Der Brexit und Trump sind sicher auch Symptome eines Unbehagens an der kulturellen Hegemonie des grünen Denkens. Die Kritiker des herrschenden Diskurses halten sich dabei jedoch viel zu oft mit Skurrilitäten und Nebensächlichkeiten auf. Die Entkernung der Gesellschaft, die durch die grüne Ideologie befördert wird, ist weit seltener Thema der Gegenrede. Eine Reflexion.
da ich zur Zeit hier leider nicht mehr ganz so oft hereinschauen kann und dieser Artikel leider bisher auch nicht kommentiert ist, hätte ich ihn fast überlesen.
In meinen Augen ist er ein Juwel, welches den Finger tief in die Wunde des gesellschaftspolitischen Umbruchs legt, welchen wir in diesen Zeiten durchleben. Es ist der Aufstand der Kinder gegen ihre Eltern. Mit den Mittel ihrer Eltern, denn sie können dem Wesen ihrer Eltern nicht entkommen. Kein Kind kann das. Das weiß jedes Kind, das über sich und seine Eltern reflektiert und jedes Elternteil, welches seine Kinder aufmerksam beobachtet. Kinder und Eltern können sehr wohl die unterschiedlichen Seiten einer Münze sein, niemals aber eine jeweils andere Münze.
Du benennst das Selbstverständnis der Grünen der Antipode des Nationalsozialismus zu sein und dieses Selbstverständnis verhindert den kritischen Blick auf sich selbst. Sie traten an, ihre Eltern zu überwinden aber sie hatten dazu nur das, was ihre Eltern ihnen beibrachten und tappten dabei in die gleichen Fallen. Unserem ehemaliger Außenminister Joschka Fischer dämmerte diese Erkenntnis ebenfalls in diesem bemerkenswerten Interview.
Zitat von Joschka FischerWir erkannten allmählich, dass diejenigen, die mit der Abkehr von der Elterngeneration als Antifaschisten begonnen hatten, bei den Taten und der Sprache des Nationalsozialismus gelandet waren.
Wenn heute etwas mit dem Nationalsozialismus verglichen wird, denkt man immer nur an die Greul, welche sich nicht vergleichen lassen und weist den Vergleich empört zurück. Dabei übersieht man das (ich nennen es einmal) "bürgerliche Wesen" des Nationalsozialismus, welches zunächst einmal unabhängig von den Greul besteht: Der Wunsch der Jugend eine neue, bessere Welt, nach den eigenen unverhandelbaren Idealen zu erschaffen. Dabei entsteht dann Feuereifer, immer tiefere Überzeugung, mündend in Intoleranz und "Hass gegen das Andere", welches gegen das "Neue" steht.
Vieles davon erkenne ich bei den Grünen. Der Wunsch nach einer besseren Welt, gebaut nach den eigenen Idealen, ohne Toleranz gegen andere ("alte") Ideale.
In meinen Augen ist das Dritte Reich die Visualisierung der Katastrophe, wenn man den Weg zu diesem Wunsch konsequent zu Ende geht. Ich denke nicht, dass uns eine solche Katastrophe bevorsteht, auch wenn der Firnis der Zivilisation dünn ist, aber die gesellschaftlich zerstörerische Wirkung solcher blinden Idealgläubigkeit beginnt eben, wie du richtig beschreibst, schon sehr viel früher. Sie merzt das andere aus, schafft Einseitigkeit und erstickt echten Pluralismus. Es ist eine Art gesellschaftspolitische Planwirtschaft, welche das Leben erstickt.
Ich schrieb an anderer Stelle, dass die deutsche Elite der Diktatur den Vorzug gibt und der Michel gerne regiert wird. Die Eliten mögen dabei die unterschiedlichsten Ansichten haben, neue Eliten mögen die alten zu überwinden trachten. An ihrer ihrer Verachtung gegenüber fremden Gedanken, kann man sie immer erkennen. Auch die Eliten können ihren Eltern nicht entkommen. Es bleibt der alte Wein in neuen Schläuchen.
Herzlich
nachdneken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat ... braucht man über den Status quo der kulturellen Hegemonie der grünen Ideologie nicht zu diskutieren.
Ich persönlich neige auch eher der These mit der grünen Hegemonie zu. Aber diskutieren bzw. begründen müßte man das schon besser als mit anekdotischer Evidenz. Gibt ja auch genug Einzelbeispiele, daß Deutschland ganz im Gegenteil eine "neoliberale Hegemonie" hätte. Und es ist nicht einfach zu beurteilen, welche Sicht plausibler ist.
Zitat Die Modernisierung im zwischenmenschlichen Bereich hat nämlich dazu geführt, dass an zwei für die Stabilität einer Gesellschaft wesentliche Institute die Axt angelegt wurde, nämlich an das Ideal lebenslanger monogamer Partnerschaften und an die Gewissenspflicht der individuellen Hilfsbereitschaft.
Das sind aber nun gerade zwei Punkte, da halte ich den Einfluß der Grünen für marginal. Die Krise der Ehe ist älteren Ursprungs und auch in Gesellschaften zu beobachten, in denen die Grünen keine Rolle spielen. Und die Verantwortungsverlagerung von der individuellen Hilfe zur staatlichen ist ebenfalls schon deutlich länger her. Die Grünen folgen zwar auch diesem Trend, aber im Kern ist das ein sozialistischer.
