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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 29 Antworten
und wurde 5.312 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2012 11:49
Marginalie: Heldinnen? Antworten

Eigentlich hatte ich zu Pussy Riot nichts schreiben wollen, weil mich der Fall nicht interessiert. Es gibt dazu auch schon eine sehr lesenswerte Diskussion in einem anderen Thread dieses Forums.

Aber als ich gelesen habe, daß diese Frauen wegen ihrer, zurückhaltend gesagt, geschmacklosen Aktion nun gar "Heldinnen" sein sollen, habe ich mich doch zu einer kleinen Marginalie entschlossen.

Politur Offline



Beiträge: 49

18.08.2012 12:38
#2 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Guter Beitrag, abgesehen davon, dass Chodorkowski wahrlich auch kein Unschuldslamm ist...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2012 12:52
#3 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Politur im Beitrag #2
Guter Beitrag, abgesehen davon, dass Chodorkowski wahrlich auch kein Unschuldslamm ist...

Was unterscheidet ihn denn von allen den anderen, die nach dem Untergang der UdSSR den Übergang zum Kapitalismus gemanagt haben?

Solus Offline



Beiträge: 384

18.08.2012 13:09
#4 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zu ihrem Artikel:

Die Klassifizierung als Heldinnen lief hier wohl - wie üblich - nach dem Schema "von einem Regime verfolgt -> Märtyrer". Einen ähnlichen Effekt kann man bei der Todesstrafe beobachten - wer zum Tode verurteilt wird, bekommt automatisch aus verschiedenen Richtungen Sympathie, auch wenn sich keine davon dagegen aussprechen würde, ihn auf lange Zeit in den Knast zu stecken.

Was ihre Frage im Artikel betrifft, ob eine ähnliche Aktion in einem muslimischen Land genauso beurteilt worden wäre - das dürfte davon abhängen, um welches Land es sich handelt. Im Falle Ägyptens wäre die Reaktion gewiss anders ausgefallen. Wäre sie wiederum im Iran passiert, würde ich von einer ähnlichen Reaktion ausgehen, vielleicht in etwas gedämpfter Form.

Was die Bestrafung ansich angeht halte ich von einer auf Grundlage von Blasphemie garnichts - da sich das im konkreten Fall aber in einer Kirche abgespielt hat, wäre eine Geldstrafe sicherlich angebracht - der Hausherr hat dem Vorgang gewiss nicht zugestimmt.

Jorge Arprin Offline



Beiträge: 73

18.08.2012 14:21
#5 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Am 21. Februar 2012 drangen vier Mitglieder dieser Gruppe in die Khram Khrista Spasitelya in Moskau ein, die Kathedrale Christi des Erlösers.


In einem Beitrag bei der Freisinnigen Zeitung wird das anders gesehen: http://blog.freisinnige-zeitung.de/archives/4580

"Unseres Wissens “war die Truppe” nicht “in die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau eingedrungen”, wie behauptet wird, mit den in dem Wort mitschwingenden Assoziationen von Gewalt. Vielmehr handelt es sich bei der Kirche um einen öffentlich zugänglicher Ort, an den sich jeder begeben darf, wozu der Eigentümer sein Einverständnis gegeben hat. Richtig ist natürlich, daß der Eigentümer nicht alles dort dulden muß und von seinem Hausrecht Gebrauch machen darf. Das geschah auch, soweit das im Video zu sehen ist. Da der Song nur weniger als zwei Minuten dauert, gehen wir davon aus, daß die Gruppe die Kirche danach sofort verließ."

arprin.wordpress.com

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

18.08.2012 14:28
#6 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von § 167 StGB Störung der Religionsausübung
(1) Wer
1. den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder
2. an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.



http://dejure.org/gesetze/StGB/167.html

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."
-Thomas Jefferson
Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2012 14:40
#7 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #5
In einem Beitrag bei der Freisinnigen Zeitung wird das anders gesehen: http://blog.freisinnige-zeitung.de/archives/4580

