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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

29.08.2016 21:11
Marginalie: Der Ruck Antworten

Rheinländer wissen, dass man auch gönnen können muss. Für das Loben gilt dasselbe, wenngleich sich der Verfasser der Hoffnung hingibt, dass diese Weisheit nicht nur im Westen der Republik beherzigt wird.

Ein kleiner Beitrag über neue Töne aus eher linken Arealen des Blätterwaldes.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

30.08.2016 17:46
#2 RE: Marginalie: Der Ruck Antworten

Tja, sieht so aus, als würden auch die Volkserzieher so langsam Lunte riechen. Auch Sigmar Gabriel in seiner unnachahmlichen Art versucht ja gerade auf den Zug Seehofer aufzuspringen und Obergrenzen zu verkünden, um, wenn die Probleme größer werden, jedem zu verkünden, dass er das ja schon immer gesagt hat.

Die selbstempfundene Elite dieses Landes wird sich wohl langsam klar darüber, dass wir doch nicht "Menschen geschenkt" bekommen haben, sondern eine Katastrophe mittelschweren Ausmaßes angerichtet wurde. Allerdings ist es erstaunlich, dass Augstein das so früh begriffen hat, der uns nach Sylvester ja noch erklärte in Köln habe es halt "ein paar Grabschereien" gegeben.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

30.08.2016 18:12
#3 RE: Marginalie: Der Ruck Antworten

Zitat von Noricus
Es ist hier nicht der Ort, Augstein zu kritisieren. Im Gegenteil: Jedermann hat das Recht, seine Meinung zu ändern.

Nein, da haben Sie Augstein und Gesinnungsgenossen nicht richtig verstanden. Mit "Multikulti" und "Willkommenskultur" wurde nie das Fremde willkommen geheißen, sondern das Deutsche unwillkommen. Es wurde nie auf die Vorzüge der einwandernden Kulturbestandteile als solche Bezug genommen, sondern nur ihr Kontrast zum hiesigen. Um ein Bild zu benutzen: Ein Liebhaber einer verheirateten Frau braucht sich auf seine Liebenswürdigkeit und Verführungskünste nichts einzubilden, wenn sie ihren Ehemann nur aus Groll betrügt.

Es ist die ganze Tragik unserer Situation, daß die Migranten im Grunde nur als Mittel benutzt werden, um sich an einem verhaßten Deutschlandbild abzuarbeiten. Beleg im Augstein-Artikel (Hervorhebungen von mir):

Zitat von Augstein
Aus Einwanderern müssen Deutsche werden. Aber das Wort wird künftig eine andere Bedeutung haben.

In einem neuen Buch hat Münkler nun gemeinsam mit seiner Frau, der Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler, fünf Merkmale des Deutschseins aufgezeichnet.
  • Die Überzeugung, dass man für sich und seine Familie selbst sorgen kann und nur ausnahmsweise auf Unterstützung durch die Solidargemeinschaft angewiesen ist.
  • Die Sicherheit, dass man sich durch eigene Leistung Anerkennung und Aufstieg erarbeiten kann.
  • Die Überzeugung, dass der religiöse Glaube eine Privatangelegenheit ist, die im gesellschaftlichen Leben eine nachgeordnete Rolle zu spielen hat.
  • Das Wissen, dass jede Entscheidung für eine bestimmte Lebensform und die Wahl des Lebenspartners in das Ermessen des Einzelnen fällt und nicht von der Familie vorgegeben wird.
  • Schließlich das Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

[...]

Tatsächlich, viele, die sich selber für Deutsche halten, müssten sich Mühe geben, diesen Kriterien gerecht zu werden.




Machen Sie ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich eine Kleinstadt vor, in der deutsches Brauchtum von den Einheimischen vollkommen parallel mit "migrantischem" Brauchtum gelebt wird. Es wird also in derselben Familie zum Schützenfest mit Tschingderassabumm gegangen, Pünktlichkeit geschätzt und Bratwurst gegessen wie im Ramadan gefastet wird, die Frauen mit Tüchern verhängt und ggf. geschlagen werden. Können Sie sich vorstellen, daß ein Augstein sagt, hier sei etwas besser, weil zusätzlich zum Deutschen auch etwas "Migrantisches" da sei? Nein, eine Verbesserung wäre nur, wenn es statt des Deutschen oder als dessen Verdünnung da wäre. Und dabei ist es fatalerweise gar nicht so wichtig, was genau das "Migrantische" ist. Hiermit wird man zugleich sich selber und auch den Migranten nicht gerecht. Man legt sät vielmehr neue Unzufriedenheit. Und diese Saat ist gerade am Aufgehen.