Ich würde den schädlichen Einfluß der grünen Hegemonie vor allem darin sehen, daß sie das "Postfaktische" in die deutsche Politik eingeführt bzw. zum zentralen Prinzip gemacht haben. Argumente und Fakten sind nebensächlich, es regiert das Bauchgefühl. Sozialisten und Liberale sind viel stärker dem Rationalen verpflichtet, das unterschied sie von den Konservativen. Die Grünen haben bestimmte Punkte der linksradikalen Programmatik mit dem Strukturkonservatismus verbunden. Aber immer mit einer rein gefühligen Begründung anstelle Argumenten. Das hat dem politischen Diskurs in Deutschland nachhaltig geschadet und die inhaltlichen Fehlsteuerungen ermöglicht.
Zitat Die Modernisierung im zwischenmenschlichen Bereich hat nämlich dazu geführt, dass an zwei für die Stabilität einer Gesellschaft wesentliche Institute die Axt angelegt wurde, nämlich an das Ideal lebenslanger monogamer Partnerschaften und an die Gewissenspflicht der individuellen Hilfsbereitschaft.
Das sind aber nun gerade zwei Punkte, da halte ich den Einfluß der Grünen für marginal. Die Krise der Ehe ist älteren Ursprungs und auch in Gesellschaften zu beobachten, in denen die Grünen keine Rolle spielen. Und die Verantwortungsverlagerung von der individuellen Hilfe zur staatlichen ist ebenfalls schon deutlich länger her. Die Grünen folgen zwar auch diesem Trend, aber im Kern ist das ein sozialistischer.
Zitat von Emulgator im Beitrag #4Die Grünen sind Sozialisten.
Das ist zu schlicht. Sie sind links, und daher stark sozialistisch beeinflußt. Aber sie haben eben auch Wurzeln, die mit Sozialismus gar nichts zu tun haben (und sie zum idealen Partner für manche Konservative machen).
Zitat von R.A. im Beitrag #5Das ist zu schlicht. Sie sind links, und daher stark sozialistisch beeinflußt. Aber sie haben eben auch Wurzeln, die mit Sozialismus gar nichts zu tun haben (und sie zum idealen Partner für manche Konservative machen).
Richtig. Es gibt ja auch konservative Sozialutopien. Oder vielleicht sollte man da dann doch auf die Vokabel reaktionär zurückgreifen, weil das mit klassischem Konservatismus (also "bürgerlich" geprägt) nicht mehr viel zu tun hat. Und es gibt Menschenfeindschaft à la Edward Abbey. Aber in Großen & Ganzen haben die die Optik von Rousseau übernommen & kriegen bei strikter Ablehnung aller Sozialklempnerei pronto Allergieschübe. Und natürlich gibts die gauche/verts caviare, die zynisch Ablaßbriefe verhökern & denen klar ist, daß die flächendeckende Umsetzung ihrer Predigten ihr sofortiges Ende bedeutete. Dürfte die gesamte grüne Nomenklatura umfassen (gildet natürlich auch, mutatis mutandis, für "Die Linke" in toto).
Zitat von R.A. im Beitrag #3Sozialisten und Liberale sind viel stärker dem Rationalen verpflichtet
Ein starker Satz. Für die Liberalen würde ich zustimmen, wenngleich bei den Liberallalas... Aber die Roten? Jamais. Die haben zwar immer diesen Anspruch vor sich hergetragen & in manchen Bereichen, sogar id empirischen Sozialforschung, das entsprechende Zwiedenken ausgehalten, aber bei der Geistigen Mobilmachung haben die immer übers Gekröse gespielt. Brüder zur Sonne, zur Freizeit... Das war ja immer das Manko des Liberalismus, daß das Großhirn nicht unterhalb des Solarplexus liegt.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6Oder vielleicht sollte man da dann doch auf die Vokabel reaktionär zurückgreifen, ...
Nicht so einfach, weil dieser Begriff außerhalb der reinen Polit-Polemik nicht gut definiert ist. Aber schon etwas passend, weil die Grünen wie alle Reaktionäre sich ja nicht damit begnügen, einfach nur das Bestehende behalten zu wollen, wie das der normal-gemütliche Konservative möchte. Sondern sie wollen in eine idealisierte Vergangenheit zurück, auch wenn sie dabei völlig realitätsfern nostalgieren.
Zitat
Zitat von R.A. im Beitrag #3Sozialisten und Liberale sind viel stärker dem Rationalen verpflichtet
Ein starker Satz. Für die Liberalen würde ich zustimmen,... Aber die Roten? Jamais.
Doch, doch. Natürlich haben die Sozis eine irgendwo irrationale Grundmotivation. Die haben die Liberalen aber letztlich auch - ohne Emotion kriegt niemand den Hintern hoch für irgendeine politische Richtung. Aber das ist halt für die Sonntagsreden. Im praktischen Politikalltag sind Sozis normalerweise ziemlich rational und bereit, gewisse Aspekte der Realität anzuerkennen. Mit denen kann man reden und argumentieren und praktikable Lösungen finden. Das kann man mit Grünen schwer bis gar nicht.
Zitat von Emulgator im Beitrag #4Die Grünen sind Sozialisten.
Das ist zu schlicht. Sie sind links, und daher stark sozialistisch beeinflußt. Aber sie haben eben auch Wurzeln, die mit Sozialismus gar nichts zu tun haben (und sie zum idealen Partner für manche Konservative machen).
Leider war mir hier die Erklärung mir durch einen Browserabsturz verlorengegangen. Also hole ich sie nach.
