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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 18 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

10.01.2017 21:48
Zum Tod von Roman Herzog Antworten
Simon Offline



Beiträge: 334

10.01.2017 22:12
#2 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat

Proklamation des Bundespräsidenten


Vom 3. Januar 1996

1995 jährte sich zum 50. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In diesem Jahr haben wir uns in besonderer Weise der Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns und Völkermordes erinnert und der Millionen Menschen gedacht, die durch das nationalsozialistische Regime entrechtet, verfolgt, gequält oder ermordet wurden. Symbolhaft für diesen Terror steht das Konzentrationslager Auschwitz, das am 27. Januar 1945 befreit wurde und in dem vor allem solche Menschen litten, die der Nationalsozialismus planmäßig ermordete oder noch vernichten wollte.
Die Erinnerung darf nicht enden; sie muß auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.

Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.

Ich erkläre den 27. Januar zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Berlin, den 3. Januar 1996


Der Bundespräsident

Roman Herzog

Der Bundeskanzler

Dr. Helmut Kohl

Der Bundesminister des Innern

Kanther

Quelle: Wiki

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

11.01.2017 20:45
#3 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Auch, wenn ich Gaucks Amtsperiode ein wenig anders bewerte: danke, ein schöner und würdiger Nachruf.

Von den Bundespräsidenten, die ich bewusst erlebt habe, steht er mit Richie ganz oben. Sehr unterschiedliche Typen beide, aber jeweils mit Eigenschaften, die mir sehr zusagten. Da ich eine eher resignative Meinung vom unserem Parteiensystem habe (übrigens etwas, das Richie sehr deutlich ausgesprochen hat, das man aber auch zwischen den Zeilen bei Herzog herauslesen kann), rechne ich auch nicht mehr damit, dass in absehbarer Zukunft vergleichbare Persönlichkeiten Bundespräsident werden.

Von den Präsidenten, die ich nicht mehr erlebte, scheinen mir Heuss und Heinemann auch solch respektable Persönlichkeiten gewesen zu sein, ganz unabhängig davon, wie ich politisch zu ihnen stehe. Aber das ist eben Vergangenheit. Heutzutage kann nur Bundespräsident werden, wer entweder als Theologe, als Verfassungsrichter oder als Berufspolitiker halbwegs reüssiert hat. Von der labernden Klasse fehlen hier nur noch die Journalisten. Das kommt aber vielleicht noch - um Verfassungsrichter zu werden, muss man mittlerweile ja auch kein herausragender Jurist mehr sein.

Warum das so ist, liegt auf der Hand. Das System kreiert mehr und mehr stromlinienförmige Politiker. Es beginnt in der Jugendorganisation, dann wird im Studium vor allem Politik gemacht, in einem zerebral nicht allzu anspruchsvollem Fach ein Abschluss hingelegt (egal, wie viele Semester...), dann geht es weiter als Assi eines Abgeordneten usw. Diese Leute saugen die Angepasstheit vielleicht nicht gleich mit der Muttermilch, aber spätestens mit dem ersten Tee in der lokalen Parteizentrale auf. Natürlich fällt hier und da dann doch mal einer aus dem Raster, weil er irgendwo auf der Schiene plötzlich zu denken anfängt. Diese Gefahr ist besonders groß bei direkt gewählten Abgeordneten, die ihren USP aus dem Kontakt mit dem gemeinen Wähler herleiten. Aber alles in allem kommen Steinmeiers bei sowas raus.

Weil der Bundespräsident aber eigentlich nicht so einer sein soll, wenden sich die Blicke der Politik verzweifelt nach Personen, die "das Volk zusammenführen", die salbungsvoll und bedeutungsschwanger daherreden können. Deswegen die Verfassungsrichter und Theologen. Wer von denen bei drei nicht rechtzeitig auf dem Baum ist, wird schnell Kandidat. Surrogate allesamt, wenn ihr mich fragt.