Für die Migranten ist bedauerlich, daß sie von dieser Situation nichts wissen. Praktisch baut man sogar eine Brücke zur Nichtintegration: Weil Deutschland ja so unwillkommen ist, ist das schlimmste, was so ein Migrant machen kann, deutsch zu werden. Aber was, wenn ihm eine neue Heimat wichtiger ist als die Abneigung der Linken gegen Deutschland? Wie soll man damit umgehen, wenn man mit der Behauptung willkommen geheißen wird, wie schlecht und spießig hier alles sei?

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

30.08.2016 20:25
#4 RE: Marginalie: Der Ruck Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #3
Mit "Multikulti" und "Willkommenskultur" wurde nie das Fremde willkommen geheißen, sondern das Deutsche unwillkommen. Es wurde nie auf die Vorzüge der einwandernden Kulturbestandteile als solche Bezug genommen, sondern nur ihr Kontrast zum hiesigen. [...]
Es ist die ganze Tragik unserer Situation, daß die Migranten im Grunde nur als Mittel benutzt werden, um sich an einem verhaßten Deutschlandbild abzuarbeiten.


Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Meine Rede ist ja, dass die Auseinandersetzung mit dem Fremden seit 2000 Jahren genau zwei Annäherungsweisen kennt: Vergils "Tu regere imperio populos, Romane, memento", bei Kipling wurde daraus "The White Man's Burden", einerseits und Tacitus' "Germania" (jedenfalls in der Sittenspiegel-Theorie), bei Rousseau dann der "bon sauvage", der edle Wilde, andererseits.

In der okzidentalen Linken herrschte bislang die letztere Ansicht vor.

Zitat von Emulgator im Beitrag #3
Beleg im Augstein-Artikel (Hervorhebungen von mir):

Zitat von Augstein
Aus Einwanderern müssen Deutsche werden. Aber das Wort wird künftig eine andere Bedeutung haben.

In einem neuen Buch hat Münkler nun gemeinsam mit seiner Frau, der Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler, fünf Merkmale des Deutschseins aufgezeichnet.
  • Die Überzeugung, dass man für sich und seine Familie selbst sorgen kann und nur ausnahmsweise auf Unterstützung durch die Solidargemeinschaft angewiesen ist.
  • Die Sicherheit, dass man sich durch eigene Leistung Anerkennung und Aufstieg erarbeiten kann.
  • Die Überzeugung, dass der religiöse Glaube eine Privatangelegenheit ist, die im gesellschaftlichen Leben eine nachgeordnete Rolle zu spielen hat.
  • Das Wissen, dass jede Entscheidung für eine bestimmte Lebensform und die Wahl des Lebenspartners in das Ermessen des Einzelnen fällt und nicht von der Familie vorgegeben wird.
  • Schließlich das Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

[...]

Tatsächlich, viele, die sich selber für Deutsche halten, müssten sich Mühe geben, diesen Kriterien gerecht zu werden.




Und damit hat Augstein völlig Recht. Wie viele Deutsche kennen Sie, lieber Emulgator, welche die Aufzählungspunkte 1 und 2 unterschreiben würden? Die herrschende Meinung in diesem Land ist doch, dass die Obrigkeit, pardon: der Staat für die Untertanen, pardon: die Bürger zu sorgen hat. Unser hypertropher Sozialstaat hat doch längst Ansprüche geschaffen, die nicht mehr nur der Unterstützung derjenigen dienen, die sich nicht selbst helfen können. Sozialleistungen sind zu einem Mittel des Wahlkampfes und der Wählerbindung geworden. Subsidiaritätsprinzip (auf das die Münklers Bezug nehmen)? Fehlanzeige.

Und beim zweiten Punkt wird es vollends grotesk: "Die Sicherheit, dass man sich durch eigene Leistung Anerkennung und Aufstieg erarbeiten kann." Dies im Land der Neiddebatten, des Steuerwahnsinns und der Regulierungswut.