Der Sozialismus behauptet, die traditionelle Eigentumsfreiheit und was aus ihr folgt, sei ein veraltetes gesellschaftliches Konstrukt. Dieses gelte es abzulösen, entweder, um einer ohnehin fälligen gesellschaftlichen Enticklung politisch nicht im Wege zu stehen, oder weil diese Entwicklung gezielt herbeigeführt werden müsse. Das ist der gemeinsame Kern aller Sozialisten, und also auch der Grünen, denn bei der Grünen Haltung zu Nichtdiskriminierungsgesetzen, Steuern und Staatsausgaben wird eine ganz klare Eigentummskepsis deutlich. Grüne können nicht sagen, daß man seine Kohlenwasserstoffe verbrennen dürfe, nur weil sie einem gehören. Sie nennen sich vielleicht nicht (mehr gerne) Sozialisten, aber die Marketingbezeichnung ist nicht ausschlaggebend, sondern der Inhalt.
Die Einsortierung der Grünen unter die Sozialisten ist durchaus konsensfähig.
"Links" und "Rechts" sind sehr unglückliche Umschreibungen von politischen Philosophien, weil sie eine Dichotomie behaupten, die es so nicht gibt, oder allenfalls in den Augen der Linken. In der französischen Revolution saßen die Jakobiner ja links in der NV. Die Jakobiner hatten auch tatsächlich ein sozialistisch geprägtes Programm (insbes. zentrale Wirtschaftsplanung). Insofern kann man tatsächlich sozialistisch und links gleichsetzen. Aber was bedeutet dann rechts?
Rechts wurde (und wird) vor allen als sozialistischer Diffamierungsbegriff benutzt ("Rechtsabweichler"). Bei den Nichtsozialisten gibt es durchaus unterschiedliche Weltanschauungen, von denen durch das Einheitsetikett "Rechts" abgelenkt werden soll. Aus sozialistischer Sicht ist das verständlich, da für den Sozialisten die Frage nur ist, ob man für oder gegen die eine "gesellschaftliche Veränderung" sei, die der Sozialist sich denken kann. Aber gerade bei der Frage nach der Ehe sieht man, daß die Festlegung auf die Eigentumsfreiheit noch genügend viele Möglichkeiten für die eigene Weltanschauung offenläßt: Wie sehr ächtet man Ehescheidung? Gibt es eine Ehefreiheit gegen die Eltern? Hier sind konservative und liberale Positionen äußerst unterschiedlich.
Daß Sozialisten auch von anderen Ideen beeinflußt werden, es gewissermaßen eine Art Synkretismus gibt, ist klar, weil die sozialistische Gemeinsamkeit hinsichtlich des Eigentumsprinzips aus unterschiedlichen Wurzeln stammen kann. Der eine sieht sie soziologisch, der andere moralisierend, wieder einer hält Jesus für einen sozialistischen Gegner des Eigentums, noch einer meint, es gehöre zum Wesen der Nation, sich mit dem Eigentum dem Kollektiv zu verschreiben.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6Richtig. Es gibt ja auch konservative Sozialutopien. Oder vielleicht sollte man da dann doch auf die Vokabel reaktionär zurückgreifen, weil das mit klassischem Konservatismus (also "bürgerlich" geprägt) nicht mehr viel zu tun hat.
Reaktionär ist völlig falsch. Reaktionär sind diejenigen, die absolutistische Monarchien wiederhaben wollen. Das Wort ist von 1789!
"Konservative Sozialutopien" -- naja. Sie haben recht, daß die Begründung für den gewünschten angeblichen Idealzustand ist, daß es doch "früher schon mal so gewesen sei". Das ist eine sehr beliebte Argumentationsfigur: Von Rousseau über Luther, den Engels'schen Urkommunismus bis hin zur wörtlichen Bedeutung von "Salafismus" (die Verhältnisse der Altvorderen). Attraktiv an solchen Argumentationen ist, daß man sich einbilden kann, als Träger der Überlieferung die gewünschten Verhältnisse schon mal überlebt zu haben, und nicht in Wahrheit ein riskantes Gesellschaftsexperiment anzuzetteln.
Blöd nur, daß das heutzutage keiner mehr weiß, wie es früher in den goldenen Zeiten jenseits von Einbildungen, Nostalgie und Mythen wirklich war. Wahrscheinlich hat man in allen untergegangenen Kulturen eines Tages gesagt: "Leute, laßt uns es doch so machen, wie es früher mal war, als es unseren Vorfahren noch besser ging!"
Für die inhaltliche Beschreibung einer Weltanschauung ist also egal, ob man sich auf historische Vorbilder oder historische Neuheit beruft.
Zitat von Emulgator im Beitrag #9Wahrscheinlich hat man in allen untergegangenen Kulturen eines Tages gesagt: "Leute, laßt uns es doch so machen, wie es früher mal war, als es unseren Vorfahren noch besser ging!"
Das kann man sogar nachweisen. Die älteste Kultur (ja, ich weiß, darf man nicht mehr sagen ... aber die haben sich allen Ernstes so & als Unikum usf. empfunden) war das Ägypten des Neuen Reichs, so ab 600 v.Chr. Die haben versucht, vom Zeichenkorpus der Hieroglyphen über die Riten (u.a. Rauswerfen aller Tierkulte, von denen sie nix in Inschriften gefunden haben), Liturgie usf. den Zeitstand der Ramessidenzeit wiederherzustellen. Hat nicht mal mit der Orthographie geklappt, aber nu. Cato major ist bekannt (ist eben mitnichten auf "Schlußphase" beschränkt); beim Christentum war ja die Rückstellung auf Urgemeinde mit Entsorgung des Zugewachsenen immer Ziel wie Legitimationsstrategie, von allen Adamiten über D. Martinus bis zum Pietismus. (Wäre mal zu schauen, warum das zeitgleich mit dem Durchsetzen der Aufklärung umschlägt; ab da machen die nur noch ihren eigenen Laden & verstehen sich als ein Geschäftsmodell unter vielen; sh. Oxford Movement). Im Alten China setzt das mit Wang Mang, ziemlich genau Zeitenwende, ein & wird alle paar 100 Jahre, Amplitude 3-400, virulent.
