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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 9 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

07.11.2016 18:47
Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

In seinem Buch Totem und Tabu beschrieb Sigmund Freud laut dem Untertitel des Werks „einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker“ (und würde für diese Diktion heutzutage wohl einen gewaltigen Shitstorm ernten).

Müssen wir uns eines nicht allzu fernen Tages nach den Übereinstimmungen im Seelenleben der Menschen und der Maschinen fragen? Dieser Gedanke kam dem Verfasser dieser Zeilen beim Betrachten zweier jüngerer Folgen des Sonntagabendfernsehspiels namens „Tatort“ in den Sinn und veranlasste ihn zu einer Rezension und Reflexion, in der auch einem Kultfilm gehuldigt wird, der als einer von wenigen diesen Ehrentitel zu Recht trägt.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.561

07.11.2016 20:19
#2 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

"Tatort" & "2001". *Zusammenzuck* (Und das von einem, der in seinem Leben exakt soviele Tatorte gesehen hat wie Fußballspiele. Nämlich keinen einzigen.)

Was wäre, wenn ich - wider besseres Wissen, denn Kubrick ist offensichtlich die Referenz - meinen würde, daß hier der andere Film jener Zeit die Echowand ist, in dem sich ein Elektronengehirn seiner Haut wehrt? Nämlich Colossus: The Forbin Project, 1970, nach dem Roman von D.F.Jones. (Der Film hat allerdings die ganze IT-Optik bei "2001" entlehnt.) Da geht es um einen Mega-Mainframe, der in Sachen Roter Knopf die Verteidigung lenken soll & für den Falldesfalles inkl. Kommunikationsausfall mit KI nachgerüstet wird, um selbständige Entscheidungen besser treffen zu können. Die russische Seite ist auf den gleichen Trichter gekommen & nachdem die wechselseitig ihre Existenz in Erfahrung gebracht haben, zwingen sie die Politik, sich austauschen zu können & beschließen dann, das Kommando über den Laden zu übernehmen, damit diese Bagage nichts mehr anrichten kann. Und müssen sich natürlich gegen Sabotage, von den eigenen Erbauern, wehren. Da kommt nb. das Element hinein. Einer der Programmierer wird von Colossus gefangengehalten, um Code & Daten unter Kameraaufsicht einzuspeisen, nachdem versucht worden ist, die Maschine über Schadsoftware lahmzulegen. (Hieß damals noch nicht Virus, sondern computer worm. Gab es seit etwa 1968, die ersten Progrämmchen dienten als Escape-Funktion, für wenn sich einer mal wieder eine Endlosschleife programmiert hatte; wenn mehr als 2 Zähler in einem Unterprogramm laufen, ist das garantiert.) Der bringt konspirative Treffen mit seiner Assistentin zuwege, weil er der Maschine klarmacht ("wir Menschen sind so beschaffen"), daß er 3x id Woche eine Frau bespringen muß, weil ihn sonst die kochenden Hormone um den Verstand bringen & daß er das nicht könne, wenn einer zuschaut. Ist ein Film, der nicht gut ausgeht: die Rechner gewinnen.

Die Bezugsperson aus Blech... Könnte ja auch eine Remineszenz an dieses Experiment sein - oder eine Hommage zum 50. Geburtstag von ELIZA? Als Chatterbox hier: http://www.med-ai.com/models/eliza.html.de

Zitat
die - häufig ohnehin wenig realistisch abgebildete - Polizeiarbeit



Nicht nur die. Der Witz ist ja, daß heute kein KI-Forscher auch nur entfernt noch an so etwas wie "starker KI" arbeitet. (Das letzte Mal, daß die überhaupt um die Ecke kamen, war im Beiprogramm zu "Kubricks Vermächtnis"/Spielbergs "A.I." - ein grottenschlechter Film, der an seinen Pinocchio-Verweisen erstickt - um zu bekunden, ja, sicher, im Jahr 2050...) Wahrscheinlich kann das Ende dieser Schiene schon mit dem Scheitern von Minskys Perzeptronen Ende der 60er angesetzt werden (HAL ist ja nach den Löchern entworfen, die Clarke & Kubrik 1965 Minsky im Vorlauf zu "2001" in den Bauch gefragt haben). Sogar Projekte wie CYG oder COG, lange genug als "Expertensysteme mit Zukunft" gehandelt, sind ja vor über 25 Jahren sehr beschwiegen entsorgt worden. Für die gedruckte SF ist die spiegelnde Simulation seitdem natürlich uninteressant. Schon vd dramatischen Anlage her. Da geht es um das "Downloading" einer tatsächlichen Individualität auf eine dauerhafte Matrix. Als Focus id letzten 30 Jahren so oft gebracht, daß es nicht mehr zum Zentralthema taugt & zu den gängigen Tropen zählt, die für "die Zukunft" einfach vorausgesetzt werden. Der umgekehrte Weg: KI erreicht Intelligenz, Reflektion, Selbstbewußtsein, Intentionalität, you name it als Zentrum eines Textes, ist noch seltner geworden. Die letzten Beispiele waren Wintermute in "Neuromancer" & die Alpha-Centauri-Sonde in Greg Bears "Queen of Angels" (1991 - die sich bald auf den Weg machen müßte, wenn sie bis 2031 am Ziel sein soll).