Zitat von Emulgator im Beitrag #3
Machen Sie ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich eine Kleinstadt vor, in der deutsches Brauchtum von den Einheimischen vollkommen parallel mit "migrantischem" Brauchtum gelebt wird. Es wird also in derselben Familie zum Schützenfest mit Tschingderassabumm gegangen, Pünktlichkeit geschätzt und Bratwurst gegessen wie im Ramadan gefastet wird, die Frauen mit Tüchern verhängt und ggf. geschlagen werden. Können Sie sich vorstellen, daß ein Augstein sagt, hier sei etwas besser, weil zusätzlich zum Deutschen auch etwas "Migrantisches" da sei? Nein, eine Verbesserung wäre nur, wenn es statt des Deutschen oder als dessen Verdünnung da wäre.


Und da bin ich der Meinung, dass Sie Augstein nicht ganz zutreffend interpretieren. Sie haben sicher darin Recht, dass die Schützenvereinsdeutschen nicht Augsteins Idealbild sind. Aber: Augstein erhebt die migrantische Sonderidentität eben nicht (mehr) zum Maßstab, an dem sich die Mehrheitsgesellschaft orientieren soll. Und er folgt auch nicht dem Imperativ der victimhood culture, dass man ja niemanden beleidigen darf und deshalb besser Parallelgesellschaften in Kauf nimmt.

Augsteins Idealbild vom Deutschsein ist wohl eher das eines desinvolvierten Bohemiens, der sich gleichermaßen über den biodeutschen Pöbel als auch die vom plumpen Halbmond-Nationalismus Befallenen erhaben dünkt.

Zitat von Emulgator im Beitrag #3
Für die Migranten ist bedauerlich, daß sie von dieser Situation nichts wissen. Praktisch baut man sogar eine Brücke zur Nichtintegration: Weil Deutschland ja so unwillkommen ist, ist das schlimmste, was so ein Migrant machen kann, deutsch zu werden. Aber was, wenn ihm eine neue Heimat wichtiger ist als die Abneigung der Linken gegen Deutschland? Wie soll man damit umgehen, wenn man mit der Behauptung willkommen geheißen wird, wie schlecht und spießig hier alles sei?


Zustimmung. Nur denke ich, dass Augstein dieser Vorwurf gerade nicht (mehr) gemacht werden kann.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

30.08.2016 20:36
#5 RE: Marginalie: Der Ruck Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #3
Für die Migranten ist bedauerlich, daß sie von dieser Situation nichts wissen. Praktisch baut man sogar eine Brücke zur Nichtintegration: Weil Deutschland ja so unwillkommen ist, ist das schlimmste, was so ein Migrant machen kann, deutsch zu werden. Aber was, wenn ihm eine neue Heimat wichtiger ist als die Abneigung der Linken gegen Deutschland? Wie soll man damit umgehen, wenn man mit der Behauptung willkommen geheißen wird, wie schlecht und spießig hier alles sei?


Ich glaube nicht, daß das den Hintergrund der Augsteinschen Wende bildet. Der neue Artikel ist mMn als Fortsetzung dieser Kolumne Augsteins vom 4. 8. zu sehen.
http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...-a-1106072.html

Es ist die Hinwendung vieler Deutschtürken zur AKP; Und daß die AKP-Anhänger auch in großzügigster Deutung nicht mit linken Idealen kompatibel ist, dürfte selbst ihm nicht entgangen sein.

Als zweiter (aber nachrangiger) Punkt bildet sich hier ja genau Ihr "Schützenfest neben Burka" ab, das die Linken, allen voran Augstein, mMn nicht wollen. Sie streben eine Verdünnung des "Deutschen"; die Auflösung des Nationalen in einem multikulturellen Schmelztigel im Namen deutscher Schuld und Sühne an. Daher auch die Vokabel "Gegrapsche" für die Nötigungen und Vergewaltigungen zu Silvester: habt euch mal nicht so, deutsche Mädels; die wollen euch nur Gutes. So konnte man ihn zumindest verstehen. Auch dieser Traum scheint unter zunehmender (politischer) Segregation zu zerplatzen.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

30.08.2016 21:14
#6 RE: Marginalie: Der Ruck Antworten

Schon spaßig, wie unseren Præceptores Germaniæ über Nacht just die Erkenntnisse zuwachsen, die bei ihnen in den 18 Monaten zuvor prompt den Pavlov'schen Packreflex ausgelöst haben. Auch in diesem Staatsmedium hört man leicht ungewohnte Töne: http://www.n-tv.de/politik/politik_perso...le18525436.html

Zitat
Die selbst ernannte Alternative zur Alternativloskanzlerin ist in Wahrheit eine "Merkel muss weg"-Partei. ... Der Spruch "Merkel muss weg" wird durch die Wahlkämpfe immer weiter verbreitet und verströmt Endzeitstimmung wie einst bei der Abwahl Helmut Kohls.



