberts A Dictionary of Sexual Language and Imagery in Shakespearean and Stuart Literature (1996-2001) wirft, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Gerade auch ein Stück wie "Romeo & Juliet" steckt dermaßen voll Un-an-sständichkeitn . Die Forschung zu W.S. geht heute davon aus, daß es keinen feststehenden Aufführungstext gab, sondern die Praxis je nach Publikum variiert wurde: bei Auftritten vor adlig oder sonstwie büldungsmäßig beschlagenem Publikum die Pirouetten auf antikischen Anspielungen; bei den Sommertouren über die Landgasthöfe mehr Rüpel- & Falstaff-Szenen.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Doeding im Beitrag #12eine krachende Kritik am (liberalen) Bürgertum abgelassen, gerichtet also an Dich und mich. Und ich glaube, daß da was dran ist. Man könnte mehr tun. Viel mehr. [...] will das liberale Bürgertum in Ruhe gelassen werden und sein Leben leben.
Ich persönlich denke, dur triffst hier einen wesentlichen Punkt.
Vor einiger Zeit klärte sich für mich in einem Austausch mit dem Werwohlf das, was ich persönlich als Wesenskern des Liberalismus ausmache und was mich sehr für ihn einnimmt. Der Werwohlf sagte mir damals nach einigem Austausch:
Zitat Das, was für Dich, wenn ich es richtig verstanden habe, ein Kernpunkt liberaler Wesensart ist, ist die Mäßigung in Anspruch und Umsetzung.
Und er hat damit, was meine Person betrifft, zu 100% getroffen. Ich möchte es auch einmal komplementär und sehr pointiert und herausfordernd formulieren: "Derjenige, der nicht in Ruhe gelassen werden will und andere in Ruhe lässt kann kein Liberaler sein."
Mit anderem Worten, lieber Andreas, hast du vielleicht ein dem Liberalismus inhärentes Problem beschrieben und nicht persönliche Faulheit oder auch mangelnden Druck, der zur "Umsetzung der eigenen Ideen zwingt". Und vielleicht und da fange ich wieder an zu spekulieren, sind es daher auch nicht die Liberalen, die gegen die neue "totalitäre Linke" aufbegehren, sondern Konservative und Nationale. Insofern ist Noricus Frage am Schluß, warum ausgerechnet Konservative und Nationale die neuen Totalitären erkennen, möglicherweise die falsche Frage. Sie müßte eher lauten, warum wehren sich die Konservativen und Nationalen gegen den neuen Totalitarismus und nicht die Liberalen und den versuch einer Antwort darauf, habe ich gerade gegeben.
Die Frage ist nur, welchen Schluß sollte man als liberal gesinnter Mensch daraus ziehen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Trotdem führte ich ja zum Beispiel mit Petz hier im Forum schon sehr emotionale Diskussionen darüber. Es ist mir alles ein Graus.
Eine gute Freundin sagt über mich, ich sei extrem Intolerant. Andere können diese Einschätzung überhaupt nicht nachvollziehen. Meine Freundin macht ihre Einschätzung an meiner strikten Ablehnung bestimmter zwischenmenschlicher Axiome fest. Diejenigen, die ihr in meiner Einschätzung nicht folgen können, machen ihre eigene Einschätzung daran fest, dass ich Leute sein lasse, wie sie sind. Das ist, habe ich mir überlegt, wohl "liberale Intoleranz": Wenn ich jemanden für einen unagenehmen Dummschwätzer halte, gebe ich ihm das deutlich zu verstehen und lasse ihn links liegen aber ich habe kaum ein Bedürfnis ihn zu ändern oder ihm zu erklären, dass ich klüger bin. Es würde mich nicht glücklicher machen und er darf seinen eigenen Weg zum Glück suchen.