"Unseres Wissens “war die Truppe” nicht “in die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau eingedrungen”, wie behauptet wird, mit den in dem Wort mitschwingenden Assoziationen von Gewalt. Vielmehr handelt es sich bei der Kirche um einen öffentlich zugänglicher Ort, an den sich jeder begeben darf, wozu der Eigentümer sein Einverständnis gegeben hat. Richtig ist natürlich, daß der Eigentümer nicht alles dort dulden muß und von seinem Hausrecht Gebrauch machen darf. Das geschah auch, soweit das im Video zu sehen ist. Da der Song nur weniger als zwei Minuten dauert, gehen wir davon aus, daß die Gruppe die Kirche danach sofort verließ."

Ich sehe da keinen Widerspruch, lieber Jorge Arprin.

"Eindringen" meint nicht Gewalt, sondern die Absicht, zu schaden. Günter Wallraff drang beispielsweise in eine der Redaktionen von "Bild" ein; keineswegs mit Gewalt.

Natürlich ging die Gruppe wieder. Die Blasphemie war ja erfolgreich realisiert worden.

Herzlich, Zettel

Jorge Arprin Offline



Beiträge: 73

18.08.2012 15:16
#8 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #6

Zitat von § 167 StGB Störung der Religionsausübung
(1) Wer
1. den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder
2. an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.



http://dejure.org/gesetze/StGB/167.html



zu 1.: Zur Tatzeit fand kein Gottesdienst statt.
zu 2.: Dieser "bechimpfende Unfug" wäre in Deutschland unter der Freiheit der Kunst (die niemandem gefallen muss) gedeckt oder höchstens mit einer Geldstrafe oder einige Stunden Sozialdienst bestraft worden.

arprin.wordpress.com

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

18.08.2012 15:41
#9 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #8


zu 1.: Zur Tatzeit fand kein Gottesdienst statt.
zu 2.: Dieser "bechimpfende Unfug" wäre in Deutschland unter der Freiheit der Kunst (die niemandem gefallen muss) gedeckt oder höchstens mit einer Geldstrafe oder einige Stunden Sozialdienst bestraft worden.


Bitte genau lesen: Es geht in unserem StGB ausdrücklich auch um Orte, die dem Gottesdienst gewidmet sind. Der Auftritt in der Moskauer Kathedrale fand zusätzlich sogar noch auf einer geweihten Fläche statt, die nur Geistliche betreten dürfen.

Selbstverständlich dürfte ein solcher Auftritt im Rechtsstaat Deutschland meist mit einer geringen Strafe belegt werden. Der Strafrahmen gemäß StGB wird heute sicher nicht mehr ausgeschöpft. Eine geringe Strafe wäre bei einem so kurzen Auftritt auch absolut angemessen.

Aber der springende Punkt ist doch: Es gibt auch in einem demokratischen Rechtsstaat gewisse Bereiche, wo man nicht jede Zote herauslassen, nicht jede Kunstaktion veranstalten und nicht jede rüde Protestform anwenden kann. Das ist keine Erfindung des Herrn Putin.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2012 15:44
#10 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #8
zu 1.: Zur Tatzeit fand kein Gottesdienst statt.

"... an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt". Exakt das hat stattgefunden.
Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #8
Dieser "bechimpfende Unfug" wäre in Deutschland unter der Freiheit der Kunst (die niemandem gefallen muss) gedeckt oder höchstens mit einer Geldstrafe oder einige Stunden Sozialdienst bestraft worden.

Mag sein, daß es Richter gibt, die es für Kunst halten, wenn jemand "Scheiße, Scheiße, Gottes Scheiße" singt. Ich hoffe, daß dies nicht die herrschende Rechtsprechung ist.

Die Strafe wäre in Deutschland und in jedem demokratischen Rechtsstaat niedriger ausgefallen, das stimmt. Aber das macht diese Frauen, die jeden Anstand vermissen lassen, ja noch nicht zu Heldinnen.

Herzlich, Zettel

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

18.08.2012 15:46
#11 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #5
Zitat von Zettel im Beitrag #1
Am 21. Februar 2012 drangen vier Mitglieder dieser Gruppe in die Khram Khrista Spasitelya in Moskau ein, die Kathedrale Christi des Erlösers.


