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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 25 Antworten
und wurde 3.271 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

17.01.2017 19:32
Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Wie man das Verhältnismäßigkeitskriterium für das Parteienverbotsverfahren einerseits ablehnt, es dann aber doch über die Hintertür einer weiten Auslegung eines Gesetzesbegriffs in das Prüfungsprogramm einführt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem heute verkündeten Urteil, mit welchem der Antrag auf Verbannung der NPD aus der politischen Landschaft zurückgewiesen wird, eindrucksvoll vorgemacht.

Die grundgesetzwidrigen Absichten der Rechtsaußenpartei hätten derzeit keinerlei Aussicht auf einen Durchsetzungserfolg, argumentieren die Karlsruher Richter. Was bedeutet dies für den Kampf gegen Rechts: Muss dieser nun umso stärker geführt werden oder ist er als Spiegelfechterei diskreditiert?

Eine Urteilsglosse mit Randbemerkung in politicis.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.559

17.01.2017 19:49
#2 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten



Ich hätte gedacht, Artikel 9.2 GG sei da einigermaßen glasklar.

Zitat
Art 9
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.



https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html

Seit wann ist es ein Freibrief für die Planung übler Machenschaften, wenn keine reelle Aussicht besteht, sie umsetzen zu können?



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

17.01.2017 21:28
#3 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Ich habe mir das Urteil jetzt durchgelesen und erkenne es als rechtsstaatlich einwandfrei und demokratisch sinnvoll. So viel Weitblick und Würde hätte ich mir eigentlich von verschiedenen Politikern erwartet. Nachdem ich das Urteil gelesen habe, bemerke ich, dass verschiedene Artikel in der öffentlichen Presse den Geist des BVerg-Urteils falsch wiedergeben.

Weder geht es um die Größe der Partei, noch um Verhältnismäßgkeit oder eine "gefestigte, mündige Wählerschaft" oder was ich sonst so an Quatsch gelesen habe. Sondern der Geist des Urteils ist die Unterscheidung zwischen "Wollen" und "Tun".

Ein Ehemann mag seine Frau umbringen wollen. So lange er es nicht tut, ist er kein Mörder. Selbst, wenn er mit Kumpels darüber spricht, wird er nicht zum Mörder. Ein Priester mag allen Sündern die Hölle wünschen. So lange der Prister nicht selbst zum Messer greift, um die Menschen dahin zu befördern, kann der Prieser denken, was er will. Er kann soagr in einem Priesterseminar allen Sündern die Hölle an den Hals wünschen.

Ein Neonazi mag sich einen Führerstaat wünschen. Der Neonazi sagt das vielleicht sogar (so lange er nicht gegen die speziellen Sprechverbote für Rechtsradikale verstößt). Der Neonazi kann das sogar zu seinen Kumpels sagen. DAS IST ALLES VOM GRUNDGESETZ GEDECKT. Nicht gedeckt ist es, wenn der Neonazi handelt (ob aktiv oder durch unterlassen), um tatsächlich einen Führerstaat herbeizuführen. Und das BVerG hat NICHT gesagt, dass dieses Handeln tatsächlich dazu führen müsste, den Führerstaat zu erzwingen. Das BVerG hat gesagt, dass das Handeln das Ziel haben muss, eine verfassungsfeindliche Situation zu erzeugen. Ich zitiere die entscheidenden Stellen:


"...gebietet, dass die Beobachtung einer Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens durch den Verfassungsschutz nicht dem Ausspähen ihrer Prozessstrategie dient und dass im Rahmen der Beobachtung erlangte Informationen über die Prozessstrategie im Verfahren nicht zulasten der Partei verwendet werden. "
- und
"Dass eine Partei die Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt, muss sich aus ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger ergeben."
- und
"
Eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung einer Partei reicht für die Anordnung eines Parteiverbots nicht aus. Vielmehr muss die Partei auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung „ausgehen“.

a) Ein solches „Ausgehen“ setzt begrifflich ein aktives Handeln voraus"




Hier steht ausdrücklich, dass im Rahmen des Schutzes der Privatsphäre auch verfassungsfeindliche Gedanken und Meinungsäußerungen vom Schutz des Individuums durch das GG gedeckt sind. Das ist mM nach ein wesentlicher Eckpfeiler, der eine rechtsstaatliche Demokratie von einem totalitärem Unrechtsstaat unterscheidet: in Deutschland darf man den größten Scheiss erzählen - sogar im Freundkreis, sogar unter Parteifreunden! So lange es ein nicht-öffentlicher Gedankenaustausch ist, darf der Staat solche Meinungsäußerungen nicht als Begründung für staatliche Sanktionen verwenden. Was wäre denn die Alternative? Das jeder, der gerade mal nicht dem Mainstream entspricht, damit rechnen muss, dass sich staatliche Spitzel in den Kegelverein oder die Partei oder die Doppelkopfrunde einschleichen und jeden einbuchten, der beim dritten Bier verbal über die Stränge schlägt?

