In der „Zeit“ stand vor ein paar Monaten ein Artikel, aus dem hervorging, dass sich die Mehrheit der Deutschen „links“ einordnet und linke Positionen befürwortet (Abzug aus Afghanistan, Umverteilung, Mindestlohn etc.). Bei der Frage der „politschen“ und der „rechnerischen“ Mehrheit ist es also wohl so, dass die meisten Leute noch instinktiv gegen eine Regierungsbeteiligung der PDS sind, sie in Wahrheit aber eine entsprechende Politik wollen. Das Motto ist gewissermaßen „So viel Marktwirtschaft wie nötig, so viel Sozialismus wie möglich“. Ihre These finde ich recht plausibel. Was mich interessieren würde: Meinen Sie , dass sich die Kommunisten im Falle des Falles als taktisch überlegen erweisen? Oder wird es eher so kommen, dass sie zwar negativen Einfluss ausüben, am Ende die Grundlinien der Politik aber doch von der SPD und den Grünen vorgegeben werden?
Zitat von ChripaIn der „Zeit“ stand vor ein paar Monaten ein Artikel, aus dem hervorging, dass sich die Mehrheit der Deutschen links“ einordnet und linke Positionen befürwortet
Ja, ich habe das damals auch mit Schrecken gelesen und hier kommentiert und zu erklären versucht.
Zitat von ChripaBei der Frage der „politschen“ und der „rechnerischen“ Mehrheit ist es also wohl so, dass die meisten Leute noch instinktiv gegen eine Regierungsbeteiligung der PDS sind, sie in Wahrheit aber eine entsprechende Politik wollen.
Ich bin gar nicht mal mehr sicher, daß sie dagegen sind. Die Kommunisten haben so perfekt Kreide gefressen - und werden von den Medien ja auch ganz anders behandelt als früher die DKP -, daß viele sie gar nicht mehr als Kommunisten sehen. Sondern - das hat die DKP auch versucht, aber nie geschafft - als eine Reformpartei, die sich um die Sorgen und Nöte des "kleinen Manns" kümmert, die für Gerechtigkeit eintritt.
Das ist die Taktik der Kommunisten überall in den westlichen Staaten, in denen aus ihrer Sicht keine "revolutionäre Situation" besteht. So haben sie es in Frankreich gemacht, in Italien. In beiden Ländern haben sie es damit in die Regierung geschafft. In Frankreich nur vorübergehend, in Italien jetzt anscheinend auf längere Zeit. In skandinavischen Ländern schaffen sie es meist nur bis zur "Duldung" à la Sachsen-Anhalt.
Nur in Deutschland hatte das bisher nicht auf Bundesebene funktioniert. Weil wir in der alten Bundesrepublik, anders als Franzosen und Italiener, vor Augen hatten, wie es aussieht, wenn die Kommunisten regieren.
Jetzt ist dieser Augenschein des real existierenden Sozialismus verschwunden. Und damit funktioniert für die Kommunisten auch in Deutschland die Taktik, sich als Demokraten zu tarnen. Die Kommunisten verhalten sich im Augenblick bis aufs i-Tüpfelchen so wie die DKP bis zur Wiedervereinigung - nur jetzt mit Erfolg.
Zitat von ChripaWas mich interessieren würde: Meinen Sie , dass sich die Kommunisten im Falle des Falles als taktisch überlegen erweisen? Oder wird es eher so kommen, dass sie zwar negativen Einfluss ausüben, am Ende die Grundlinien der Politik aber doch von der SPD und den Grünen vorgegeben werden?
Die Kommunisten würden sich, denke ich, so verhalten wie im Berliner Senat: Kompromißbereit sein, jede Kröte schlucken, der pflegeleichteste Koalitionspartner aller Zeiten sein.