In einem Beitrag bei der Freisinnigen Zeitung wird das anders gesehen: http://blog.freisinnige-zeitung.de/archives/4580

"Unseres Wissens “war die Truppe” nicht “in die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau eingedrungen”, wie behauptet wird, mit den in dem Wort mitschwingenden Assoziationen von Gewalt. Vielmehr handelt es sich bei der Kirche um einen öffentlich zugänglicher Ort, an den sich jeder begeben darf, wozu der Eigentümer sein Einverständnis gegeben hat. Richtig ist natürlich, daß der Eigentümer nicht alles dort dulden muß und von seinem Hausrecht Gebrauch machen darf. Das geschah auch, soweit das im Video zu sehen ist. Da der Song nur weniger als zwei Minuten dauert, gehen wir davon aus, daß die Gruppe die Kirche danach sofort verließ."


Die Kirche stand zwar den Gläubigen und Besuchern offen. Aber der »Eigentümer« hat definitiv niemandem sein Einverständnis gegeben, dass diese besonders heilige Fläche vor dem Altar betreten werden darf. In einer Evangelischen Kirche darf man auch nicht um den Altar tanzen oder auf der Kanzel irgendwelchen Unfug treiben.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2012 15:53
#12 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #9
Aber der springende Punkt ist doch: Es gibt auch in einem demokratischen Rechtsstaat gewisse Bereiche, wo man nicht jede Zote herauslassen, nicht jede Kunstaktion veranstalten und nicht jede rüde Protestform anwenden kann. Das ist keine Erfindung des Herrn Putin.

So ist es, lieber Stefanolix.

Es gibt buchstäblich täglich Fälle, bei denen Menschen in Diktaturen ungerecht, oft barbarisch behandelt werden.

Im Iran werden Menschen wegen ihrer demokratischen Gesinnung hingerichtet, oder weil sie homosexuell sind. In Castros Gefängnissen vegetieren Tausende unter unmenschlichen Bedinungen. In Nordkorea gibt es ein Gulag, dessen Barbarei alle Vorstellungen sprengt.

Und da regen sich die deutschen Medien auf, weil drei Frauen, die bewußt die Gefühle von Gläubigen verletzen wollten und die in ein Gotteshaus eingedrungen sind, zu zwei Jahren verurtelt wurden?

Es ist, aus meiner Sicht, nachgerade pervers. Diese Aufregung läßt jeden Sinn für Proportionen vermissen.

Gestern Mittag übertrug Phoenix stundenlang. Die endlose Tirade der Richterin wurde simultan übersetzt.

Wie wäre es denn, wenn man täglich die Liste der im Iran, in Saudi-Arabien, in China Hingerichteten bringen würde? Es würde nur einen Bruchteil dieser Sendezeit kosten.

Herzlich, Zettel

Loki Offline



Beiträge: 128

18.08.2012 16:05
#13 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #9
Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #8


zu 1.: Zur Tatzeit fand kein Gottesdienst statt.
zu 2.: Dieser "bechimpfende Unfug" wäre in Deutschland unter der Freiheit der Kunst (die niemandem gefallen muss) gedeckt oder höchstens mit einer Geldstrafe oder einige Stunden Sozialdienst bestraft worden.


Bitte genau lesen: Es geht in unserem StGB ausdrücklich auch um Orte, die dem Gottesdienst gewidmet sind. Der Auftritt in der Moskauer Kathedrale fand zusätzlich sogar noch auf einer geweihten Fläche statt, die nur Geistliche betreten dürfen.


Bei genauem Lesen fällt auf, daß Jorge Arprin genau darauf unter "zu 2." eingeht.

C. Offline




Beiträge: 2.639

18.08.2012 16:24
#14 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Der für mich bisher beste Kommentar zu dem Artikel der Frau Lau.