Sanktionen wegen Verfassungsfeindlichkeit setzen Ziele (= öffentliche oder systematische Meinungsäußerungen) oder Handlungen voraus. Die Gedanken sind frei. Selbst dann, wenn die Gedanken privat geäußert werden, sind sie immer noch frei.

Weiter gehts:

"Dass dadurch eine konkrete Gefahr für die durch Art. 21 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgüter begründet wird, ist nicht erforderlich."

Nix von wegen Verhältsmäßigkeit oder Mündigkeit der Bürger. Alles frei erfunden von der Presse und den Politikern. Statt dessen klare Ansage: Wenn entsprechende Ziele und Handlungen vorliegen, dann wird dass zu einem Verbot auf der Basis der Verfassungsfeindlichkeit führen. Es gibt nur eine Konkretisierung -und das nicht etwa eine Aufweichung des vorher gesagten, sondern ganz im Gegenteil eine Konkretisierung!:

"Allerdings bedarf es konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die einen Erfolg des gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Handelns zumindest möglich erscheinen lassen. "
- und
"Für die Annahme ungeschriebener Tatbestandsmerkmale ist im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 GG kein Raum. "

Warum ist dieser Satz wichtig? Weil er die Staatsorgane daran hindert, "Ziele und Handlungen" all zu großzügig zu interpretieren. Denn auch hier gibt es ja wieder einen Spielraum, wie speziell die Merkel-Regierungt mehr als deutlich demonstriert hat. Was dem einen eine freie Meinungsäußerung ist, ist dem anderen "hate speech". Was dem einen die Wahrheit ist, ist dem anderen eine "Fake news". Seien wir doch mal ehrlich:

Würden wir es beispielsweise akzeptieren, wenn eine selbsternannte Hexe wegen Mordes verurteilt wird, weil sie eine Nadel in eine Vodoo-Puppe gestochen hat - und zufällig der "Verfluchte" an einem Herzschlag gestorben ist? Zwischen dem Tatbestand (in diesem Beispiel Mord) und der Handlung (in diesem Beispiel Vodoo) muss doch wenigstens ein Mindestmaß an rationaler Verbindung existieren, um eine rechtsstaatliche Sanktion zu begründen. Exakt das steht im Urteil des BVerG: zwischen dem, was einer Partei als "Ziel" oder "Verhalten" vorgeworfen wird und dem Tatbestand (also Beseitigung oder Beeinträchtigung der Verfassung) muss wenigstens ein Mindestmaß an rationaler Verbindung existieren, um Sanktionen zu begründen. Es geht dabei NICHT um die tatsächliche Gefährdung (es kann also auch eine Splitterpartei verboten werden), sondern ob nach rationaler Abwägung überhaupt eine Gefährdung möglich ist.

Es ist also nicht möglich, dass die Politiker sich irgendeine x-beliebige Handlung der NPD herauspicken (zB meditatives Teetrinken) und dann behaupten, das wäre ein "verfassungsfeindliches Verhalten". Die Politiker müssten zunächst nachweisen, dass meditatives Teetrinken wenigstens PRINZIPIELL geeignet wäre, die Verfassung zu beseitigen oder zu beeinträchtigen.

Die Schlagzeile "Die NPD ist zu unbedeutend, um sie zu verbieten" ist also vom Urteil des BVerG nicht gedeckt. Denkbar wäre die Schlagzeile "Die NPD ist zu spinnert, um sie zu verbieten".


Insgesamt sehr gutes Urteil.

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

17.01.2017 21:50
#4 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Nachträglich: nachdem ich das Urteil nochmal durchgelesen habe, komme ich zu dem Schluss, dass vielleicht doch beide Interpretationen von dem Urteil gedeckt sein könnten. Es könnte sein, dass das BVerG "zu unbedeutend" gemeint hat - es könnte aber auch sein, dass das BVerG "zu spinnert" gemeint hat.

Ich lasse meinen obigen Beitrag aber trotzdem mal so stehen - als Diskussionsgrundlage. Auch, wenn ich slebst jetzt meinen Beitrag teilweise zurücknehme. ;-)

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.01.2017 10:42
#5 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #3
Ich habe mir das Urteil jetzt durchgelesen und erkenne es als rechtsstaatlich einwandfrei und demokratisch sinnvoll.

Das sehe ich auch so, und bedanke mich außerdem für Ihre Kommentierung - der Unterschied zwischen Wollen und Tun ist in der Tat viel wesentlicher als Mitgliederzahl oder andere in den Medien gebrachte Aspekte.