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Zitat von Emulgator im Beitrag #9Wahrscheinlich hat man in allen untergegangenen Kulturen eines Tages gesagt: "Leute, laßt uns es doch so machen, wie es früher mal war, als es unseren Vorfahren noch besser ging!"
Sehr viele wirklich erfolgreiche Reformen, bei denen die Gesellschaft deutlich umgekrempelt wurde, liefen nach demselben Schema. Man kann Akzeptanz für eine Neuerung am leichtesten dadurch erreichen, wenn man sie als Rückkehr zu angeblich bewährten Traditionen verkauft.
Zitat von Emulgator im Beitrag #9Wahrscheinlich hat man in allen untergegangenen Kulturen eines Tages gesagt: "Leute, laßt uns es doch so machen, wie es früher mal war, als es unseren Vorfahren noch besser ging!"
Sehr viele wirklich erfolgreiche Reformen, bei denen die Gesellschaft deutlich umgekrempelt wurde, liefen nach demselben Schema. Man kann Akzeptanz für eine Neuerung am leichtesten dadurch erreichen, wenn man sie als Rückkehr zu angeblich bewährten Traditionen verkauft.
Siehe z.B. die "Renaissance", die die Wiedergeburt antiker Vorbilder sogar im Namen trägt.
Oder aktuelles Beispiel: Selbst ein Donald Trump praktiziert diesen Trick mit seinem Slogan "Make America great again". Das "again" impliziert ja eine Rückbesinnung auf eine glorreiche Vergangenheit.
1. Wird hier keine "Hegemonie der Grünen" beschrieben, sondern ein etwas klischeehaftes Bild der 68er-Kultur. Wenn sich etwas im modernen Deutschland durchgesetzt hat, dann ist es der Zeitgeist von 1968. Sexuelle Befreiung, Toleranz, Auflösung der Ehe, Sozial-Reparatur stammen doch aus dieser Quelle und nicht spezifisch von den Grünen. Die Generation der 68er hat ja letztlich ihre Erfolge bei allen Parteien erreicht. der Grünen-Partei hier eine besondere Schuld zu geben, finde ich daher unpassend. Und ob die "junge" Generation der Grünen überhaupt noch so tickt, würde ich bezweifeln.
2. Finde ich auch das Bild der 68er, das hier gezeichnet wird, sehr klischeehaft. Letztlich wollen wir doch (fast) Alle die 50er Jahre mit ihrem Mief nicht wieder haben. Hat ja einen Grund, dass die AfD-Jugendorganisation ein homosexuelles Vorstandsmitglied hat. Christlicher Fundamentalismus im Sinne von Beatrix Storch wird ja nicht nur im Mainstream abgelehnt, sondern auch in der eigenen Partei.
3. Irritiert mich etwas, wie hier alles ideologisch erklärt wird. Vielleicht bin aich ja zu sehr Materialist, aber selbstverständlich ist das Ende der traditionallen Ehe auf den Siegeszug des Kapitalismus zurückzuführen (und die 68er sind seine widerwillgene Helfer). Die Notwendigkeit der Frauenarbeit, gleichzeitig die neue ökonomischen Möglichkeiten für Frauen und schließlich die Leistung der Pharma-Industrie mit der Pille sind die Ursachen des Endes der alten Ehe. Und das hängt am Kapitalismus und nicht an den spinnerten Vorstellungen von ein paar Grünen.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #13 2. Finde ich auch das Bild der 68er, das hier gezeichnet wird, sehr klischeehaft. Letztlich wollen wir doch (fast) Alle die 50er Jahre mit ihrem Mief nicht wieder haben. Hat ja einen Grund, dass die AfD-Jugendorganisation ein homosexuelles Vorstandsmitglied hat. Christlicher Fundamentalismus im Sinne von Beatrix Storch wird ja nicht nur im Mainstream abgelehnt, sondern auch in der eigenen Partei.
Ich weiß ja nicht, ob Sie die 50er Jahre erlebt haben. Ich habe sie erlebt und ich finde, dass 'Mief' das Klischee ist. Im Gegenteil, die Menschen waren unbeschwerter und hatten weder Angst vor Klima noch Atom. Erotische Neigungen waren Privatsache, und nicht Objekt der öffentlichen Zurschaustellung. Das letztere haben dann die 68er betrieben und als 'Befreiung' verkauft. Die Grünen gab es damals noch nicht, sie sind dann später aber auf der Welle geritten.
in vielen Punkten - und da kann man vor allem die hedonistische Lebenseinstellung in den Fokus nehmen, mit der "sexuellen Revolution" als zumindest rhetorisch sichtbarstem & schwerstem Geschütz (neben dem Drogengebrauch) - handelt es sich da wahrscheinlich um eine Henne-Ei-Frage. Es ist in Rückblicken auf die Sixties immer wieder betont worden, daß "die Pille" & die publizistische Permissivität auch über die "bürgerlichen Kreise" transportiert worden ist. Und die Boheme war schon immer auf diesem Trip. Zum anderen aber ist dieses Zuschreiben an "die 68er", gerade auch in seiner klischeehaften Verkürzung, Teil von deren Selbstverständnis. Was natürlich durch die stets Wiederholung dieses Narrativ quer durch die Bank einfärbt. Der "grüne Zeitgeist" - im Vorfeld von deren Konsolidierung, also id 70ern & während derer Flegeljahre, also der 80ern, hat sich mit vollen Händen aus dieser Melange von Sozialromantik, Rousseauismus, Tiersmondismus und Ich-geb-Gas-Hedonismus bedient; dieses Janusköpfige steckte ja schon in manchen Lebensreformbewegungen, bis in Kaiser W.-Zeiten zurückreichend (Nudismus & Wandervogel etwa; umgekehrt natürlich auch das Sauertöpfische, das Nietzsche schon am Christentum-als-Solchem - ist natürlich seinerseits wieder nichts als "1 Klischee", das "lebensbejahende Heidentum" dagegen auszuspielen - inkriminiert hat & im Neuen Glauben die Liturgieform von Mülltrennung & Veggieday angenommen hat.