Zitat
4.12. ""Scheiße, Gottesscheiße".
Als ZEIT-Leserkommentar würde ""Scheiße, Gottesscheiße" sofort mit der Begründung "Bitte verfassen Sie sachliche Kommentare" gelöscht. Brüllen 22-jährige Mädchen das in einer moskowiter Kirche, handelt es sich um "moderne Heldinnen".



Off topic: Mittlerweile ist die online Ausgabe der ZEIT wieder lesenswert, aber nicht wegen der Artikel, die Kommentare machen es aus. Man muss nur schnell genug sein, bevor sie gelöscht werden. Die Moderation bei der ZEIT-online verdient völlig zurecht eine Medaille des Wachregiments Berlin "Feliks Dzierzynski".

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Politur Offline



Beiträge: 49

18.08.2012 16:34
#15 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #3

Was unterscheidet ihn denn von allen den anderen, die nach dem Untergang der UdSSR den Übergang zum Kapitalismus gemanagt haben?

Nicht viel. Daher ist er - wie alle anderen auch - kein Unschuldslamm. Später gab es von ihm einen kurzen Vorstoß in Richtung eines Aufbaus einer Bürgergesellschaft (gegen Korruption, Unterstützung der Opposition, Bildungsförderung,...).

Politur Offline



Beiträge: 49

18.08.2012 16:48
#16 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Man muss auch immer berücksichtigen, wie Öffentlichkeit zustande kommt. Medien verbreiten, was sich gut verkaufen lässt, und verstärken, was bereits sich viral am verbreiten ist. Diskussionen werde immer exemplarisch geführt.

Darüber kann man sich jedes mal neu aufregen, man akzeptiert es oder den Mechanismus grundlegend diskutieren.

Hier ein paar Gründe, warum dieser Protest deutlich mehr Aufmerksam erhält als ein x-beliebiger Bürger Russlands, der sich gegen Korruption o.ä. erhoben hat und deswegen Repressalien erleiden musste:
Pussy Riots sind Künstler und erhalten als diese besondere Aufmerksamkeit. Künstler unterstützen sich gegenseitig und greifen deren Motive auf. Der Auftritt der drei Frauen war medienwirksam und insbesondere durch die Masken hervorragend symbolträchtig. Diese Masken konnten viral zitiert und kopiert werden. Wenn Frauen protestieren, reagieren die Medien intensiver darauf, als wenn Männer es tun. Eine der drei Frauen ist nicht nur sehr attraktiv, sondern schafft es auch noch medienwirksam zu posieren.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2012 17:06
#17 Draft Lyllith! Antworten

Zitat von C. im Beitrag #14
Mittlerweile ist die online Ausgabe der ZEIT wieder lesenswert, aber nicht wegen der Artikel, die Kommentare machen es aus. Man muss nur schnell genug sein, bevor sie gelöscht werden. Die Moderation bei der ZEIT-online verdient völlig zurecht eine Medaille des Wachregiments Berlin "Feliks Dzierzynski".

Ach, dear C. was wären das für Perlen für ZR.

Wenn du dort schreiben würdest - wie es Lyllith ja eigentlich angekündigt hatte -, dann würden die Pageviews nicht mehr, wie jetzt, mühsam wachsen, um vielleicht fünf Prozent pro Monat, sondern dann würde ZR nach oben schnellen.

Bei amerikanischen National Conventions gibt es den draft: Die Delegierten verdonnern einfach einen dazu, Kandidat zu werden, sie "rekrutieren" ihn. Er muß gehorchen.

Ich rufe hiermit die Zimmerleute dazu auf, C. alias Lyllith, die besser schreibt als fast jeder Profi in den deutschen Medien, dazu zu bringen, endlich auch den Lesern von ZR das Vergnügen zu erlauben, sie zu lesen. Per draft.

Ermuntert Lyllith, liebe Zimmerleute.

Sagt ihr, wie unglaublich gut sie ist. Denn ich glaube, sie weiß das nicht.