Wobei diese Interpretation des GG natürlich ein gewisses Risiko beinhaltet. Das Parteienverbot soll ja Gefahren für die Demokratie schon im Keime ersticken helfen. Das ist jetzt nicht mehr möglich.
Wenn also eine Partei vorhat, eine Diktatur zu errichten - aber einstweilen nicht mehr macht als ganz normal zu Wahlen anzutreten und sich in den Parlamenten im Rahmen von Gesetzen und Geschäftsordnung zu verhalten: Dann kann man sie also nicht verbieten.
Und wenn sie dann stark genug ist, um ihr lang gehegten und sogar öffentlich verkündeten Ziele umzusetzen - dann wird ein Parteiverbotsverfahren vielleicht faktisch nicht mehr durchsetzbar sein.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

18.01.2017 10:58
#6 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #2


Ich hätte gedacht, Artikel 9.2 GG sei da einigermaßen glasklar.

Zitat
Art 9
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.


https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html

Seit wann ist es ein Freibrief für die Planung übler Machenschaften, wenn keine reelle Aussicht besteht, sie umsetzen zu können?



Die einschlägige Norm für Parteien ist Art. 21 Abs. 2 GG anstelle des Art. 9.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.01.2017 12:59
#7 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #3
Ich habe mir das Urteil jetzt durchgelesen
Vielen Dank für die Mühe und Kommentierung.

Zitat von Frank2000 im Beitrag #3
Die Schlagzeile "Die NPD ist zu unbedeutend, um sie zu verbieten" ist also vom Urteil des BVerG nicht gedeckt. Denkbar wäre die Schlagzeile "Die NPD ist zu spinnert, um sie zu verbieten".

Das ist schlüssig. Die NPD hat (übrigens wie die PDS) über viele Jahre darauf verzichtet, überhaupt Wahl- oder Parteiprogramme zu beschließen. Dazu haben sie zwar keine Pflicht, aber wenn man nicht einmal sagen kann, was man mit seinen politischen Möglichkeiten anstellen werde, gibt es auch keinen Grund anzunehmen, daß man diese Möglichkeiten nutzen werde, um ein anderes System als die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu etablieren.


Zitat von Frank2000 im Beitrag #3
Insgesamt sehr gutes Urteil.
Ja, im Rahmen des Erwartbaren. Besser wäre es natürlich, das Konzept des Parteiverbotes und der "Verfassungsfeindlichkeit" insgesamt zu beerdigen. Gerade die traditionsreichsten Demokratien kennen es nicht (USA, UK, in Polen gibt es Parteiverbote nur im Zusammenhang mit festgestellter Gewalttätigkeit/Rebellion). Zur Demokratie gehört logischerweise, daß das Volk legal auch ihre Abschaffung betreiben können muß, es nur insofern nicht passiert, weil andere Demokraten ebenso legal ihren Erhalt betreiben.

Berechtigt ist auch die Frage, ob Parteiverbote wirklich im Ernstfall die Demokratie retten würden oder nicht einfach ein "Marsch durch die Institutionen" in einer Scheindemokratie à la DDR münden würde. In der DDR galten laut Verfassungsurkunde ja auch allerlei Grundrechte, nur konnte man sie nicht geltend machen, weil in den entscheidenden Amtspositionen Menschen mit "Klassenbewußtsein" saßen.

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

18.01.2017 20:03
#8 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #5

Das Parteienverbot soll ja Gefahren für die Demokratie schon im Keime ersticken helfen. Das ist jetzt nicht mehr möglich.
Wenn also eine Partei vorhat, eine Diktatur zu errichten - aber einstweilen nicht mehr macht als ganz normal zu Wahlen anzutreten und sich in den Parlamenten im Rahmen von Gesetzen und Geschäftsordnung zu verhalten: Dann kann man sie also nicht verbieten.
Und wenn sie dann stark genug ist, um ihr lang gehegten und sogar öffentlich verkündeten Ziele umzusetzen - dann wird ein Parteiverbotsverfahren vielleicht faktisch nicht mehr durchsetzbar sein.



Das leuchtet ein, aber wenn dieser Fall eintritt ist eh alles vorbei und der Einfluss von Gerichten, die für ruhige Zeiten konzipiert sind, wird mit "geeigneten Mitteln" ausgeschaltet werden.

Die Urteilsbegründung (Vorbehalt: Ich kenne nur die Kurzform) zeugt m.E. von einer Mischung aus Hilflosigkeit und einer gewissen Frivolität: Eine nicht verbotene Partei wird dazu verpflichtet, bei Wahlen nur schlechte Ergebnisse anstreben zu dürfen und sich mit dem Status Kleinstpartei zufrieden zu geben; andernfalls kann der Knüppel, der vorläufig im Schrank verwahrt wird, auch rausgeholt werden. Ein merkwürdiger Bedrohungsvorbehalt. *)

Aber man kann ja die Begründung auch einfach beiseite schieben und pragmatisch der Tatsache ins Auge blicken, dass Parteiverbote eh ein Schlag ins Wasser sind: Die nicht verbotene NPD, zeitweilig auch mal die DVU und sonstige obskuranten Grüppchen, sind die 1:1 Nachfolger der VERBOTENEN SRP und die Nachfolger der VERBOTENEN KPD (die entsprechenden Beschlüsse aus den 50ern sind keineswegs durch Zeitablauf ungültig!) sind ja mehr als offensichtlich; die gab es übrigens schon kurz nach '56, in Form von DFU und nach einer gewissen Schamfrist der DKP.