Eigentlich ist es Zeit, aus der Entwicklung des Politikbetriebs die Konsequenz zu ziehen und diese Stelle entweder per Volkswahl aufzuwerten oder ganz einzustampfen. Ich wäre für letzteres.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

11.01.2017 21:32
#4 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #3
Heuss und Heinemann


Wobei H + H es da aus zwei Gründen etwas leichter hatten: zum einen war die Bonner Politik, bei allem ostantiv gegebenen Zwergstaatgehabe, einfach soignierter: selbst Personen wie Börner oder Möllemann wären zu deren Zeit schlicht nicht im politischen Betrieb denkbar gewesen; vom heutigen Personal ganz abgesehen. Lübke - bzw. das kolportierte Zerrbild eines unbedarften Provinzstoffels, an dem der "Spiegel" ja mit Wollust mitgestrickt hat ("...nun siegt mal schön...") galt ja als absoluter Ausreißer nach unten. Zum anderen war die Aufladung des Amtes vor Weizsäcker so nicht gegeben: letztlich ging die öffentliche Präsenz des Präsidenten nicht über das Kennzeichen "Bundesgrüßaugust" hinaus. Scheel hat mit seinem Gesinge 1975 zwar Kopfschütteln ausgelöst (es war das erste, das ich selber mitbekommen habe), aber keiner hat davon geredet, er hätte "das Amt beschädigt". Bei Weizsäcker ergab sich die Aufladung zum Moralischen Pol, weil er, sowohl von den Medien als auch von dem Teil der Bürger, die sich für politisch engagiert erachteten, als Gegenstimme zu dem unsäglichen Pfälzer im Kanzleramt, mit seiner geistig-moralischen Wende, seiner vermeintlichen Geschichtsblindheit, wahrgenommen wurde: durchaus auch von konservativer Seite; zudem war ja Endzeit angesagt (Gorbi hat uns davon erlöst). Insofern ist da schon bei Weizsäcker eine pastorale Dimension hinzugetreten, ein Gestus des Salbungsvollen, der Herzog, wie ich immer fand, erfreulicherweise völlig fehlte.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

11.01.2017 21:54
#5 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
Insofern ist da schon bei Weizsäcker eine pastorale Dimension hinzugetreten, ein Gestus des Salbungsvollen, der Herzog, wie ich immer fand, erfreulicherweise völlig fehlte.
Präsident eines ev. Kirchentages, mit der pastoralen Dimension liegen Sie also nicht falsch.

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

11.01.2017 23:28
#6 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
Insofern ist da schon bei Weizsäcker eine pastorale Dimension hinzugetreten, ein Gestus des Salbungsvollen, der Herzog, wie ich immer fand, erfreulicherweise völlig fehlte.
Ich stimme insofern zu, dass Herzog wirklich der passende Nachfolger von Richie war, auch wegen des stilistischen Bruchs. Richie war allerdings auch faktisch ein Gegenpol zu Kohl - zum Glück, würde ich sagen, denn der eher wurschtige Stil des Pfälzers allein wäre aus meiner Sicht kein schmeichelhaftes Zeugnis für das wiedervereinigte Deutschland gewesen, so dass eine gewisse intellektuelle Schwere als Ausgleich durchaus ihren Sinn hatte (ganz gleich, wie man inhaltlich dazu stand - wichtig war die Existenz an sich). Weizsäcker stand vor allem auch für die Verabschiedung der Union von den Grenzen von 1937, was eine wesentliche Voraussetzung für das Folgende war. Dass in den Zeiten des Umbruchs gerade so jemand Deutschland repräsentierte, war damals enorm wichtig. Vermutlich dachte Kohl nicht viel anders in dieser Frage, aber der musste auch an die Wählerstimmen vom viel gescholtenen rechten Rand denken. Eine Lektion, bei der Merkel wohl nicht aufgepasst hat.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

12.01.2017 00:02
#7 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #6
...der eher wurschtige Stil des Pfälzers allein wäre aus meiner Sicht kein schmeichelhaftes Zeugnis für das wiedervereinigte Deutschland gewesen...