Im Zwischenmenschlichen kann man solche Menschen nun einfach stehen lassen, wenn sie vereinahmend werden. Im Politischen leider nicht und das ist für einen liberalen Überzeugungstäter ein großes Problem.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #15 Mit anderem Worten, lieber Andreas, hast du vielleicht ein dem Liberalismus inhärentes Problem beschrieben und nicht persönliche Faulheit oder auch mangelnden Druck, der zur "Umsetzung der eigenen Ideen zwingt". Und vielleicht und da fange ich wieder an zu spekulieren, sind es daher auch nicht die Liberalen, die gegen die neue "totalitäre Linke" aufbegehren, sondern Konservative und Nationale. Insofern ist Noricus Frage am Schluß, warum ausgerechnet Konservative und Nationale die neuen Totalitären erkennen, möglicherweise die falsche Frage. Sie müßte eher lauten, warum wehren sich die Konservativen und Nationalen gegen den neuen Totalitarismus und nicht die Liberalen und den versuch einer Antwort darauf, habe ich gerade gegeben.
Ja, ich denke daß das so ist. Eine Lösung für dieses Dilemma sehe ich auch nicht. Außer halt daß man für sich selber klärt, ob und welches Engagement man für sich vertreten kann und will.
Ich sehe aber eine Gefahr (und an dieser Stelle hat Petz einen großen Punkt für sich): daß man sich mit den Deutschnationalen vielleicht darin einig ist, was man nicht will, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es klaftertiefe Unterschiede in der Frage gibt, was man stattdessen will. Und das sage ich als jemand, der definitiv kein lupenreiner Liberaler ist, sondern z. T. deutlich konservative Ansichten vertritt (wenngleich die in den letzten Jahren nicht zuletzt durch dieses Forum eher weniger geworden sind). Manche bekämpfen die Scharia scheinbar v. a. deshalb, weil ihnen eine Art eigene Kopf-ab-Scharia vorschwebt und haben mit dem liberalen Rechtsstaat überhaupt nichts am Hut. Es wäre ein großer Fehler, aus liberaler Perspektive in den Deutschnationalen "nützliche Idioten" zu sehen, die für einen selbst sozusagen die Drecksarbeit gegenüber Gendergaga und Scharia machen.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Noricus im Beitrag #1Es ist ein Problem der westlichen Politiklandschaften, dass Personen wie die vorgenannten derzeit die Einzigen sind, die sich dem Wahnwitz der victimhood culture glaubwürdig in den Weg stellen.
Tun sie doch gar nicht, lieber Noricus. Sie schaffen nur eine neue Kategorie "Opfer" und "Täter" und übertreffen die institutionalisierten Minderheiten in schöner Regelmäßigkeit an Jämmerlichkeit (oder "Mimimi", wie es R.A. so treffend formuliert hat). Die Täter sind vor allem die etablierte politische Klasse incl. Lügenpresse, und das Opfer ist die Nation und diejenigen, die sich offensiv und exklusorisch zu ihr bekennen.
Richtig, lieber Petz, es gibt eine rechtspopulistische Märtyrerpose. Der Unterschied zur linken victimhood culture liegt, worauf Andreas zu Recht hingewiesen hat, im Rezeptionserfolg. Je mehr die victimhood culture von der gesellschaftlichen und politischen Mitte akzeptiert oder goutiert oder sogar in geltendes Recht umgemünzt wird, umso weniger handelt es sich bei der rechtspopulistischen Märtyrerpose um Mimimi.
Trump et alii genießen einen beträchtlichen Teil ihres Erfolges nur deshalb, weil die etablierten Parteien und Politiker nicht dieselbe Haltung gegen den Neostalinismus zeigen, die sie gegen den Rechtspopulismus einnehmen. Mit Letzterem hätte es ganz schnell ein Ende (will heißen: er würde sich in seine Splitterparteiennische zurückziehen), wenn aus der politischen und gesellschaftlichen Mitte das deutliche Signal käme, dass man den Unfug der victimhood culture nicht weiter mitmacht. Ich fürchte aber, dass es erst einiger rechtspopulistischer Erfolge bedarf, bis die etablierten Parteien und Politiker einlenken werden, dann wohl auch weniger aus grundliberaler Gesinnung, sondern weil man halt doch nicht die Macht verlieren möchte.