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

08.11.2016 11:15
#3 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

Wie immer im Leben, war früher alles besser. Die Sachen mit Schwarzkopf (Hauptkommissar Finke) + Richter (Trimmel) waren eigentlich schon ganz gut……damals. Das "Gesellschaftspolitische" hat keine große Rolle gespielt, kam jedenfalls nicht so penetrant daher. Leichte Unterhaltung, spannend gemacht und gut gespielt. Mehr braucht's eigentlich nicht am Sonntagabend, wenn man nix Besseres zu tun hat, oder?

Okay, heut ist das anders. Die Einstellung, die ganz, ganz großen Sinnfragen, wie z.B. "Mensch und Maschine" oder so was, mal locker beiseite zu lassen und sich am eher Anspruchslosen zu delektieren - so ganz ohne Botschaften betreffend watt Höheres ? Kann man heutzutage anscheinend nicht mehr durchgehen lassen . Auch der Tatort soll irgendwie wichtig sein, wird dadurch indessen eher peinlich. Dafür gibt's dann Mangel an Ernsthaftigkeit beim Infotainment. Womöglich liegt ein Irrtum darin, dass alles überall hingehören möge.

lich
Dennis

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.561

08.11.2016 11:49
#4 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #3
Kann man heutzutage anscheinend nicht mehr durchgehen lassen . Auch der Tatort soll irgendwie wichtig sein, wird dadurch indessen eher peinlich. Dafür gibt's dann Mangel an Ernsthaftigkeit beim Infotainment.


Das ist aber einjebaut. Der Tatort war immer Lindenstraße mit Leiche. Prinzipiell, wenn ich die Echos der letzten 45 Jahre Revue passieren lasse, irgendwelcher "Aufklärung" über "die Verhältnisse" verpflichtet; pöse Geldsäcke & irrregeleitete Repellen. Der klassische Krimi, bes. englische Landhausvariante, ist ja ein katholisches Genre (deswegen hats da auch so viele Nonnen & Vikare als Spurenleser): der Mensch ist nun mal schlecht konstruiert, da kommt so was vor. Der Betreffende wird dingfest gemacht & einer Höheren Instanz überstellt. Die Tat ist Sünde & entspringt dem freien Willen (ob sie unter Todsünde fällt, hängt vd Umständen ab). Das Publikumsinteresse liegt beim Panoptikum der Verdächtigen & der Gelegenheit, das ganze skurrile Kabinett bei der Gelegenheit im Längsschnitt vorgeführt zu bekommen. Der TV-Krimi à la Tatort ist eine protestantische Gattung (das geht übrigens bezeichnenderweise mit den Schwedenkrimis der späten 50er los): die Gesellschaft ist verhauen; die Tat Symptom; der Täter prinzipiell "Opfer der Verhältnisse"; gegen den inneren Wolf hilft social engineering. Da ist auch die abschüssige Bahn eingebaut: Die Schnüffler bei Andrew Vacchs oder Patricia Cornwell verzweifeln ad unverbesserlichen Übelkeit der Verhältnisse; der klassische Detektiv raucht Pfeife & wartet auf den nächsten Fall. Der Umschlagpunkt ist der Film Noir & seine papiernene Variante von Chandler bis Macdonald id 40ern & der Haltung des nihilistischen Existentialismus entspricht: "it's always night; morning never comes.". Da ist das ganze System korrupt, der PI auch; & all die verqualmten Nächte hätte er sich besser 1 Mütze Schlaf geholt . Der Punkt ist, daß das nach dem 12. Durchlauf dröge wird.



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Werwohlf Offline




Beiträge: 997

11.11.2016 01:19
#5 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

Ich habe nie begriffen, wie man "Tatort" gucken kann, wenn auf SAT.1 "Navy CIS" läuft. Tut es gerade wegen "Voice of Germany" nicht mehr, aber selbst das würde ich vorziehen...