Wobei ich doch leichten Widerspruch anmelden würde. Weizsäcker hat immer nur nach innen gewirkt - wie überhaupt alle seine Vor- & Nachgänger. Betrachtern aus dem Rest der Welt ist keiner von denen präsent gewesen, auch nicht zu Amtszeiten (gibt natürlich wie immer Ausnahmen: Timothy Garton Ash hat das Verhältnis "der Deutschen" zu ihrer Vergangenheit an Weizsäckers Rede taxiert*). Vor allen Dingen, das ist zumindest einigen Beobachtern von-innen aufgefallen, war die Änderung Kohls nach dem Mauerfall frappierend (die FAZ hat sich gar nicht darüber einkriegen können, daß der auf einmal sogar im Anzug nicht mehr falsch verkleidet wirkte; nach dem Motto einer Anzeigenserie, die die damals jahrelang geschaltet hatten: "Spaß mit Papis Übergrößen". Papi wäre in diesem Fall der Alte von Rhöndorf gewesen): das Tapsige war weg, statt dessen ein geradliniger Staatsmann. Der sich sogar zielstrebig durchsetzen konnte. (Das sicherste Zeichen dafür war: die Kohl-Witze waren schlagartig weg.)

* in "In Europe's Name: Germany and the Divided Continent", 1993, wo er gefühlt das halbe Buch mit den Stasikrakenarmen & dem DDR-Kleinklein der letzten 4 von derer Jahre durchbringt, plus absolut verschollensten West-Skandälchen 85-87. War eben Bonner Korrespondent.



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Werwohlf Offline




Beiträge: 997

12.01.2017 00:24
#8 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7
Wobei ich doch leichten Widerspruch anmelden würde.
Das lasse ich mal durchgehen.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7
Weizsäcker hat immer nur nach innen gewirkt - wie überhaupt alle seine Vor- & Nachgänger.
Glaube ich nicht. Die Rede zum 8. Mai hat international Beachtung gefunden, und die Polen wussten ziemlich genau, wofür Richie stand. Hat der auch bei Gelegenheit immer wieder klargestellt.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7
Papi wäre in diesem Fall der Alte von Rhöndorf gewesen): das Tapsige war weg, statt dessen ein geradliniger Staatsmann. Der sich sogar zielstrebig durchsetzen konnte. (Das sicherste Zeichen dafür war: die Kohl-Witze waren schlagartig weg.)
Die Überhöhung Kohls, die in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung einsetzte, war genau so übertrieben wie die Verächtlichungmachung vorher. Kohl selbst hatte sich nie groß geändert - es kam dann leider nur ein Stück Selbstüberschätzung hinzu. Die negativen Bilder von ihm konnte er abschütteln, aber die positiven trafen ihn ins Mark... Aber man kennt das ja von großen Künstlern und Sportlern, dass sie den richtigen Zeitpunkt zum Absprung verpassen. Fluch der Popularität.

--
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(Reinhard Mey)

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

12.01.2017 10:57
#9 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
Lübke - bzw. das kolportierte Zerrbild eines unbedarften Provinzstoffels, an dem der "Spiegel" ja mit Wollust mitgestrickt hat ("...nun siegt mal schön...")


Ähm....tschuldigung; das Zitat stammt von Heuss.

...und wurde deswegen unter schwäbisch-verschmitzt-witzig verbucht. Richtig ist wohl, dass das im Falle Lübke ggf. auf das Konto dusseliges Gerede gekommen wäre. Das zeigt eine gewisse Willkürlichkeit im Hinblick auf Konnotationen bzw., dass das sogenannt Faktische nicht alles ist.

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
zum einen war die Bonner Politik, bei allem ostantiv gegebenen Zwergstaatgehabe, einfach soignierter: selbst Personen wie Börner oder Möllemann wären zu deren Zeit schlicht nicht im politischen Betrieb denkbar gewesen;


Nu ja, es gab Schmidt-Schnauze (okay, später als Bundeskanzler war das Cognomen außer Kurs) und diverse Leute - nicht nur in der SPD - die tatsächlich aus der Arbeiterbewegung kamen wie Börner, der zu Heinemanns Zeiten übrigens schon an Deck war, und 1950 immerhin 'ne zünftige Schlägerei im Bundestag. So was is ja auch nitt grad soigniert. im Übrigen liegen die beiden Personen arg weit auseinander. Der große Staatsmann Mümmelmann (F.J. Strauss) war 'ne Ich-AG, ein Aufschneider und Wichtigtuer. Börner von der alten Arbeiter-Schule, technikbejahend, industriebejahend, KKW-bejahend, vehement für den Flughafenausbau Rhein-Main sich einsetzend usw. usw. Wenn so was in der SPD heut noch maßgeblich wäre, hätten die locker 10-20 Prozentpunkte mehr. Aber die machen ja lieber auf soignierte grüne Schickeria.

lich
Denis

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

12.01.2017 11:45
#10 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #9
von Heuss.