Aber wie gesagt: Ich möchte keine Weltuntergangsstimmung verbreiten. So einiges, was ich jüngst zum Beispiel von Jens Spahn oder Sebastian Kurz gehört habe, lässt mich doch für die Zukunft der etablierten konservativen Parteien hoffen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #5Tun sie doch gar nicht, lieber Noricus. Sie schaffen nur eine neue Kategorie "Opfer" und "Täter"
Zitat von Doeding im Beitrag #10Und wird das jetzt Konsens? An den Hochschulen? Bei den Journalisten in ihrer Mehrheit? Bei der Antifa? Bei Kleber und Slomka? Der Vergleich hinkt nicht nur, er hat ein abbes Bein.
Ich habe lange über Petz Argument nachgedacht, weil es etwas für sich hat aber, so glaube ich, auch Dinge ausblendet. Ein Versuch meine Gedanken dazulegen:
Da sind zum einen die Poltiker die einer Bewegung vorstehen. Sagen wir Sanders und Trump.
Sie bedienen sich der gleichen Mittel im politischen Geschäft, mit komplementären Positionen. Aber was ist ihr Antrieb? Macht oder Überzeugung? Ganz schwer zu sagen. Ich persönlich neige dazu, "Linken" eher Überzeugung und "Reaktionären" eher Machtdurst zu unterstellen, was natürlich grundfalsch sein kann. Meine Neigung kommt möglicherweise daher, dass ich persönlich Menschen mit linken Überzeugung meistens als Menschen erlebe, denen es um das Grundsätzliche geht, während ich Reaktionäre eher als "Pragmatiker zum eigenen Vorteil" erlebe.
Stimmte meine Annahme, dann ist zwar Petz Beobachtung richtig, aber die Motivation des Handelns ist eine völlig andere. Die eine Seite wählt die "Opfer" und "Täter" Kategorie als Waffe für die Verbreitung ihre eigenen Überzeugungen. Die andere Seite nimmt die "Opfer" und "Täter" Kategorie als die Waffe, die zum Duell ausgewählt wurde, um sich wehren zu können. Faktisch ist es wohl recht schwer, derzeit erfogreich einen politischen Kampf ohne "Opfer" und "Täter" Polarisierung zu führen. Das haben die Linken sehr erfolgreich eingeführt.
Da sind zum anderen die Wähler dieser Politiker:
Auch hier, glaube ich, ist Petz Beobachtung absolut richtig, dass mit den "gleichen Waffen" gekämpft wird aber warum die jeweilige Seite kämpft ist glaube ich unterschiedlich. Hier scheint mir (wenn ich auf der einen Seite die amerikanischen Studenten und auf der anderen die (weiße) Mittel/Unterschicht betrachte) in der Tendenz "Überzeugung" der "Gegenwehr gegen Übergriffigkeit" gegenüber zu stehen.
In seinem Text über die Lust am Nichts im Zusammenhang mit Ethik, hat Noricus zwischen dem "ethischen Überzeugungstäter" und dem "Mitläufer" unterschieden. "Gefährlich" sind die "ethischen Überzeugungstäter", weil sie in der Lage sind sich aus eigenem Antrieb ins Unrecht zu setzen. Der Mitläufer dagegen ist durch geltendes Recht eingehegt. Insofern stimmt es zwar, dass sich zwei Gruppen mit gleichen Methoden gegenüber stehen, aber das beleuchtet nicht die Frage, wie sich diese Gruppen schließlich verhalten würden, wenn man ihren Machtrahmen erweitert.
Die Liberalen führen diesen Kampf gegen die neue totalitäre Linke nicht und ich glaube, wie im vorhergehenden Beitrag erläutert, dass dies (in Teilen) ein Liberalismusinhärentes Problem ist. Lange Zeit habe ich denn Sinn der Frage "Ist der Feind deines Feindes dein Freund?" übersehen. Dann kam ich zwischenzeitlich zur Antwort "nein". Mittlerweile tendiere ich dazu, das pragmatisch zu sehen. Es braucht eine "Balance of Power", damit Menschen in Frieden Leben können, denn unterschiedliche Interessen mit Machtansprüchen wird es immer geben. Wenn man selbst nicht bereit ist zu kämpfen, müssen andere die "Balance of Power" garantieren und da kann der Feind des Feindes auch mal wichtiger werden als ein Freund.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #15 Mit anderem Worten, lieber Andreas, hast du vielleicht ein dem Liberalismus inhärentes Problem beschrieben und nicht persönliche Faulheit oder auch mangelnden Druck, der zur "Umsetzung der eigenen Ideen zwingt". Und vielleicht und da fange ich wieder an zu spekulieren, sind es daher auch nicht die Liberalen, die gegen die neue "totalitäre Linke" aufbegehren, sondern Konservative und Nationale. Insofern ist Noricus Frage am Schluß, warum ausgerechnet Konservative und Nationale die neuen Totalitären erkennen, möglicherweise die falsche Frage. Sie müßte eher lauten, warum wehren sich die Konservativen und Nationalen gegen den neuen Totalitarismus und nicht die Liberalen und den versuch einer Antwort darauf, habe ich gerade gegeben.