Klar ist das eigennützig, was ich da vorschlage.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

18.08.2012 17:31
#18 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #8
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #6

Zitat von § 167 StGB Störung der Religionsausübung
(1) Wer
1. den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder
2. an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.



http://dejure.org/gesetze/StGB/167.html


zu 1.: Zur Tatzeit fand kein Gottesdienst statt.
zu 2.: Dieser "bechimpfende Unfug" wäre in Deutschland unter der Freiheit der Kunst (die niemandem gefallen muss) gedeckt oder höchstens mit einer Geldstrafe oder einige Stunden Sozialdienst bestraft worden.



Nein, es wäre nicht als "Freiheit der Kunst" gedeckt. Wissen Sie auch warum? Weil die Kirche nämlich der Religionsgemeinschaft gehört. Vor der Kirche wäre es als Freiheit der Kunst gedeckt. In der Kirche nicht, auch dann nicht, wenn die Kirche grundsätzlich für Publikumsverkehr offen war, denn dies ist implizit natürlich an die Bedingung geknüpft sich zu benehmen.

Nachtrag:
Im übrigen sind Kirchengebäude in der Regel res sacra, dass heißt durch das staatliche Recht als für die Religionsausübung besondere, notwendige Sache zusätzlich geschützt. Dies ist ein Ausfluss der Religionsfreiheit.

Wie ich schon an anderer Stelle betonte: Hier fühlt sich nicht jemand in seiner Religionsfreiheit verletzt, weil ein anderer lediglich sein Recht auf freie Meinungsäußerung/Kunstfreiheit ausgeübt hat. Hier wurde jemand in seinem besonders geschützten Eigentum verletzt, welches religiösen Zwecken dient. Hier muss man tatsächlich das Grundrecht auf Eigentum in Verbindung mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit gegen die Meinungs- und Kunstfreiheit abwägen. Und die Abwägung ist hier nicht sehr schwierig: Der Schutz eines privaten/religiösen Raumes zur ungestörten Religionsausübung geht vor. Umgekehrt wollen Sie ja eventuell auch nicht auf einer von ihnen organisierten säkularen Veranstaltung plötzlich Sektierer mir störenden Zwischenrufen haben.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."
-Thomas Jefferson
Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

18.08.2012 18:30
#19 RE: Draft Lyllith! Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #17
(…) Bei amerikanischen National Conventions gibt es den draft: Die Delegierten verdonnern einfach einen dazu, Kandidat zu werden, sie "rekrutieren" ihn. Er muß gehorchen.

Ich rufe hiermit die Zimmerleute dazu auf, C. alias Lyllith, die besser schreibt als fast jeder Profi in den deutschen Medien, dazu zu bringen, endlich auch den Lesern von ZR das Vergnügen zu erlauben, sie zu lesen. Per draft.

Ermuntert Lyllith, liebe Zimmerleute.

Sagt ihr, wie unglaublich gut sie ist. Denn ich glaube, sie weiß das nicht.



Klar ist das eigennützig, was ich da vorschlage.



Eigennutz und Gemeinnutz sind oft eng miteinander verknüpft ;-)
Ich schließe mich der Bitte an, auch wenn ich in den nächsten
Monaten aus beruflichen Gründen etwas seltener Zeit zum Diskutieren haben werde.

Herzliche Grüße
Stefanolix

.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

18.08.2012 18:45
#20 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Politur im Beitrag #16
Man muss auch immer berücksichtigen, wie Öffentlichkeit zustande kommt. Medien verbreiten, was sich gut verkaufen lässt, und verstärken, was bereits sich viral am verbreiten ist. Diskussionen werde immer exemplarisch geführt.

Darüber kann man sich jedes mal neu aufregen, man akzeptiert es oder den Mechanismus grundlegend diskutieren.

Hier ein paar Gründe, warum dieser Protest deutlich mehr Aufmerksam erhält als ein x-beliebiger Bürger Russlands, der sich gegen Korruption o.ä. erhoben hat und deswegen Repressalien erleiden musste:
Pussy Riots sind Künstler und erhalten als diese besondere Aufmerksamkeit. Künstler unterstützen sich gegenseitig und greifen deren Motive auf. Der Auftritt der drei Frauen war medienwirksam und insbesondere durch die Masken hervorragend symbolträchtig. Diese Masken konnten viral zitiert und kopiert werden. Wenn Frauen protestieren, reagieren die Medien intensiver darauf, als wenn Männer es tun. Eine der drei Frauen ist nicht nur sehr attraktiv, sondern schafft es auch noch medienwirksam zu posieren.