Die Moral von der Geschicht: Einen wirklichen Vollzug derartiger Verbotsbeschlüsse gibt es sowieso nicht, denn wie man bezüglich der beiden tatsächlichen Fälle sieht ist gegen die Nachfolgeritis kein Kraut gewachsen bzw.: die Beschlüsse verschimmeln rasch, zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich. Im Grunde handelt es sich eine übertriebene Vorstellung über die Juridifizierungsmöglichkeiten des Politikbetriebes, natürlich eine verständliche Reaktion auf Weimar, aber in diesem Fall keine besonders gelungene.

lich
Dennis

EDIT:
Insoweit ist der Ball an die Antragsteller zurückgekickt. Für das Gericht gilt natürlich: Causa finita, egal was aus der NPD womöglich noch wird.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

18.01.2017 22:59
#9 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #5
Zitat von Frank2000 im Beitrag #3
Ich habe mir das Urteil jetzt durchgelesen und erkenne es als rechtsstaatlich einwandfrei und demokratisch sinnvoll.

Das sehe ich auch so, und bedanke mich außerdem für Ihre Kommentierung - der Unterschied zwischen Wollen und Tun ist in der Tat viel wesentlicher als Mitgliederzahl oder andere in den Medien gebrachte Aspekte.


Nur sind Wollen und Tun bzw. ob ein Wollen in ein erfolgreiches Tun münden kann, sehr wohl von der Größe und der Bedeutung der Partei abhängig. Eine Partei mit ein paar tausend Mitgliedern, Wahlergebnissen im Unter-ferner-liefen-Bereich und Paria-Status in der öffentlichen Debatte wäre mit dem Klammerbeutel gebürstet, wenn sie einen Putsch unternähme. Das dürre Männlein, das einen LKW im Alleingang ohne maschinelle Hilfe umwerfen möchte, macht sich lächerlich und wird scheitern. Doch wenn sich einige Dutzend dürre Männlein zusammentun, besteht für den LKW doch ein gewisses Risiko.

Anders formuliert: Bei einer unbedeutenden Partei ist ein eventuelles Tun irrelevant, weil es keine anderen Ergebnisse zeitigt als das bloße Wollen. Bei einer größeren Partei lässt sich hingegen nicht so leicht feststellen, dass verfassungsfeindliche Umtriebe bereits ex ante gesehen wie das Hornberger Schießen ausgehen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.01.2017 23:08
#10 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat
Das dürre Männlein, das einen LKW im Alleingang ohne maschinelle Hilfe umwerfen möchte, macht sich lächerlich und wird scheitern. Doch wenn sich einige Dutzend dürre Männlein zusammentun, besteht für den LKW doch ein gewisses Risiko.


Das größte Risiko besteht erfahrungsgemäß, wenn sich das dürre Männlein und der LKW zusammentun.

Ich bin übrigens richtig ratlos, was ich von dem Urteil halten soll - vor allem stört mich der von Ulrich aufgezeigte Unterschied zwischen einer Partei (unverbietbar trotz Verfassungsfeindlichkeit) und Vereinen (eine Wikingjugend mit 500 eingetragenen Mitgliedern ist vom Umsturz noch 100x weiter weg als eine unter Geldmangel leidende und vom Verfassungsschutz ausgehöhlte NPD). Trotzdem wird sie ratzfatz verboten. Für mich steckt darin ein weiterer Schritt zur Sakrosanktbehandlung der Parteien.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Alexander ( gelöscht )
Beiträge:

20.01.2017 01:01
#11 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #3
Hier steht ausdrücklich, dass im Rahmen des Schutzes der Privatsphäre auch verfassungsfeindliche Gedanken und Meinungsäußerungen vom Schutz des Individuums durch das GG gedeckt sind. Das ist mM nach ein wesentlicher Eckpfeiler, der eine rechtsstaatliche Demokratie von einem totalitärem Unrechtsstaat unterscheidet: in Deutschland darf man den größten Scheiss erzählen - sogar im Freundkreis, sogar unter Parteifreunden! So lange es ein nicht-öffentlicher Gedankenaustausch ist, darf der Staat solche Meinungsäußerungen nicht als Begründung für staatliche Sanktionen verwenden. Was wäre denn die Alternative? Das jeder, der gerade mal nicht dem Mainstream entspricht, damit rechnen muss, dass sich staatliche Spitzel in den Kegelverein oder die Partei oder die Doppelkopfrunde einschleichen und jeden einbuchten, der beim dritten Bier verbal über die Stränge schlägt?
Dann war die letzte Verurteilung von Lutz Bachmann offenbar verfassungswidrig.
Er wurde verurteilt wegen Volksverhetzung. Für den Scheiß, den er in einer geschlossenen Facebookgruppe abgelassen hat.
Seine Äußerungen sind rausgekommen, weil sich ein paar ganz schlaue in die geschlossene Facebookgruppe eingeschlichen haben.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