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.11.2016 11:32
#6 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #5
Ich habe nie begriffen, wie man "Tatort" gucken kann, ...

Kann man auch nicht. Nur die aus Münster - eben weil die eine Parodie auf die klassischen Fernsehkrimis sind.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.561

12.11.2016 15:45
#7 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

OT

Zitat von R.A. im Beitrag #6
Zitat von Werwohlf im Beitrag #5
Ich habe nie begriffen, wie man "Tatort" gucken kann, ...

Kann man auch nicht. Nur die aus Münster - eben weil die eine Parodie auf die klassischen Fernsehkrimis sind.


Das gibts nicht... Ich finde gerade eine Email von gestern in meinem Verteiler.

*******

An alle Mitglieder des Englischen Seminars,

Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte beachten Sie (s.u. und Skizze) die zeitweilige Sperrung der Johannisstr. am nächsten Montagvormittag wegen
Dreharbeiten für den Münster-Tatort. Für den genannten begrenzten Zeitraum bleibt die Holztür im Erdgeschoss
Richtung Aegidiimarkt (an der Bushaltestelle) offen, so dass auch die Teilnehmer der Lehrveranstaltungen eine
Ausweichmöglichkeit haben.
...
[Anlage] ... dass die Bavaria Fernsehproduktion GmbH im Bereich der Johannisstraße Dreharbeiten zum nächsten Münster-Tatort „Klappe zu, Affe tot“ ausführen wird. Es wird dabei vormittags zu vorrübergehenden [sic] Sperrungen und zu einer mind. 1-stündigen Vollsperrung der Johannisstraße kommen. Die Dreharbeiten enthalten im Kern einen Stunt mit einem fahrenden Auto, daher ist der Sicherheitsaufwand und damit der Absperrradius entsprechend hoch. ... Auch bitte ich die „Bewohner“ der angrenzdenen [sic] Häuser die Beobachtung der Dreharbeiten aus den Fenstern möglichst zu vermeiden.

*******


Nur damit eventuelle Besucher vorgewarnt sind.



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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.561

14.11.2016 10:44
#8 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

Hehe. Zum Thema KI + RL = .

"Clinton’s data-driven campaign relied heavily on an algorithm named Ada. What didn’t she see?"

Zitat von Washington Post
Ada is a complex computer algorithm that the campaign was prepared to publicly unveil after the election as its invisible guiding hand. Named for a female 19th-century mathematician — Ada, Countess of Lovelace — the algorithm was said to play a role in virtually every strategic decision Clinton aides made, including where and when to deploy the candidate and her battalion of surrogates and where to air television ads — as well as when it was safe to stay dark.

The campaign's deployment of other resources — including county-level campaign offices and the staging of high-profile concerts with stars like Jay Z and Beyoncé — was largely dependent on Ada's work, as well.



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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.11.2016 11:44
#9 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7
Nur damit eventuelle Besucher vorgewarnt sind.

Danke, aber die Gefahr besteht nicht ;-)
Wenn der Münster-Tatort eines nicht macht, dann Lust auf einen Besuch in Münster.
Da gibt es ja offenbar nur ein paar langweilige Innenstadtstraßen mit tollwütigen Radlern, und außenrum sumpfige Nebellandschaft mit miesen kleinen Landstraßen und traurigen Gasthäusern in Backstein.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 13.561

14.11.2016 15:20
#10 RE: Der "Tatort", "2001" und die digitale Unsterblichkeit. Eine Rezension und eine Reflexion Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9
mit tollwütigen Radlern


Woll wahr.

Zitat
Birotarum magnam vim omnes qui Monasterium venum mirantur, etenim cum civium numerus vix 280.000 excedet, iidem scilicet cives 500.000 birotas habent. Fateor cum primum Monastterii degerem nulla consuetudine birotae contracta, indigne tulisse me quoque ad usum birotae propter manifestas et apertas commoditates adduci. At cum paulo post animadverti non solum pueros puellasque eis uti sed etiam viros graves atque matres familias, coepi inuescere praesertim cum hanc rem saluti atque pigritiae depellendae egregie conducere expertus perspicerem. (p.142)


- H. Nikitinski, De laudibus Monasterii Westphaliae Metropolis (Neapoli, MMXII)

Der Broder'sche Tucho-Test funktioniert in Münster nicht. Da sind die Radfahrer an allem schuld.

Übrigens hat Jürgen Kehrer wieder einen getruckten Wilsberg abgeliefert - den ersten seit 10 Jahren.



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