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Zitat von Agotbronn im Beitrag #13Wird hier keine "Hegemonie der Grünen" beschrieben, sondern ein etwas klischeehaftes Bild der 68er-Kultur. Wenn sich etwas im modernen Deutschland durchgesetzt hat, dann ist es der Zeitgeist von 1968. Sexuelle Befreiung, Toleranz, Auflösung der Ehe, Sozial-Reparatur stammen doch aus dieser Quelle und nicht spezifisch von den Grünen.
Klischeehaft stimmt. Dutschke z.B. war ein überzeugter Ehemann. Da war nichts mit Auflösung der Ehe. Das war eher eine Sache von ein Paar Kommunarden und ihren Sympathisanten, die eine spezielle eigene sozialistische Sicht hatten, ehr frühsowjetisch, denn in dieser Zeit wurde die Auflösung der Ehe betrieben und zum ersten Mal in der westlichen Moderne zwischenmännliche Unzucht legalisiert. Lesen Sie mal "die sexuelle Revolution" von Wilhelm Reich! Da hat ein Befürworter (!) der sozialistischen "Sexualpolitik" selber drastisch ihre negativen Auswirkungen beschrieben, sie allerdings als "Geburtsschmerzen einer neuen Zeit" abgetan. In den 68er hat sich also schon eine Aufspaltung gezeigt, die dann in den unterschiedlichen Parteiaffinitäten mündete. Die revolutionäreren gingen zu den Grünen, einige, etwas konservativere (z.B. Atomkraftbefürworter) zur SPD.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #13Letztlich wollen wir doch (fast) Alle die 50er Jahre mit ihrem Mief nicht wieder haben.
Was genau ist "Mief"? "Ohrenschmalz. Kragenspeck. Mundgeruch. Und Nageldreck" wie es Boning und Dittrich sangen? In den 50ern galt ein gepflegtes Äußeres jedenfalls mehr als in der Generation der ausgetretenen Turnschuhe und des modernen "No poo".
Zitat von Agotbronn im Beitrag #13Die Notwendigkeit der Frauenarbeit, gleichzeitig die neue ökonomischen Möglichkeiten für Frauen und schließlich die Leistung der Pharma-Industrie mit der Pille sind die Ursachen des Endes der alten Ehe. Und das hängt am Kapitalismus und nicht an den spinnerten Vorstellungen von ein paar Grünen.
Stimmt historisch so nicht. Erstens hat es das einen Kapitalismus, wie Marx ihn beschrieben hat, in Europa nie gegeben (höchstens in den USA in der kurzen Epoche von Rockefeller und Vanderbilt). Was es freilich gab und noch gibt, ist Marktwirtschaft. Die Notwendigkeit der Frauenarbeit bestand permanent. Es gab allerdings Zeiten und gut betuchte Schichten, wo man es sich leisten konnte, daß die eigenen Frauen nicht arbeiten mußten, weil man sich Mägde, Knechte, Zofen, Diener usw. hielt. In der Zeit der russischen und maoistischen Revolutionen brauchten die Regierungen die Frauen als zusätzliche Arbeitsameisen. Daher stammen auch die Parolen von wegen Frauengleichstellung, und "gleicher Lohn für gleiche Arbeit". In einer Marktwirtschaft ist letzteres selbstverständlich, in den Augen eines Maoisten hatte diese Forderung aber Sinn, da man gar nicht an die Freiheit und Vernunft der Marktakteure glaubte, sondern an ganz materialistisch an die abstrakte Herrschaft des Kapitals, eben Kapitalismus.
Zitat von R.A. im Beitrag #11Man kann Akzeptanz für eine Neuerung am leichtesten dadurch erreichen, wenn man sie als Rückkehr zu angeblich bewährten Traditionen verkauft.
Ja, eben weil man damit den Eindruck erweckt, man wolle etwas machen, was schon mal funktioniert habe. Aber oft stimmt das nicht, weil man erstens gar nicht wirklich weiß, wie es damals funktioniert hat (z.B. die christliche Urgemeinde, über die man nicht viel mehr weiß als das, was in der Bibel steht), oder weil sich dazugehörige Rahmenbedingungen nicht mehr passen (z.B. geht eine "splendid isolation" in der modernen Handelsverflechtung nicht mehr so, wie es sich die Brexiteers vorstellen, haben Sie selber argumentiert).
Zitat von Florian im Beitrag #12Siehe z.B. die "Renaissance", die die Wiedergeburt antiker Vorbilder sogar im Namen trägt.
