Zitat von R.A. im Beitrag #1Ein neues Problem, ein schwieriges Thema - und eigentlich geht es nicht wirklich ums Erben.
Ein sehr nachdenklich stimmender Text. Die wenigsten scheinen sich beizeiten um dieses Thema kümmern zu wollen; sicherlich eine mehr oder weniger natürliche Scheu vor der Beschäftigung mit dem eigenen Lebensende. Wenn man sich die Verteilung von Patientenverfügungen nach Altersgruppen anschaut, sieht man ebenfalls, daß der Weg zur Hölle oftmals mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Wobei mit Hölle hier intensivmedizinische Maßnahmen zur Lebensverlängerung in aussichtslosen Fällen gemeint sind.
Es gibt natürlich auch die genau andere Möglichkeit, die ebenfalls legitim ist: gar nichts an digitalem Vermächtnis hinterlassen zu wollen und zu verfügen, daß alles gelöscht und zerstört werde. Wieder anderen mag es auch schlicht wurst sein. Auch legitim, sofern man das gegenüber den Angehörigen verantworten mag. Zettels persönlicher Facebook-account (also der von Zettels Raum) existiert übrigens bis heute.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #2Die wenigsten scheinen sich beizeiten um dieses Thema kümmern zu wollen; sicherlich eine mehr oder weniger natürliche Scheu vor der Beschäftigung mit dem eigenen Lebensende.
Das ist natürlich auch ein wichtiger Aspekt, wäre einen eigenen Artikel wert. Insbesondere dabei die Frage, ob aktuelle Generationen hier eine andere Einstellung haben als früher.
Aber das war eigentlich gar nicht mein wesentlicher Punkt, der Einstieg über die tragische Geschichte mit dem toten Jungen ist eher Zufall. Erst einmal geht es generell um die Frage, wie man Datenbestände zugänglich und nutzbar hält (was ja zwei sehr verschiedene Aspekte sind).
Denn die aufgeworfenen Fragen sind ja schon lange vor dem Erbfall für den eigenen Umgang mit Daten zu klären. Beide Ebenen.
Erst einmal der reine Zugang. Das Problem, daß Apple mir bei der Entschlüsselung meiner iPhone-Daten nicht helfen kann und will trifft ja schon ein, wenn ich selber das Passwort verdussele. Man muß also erst einmal selber in sicherer und brauchbarer Form die verschiedenen Zugangsdaten und Passworte aufgewahren - dann kann man sie auch Angehörigen geben. Dazu gehört für den langfristigen Kontext auch die Frage, wie man alte Daten überhaupt noch im technischen Zugriff behält. Ich habe die letzten 20 Jahre bei jeder Rechner-Migration meine Daten portieren können. Dabei hat geholfen daß ich trotz vieler Betriebssystemumstellungen im Apple-Universum geblieben bin und fast nur stabile offene Formate à la jpg oder mp3 verwende. Die Daten auf meinem Atari ST dagegen sind verloren. Gott sei Dank war da nichts Wichtiges mehr drauf, meine Diplomarbeit habe ich nur noch ausgedruckt (und verstehe sie ohnehin nicht mehr).
Und dann halt die Frage der Nutzbarkeit, also der Sortierung und Dokumentierung. Da gibt es ja schon offline genug Probleme, z. B. mit alten unbeschrifteten Urlaubsbildern. Derzeit stecke ich einige Arbeit in die Aufbereitung meiner Bildatenbestände.
Nur wenn man selber (eben auch durch heftiges Aussortieren und Löschen) dafür gesorgt hat, daß wichtige Daten wirklich zugänglich sind, kann man überhaupt über das Vererben nachdenken.
Zitat gar nichts an digitalem Vermächtnis hinterlassen zu wollen und zu verfügen, daß alles gelöscht und zerstört werde.
Kann man natürlich, bei einigen Sachen wird man selber löschen - aber ansonsten gilt: Wenn man nichts tut, ist das fast äquivalent zu einer Lösch-Verfügung. Ab einer gewissen Datenmenge ist "nichts gelöscht" fast so wirksam wie "alles gelöscht".
Zitat von R.A. im Beitrag #3Erst einmal der reine Zugang. Das Problem, daß Apple mir bei der Entschlüsselung meiner iPhone-Daten nicht helfen kann und will trifft ja schon ein, wenn ich selber das Passwort verdussele. Man muß also erst einmal selber in sicherer und brauchbarer Form die verschiedenen Zugangsdaten und Passworte aufgewahren - dann kann man sie auch Angehörigen geben. Dazu gehört für den langfristigen Kontext auch die Frage, wie man alte Daten überhaupt noch im technischen Zugriff behält. Ich habe die letzten 20 Jahre bei jeder Rechner-Migration meine Daten portieren können. Dabei hat geholfen daß ich trotz vieler Betriebssystemumstellungen im Apple-Universum geblieben bin und fast nur stabile offene Formate à la jpg oder mp3 verwende. Die Daten auf meinem Atari ST dagegen sind verloren. Gott sei Dank war da nichts Wichtiges mehr drauf, meine Diplomarbeit habe ich nur noch ausgedruckt (und verstehe sie ohnehin nicht mehr).
An der Wahl des richtigen Formates dürfte vieles hängen. Ich habe inzwischen meine immerhin 30.000 Fotos in meine mit OS X mitgelieferte Fotoapp auf dem Mac importiert. Das ist eine riesige Datei mit Backup in der cloud und einem weiteren Backup auf einer externen Festplatte. Keine Ahnung, was passierte, sollte diese 20 GB-Datei mal korrupt werden und sich dies auch auf die Backups ausweiten, bevor sie ins Nirwana abraucht. Also alle Bilder nochmal als jpegs exportieren und einzeln auf einer weitere HDD speichern. Und das dann wieder regelmäßig händisch aktualisieren...