Ja, ich denke daß das so ist. Eine Lösung für dieses Dilemma sehe ich auch nicht. Außer halt daß man für sich selber klärt, ob und welches Engagement man für sich vertreten kann und will.
Ich sehe aber eine Gefahr (und an dieser Stelle hat Petz einen großen Punkt für sich): daß man sich mit den Deutschnationalen vielleicht darin einig ist, was man nicht will, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es klaftertiefe Unterschiede in der Frage gibt, was man stattdessen will. Und das sage ich als jemand, der definitiv kein lupenreiner Liberaler ist, sondern z. T. deutlich konservative Ansichten vertritt (wenngleich die in den letzten Jahren nicht zuletzt durch dieses Forum eher weniger geworden sind). Manche bekämpfen die Scharia scheinbar v. a. deshalb, weil ihnen eine Art eigene Kopf-ab-Scharia vorschwebt und haben mit dem liberalen Rechtsstaat überhaupt nichts am Hut. Es wäre ein großer Fehler, aus liberaler Perspektive in den Deutschnationalen "nützliche Idioten" zu sehen, die für einen selbst sozusagen die Drecksarbeit gegenüber Gendergaga und Scharia machen.
Herzliche Grüße, Andreas
Das kann ich nur unterschreiben, lieber Andreas. Mein Artikel sollte kein Aufruf dazu sein, AfD oder FPÖ zu wählen. Ganz im Gegenteil: Ich will nicht die AfD wählen müssen, um Ministerämter für die Maase und Schwesigs dieser Republik zu verhindern. Ich möchte nicht vor der Wahl stehen, ob es mehr victimhood culture oder mehr Deutschnationalismus gibt. Ich möchte eine politische Mitte, die wieder alle Tassen im Schrank hat.
Ich würde mir wünschen, dass bei der Union, der FDP und, ja, warum nicht, auch bei der SPD der Schlaf der Vernunft, der Ungeheuer gebiert, endlich aufhört. Die FDP könnte aus ihrer Rund-um-die-5-Prozent-Vorhölle heraustreten, wenn sie glaubwürdig klarstellen würde, dass sie in gleichem Maße gegen den rechten wie gegen den linken Totalitarismus einsteht.
Meine Kritik am liberalen Bürgertum trifft auch mich selbst. Das von n_s_n beschriebene Phänomen trifft auch auf mich zu: Ich will eigentlich nur in Ruhe meine verfassungsmäßig gewährleisteten Freiheiten genießen, und habe keinen Impetus, die Welt zu verbessern.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #18 Da sind zum einen die Poltiker die einer Bewegung vorstehen. Sagen wir Sanders und Trump. Sie bedienen sich der gleichen Mittel im politischen Geschäft, mit komplementären Positionen.
Kleine Detail-Anmerkung: Ich sehe Trump und Sanders NICHT an verschiedenen Enden des politischen Spektrums.
Innerhalb der republikanischen Partei ist Trump zum Beispiel ganz sicher nicht an deren "rechten" Ende. Klar, einzelne seiner Positionen sind typisch "rechtspopulistisch". Etwa die Begrenzung der Zuwanderung.