. Angelegentlich eines der ersten Großmanöver, '58.*

Zitat von Sturmgeschütz 12/1959
Wuppdich, ein Pressemann ist in der Nähe, und als berufsmäßiger, wenn freilich unbewußter Großlieferant von goldenen Worten, der ich nun einmal bin, fand ich das in den Zeitungen und stand nun selber vor einem eigentümlichen Phänomen: Bist Du mit diesem Wort nun, das zum Siegen ermuntert, ein Militarist geworden oder bist Du ein scherzender Ironiker geblieben, der die ganze Sache nicht recht ernst nimmt?



http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42624887.html

während die Worte des Großen Vorsitzenden alle in jene Halbdekade fallen, die bei uns zwischen die BTW 1961 & APO geklemmt war & drüben zwischen Camelot & LBJ. Ästhetisch Braun-Design & Blue-Note-Plattencover, die frühen Bond-Filme & der späte Tati. Die Fab Four vor Sgt. Pepper (vor einigen Tagen einen gehörigen Schrecken gekriegt: "It was twenty years ago today / Sergeant Pepper taught a band to play / they've been going in & out of style...": 50 Jahre ist das jetzt her. Schlimmer noch: der Abstand zwischen uns & "I Can`t Get No (Satisfaction)" ist jetzt größer als der zwischen Swinging London & der Erziehung vor Verdun). Letztes cineastisches Signum ist "The Graduate". Danach gingen die Uhren anders.




* Das hier: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41759174.html

Zitat von Spiegel, 39/1958
Die Roten dagegen durften sich sogar der neuesten Siegesmethoden bedienen: Sie attackierten die Blauen nicht nur mit Platzpatronen, sondern auch psychologisch. Rote Flugzeuge ließen Flugblätter auf die blauen Panzergrenadiere rieseln, rote Lautsprecherwagen rollten bis in die Hauptkampflinie, verschonten den Kampflärm mit Tanzmusik und dröhnten antikapitalistische Sprüche über die Heidebüsche: "Kameraden, ihr habt Vorfahrt in den Tod. Wollt ihr das? Macht gemeinsame Sache mit uns gegen die westlichen Besatzer. . . . Auf allen Straßen nach Westen haben die Fremden Vorfahrt. Was kümmert sie die deutsche Wiedervereinigung!"

Ein ungenannter, unverkennbar dem Strauß-Ministerium sehr, sehr nahestehender Autor verkündete den Primat der Psychologie in der letzten Ausgabe der Zeitschrift "Wehrkunde" mit wuchtigem Pathos: "Die Agitprop des Gegners bildet nicht nur den Voraustrupp, sondern führt auch bereits den Krieg mit dem Giftgas der Aufhetzung und Drohung, der von der Artillerie der praktischen Infiltration oben und unten begleitet und vom Frontalangriff des bewaffneten Aufstandes gefolgt und gewonnen wird."



"Sturmgeschütz". Jetzt wissen wir, wohers kommt.



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Noricus Offline



Beiträge: 2.362

13.01.2017 18:24
#11 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #3
Von den Bundespräsidenten, die ich bewusst erlebt habe, steht er mit Richie ganz oben.


Was Weizsäcker betrifft, halte ich es eher mit Ulrich Elkmann. Nicht, dass ich alles an oder von Weizsäcker schlecht fand. Aber an Selbstüberschätzung konnte er es mit Kohl leicht aufnehmen. Und es ist wohl Weizsäcker gewesen, der das Bundespräsidentenamt zur moralischen Instanz hinaufstilisiert hat. Das war nicht unbedingt ein Gewinn. Wenn ich z.B. Gauck kritisiere, dann vor allem in den Fällen, in denen er sich als moralische Autorität geriert.

Zitat von Werwohlf im Beitrag #3
Eigentlich ist es Zeit, aus der Entwicklung des Politikbetriebs die Konsequenz zu ziehen und diese Stelle entweder per Volkswahl aufzuwerten oder ganz einzustampfen. Ich wäre für letzteres.