In der Renaissance hatte keiner ein Wiederaufleben des antiken Heidentums im Sinne, schon gar nicht wollte man die damaligen Aristokratien nach athenischem Vorbild umkrempeln. Es ging lediglich um eine Wiederentdeckung des antiken Erfahrungsschatzes. Ein Zeuge dieser Epoche ist ja Machiavelli. In seinen "Discorsi" stellt er die (zutreffende) These auf, daß eine Religion oder ein Staatswesen regelmäßig auf seine Gründungsideen zurückgeführt werden müsse, um nicht einer schleichenden Verderbnis anheimzufallen. Seine historischen Belege sind zum einen die Erneuerungen der kath. Kirche durch Franziskus und Dominikus aber auch Überlieferungen eines antiken Autors, Livius, über tugendhafte römische Republikaner, die rechtzeitig den Sinn der römischen republikanischen Verfassung in Erinnerung riefen. Auch Cato wäre so ein Held gewesen, wenn nicht Caesar obsiegt hätte. Eben dieser Machiavelli, der selber die Lehren der Alten preist und studiert, warnt aber auch vor der trügerischen Verklärung der Vergangenheit durch die Nostalgie.
Zitat von Florian im Beitrag #12Oder aktuelles Beispiel: Selbst ein Donald Trump praktiziert diesen Trick mit seinem Slogan "Make America great again". Das "again" impliziert ja eine Rückbesinnung auf eine glorreiche Vergangenheit.
Nur welche glorreiche Vergangenheit er meint, welche Dekaden, und worin der Ruhm bestanden haben soll, das bleibt sein Geheimnis. Meint er die Zeit der Indianerkriege? Den Bürgerkrieg? Die Kolonialkriege gegen Spanien, Mexiko, Hawaii? Die Intervention 1800-1805 in Tripolitanien (heute Libyen)? Kalter Krieg? Erster oder zweiter Weltkrieg? War America glorreich in den kurzen Friedensepochen dazwischen? Im New Deal? Bretton-Woods? Oder der $-Epoche?
So etwas fragt man als Journalist freilich nicht. Genau wie man bei "Yes, we can" nicht fragt, was denn da gekonnt werden solle.
Ich bin etwas erstaunt, dass hier so ein Loblied der 50er Jahre gesungen werden.
Wir haben langfristig, d.h. seit 100 Jahren, in unserer Gesellschaft: - einen Rückgang von Gewalt, - einen Rückgang von sexueller Gewalt (und daran haben statistisch weder ein paar Grüne Päderasten noch jetzt patriarchale Flüchtlinge etwas geändert), - gestiegene Toleranz gegenüber Fremden, - größere Gleichberechtigung von Frauen, - größere Akzeptanz gegenüber anderen (auch sexuellen) Lebensformen, - gestiegene Pluralität in der öffentlichen Meinung.
In allen diesen Punkten waren die 50er Jahre zurück gegenüber heute. Und ob wir die 68er mögen oder nicht, 1968 ist in vielerlei Hinsicht die Wasserscheide gewesen, an dem sich das "alte" Deutschland von unserer Gegenwart getrennt hat. Und mir scheint es so, dass kaum Deutsche vor diese Zeit zurückwollen.
Das schließt keinewegs aus, dass einen (mich z.B.) grüne PC, Quoten-Frauen/Schwule/Schwarze, Technikfeindschaft etc. nerven. Aber hier ist doch keiner, der sagt, er möchte wieder händchenhaltende Homosexuelle anpöbeln, sexuelle Übergriffe in katholischen Internaten geheimhalten oder Frauen mit schwarzen GI-Freunden aus der Gastwirtschaft werfen!?
Zitat von Emulgator im Beitrag #17... eben weil man damit den Eindruck erweckt, man wolle etwas machen, was schon mal funktioniert habe. Aber oft stimmt das nicht, weil man erstens gar nicht wirklich weiß, wie es damals funktioniert hat (z.B. die christliche Urgemeinde, über die man nicht viel mehr weiß als das, was in der Bibel steht), oder weil sich dazugehörige Rahmenbedingungen nicht mehr passen
Völlig richtig. Das schlichte reaktionäre Vorgehen à la Brexiteers funktioniert nie. Bei den funktionierenden Reformen, die ich meinte, ist das "zurück zur guten alten Zeit" im wesentlichen nur Camouflage, um eine den aktuellen Zuständen angepaßte Lösung zu verkaufen.
Schönes Beispiel dafür die Reformen Sullas: In der offiziellen Verkaufspropaganda war das knallhartes Zurück zu den Sitten der Väter. In einigen Punkten war das sogar richtig, z. B. bei der Rücknahme der von den Popularen durchgesetzten Gracchen-Gesetze. Aber ansonsten hat Sulla ganz erheblich Neuerungen eingeführt, insbesondere die Zulassung zum Senat erweitert. Auch wenn nicht alle dieser Reformen Bestand hatten: Sullas System war funktionsfähig, paßte zu den aktuellen Gegebenheiten und daher ein echter Fortschritt - also eben nicht das behauptete Zurück zu früher.
Zitat Nur welche glorreiche Vergangenheit er meint, welche Dekaden, und worin der Ruhm bestanden haben soll, das bleibt sein Geheimnis.
Richtig. Ich gehe davon aus, daß Trump die Sulla-Tour fahren will. Er propagiert "Zurück", wird aber weitgehend völlig neue Maßnahmen durchsetzen. Ob die nun taugen bleibt abzuwarten. Aber das echte Zurück ist natürlich in den USA völlig unmöglich und das wird er auch nicht versuchen.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #18Aber hier ist doch keiner, der sagt, er möchte wieder händchenhaltende Homosexuelle anpöbeln, sexuelle Übergriffe in katholischen Internaten geheimhalten oder Frauen mit schwarzen GI-Freunden aus der Gastwirtschaft werfen!?