Aber gesellschaftspolitisch ist Trump zum Beispiel deutlich mittiger als die GOP insgesamt. Er stammt nicht aus der christlich-evangelikalen Ecke und erfährt dort auch Ablehnung. Zuletzt zum Beispiel ganz massiv auf dem GOP-Parteitag, als Ted Cruz (als Vertreter dieses Flügels) zur besten Sendezeit den Wählern faktisch geraten hat, Trump nicht zu wählen. Er ist zum Beispiel kein klarer Abtreibungsgegner. Er ist nicht klar auf der Seite der Waffenlobby. etc. Er beleidigt klassische konservative Positionen. Etwa durch mangelnden Respekt vor Veteranen (berühmt ist sein Angriff auf den Kriegshelden McCain. Und zuletzt auf die Eltern eines getöteten Soldaten). Auch seine wirtschaftspolitische Rhetorik ist ein Bruch mit klassischer republikanischer Angebotspolitik. Stattdessen ist seine Rhetorik deutlich auf den "kleinen Mann" fixiert. (Es werden ihm daher auch Chancen eingeräumt, Staaten mit hohem Anteil an Industriearbeitern zu gewinnen wie z.B. Michigan, das seit Jahrzehnten immer ein "blue state" war.). Er wünscht sich Schutzzölle, er lehnt TTIP ab und stellt die Bündnistreue zur Nato in Frage - seine diesbezüglichen Positionen finden sich so ähnlich bei der deutschen Linkspartei.
Mit vielen dieser Positionen ist er gar nicht so weit entfernt von Sanders. Auf jeden Fall sind die beiden keine Gegenpole.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #14Es handelt sich übrigens um eine unkommentierte Parallelausgabe der drei Kritiken: links Deutsch, rechts Amerikanisch, 624 S. Nicht weiter bowdlerisiert. Es handelt sich um einen schlichten Warnhinweis, um den Vertreiber gegenüber notorischen Querulanten aus der Schusslinie zu nehmen.
Herzlichen Dank für den Hinweis.
Auch wenn der Text in keiner Weise modifiziert oder durch sonderbare Kommentare verunstaltet ist, scheint mir diese Praxis keineswegs harmlos zu sein, denn der "Warnhinweis" ist ja entweder eine überflüssige Verkündung einer empirischen Wahrheit, die jedem, der eines seiner Bücher auch nur in die Hand nimmt, bekannt sein müßte ("Kant hatte einige Überzeugungen, die man heute üblicherweise nicht mehr hat"), oder aber Ausdruck eines recht naiven Relativismus ("Kants Überzeugungen sind wesentlich bedingt durch die Kultur o.ä., in der er lebte"), der sich dann - wie üblich und wenig kohärent - mit dem Vertrauen verbindet, daß "unsere Werte" trotz ihrer historischen Bedingtheit schon irgendwie die richtigen sind.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #15Sie müßte eher lauten, warum wehren sich die Konservativen und Nationalen gegen den neuen Totalitarismus und nicht die Liberalen und den versuch einer Antwort darauf, habe ich gerade gegeben.
Ich glaube, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, dass die Liberalen in Deutschland schon immer still gewesen sind. Das Scheitern der Revolution 1848/49 wurde hingenommen, im Kaiserreich fällt mir nur Eugen Richter (zumindest aus liberaler Sicht) als entschiedener Kritiker des Bismarckschen Obrigkeitsstaates ein, und bei der Abstimmung zum "Ermächtigungsgesetz" im Jahre 1933 stimmten die Liberalen sogar dafür. Was allerdings die Gründung der sozialistischen DDR betrifft, konnte man, denke ich, als Liberaler wirklich nichts machen, weil dies ein sowjetischer Satellitenstaat war.
Natürlich kann es auch daran liegen, dass Mäßigung ein Wesenskern des Liberalismus ist (was ich persönlich überhaupt nicht tadelnswert finde, im Gegenteil). Aber ich frage mich, warum anscheinend besonders in Deutschland der Liberalismus sich schwer tut. In angelsächsischen Ländern, wie den USA z.B., hat man weniger Probleme sich offen zu den freiheitlichen Prinzipien, auf die die USA gegründet worden sind, zu bekennen und aus dieser Position heraus die sozialdemokratische Politik Obamas zu kritisieren.
Aber vielleicht liegt es auch an der deutschen Mentalität. Die Begeisterung für Revolutionen, wie es sie z.B. in Frankreich gibt, ist in Deutschland nicht vorhanden. Dann ist es kein Wunder, dass die (mäßigen) deutschen Liberalen sich erst recht still verhalten.