Das habe ich mir auch schon oft gedacht. Die Aufgaben des Bundespräsidenten als Verfassungsorgan könnten auch andere übernehmen. Aber wenn man den Bundespräsidenten als eine Art Motor der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet, so etwa im Falle Weizsäckers und des Abschieds von den Grenzen von 1937, hat dieses Amt durchaus einen Sinn.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

13.01.2017 19:44
#12 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #11
Die Aufgaben des Bundespräsidenten als Verfassungsorgan könnten auch andere übernehmen.


Yep. Bescheidener Vorschlag: Prinz Scharls. Restitution der (konstitutionellen) Monarchie, ohne an die letzte, historisch doch leicht peinlich eingefärbte, Dynastie anzuknüpfen. S.M. übernehmen ein komplett vergrüntes Lehen nach dero Façon, & das noch zu Lebzeiten; Brexit Island wird eine Staatspeinlichkeit los; Hannover war schon immer Brutstätte für Thronprätendenten (durch die Thronbesetzung in perennis ist damit die Gefahr einer weiteren Kanzlerschaft aus dieser Seilschaft à la Gerhard gebannt); Dynastiespaltungen in einen sonnen & einen solchen Zweig gehören zur Tradition europäischer Königshäuser. Unkenntnis der Landessprache als Hindernis zu nehmen zeugte a) heute von Selbstdisqualifikation & hat b) in diesem Fall Tradition: Georg I. konnte auch kein Englisch. Und die Deutschen haben endlich die Royals, von denen sie träumen.



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Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

13.01.2017 20:58
#13 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #12
Zitat von Noricus im Beitrag #11
Die Aufgaben des Bundespräsidenten als Verfassungsorgan könnten auch andere übernehmen.


Yep. Bescheidener Vorschlag: Prinz Scharls. Restitution der (konstitutionellen) Monarchie,........


Wäre in der Tat nicht schlecht, wenn das ex post sich einrichten ließe. Scheint aber einer der Fälle zu sein, die beweisen, dass Zeitreisen nicht nur schwierig sondern unmöglich sind.

Die entsprechenden blaublütigen Herrschaften als Operettenveranstaltung inklusive unterhaltsame Skandale zu behalten ist wohl die optimale Lösung für dieses komische Amt "Staatsoberhaupt", das eigentlich keiner braucht - sachlich-profan-nüchtern gedacht; So denkt ma ja gerne in der positivistischen Schule aber das Metaphysische fordert dann doch immer seinen Tribut und da oben kein Oberhaupt, das auch inszenatorisch was hermacht, und kein gar nix ist dann auch nitt so schön.

Aber nachdem die Option zu einem hochadeligen Kastratentum 1918 aus diversen Gründen endgültig vermasselt wurde ist der Weg zurück halt versperrt.

lich
Dennis

Florian Offline



Beiträge: 3.179

14.01.2017 00:19
#14 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #11

Das habe ich mir auch schon oft gedacht. Die Aufgaben des Bundespräsidenten als Verfassungsorgan könnten auch andere übernehmen. Aber wenn man den Bundespräsidenten als eine Art Motor der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet, so etwa im Falle Weizsäckers und des Abschieds von den Grenzen von 1937, hat dieses Amt durchaus einen Sinn.


Ich sehe es genau anders herum:

Der Bundespräsident ist kein "Motor der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung". Dafür hat er auch gar kein Mandat.

Seine Daseinsberechtigung zieht er v.a. aus seinen Verfassungsaufgaben. Und die kann eben niemand so einfach übernehmen.

Konkret: Die Rolle des Bundespräsidenten in Zeiten von Verfassungskrisen.
Dass das heutzutage kaum noch jemand so sieht liegt v.a. daran, dass der Bundespräsident diese Aufgaben (zum Glück) bisher nur sehr selten erfüllen musste.
Das kann sich aber ändern. (Und angesichts zunehmender politischer Fragmentierung WIRD sich das auch irgendwann ändern).

Konkret wird der Bundespräsident immer dann gebraucht, wenn es unklare Machtverhältnisse gibt.
Also z.B. wenn sich der Bundestag total zerstreitet und sich einmal NICHT mit absoluter Mehrheit auf einen Kanzler einigen kann.