Der Kleine Zyniker freut sich, daß gerade kein Wahlkampf vor 10 Tagen in die Zielgerade eingebogen ist & er sonst solche Absonderungen als bedeutungslose Spasmen von Schwimmunfähigen verbuchen müßte, deren Floß gerade in Richtung Meeresgrund abrauscht (01:56ff.: "Die Franzosen sahen das Geschehen als 'allégorie réelle' an und setzten die 'Medusa' mit dem Staatsschiff gleich. Daher wurde auch die Anspielung des Gemäldes, das Géricault vorsichtig 'Szene eines Schiffbruchs' nannte, von den Zeitgenossen und Ausstellungsbesuchern wohl verstanden"). Statt dessen gibt er den Ornithologen & ordnet die Rufe der Spezies Jinx torquilla zu.

PS: Hier auch: http://www.faz.net/aktuell/politik/ein-j...t-14413171.html
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

31.08.2016 17:23
#7 RE: Marginalie: Der Ruck Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #4
Und damit hat Augstein völlig Recht. Wie viele Deutsche kennen Sie, lieber Emulgator, welche die Aufzählungspunkte 1 und 2 unterschreiben würden?
Sein und Sollen sind ja zweierlei. Man kann auch Deutscher sein, wenn man die soziale Hängematte mag, obwohl ich sie nicht mag. Ist nicht sogar die Vermischung von Sein und Sollen Augsteins Problem? Die Deutschen sind so, wie sie seiner Meinung nicht sein sollen. Kann man ja meinen. Aber die unsinnige Abhilfe: Man mischt zu den bisherigen Deutschen einige unter, die woanders herkommen und daher anders sind. An den Deutschen, die vorher da waren und ihren schlechten Eigenschaften ändert es genau nichts. Nur die pauschale Aussage "die Deutschen sind so" ändert es etwas, weil nun zusätzlich migrantische Deutsche da sind, die anders sind. Was soll
Das ist so ein verkorkstes Denken in Kollektiven, in Statistiken. Da ist die Prävalenz einer Eigenschaft wichtiger als die Eigenschaft selber. Das ist so ähnlich, als würde man die AIDS-Problematik in Uganda lösen, indem man Nichtinfizierte dorthin umsiedelt. Statistisch sinkt dann die AIDS-Mortalität im Gesamtkollektiv, aber den tatsächlich Kranken ist damit überhaupt nicht geholfen.

Ein ähnliches Denken hat man übrigens mit Quoten allgemein, z.B. Frauenquoten in Vorständen. Fast allen Frauen bringt so eine Quote überhaupt nichts, weil es nur wenige Vorstandspositionen gibt. Und wer in so einer Position ist, der muß sowieso ökonomisch entscheiden und darf nicht zugunsten von Frauen Firmengelder veruntreuen.

Zitat von Noricus im Beitrag #4
Aber: Augstein erhebt die migrantische Sonderidentität eben nicht (mehr) zum Maßstab, an dem sich die Mehrheitsgesellschaft orientieren soll.
Das tat er ja nie. Oder hat er irgendwo gelobt, wenn Deutsche z.B. zum Islam konvertieren? Was die konkrete "migrantische" Identität ist, spielte nie eine Rolle. Wichtig ist nur, was sie nicht ist, nämlich deutsch, was immer das genau bedeutet.

Zitat von Noricus im Beitrag #4
Augsteins Idealbild vom Deutschsein ist wohl eher das eines desinvolvierten Bohemiens, der sich gleichermaßen über den biodeutschen Pöbel als auch die vom plumpen Halbmond-Nationalismus Befallenen erhaben dünkt.
Meinen Sie, daß ihm seinesgleichen in Massen sympathisch ist?

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