20.01.2017 01:13
#12 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #8
Zitat von R.A. im Beitrag #5

Das Parteienverbot soll ja Gefahren für die Demokratie schon im Keime ersticken helfen. Das ist jetzt nicht mehr möglich.
Wenn also eine Partei vorhat, eine Diktatur zu errichten - aber einstweilen nicht mehr macht als ganz normal zu Wahlen anzutreten und sich in den Parlamenten im Rahmen von Gesetzen und Geschäftsordnung zu verhalten: Dann kann man sie also nicht verbieten.
Und wenn sie dann stark genug ist, um ihr lang gehegten und sogar öffentlich verkündeten Ziele umzusetzen - dann wird ein Parteiverbotsverfahren vielleicht faktisch nicht mehr durchsetzbar sein.



Das leuchtet ein, aber wenn dieser Fall eintritt ist eh alles vorbei und der Einfluss von Gerichten, die für ruhige Zeiten konzipiert sind, wird mit "geeigneten Mitteln" ausgeschaltet werden.

Die Urteilsbegründung (Vorbehalt: Ich kenne nur die Kurzform) zeugt m.E. von einer Mischung aus Hilflosigkeit und einer gewissen Frivolität: Eine nicht verbotene Partei wird dazu verpflichtet, bei Wahlen nur schlechte Ergebnisse anstreben zu dürfen und sich mit dem Status Kleinstpartei zufrieden zu geben; andernfalls kann der Knüppel, der vorläufig im Schrank verwahrt wird, auch rausgeholt werden. Ein merkwürdiger Bedrohungsvorbehalt. *)

Aber man kann ja die Begründung auch einfach beiseite schieben und pragmatisch der Tatsache ins Auge blicken, dass Parteiverbote eh ein Schlag ins Wasser sind: Die nicht verbotene NPD, zeitweilig auch mal die DVU und sonstige obskuranten Grüppchen, sind die 1:1 Nachfolger der VERBOTENEN SRP und die Nachfolger der VERBOTENEN KPD (die entsprechenden Beschlüsse aus den 50ern sind keineswegs durch Zeitablauf ungültig!) sind ja mehr als offensichtlich; die gab es übrigens schon kurz nach '56, in Form von DFU und nach einer gewissen Schamfrist der DKP.

Die Moral von der Geschicht: Einen wirklichen Vollzug derartiger Verbotsbeschlüsse gibt es sowieso nicht, denn wie man bezüglich der beiden tatsächlichen Fälle sieht ist gegen die Nachfolgeritis kein Kraut gewachsen bzw.: die Beschlüsse verschimmeln rasch, zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich. Im Grunde handelt es sich eine übertriebene Vorstellung über die Juridifizierungsmöglichkeiten des Politikbetriebes, natürlich eine verständliche Reaktion auf Weimar, aber in diesem Fall keine besonders gelungene.

lich
Dennis

Die rechtsextremistische Splitterpartei FAP wurde seinerzeit verboten, eine Nachfolgeorganisation wurde meines Wissens nicht gegründet.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

20.01.2017 08:10
#13 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

"Dann war die letzte Verurteilung von Lutz Bachmann offenbar verfassungswidrig."

Es gibt eine allgemeine Verfassungsfeindlichkeit - die kann auch auf Linksradikale, islamische Parteien usw angewendet werden.

Und es gibt einen kleineren Teilbereich des Meinungsspektrums der speziell mit dem 3. Reich zu tun hat, der gesondert verboten ist.

Allerdings hat beides meines Wissens nichts mit Bachmann zu tun. Der wurde nicht wegen verfassungsfeindlichen Aktivitäten angeklagt sondern wegen Volksverhetzung, wenn ich mich recht erinnere.

In einem etwas größeren Rahmen betrachtet kann man Ihren Hinweis so interpretieren, dass zunehmen einseitiger juristischer Druck existiert: nur bestimmte politische Meinungen, Gruppierungen und Meinungen werden mit allen Möglichkeiten der Staatsmacht verfolgt, während in anderen politischen Lagern relativ offen selbst übelste Machenschaften diskutiert werden können und nicht mal ein Achselzucken erzeugen.

Das ist natürlich richtig. Gabriels neuste Entgleisung in Bezug auf die AfD zeigt sehr deutlich, wie dünn das Rechtsstaatsverständnis in Deutschland inzwischen ist. Wir sind zwar noch ein Rechtsstaat. Aber die Richtung ist extrem bedenklich. Im Grunde erleben wir eine Wiederholung der Geschichte:

Wenn der "Gegner" nur genügend moralisch diskreditiert ist in Deutschland, dann will der Bürgertum-Mob (den es nach meinem Eindruck so nur in Deutschland gibt) Blut sehen. Und da dürfen dannauch nicht so blöde Formalismen wie Rechtsstaat, Fairness, Demokratie, Meinungsfreiheit und so ein Quatsch im Weg stehen.