Denn es geht ihnen in der jetzigen Phase der Klassenkämpfe, wie sie das sehen, ja überhaupt nicht darum, irgend etwas Inhaltliches durchzusetzen. Es geht ihnen ausschließlich darum, Machtpositionen zu erobern. Also Ministerien zu haben, in denen sie allmählich ihre Leute in den Beamtenapparat einschleusen können. Kenntnisse zu bekommen, die ihnen sonst verborgen geblieben wären. Erkenntniss über Personen zu sammeln. Und so fort.
Das wird ihnen alles sehr nützlich sein, wenn die Zeit reif ist dafür, "die Menschen an den Sozialismus heranzuführen"; so nannte man es in der DKP. Das setzt eine große Wirtschafskrise voraus.
Die Kommunisten, lieber Chripa, denken in langen Zeiträumen. Sie sind überzeugt, daß der Kapitalismus zusammenbrechen wird. Sie wissen nur nicht, wann. Sie bereiten sich auf diesen Tag vor.
Das kann auch schon mal darin bestehen, daß sie extreme Forderungen stellen. Aber das ist dann immer taktisch begründet - sie wollen vielleicht dadurch die Sozialdemokraten in Zugzwang bringen, ihre Gegner spalten oder was immer.
Aber irgend etwas in der Bundesrepublik verändern, weil es ihren Vorstellungen entspricht, wie das andere Parteien tun, das wollen die Kommunisten nie. Sie würden auch auch eine Herabsetzung der Löhne gern mittragen, wenn sie sich davon taktische Vorteile versprächen.
Gibt es irgendwelche seriösen Untersuchungen über die IMHO nicht wegzudiskutierende Neigung der Menschen zum Sozialismus? Obwohl der Sozialismus in allen seinen Formen versagt hat(mitunter ziemlich blutig, hat er immer noch Millionen Anhänger.
Gibt es psychologische Erklärungen? Steve Pinker hat in seinen Buch auch die Rolle der Gene in der "politischen" Ausrichtung der Menschen erwähnt. Ist da was dran?
Fragt der aus einen ehemaligen sozialistischen Land stammende und über die Möglichkeit einer Volksfront kopfschüttelnde Neugierige
Folgt man Hayek, so baut der Hang der Menschen zu Umverteilung (der m.E. wesentliche Triebfeder sozialistischer Utopien ist) auf den Idealen der Horde auf. Wie sich diese Ideale übermitteln, wäre da die Frage. Wieder Hayek folgend würde man auf "Institutionen" tippen, also eine Gesamtheit von Regeln, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Dass der Sozialismus immer wieder versagt, schreckt seine Freunde nicht, da sie das, was da immer gerade konkret versagt hat, sofort zum Nicht-Sozialismus erklären.
Sozialismus ist ein Virus. Zwar durchaus auch ansteckend, aber außerhalb der von ihm befallenen Köpfe ohne Überlebenschancen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Meine Hayek Lektüre liegt schon lange zurück Mit der Horde wird die kleine/großen Gruppen Erklärungsansatz gemeint?
Wenn ja, überzeugt mich das nicht ganz. Die Menschen leben ja schon seit etwas 10000 Jahren in größeren Gruppen. Es müsste sich also schon "Evolutionstechnisch" was in der Einstellung der Menschen geändert haben(Falls man genetisch argumentiert). Der Höhepunkt des Sozialismus wurde ja erst in den letzten 100 Jahren erreicht. Da lebten die Menschen schon viel länger in größeren Organisationen
Liegt es eher nicht ganz einfach an der fehlenden Bildung? Die Unkenntniss der deutschen Schüler über die DDR war ja ein großes Thema in den letzten Tagen. Aber diese Unkenntnis beschränkt sich ja nicht nur auf Schüler und die DDR. Sozialismus/Kommunismus ist-glaube ich-kein Thema an den Schulen. Auch die breitere Bevölerung weißt wenig über die Geschichte des Sozialismus, die bolschewistische Revolution usw..( Ganz davon abgesehen über den Kapitalismus ebenso wenig)
Ich spreche hier über den "normalen" Menschen und nicht über die "Intelektuellen". Die Neigung vieler Intelektueller zum totalitären Systemen wäre jedoch ein ganz anderes Thema IMO wert .
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