Wie soll es dann weiter gehen?
Irgendjemand muss dann Entscheidungen fällen: Soll der Bundestag aufgelöst werden und es gibt Neuwahlen? Oder nimmt man einen Kanzler, der keine Mehrheit des Bundestags hinter sich hat?
Solche Fragen musste sich der Bundespräsident seit 1949 zum Glück nie stellen.
Als die Verfassungsväter das Grundgesetz schrieben, hatten sie aber die Verfassungskrisen der 20er und 30er Jahre noch vor Augen.
Diese Fragen mögen sich in der Bundesrepublik nur SEHR selten stellen. Aber WENN sie sich stellen, dann braucht es jemand, der sie löst.
Im Grundgesetz ist dafür der Bundespräsient vorgesehen.
Der Moment, in dem sich die anderen Verfassungsorgane gerade NICHT einig werden ist dann der Moment, in dem der Präsident ECHTE Macht bekommt und entscheiden kann.
Und das kann dann gerade NICHT jemand anderes übernehmen. Denn die anderen Verfassungsorgane sind in diesem Moment eben gerade nicht handlungsfähig.

Das ist auch der Grund, warum praktisch alle parlamentarischen Demokratien neben dem Regierungs-Chef noch einen Staats-Chef haben. Der muss dann nämlich irgendwie eingreifen, wenn das Parlament nicht in der Lage oder Willens ist, einen Regierungs-Chef zu wählen.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

14.01.2017 14:40
#15 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Wir haben drei Verfassungsorgane. Reicht völlig. Die Befugnisse des Buprä könnte das BVerfG übernehmen. In eine solche Entscheidung hätte ich definitiv mehr Vertrauen als dass eine einzelne Person, ausgeklüngelt von einer Handvoll Berufspolitiker im Falle des Falles über existenzielle Fragen unserer Nation entscheidet.

Es ist doch völlig absurd zu konstruieren, dass Deutschland in einer Verfassungskrise wäre und es dann in die Beliebigkeit eines nach politischen Konsenskriterien ausgewählten Menschen zu legen, wie es weitergeht.

Ein solcher Vorschlag atmet genau den Führerkult, den ich nicht haben will ( und den Merkel nach 3 Generationen erneut installieren will .)

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Simon Offline



Beiträge: 334

14.01.2017 15:02
#16 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #15
Ein solcher Vorschlag atmet genau den Führerkult, den ich nicht haben will ( und den Merkel nach 3 Generationen erneut installieren will .)


Das ist doch nicht wahr. Lesen Sie, bitte, die Artikel 54 - 61 im GG über den Bundespräsidenten unvoreingenommen durch.

Grüße!
Simon

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

15.01.2017 12:37
#17 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #14
Das ist auch der Grund, warum praktisch alle parlamentarischen Demokratien neben dem Regierungs-Chef noch einen Staats-Chef haben.
Die USA z.B. nicht. Und bei den vielen Monarchien um uns herum hat es wohl eher historische als verfassungstechnische Gründe, dass es da ein Staatsoberhaupt gibt. Oder solche unscharfen Kriterien wie "Repräsentant der Einheit der Nation" - das wende mal einer auf Deutschland an...

Außerordentliche Situationen ließen sich auch ohne Staatsoberhaupt bewältigen: Einmal durch entsprechende Regeln (z.B.: wenn nach x Wochen kein Kanzler, dann Neuwahlen), und sonst dadurch, dass eine Institution nur für diesen Fall zusätzliche Kompetenzen bekommt. Zum Beispiel könnte der Präsident des Bundesrats hier die Funktion des Bundespräsidenten übernehmen (macht er ja eh schon als Stellvertreter). Dazu brauchen wir jedenfalls keinen, der durch salbungsvolles Gelaber versucht, dem Herumgemurkse der jeweiligen Regierung höhere Weihen zu verleihen oder widerspenstiges Volk auf den vorgegebenen Weg zurückzuführen.