Zitat von Noricus im Beitrag #19Ich würde mir wünschen, dass bei der Union, der FDP und, ja, warum nicht, auch bei der SPD der Schlaf der Vernunft, der Ungeheuer gebiert, endlich aufhört.
Lieber Noricus, die SPD hat seit der Gründung der BRD 1949 diesen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat mitgetragen und natürlich ist es kein Fehler, die Hoffnung, dass sie in Zukunft wieder vernünftiger werden könnte, zu halten. Jedoch würde ich, solange diese Partei keine klare Absage an einer Koalition mit den Kommunisten auf Bundesebene nach den nächsten Bundestagswahlen macht, mir keine zu großen Hoffnungen machen.
Zitat von Publius im Beitrag #22Aber vielleicht liegt es auch an der deutschen Mentalität.
Meine Vermutung. Die Deutschen waren und sind begeisterte Kollektivisten. Das deutsche Ideal ist die große, harmonische Gemeinschaft - ob nun verwirklicht in der Nation oder dem Weltvolk ("Alle Menschen werden Brüder!") - oder auch nur bei der öffentlichen Aufbahrung während eines Fußballturniers. Was man in Deutschland gar nicht mag, ist zu großer Individualismus. Da gilt man schnell als Störenfried, der zur Wahrung der Harmonie möglichst weit fernzuhalten ist.
Das Ganze ist dann noch verbunden mit der ins Erwachsenenalter transportierten, kindlichen Erwartung, dass es die Befriedigung der eigenen materiellen Bedürfnisse nur durch einen Willensakt dieser harmonischen Gemeinschaft möglich ist. Störenfriede drohen diese Versorgung zu gefährden, was ihre Entfernung noch dringlicher macht.
Es gab allerdings trotzdem auch in der modernen Bundesrepublik Liberale, die lautstark für Freiheit eingetreten sind. Ich nenne da nur Westerwelle. Aber der galt eben überall (bis auf einige junge FDP-Mitglieder) als ein solcher Störenfried.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Doeding im Beitrag #10Le Pen habe ich bereits wörtlich zitiert, dass sie sich einer staatlichen Defamationskampagne ausgesetzt sieht. Trump sieht jetzt schon eine Wahlbetrug voraus für den Fall, dass er nicht gewinnt: http://www.politico.com/story/2016/08/do...election-226588 ...
Ja. Und wird das jetzt Konsens? An den Hochschulen? Bei den Journalisten in ihrer Mehrheit? Bei der Antifa? Bei Kleber und Slomka? Der Vergleich hinkt nicht nur, er hat ein abbes Bein.[/quote] Wo spricht Petz denn von Konsens? Er hat schon völlig recht: Die "victim"-Kultur gibt es derzeit in verschiedener Ausprägung. Und auf der rechten Seite ist die Ausprägung derzeit deutlich stärker als links, wo wir im wesentlichen (bisher!) nur über obskure Uni-Grüppchen reden. Daß die Medien sich mehrheitlich recht einseitig positionieren ist ein bekanntes und hier schon oft diskutiertes Problem, aber das bedeutet noch lange nicht "Konsens". Und das rechte "Mimimi" lebt ja gerade davon, daß Kleber und Slomka keinen Konsens mit ihnen haben.
Ganz neu ist das Phänomen insgesamt natürlich nicht. Die Selbst-Stilisierung zum Opfer war schon immer ein beliebtes Mittel der politischen Auseinandersetzung, wenn auch selten so bizarr überzogen wie an manchen angelsächsischen Unis. Es gibt ja auch komischerweise keine politische Richtung, die sich selber als Teil des "Mainstreams" sieht. Sondern alle sehen sich als (manchmal als unterdrückte) Opposition zum Mainstream. Und so ist dieser Mainstream gleichzeitig sozialistisch, grün, neoliberal und reaktionär - kommt eben darauf an, wen man fragt.
Richtig ist aber, wie von Noricus beschrieben, daß die Tendenz derzeit weggeht von den positiven Zielen hin zur Opfermentalität. Liegt vielleicht daran, daß "Yes we can" und "wir schaffen das" ziemlich an Strahlkraft verloren haben.
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