Ich persönlich kann nicht mal ansatzweise erkennen, was am Höcke-Zitat verfassungsfeindlich sein soll. Aber die Vetgassungsschutzbehörden der Länder simd gebunden an politische Weisungen und damit natürlich ein perfektes Werkzeug.

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

schattenparker Offline



Beiträge: 150

20.01.2017 22:37
#14 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Das Wort "verfassungsfeindlich" ist auch nach dem Urteil des BVG noch nicht völlig klar. Offenbar heißt es nicht, und kann es auch nicht heißen, daß man die Verfassung in dem einen oder anderen Punkt ändern will - ansonsten wären auch CDU und SPD klare Verfassungsfeinde, weil sie das GG mehrfach geändert haben. Aber es werden "zentrale Grundprinzipien" konstatiert, die konstitutiven Charakter besitzen, also offenbar nicht geändert werden können - ergo: ein Änderungswunsch führt zur Verfassungsfeindschaft.

Bemüht wird einmal mehr die "Würde des Menschen", die schon bei der Causa "Terroristen entführen ein Flugzeug und wollen es in ein vollbesetztes Stadion steuern" zu einem m.E. außerordentlich problematischen Urteil geführt hat - "Würde" ist offenbar nichts Evidentes. Dann kommen ein paar Banalitäten wie Gleichheit aller Personen und die allfällige "alle Macht geht vom Volke aus" - Rhetorik sowie eine Berufung auf das Prinzip der Gewaltenteilung. Wenn tatsächlich alle Macht vom Volke ausging, hätte das obige Flugzeug-Urteil vermutlich keinen Bestand.

Ebenso muß ein Volk prinzipiell in der Lage sein, zu definieren, wer dazugehören soll und wer nicht, nicht die ganze Menschheit kann "us" sein, ein vermutlich wesentlich größerer Teil wird auch immer "them" sein, und obwohl auch immer alle Mitglieder von "them" Menschenrechte besitzen, werden es doch nicht dieselben Rechte sein, die "us-Mitglieder" besitzen.

Der zentrale Satz des BVG: "Auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar."
Heißt was? Bürger des Kontinents Afrika haben dieselben Rechte wie EU-Bürger? Schon der Begriff "rassistische Diskriminierung" hört sich so nach Mainstream-Gefasel an, daß man sofort schiere Inhaltslosigkeit vermutet. Was ist rassistisch? Was ist Diskriminierung?

Ich halte das BVG-Urteil beileibe nicht für gut, sondern für sehr interpretationsbedürftig.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.559

20.01.2017 23:09
#15 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von schattenparker im Beitrag #14
Bemüht wird einmal mehr die "Würde des Menschen"


Richtig: ein Rechtspositivist kann hier Zustände bekommen. Weil hier letztlich Wieselwörter Anwendung finden & durch die Partikulargesetze, die dann für den konkreten Anwendungsfall zum Tragen kommen, immer eine Einschränkung der Maximalrechte darstellen. Die Versuche, von denen wir ja schon einge hatten, die Scharia als mit dem GG kompatibel auszuweisen, kommen noch hinzu.

Ich nehme an, daß sich der Urteilssatz über die "rassistische Diskriminierung" auf Art 3.3 GG bezieht: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" plus der Tatsache, daß rassistisch-abwertende Diskriminierung für Ideologien wie den Nationalsozialismus geradezu als konstitutives Merkmal angesehen werden können. (Ist die Reflektion des Herkommens unserer speziellen Gesetze. In der Praxis zeichnet sich ein Großteil etwa des Islam ja über genau diese gleiche Verachtung & Ausgrenzung aus, nur daß das Unterscheidungsmerkmal hier nicht ethnisch, sondern durch die Dichotomie rechtgläubig/Kuffar bedingt ist. Das so verständliche wie nötige Diskrimierungsverbot aufgrund des institutionalisierten Antisemitismus des III. Reichs verhindert in diesem Fall ein Tätigwerden & Eingreifen des Gesetzgebers im Vorfeld).



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

20.01.2017 23:40
#16 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von schattenparker im Beitrag #14
Das Wort "verfassungsfeindlich" ist auch nach dem Urteil des BVG noch nicht völlig klar. Offenbar heißt es nicht, und kann es auch nicht heißen, daß man die Verfassung in dem einen oder anderen Punkt ändern will - ansonsten wären auch CDU und SPD klare Verfassungsfeinde, weil sie das GG mehrfach geändert haben. Aber es werden "zentrale Grundprinzipien" konstatiert, die konstitutiven Charakter besitzen, also offenbar nicht geändert werden können - ergo: ein Änderungswunsch führt zur Verfassungsfeindschaft.