Es ist nun auch schon so, dass in den bisherigen Fällen, in denen der Bundespräsident prominent wirklich eigenständige Entscheidungen von politischer Tragweite hat treffen müssen, dies auch immer zu einer kleinen Krise in sich selbst geführt hat, die die ganze Ambivalenz dieses seltsamen Amts deutlich machte. Denken wir an die Auflösungen des Bundestags nach Scheinmisstrauensvoten, obwohl gerade dies vom Grundgesetz eben nicht so vorgesehen war, während paradoxerweise ausgerechnet die grundgesetzkonforme Lösung des konstruktiven Misstrauensvotums von heiliggesprochenen Liberalen wie Frau Hamm-Brücher mit dem Odium des Illegalen versehen wurde. Oder denken wir an die wenigen Fälle, wo ein Bundespräsident die Unterschrift unter ein gerade beschlossenes Gesetz verweigerte - das geschah zuletzt immer mit dem Wunsch, das Bundesverfassungsgericht möge doch besser darüber entscheiden.

So ganz wohl in ihrer Haut fühlen sich weder Präsident noch Volk, wenn der seine Befugnisse konsequent wahrnimmt. Erlösen wir doch besser beide Seiten.

--
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(Reinhard Mey)

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

15.01.2017 16:35
#18 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #17
Außerordentliche Situationen ließen sich auch ohne Staatsoberhaupt bewältigen: Einmal durch entsprechende Regeln (z.B.: wenn nach x Wochen kein Kanzler, dann Neuwahlen), und sonst dadurch, dass eine Institution nur für diesen Fall zusätzliche Kompetenzen bekommt.


Das sehe ich ähnlich. Es ist ja nicht so, dass an jeder Staatskrise alle Verfassungsorgane beteiligt sind. Es könnte also für jede vom GG vorhergesehe Krisenkonstellation ein Verfassungsorgan als "Krisenmanager" bestimmt werden, das an der betreffenden Staatskrisenkonstellation schon ex ante betrachtet nicht beteiligt sein kann. Dies hätte auch eine Art Gewaltenteilung bei den Krisenbefugnissen zur Folge, was vielleicht nicht schlecht wäre, da es einen Machtmissbrauch durch einen nicht integren Inhaber des höchsten Staatsamtes verhindern würde.

Zitat von Werwohlf im Beitrag #17
Es ist nun auch schon so, dass in den bisherigen Fällen, in denen der Bundespräsident prominent wirklich eigenständige Entscheidungen von politischer Tragweite hat treffen müssen, dies auch immer zu einer kleinen Krise in sich selbst geführt hat, die die ganze Ambivalenz dieses seltsamen Amts deutlich machte. [...] Oder denken wir an die wenigen Fälle, wo ein Bundespräsident die Unterschrift unter ein gerade beschlossenes Gesetz verweigerte - das geschah zuletzt immer mit dem Wunsch, das Bundesverfassungsgericht möge doch besser darüber entscheiden.


Gerade dort ließe sich auch eine größere Staatskrise vorstellen, nämlich wenn der Bundespräsident ein seiner Ansicht nach grundrechtsverletzendes Gesetz nicht unterschreibt und sich der Bundestag, der Bundesrat oder (jedenfalls bei einem von ihr initiierten Gesetz auch) die Bundesregierung nicht damit abfinden möchten. Denn ob und in welchem Umfang dem Bundespräsidenten ein materielles Gesetzesprüfungsrecht zukommt, ist strittig und vom BVerfG noch nicht entschieden worden. Der im Organstreit vor dem BVerfG Unterliegende wäre wohl politisch arg beschädigt.

Johanes Offline




Beiträge: 2.637

18.02.2017 14:22
#19 RE: Zum Tod von Roman Herzog Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #15
[...]


Ich kann Ihren Ausführungen in dem Punkt nicht folgen, Frank2000.
Die Trennung zwischen Staatsoberhaupt und Regierungschef gibt es in sehr vielen Ländern und sie hat zunächst nichts mit Verfassungskrisen oder ähnlichen zu tun.

Das Staatsoberhaupt nimmt dabei meistens wesentliche formale Rechte in Sachen Außen- oft auch Innenpolitik wahr, während der Regierungschef dem Kabinett vorsteht und meist mehr inhaltliche Kompetenzen hat.
Klar kann man diese Trennung durchaus kritisieren und einige ur-demokratische Staaten wie die USA und die Schweiz haben sie ja nicht.

Nur sehe ich nicht, wie ein Verfassungsgericht diese Aufgaben wahrnehmen könnte. Beispielsweise Botschafter akzeptieren usw.

Herzlichst,

Johanes.

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