Das ist ja alles in Ordnung, aber warum sind sie denn dann nicht auf dem Roten Platz aufgetreten? Oder gegenüber der Kirche, außerhalb der geweihten Fläche? Oder in einer Theaterkulisse, mit der eine Kirche dargestellt wird? Warum musste es unbedingt dieses Gebäude sein, das vielen russisch-orthodoxen Christen heilig ist? Und dann auch noch der heiligste Bereich der Kirche. Ich kann es einfach nicht begreifen. Bei aller Sympathie für das Grundanliegen: Diese Aktionsform löst bei mir nur Befremden aus.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2012 19:39
#21 Provozieren Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #20
Das ist ja alles in Ordnung, aber warum sind sie denn dann nicht auf dem Roten Platz aufgetreten? Oder gegenüber der Kirche, außerhalb der geweihten Fläche? Oder in einer Theaterkulisse, mit der eine Kirche dargestellt wird? Warum musste es unbedingt dieses Gebäude sein, das vielen russisch-orthodoxen Christen heilig ist? Und dann auch noch der heiligste Bereich der Kirche. Ich kann es einfach nicht begreifen.
Na, sie wollten maximal provozieren. Was ja auch funktioniert hat.

Beim Provozieren gibt es drei Möglichkeiten:

Erstens, es geht nicht, weil die Gesellschaft abgebrüht ist. In Deutschland zum Beispiel kann niemand provozieren, indem er das Christentum oder christliche Symbole herabsetzt. Null Wirkung. Er könnte nur durch einen Angriff auf den Islam provozieren, wovor aber jeder Schiß hat. Denn so hilflos das Christentum ist, so militant sind Islamisten.

Zweitens gibt es die Situation, daß Provozieren Aufsehen erregt, aber der Provokateur relativ ungeschoren davonkommt. Das war in Deutschland ab 1967 so, wo einer zum Beispiel berühmt werden konnte, indem er in den Gerichtssaal kackte.

Drittens gibt es den Fall, daß Provozieren richtig teuer wird. Das hat jetzt "Muschi-Krawall" erlebt.

Ich bin überhaupt nicht dafür, daß man diese Frauen nun zwei Jahre in ein Arbeitslager sperrt. Aber sie wollten provozieren; sie kannten das Risiko, und nun hat es sie halt getroffen.

Kein Grund zum Weinen. Es gibt Hunderttausende von poliitischen Gefangenen weltweit, die eher Solidarität verdienen als diese unzivilisierten, unverschämten Schänderinnen eines Orts, der anderen heilig ist.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

19.08.2012 00:01
#22 Und die Kinder? Antworten

Was mir in der medialen Aufarbeitung zumeist zu kurz kommt, ist das Schicksal der jungen Kinder, die ja wohl zwei der Frauen haben. Die werden ab und zu mal erwähnt, um die Grausamkeit der langen U-Haft noch zu betonen, aber umgekehrt könnte man sich auch mal fragen, wie die Mütter mit ihrer Verantwortung für den eigenen Nachwuchs umgehen, wenn sie durch solche Provokationen bewusst die Staatsmacht auf den Plan rufen und es dadurch zu einer langen Trennung kommt.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.004

19.08.2012 11:57
#23 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Politur im Beitrag #2
Guter Beitrag, abgesehen davon, dass Chodorkowski wahrlich auch kein Unschuldslamm ist...


Der Privatisierungsmechanismus, den Russland gewählt hat, war rückblickend nicht das gelbe vom Ei, weil er den alten Managern in die Hände gespielt hat. War allerdings m.E. relativ schwer vorherzusehen, solche Menschenexperimente finden nicht allzu oft statt.