Diese Prinzipien sind meines Wissens und Erachtens die Grundrechte. Und im Wesensgehalt sind sie tatsächlich meines Wissens bisher nicht geändert worden. Das Parteien die "die Systemfrage" stellen und sich auch noch dessen brüsten, eher andere Absichten verfolgen erscheint mir naheliegend.

Zitat
Bemüht wird einmal mehr die "Würde des Menschen", die schon bei der Causa "Terroristen entführen ein Flugzeug und wollen es in ein vollbesetztes Stadion steuern" zu einem m.E. außerordentlich problematischen Urteil geführt hat


Auf welches Urteil beziehen Sie sich, lieber Schattenparker?

Zitat
Der zentrale Satz des BVG: "Auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar."
Heißt was? Bürger des Kontinents Afrika haben dieselben Rechte wie EU-Bürger?


Nein. Natürlích nicht. Soweit ich das Gericht verstehe geht es nicht um Diskriminierung von Bürgern Afrikas. Es geht um die Diskriminierung von Bürgern Deutschlands. Also sozusagen schon Teil von "us". Und da ist Artikel drei tatsächlich einschlägig wie eindeutig. Konzepte, die aufgrund der Herkunft unterschiedliche Behandlungen für Teile von "us" definieren, sind tatsächlich mit dem Grundgesetz unvereinbar. Übrigens fast unabhängig davon ob sie rassistisch begründet sind oder nicht.

Zitat
Schon der Begriff "rassistische Diskriminierung" hört sich so nach Mainstream-Gefasel an, daß man sofort schiere Inhaltslosigkeit vermutet. Was ist rassistisch? Was ist Diskriminierung?


Rassistisch kann eine ganze Menge Dinge bedeuten, landläufig und in Küchendefinition ist es die Wertung, bzw. Bewertung eines Menschen aufgrund ethnischer Merkmale. Diskriminierung ist einfach die Unterscheidung und Ungleichbehandlung von Menschen nach bestimmten Kriterien. Zusammen genommen ist es die Unterscheidung, respektive Ungleichbehandlung aufgrund ethnischer Merkmale in einem wertenden Kontext. Eigentlich nicht wirklich wild und man muss da auch keinen Definitionskrieg aufmachen. Das bedeutet nicht alles und jedes sondern ist vergleichsweise gut umrissen. Wieselsprache ist immer ein Problem (siehe die von Ihnen eingeworfene Würde und das daraus abgeleitete, nie vom Gesetzgeber vorgesehene, allgemeine Persönlichkeitsrecht). Aber dieser Kontext gibt das nicht her.

Alexander ( gelöscht )
Beiträge:

21.01.2017 00:00
#17 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #13
Ich persönlich kann nicht mal ansatzweise erkennen, was am Höcke-Zitat verfassungsfeindlich sein soll.
http://meedia.de/2017/01/19/hoeckes-umstrittene-schandmal-rede-in-dresden-spiegel-gruender-rudolf-augstein-waehlte-einmal-fast-die-gleichen-worte/

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.559

21.01.2017 00:23
#18 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Alexander im Beitrag #17
Zitat von Frank2000 im Beitrag #13
Ich persönlich kann nicht mal ansatzweise erkennen, was am Höcke-Zitat verfassungsfeindlich sein soll.
http://meedia.de/2017/01/19/hoeckes-umstrittene-schandmal-rede-in-dresden-spiegel-gruender-rudolf-augstein-waehlte-einmal-fast-die-gleichen-worte/


Kulturstaatsministerin Monika Grütters, CDU, 16. 9. 2016:

Zitat
In Deutschland kommt, was nationale Denkmale betrifft, erschwerend hinzu, dass wir unsere Geschichte - anders als über Jahrhunderte durch eine starke Zentralmacht geprägte Länder wie Großbritannien oder Frankreich - nicht in einer einzigen nationalen Erzählung darstellen können. Die Einheit der deutschen Nation gab es ja auf einem in Kleinstaaten zersplitterten Territorium zunächst nur im Geiste - in der Kultur, in der Philosophie. Und nach all dem Leid, das Deutschland im 20. Jahrhundert über Europa und die Welt gebracht hat, waren Nationaldenkmäler nach 1945 geradezu undenkbar.