Das ist jetzt aber auch eine recht klischeehafte Ansicht über die 50er.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #18Wir haben langfristig, d.h. seit 100 Jahren, in unserer Gesellschaft: - einen Rückgang von Gewalt, - einen Rückgang von sexueller Gewalt [...] - gestiegene Toleranz gegenüber Fremden, - größere Gleichberechtigung von Frauen, - größere Akzeptanz gegenüber anderen (auch sexuellen) Lebensformen, - gestiegene Pluralität in der öffentlichen Meinung.
In allen diesen Punkten waren die 50er Jahre zurück gegenüber heute.
Hier frage ich mich, woher Ihre Gewissheit zu solcher, positiver Einschätzung der Entwicklung kommt. Mir erscheint sie könnte daher kommen, dass Sie ihre Einschätzung aus der heutigen "Zeitgeistwarte" heraus unternehmen.
- Rückgang der Gewalt: Wenn es einen Rückgang der Gewalt gegenüber den 50er gibt ist das natürlich positiv aber ist das so? Gibt es dazu eine aussagefähige Statistik, welche alle Phänomene in einem geeigneten Maß mit einbezieht? Eine ernst gemeinte Frage. Ich weiß es nicht. "No Go Areas" in denen sich nicht einmal mehr die Polizei Respekt verschaffen kann, gab es meines Wissens im öffentlichen Raum der 50er nicht, ebenso eher weniger "Familiengerichte mit Todesfolge" als heute.
- gestiegene Toleranz gegenüber Fremden Warum soll das per se ausschließlich positiv sein?
- größere Gleichberechtigung von Frauen Was genau soll diese Gleichberechtigung sein? Meines Ermessens sind Frauen (faktisch) in erster Linie unabhängiger geworden. Damit einhergehend hat sich das Erwartungsbild an Frauen geändert. Eigenerwartung, wie auch Fremderwartung. Meine persönliche Erfahrung ist, dass dieses Ertwartungsbild Frauen bei weitem nicht immer glücklich macht. Die 50er hatten sicherlich ein Rollenverständnis der Frau, welches Frauen mit einem anderen Rollenverständnis mit sozialem Druck begegnete. Fragen Sie aber doch mal heute eine junge Mutter im städtischen Umfeld, die in ihrem Freundeskreis die Aufassung vertritt, Kleinkinder gehören nicht in die Kita sonder zu ihrer Mutter und diese erst einmal nach Hause. Auch hier kann man sozialen Druck feststellen. Nur weil die Motive andere sind macht ihn das für mich nicht besser.
- größere Akzeptanz gegenüber anderen (auch sexuellen) Lebensformen Auch hier: Warum soll das per se ausschließlich positiv sein? Toleranz und Akzeptanz ist nicht per definitionem positiv, auch wenn das heute jeder glaubt.
- gestiegene Pluralität in der öffentlichen Meinung Über diese Feststellung bin ich zugegener Maßen perplex oder wir haben ein anderes Verständnis von öffentlicher Meinung. In Zeiten der merkelschen "Alternativlosikeitstyrannis", die von den Medien so weit mitgetragen wird, dass dazu abweichende Meinungen selbst in seriösen Medien als entweder populistisch, rechts oder gekauft diffamiert werden, kann ich keine Pulralität in der öffentlichen Meinung erkennen. Im Gegenteil.
Glorifizierung der Vergagenheit ist eine gefährliche Sache. Glorifizierung der Gegenwart, auch Überheblichkeit genannt, ist auch nicht ohne, und daran litten noch alle Gesellschaften.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zuerst: Bei der Gewaltanwendung haben Sie möglicherweise Recht. Ich kannte die sehr langfristigen (geschätzten) Zahlen seit dem 19. Jahrhundert und außerdem die Zahlen der letzten Jahre. In beiden Fällen ist ein Rückgang deutlich. Speziell für die 50er Jahre habe ich zumindest auf die Schnelle eine Studie gefunden, die eher eine Zunahme seit den 1960er Jahren nahelegt.
Zur Einordnung: Ob das alles positiv ist, muss jeder selbst entscheiden. Und die problematischen Nebeneffekte dieser Entwicklung gestehe ich auch weitgehend zu. Mein Argument war nur, dass die Mehrheit der Bundesdeutschen diese grundlegenden Veränderungen nicht rückgängig machen will. Auch die zuhause erziehende Mutter will ja, obwohl sie vielleicht der Erwartungsdruck wieder zu arbeiten stört, gerade nicht, dass die Entscheidung zu arbeiten zurück an den Ehemann übertragen wird.
Ist es nicht bezeichend, dass selbst die AfD und/oder die gängige Islam-Kritik ja genau diese, in den letzten 40 Jahren erworbenen Standards verteidigt? Für Gleichberechtigung der Frau, gegen Unterdrückung von Homosexuellen, für Meinungsfreiheit. Es ist ja gerade die gängige Kritik am Islam, dass das dort fehlt.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #21Ob das alles positiv ist, muss jeder selbst entscheiden.
Genau darum ging es mir und darum, dass dies keine offensichtliche Entscheidung ist.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #21 Auch die zuhause erziehende Mutter will ja, obwohl sie vielleicht der Erwartungsdruck wieder zu arbeiten stört, gerade nicht, dass die Entscheidung zu arbeiten zurück an den Ehemann übertragen wird.