Irgendjemand, ich glaube, es war sogar ein Historiker, hat mal geschrieben, daß unsere Zeit für dereinstige Archäologen und Historiker eine Art "dunkles Zeitalter" sein wird, da praktisch alles, was digital gespeichert wird, aufgrund der Formatproblematik letztendlich dem Verfall preisgegeben ist. Schallplatten gab es gut 80 Jahre. Die CD gerade mal 25 Jahre. mp3s gehen nicht mal richtig in Dein Eigentum über (und sind, anders als CDs, nicht vererbbar), während Musikstreams nur einmal kurz durch den Raum flattern...
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #4An der Wahl des richtigen Formates dürfte vieles hängen. Ich habe inzwischen meine immerhin 30.000 Fotos in meine mit OS X mitgelieferte Fotoapp auf dem Mac importiert. Das ist eine riesige Datei mit Backup in der cloud und einem weiteren Backup auf einer externen Festplatte. Keine Ahnung, was passierte, sollte diese 20 GB-Datei mal korrupt werden und sich dies auch auf die Backups ausweiten, bevor sie ins Nirwana abraucht.
Da wäre ich optimistisch. Wenn die Datei zickt, steckt das die alten Versionen nicht an. Einfach mit TimeMachine ein etwas älteres Backup auswählen, dann sollte noch fast alles da sein.
Zitat Also alle Bilder nochmal als jpegs exportieren und einzeln auf einer weitere HDD speichern. Und das dann wieder regelmäßig händisch aktualisieren...
Ja, die originalen JPGs sind auch beim mir noch einmal auf einer Datenhalde gespeichert (das sicher kann man aber automatisieren).
Das gibt natürlich einen gewissen Widerspruch: Das Format der JPGs ist ziemlich zukunftssicher, das werden Bildprogramme auch in 50 Jahren noch lesen können. Aber da hat man halt den ungeordneten Haufen.
Die Bilddatenbank ist gut organisiert, man hat Ereignisse, Orte, Personen dokumentiert - aber nur solange die Software existiert.
Zitat daß unsere Zeit für dereinstige Archäologen und Historiker eine Art "dunkles Zeitalter" sein wird, da praktisch alles, was digital gespeichert wird, aufgrund der Formatproblematik letztendlich dem Verfall preisgegeben ist.
Das halte ich für falsch. Die Masse der privaten Daten wird verloren gehen. Aber da sage ich eher: Das ist gut so. Kein Historiker der Zukunft kann das auswerten.
Es werden immer noch überreichlich Daten aller Art bleiben, die professionell gesichert und immer wieder zukunftsfähig gemacht werden. Die entsprechenden Archive mögen nur einen winzigen Bruchteil der aktuellen Datenmasse beinhalten, sind aber immer noch um Dimensionen reichhaltiger als alles, was wir aus früheren Zeiten haben.
Zitat mp3s gehen nicht mal richtig in Dein Eigentum über
Legalistische Spitzfindigkeiten dieser Art sind für die digitale Vererbung unwichtig. MP3 ist ein freies Format, auch das wird jedes Musikprogramm noch in 50 Jahren lesen können. Vor allem: Deine private MP3-Sammlung ist ja ohnehin völlig unwichtig - das sind ja nur Kopien. Die Menschheit braucht nicht sämtliche Millionen Kopien irgendeines Schlagertitels.
Was die meisten technisch weniger versierten Menschen (und auch der Journalist) nicht verstehen, ist, dass eine richtig gemachte Verschlüsselung erst einmal gar nicht zu knacken ist. Angriffe auf das eigentliche mathematische Verfahren kommen allenfalls alle Jubeljahre (so eher in Geschwindigkeit von Jahrzehnten) mal vor, nahezu alle erfolgreichen Angriffe sind dagegen Seitenangriffe, die auf Implementierungsfehlern basieren oder jemand das Konzept nicht richtig verstanden hat. Insofern ist Apple absolut der falsche Adressat, man kann mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die ihre Verschlüsselung schon vernünftig gemacht haben und ein erfolgreicher Angriff entweder unmöglich oder zumindest extrem teuer (und da reden wir nicht von sechsstelligen Summen) wäre. Da geht der Vorwurf völlig ins Leere.
Und auch in der Sache sehe ich den Anwurf ein bischen neben der Verhältnismäßigkeit. Selbst wenn es Apple möglich wäre das Verfahren zu brechen, wäre es völlig unverhältnismäßig das auch zu tun. Nur weil jemand nicht beizeiten darauf geachtet hat seine Daten zusammenzuhalten, sollen Millionen Leute mit einer Beschädigung ihrer Privatssphäre bestraft werden. Denn natürlich würde ein solcher Angriff, alleine durch seine Existenz, die Privatssphäre von eben diesen Millionen Menschen gefährden. Das ist eben nicht eine reine Wirtschaftsentscheidung zugunten eines bösen, fiesen Internetkonzerns, es ist eben auch eine Entscheidung gegen die Privatsspähre von Dissidenten. Oder für die Fürsprecher des Überwachungsstaates. Die Snowden Affäre hat deutlichst belegt, wie es unsere staatlichen Wächter mit Respekt vor der Privatsspähre halten. Und diesen Leuten soll man Werkzeuge schaffen, damit sie ihr Tun fortsetzen können ?
Ich denke wenn das ganze zu einem gut ist, dann dazu, sich tatsächlich Gedanken zu machen, was mit den eigenen Daten nach dem Tode passiert. Genauso wie man ein Testament für die Nachkommenschaft vorbereitet.
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