Als Ergebnis haben wir nur eine Wirtschaft, die von Oligarchen regiert wird und als Gegner nen ex-KGB Mann, der je nach Verfassung entweder Präsident oder Regierungschef ist.


Die Pussy Riot Geschichte fine ich eher uninteressant... beschweren dürfen sie sich nicht, ich hätte schlimmeres erwartet... und wenn die Damen in ca. 1 Jahr aus dem Knast kommen, sind sie Millionäre. Würd ich auch machen.

Grüsse,
Fonzo

[EDIT: Wenn ich was zu Russland schreibe, mache ich gerne auf einen wesentlich krasseren Fall von Menschenrechtsverletzung aufmerksam:
http://en.wikipedia.org/wiki/Sergei_Magnitsky]

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.004

19.08.2012 12:02
#24 RE: Und die Kinder? Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #22
Was mir in der medialen Aufarbeitung zumeist zu kurz kommt, ist das Schicksal der jungen Kinder, die ja wohl zwei der Frauen haben. Die werden ab und zu mal erwähnt, um die Grausamkeit der langen U-Haft noch zu betonen, aber umgekehrt könnte man sich auch mal fragen, wie die Mütter mit ihrer Verantwortung für den eigenen Nachwuchs umgehen, wenn sie durch solche Provokationen bewusst die Staatsmacht auf den Plan rufen und es dadurch zu einer langen Trennung kommt.


Ja, hab ich mir auch gedacht. Ein bisschen Recherche zeigt, dass die Kinder auch Väter haben (die, man mag es nicht glauben, sogar accord gehen mit dem riskanten Geschaeft ihrer Frauen). Wird natürlich nicht erwähnt vom Nachrichtensprecher, der ankündigt dass 2 Mütter gerade zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden.

Grüsse,
Fonzo

[EDIT: Wenn ich was zu Russland schreibe, mache ich gerne auf einen wesentlich krasseren Fall von Menschenrechtsverletzung aufmerksam:
http://en.wikipedia.org/wiki/Sergei_Magnitsky]

lois jane Offline



Beiträge: 662

19.08.2012 13:58
#25 RE: Marginalie: Heldinnen? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #10
Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #8
zu 1.: Zur Tatzeit fand kein Gottesdienst statt.

"... an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt". Exakt das hat stattgefunden.
Zitat von Jorge Arprin im Beitrag #8
Dieser "bechimpfende Unfug" wäre in Deutschland unter der Freiheit der Kunst (die niemandem gefallen muss) gedeckt oder höchstens mit einer Geldstrafe oder einige Stunden Sozialdienst bestraft worden.

Mag sein, daß es Richter gibt, die es für Kunst halten, wenn jemand "Scheiße, Scheiße, Gottes Scheiße" singt. Ich hoffe, daß dies nicht die herrschende Rechtsprechung ist.

Die Strafe wäre in Deutschland und in jedem demokratischen Rechtsstaat niedriger ausgefallen, das stimmt. Aber das macht diese Frauen, die jeden Anstand vermissen lassen, ja noch nicht zu Heldinnen.


Naja, über Kunst kann man ja bekanntlich streiten bzw. auch nicht. Der dümmliche Fäkaltext macht es nicht zu Nichtkunst (man vergleiche andere aktuell erfogreiche Liedtexte).

Der Punkt ist aber doch: ich kann doch nicht irgendwo eindringen, meinen Müll fabrizieren und mich dann auf die Kunstfreiheit berufen.

Es ist sehr wohl entscheidend wo das ganz passiert ist. Eine Kirche ist kein öffentlicher Raum, auch wenn die Türe offen steht. Der Altarraum einer Kirche - umso mehr einer russisch-orthodoxen Kirche, wo der Zugang ja nochmal strenger gehandhabt wird - umso weniger. Das ganze ist weniger Blasphemie als ein Sakrileg.

Daß in Deutschland die Strafe milder gewesen wäre, ist kein Argument, schon gar nicht für die Freilassung der Täterinnen.

"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande!"
Und nimm den Staat weg, dann bleiben unorganisierte Räuber zurück!

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