Genau. Sie möchte vielleicht selbst entscheiden, vielleicht mit ihrem Lebensgefährten zusammen. Was sie aber ganz sicher nicht möchte ist, dass die Gesellschaft für sie entscheidet. Und genau das findet heute in einem gewissen Rahmen statt. Pointiert formuliert: Das was früher der Ehemann samt gesellschaftlicher Stellung war, ist heute die "progressive Elite" in Sachen Bevormundung.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #21Ist es nicht bezeichend, dass selbst die AfD und/oder die gängige Islam-Kritik ja genau diese, in den letzten 40 Jahren erworbenen Standards verteidigt?
Warum soll es bezeichnend sein, dass Menschen im hier und jetzt tendeziell den Staus Quo, "die Normalität" der eigenen Lebenserfahrung verteidigen, mit der sie bisher gut zurecht kommen?
Mein Punkt ist: Es war damals nicht alles besser und es ist heute nicht alles besser. Ein gerne bemühtes Argument des Zeitgeistes ist es aber, etwas sei per se besser, weil es heute so ist (und damit modern). Das ist Unsinn und verhindert Veränderungen zum besseren. Außerdem ist das eine sehr ausgeprägte "grüne Zeitgeistedenke" (damit ist nicht die Partei sondern die Geisteshaltung der "Selbstempfundenen Progressiven" gemeint).
Daher auch meine etwas provokanten Gegenfragen oben.
Toleranz gegen das Fremde ist nicht per se gut. Was nicht heisst das Intoleranz gut ist. Es ist das rechte Maß, welches in beide Richtungen verloren gehen kann. Die heute oft praktizierte ostentative Toleranz ist in meinen Augen nichts als inverse Intoleranz und ist mindestens so zerstörerisch wie die mangelnde Toleranz in den 50ern. Das erkennt man an den aktuellen gesellschaftlichen Konflikten, deren Ursachen auch in dieser ostenativen Toleranz liegen, die Erwachsene zu Kindern degradiert.
Herzlich
nachdenken_schemrzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Agotbronn im Beitrag #13Tja, leider überzeugt mich der Beitrag garnicht.
Wunderbar. Contradictio animat (et delectat).
Zitat von Agotbronn im Beitrag #131. Wird hier keine "Hegemonie der Grünen" beschrieben, sondern ein etwas klischeehaftes Bild der 68er-Kultur. Wenn sich etwas im modernen Deutschland durchgesetzt hat, dann ist es der Zeitgeist von 1968. Sexuelle Befreiung, Toleranz, Auflösung der Ehe, Sozial-Reparatur stammen doch aus dieser Quelle und nicht spezifisch von den Grünen.
Da muss ich leider den belebenden Widerspruch schuldig bleiben; denn Sie haben Recht. Zu der Behauptung, ich hätte ein klischeehaftes Bild der 68er-Kultur gezeichnet, muss ich etwas ausführlicher werden: So monolithisch, wie die 68er heute zumeist dargestellt werden, waren sie nicht, und sie als Gruppe anzusehen liegt vielleicht ohnehin im Auge des Ex-post-Betrachters. Gemeinhin rechnet man ja auch die fröhlichen Anarchisten, die der Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes den nackten Hintern zeigten und denen der Vietnamkrieg egal war, solange sie Orgasmusschwierigkeiten hatten, zu den 68ern, obwohl sie mit den K-Gruppen-Funktionären nur die Gemeinsamkeit hatten, dass beide gegen die bürgerliche Gesellschaft waren.
Diese Spaß-68er waren libertins, die sich gegen eine spießige Moral auflehnten, ohne aber die eigene Lebensweise zu einer Art neuer, höherer Moral zu verklären. Letzteres haben jedenfalls in Deutschland die Grünen besorgt, die es geschafft haben, dass es heute als unmoralisch gilt, etwas als unmoralisch zu empfinden, was vor 50 Jahren noch allgemein als unmoralisch empfunden worden wäre.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #13Letztlich wollen wir doch (fast) Alle die 50er Jahre mit ihrem Mief nicht wieder haben.
Jedenfalls bei Zugrundelegung Ihres - mit Verlaub - vielleicht etwas klischeehaften Bildes von den 50er-Jahren stimme ich Ihnen zu.
Zitat von Agotbronn im Beitrag #13Die Notwendigkeit der Frauenarbeit, gleichzeitig die neue ökonomischen Möglichkeiten für Frauen und schließlich die Leistung der Pharma-Industrie mit der Pille sind die Ursachen des Endes der alten Ehe.
Ich habe in meinem Beitrag nirgendwo eine Lanze für die Hausfrauenehe gebrochen. Mir geht es um etwas anderes: Ehe und Familie gelten - auch von Verfassungs wegen - nach wie vor als diejenigen Institute, auf denen die Gesellschaft aufbaut. Sollen diese Institute ihre Rolle als Fundament der Gesellschaft erfüllen, müssen sie auf Verbindlichkeit ausgelegt sein. Sich scheiden zu lassen ist nicht schwer. (Die Scheidungsfolgen sind das wirkliche Problem.)
Man verstehe mich nicht falsch: Ich bin kein Gegner der Möglichkeit einer Scheidung. Es hat nur nichts mehr mit der Ehe als Fundament der Gesellschaft zu tun, wenn man sich de facto ohne weiteres scheiden lassen kann, weil sich das Zusammenleben nicht mehr toll anfühlt oder weil das alles nicht mehr ins eigene Leben passt. Und genau hier spielt die grüne Ideologie herein: Die Scheidung wird dann als eine Art moralischer Akt der Befreiung und Selbstverwirklichung (meist der Frau) gefeiert.
Wer flexibel bleiben möchte, soll einfach nicht heiraten. Wer heiraten möchte, verzichtet auf Flexibilität. Beides gleichzeitig haben zu wollen ist Ponyhof-Mentalität.
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