Dass nach 1990, als das wiedervereinte Deutschland seine Rolle in Europa und der Welt vorsichtig neu definierte, das lang umstrittene Holocaust-Mahnmal - nach mehr als zehn Jahren des Debattierens und Streitens, nach Wettbewerben mit mehreren hundert eingereichten Entwürfen und nach mehrfacher Überarbeitung des letztlich ausgewählten Projekts - zum bedeutendsten Denkmal in Berlin wurde, das hat für sich genommen schon hohe Symbolkraft. Neil MacGregor hat anhand dieses Beispiels auf eine Besonderheit deutscher Denkmalkultur aufmerksam gemacht. Er kenne, schrieb er im Buch zu seiner Ausstellung „Deutschland. Erinnerungen einer Nation“, er kenne „kein anderes Land, das in der Mitte seiner Hauptstadt ein Mahnmal der eigenen Schande errichtet hätte.“

Als eine weitere Besonderheit deutscher Denkmalkultur scheint sich nun mit dem vorläufigen Aus für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal das Unvermögen herauszukristallisieren, prägenden freudigen und hoffnungsvollen historischen Ereignissen und Entwicklungen ein Denkmal zu setzen. Glücklich, ja vielleicht sogar stolz und selbstbewusst zurückzuschauen auf die eigene Freiheits- und Demokratiegeschichte, das fällt uns offenbar besonders schwer. Immerhin - auch das gehört ja zur Wirkmacht von Denkmälern, und zwar schon, bevor sie überhaupt existieren - hat der Beschluss, der Friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung ein Denkmal zu setzen, eine durchaus produktive, öffentliche Debatte über den Wert der hart erkämpften Freiheit und Einheit ausgelöst. Aber anders als - nach langen Jahren des Streitens - beim Holocaust-Mahnmal ist es (bisher) nicht gelungen, die gesellschaftliche Selbstverständigung in ein weithin sichtbares Wahrzeichen unseres Selbstverständnisses münden zu lassen.



https://m.bundesregierung.de/Content/DE/...kmalkultur.html



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

schattenparker Offline



Beiträge: 150

21.01.2017 13:55
#19 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat Llarian: "Auf welches Urteil beziehen Sie sich, lieber Schattenparker?"

Lieber Llarian, das Urteil nebst Diskussion darum (sowie Film) wurde z.B. hier besprochen:
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/fern...eiden-1.3204434

Eierkopp Offline



Beiträge: 226

21.01.2017 17:40
#20 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von schattenparker im Beitrag #14
Aber es werden "zentrale Grundprinzipien" konstatiert, die konstitutiven Charakter besitzen, also offenbar nicht geändert werden können - ergo: ein Änderungswunsch führt zur Verfassungsfeindschaft.


Nicht geändert werden können Art. 1 (Menschenwürde) und Art. 20 (Deutschland ist ein Staat). So steht es in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes. Offenbar ist es nicht verfassungsfeindlich, oder es hat zumindest niemand geklagt, dass man die Verfassung mit verfassungskonformen Mitteln in die Tonne treten will.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

27.01.2017 17:12
#21 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #10

Zitat
Das dürre Männlein, das einen LKW im Alleingang ohne maschinelle Hilfe umwerfen möchte, macht sich lächerlich und wird scheitern. Doch wenn sich einige Dutzend dürre Männlein zusammentun, besteht für den LKW doch ein gewisses Risiko.

Das größte Risiko besteht erfahrungsgemäß, wenn sich das dürre Männlein und der LKW zusammentun.

Ich bin übrigens richtig ratlos, was ich von dem Urteil halten soll - vor allem stört mich der von Ulrich aufgezeigte Unterschied zwischen einer Partei (unverbietbar trotz Verfassungsfeindlichkeit) und Vereinen (eine Wikingjugend mit 500 eingetragenen Mitgliedern ist vom Umsturz noch 100x weiter weg als eine unter Geldmangel leidende und vom Verfassungsschutz ausgehöhlte NPD). Trotzdem wird sie ratzfatz verboten. Für mich steckt darin ein weiterer Schritt zur Sakrosanktbehandlung der Parteien.

Gruß Petz


Es gibt einen großen Unterschied zwischen Vereinen und Parteien. Letztere werden durch Artikel 21 GG geschützt. Vereine nicht. Insofern waren Parteien schon seit Inkrafttreten des GG "sakrosankt".
Das BVerfG hat die Verfassungsfeindlichkeit der NPD festgestellt, nicht aber ihre Verfassungswidrigkeit die nach Art. 21 GG zu einem Verbot geführt hätte. Das ist mehr als ich erwartet habe und ich begrüße das Urteil.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

27.01.2017 17:21
#22 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #21
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Vereinen und Parteien. Letztere werden durch Artikel 21 GG geschützt. Vereine nicht. Insofern waren Parteien schon seit Inkrafttreten des GG "sakrosankt".
Das BVerfG hat die Verfassungsfeindlichkeit der NPD festgestellt, nicht aber ihre Verfassungswidrigkeit die nach Art. 21 GG zu einem Verbot geführt hätte. Das ist mehr als ich erwartet habe und ich begrüße das Urteil.

Aber wenn man es mit der Begründung des KPD-Verbotsurteils vergleicht, bleibt der Eindruck: Wenn zwei das Gleiche tun...

Zitat
Auf die geringen Erfolgsaussichten dieser Ziele komme es nicht an, was in Anbetracht der Isolierung der KPD anzunehmen war, denn:
Eine Partei kann nach dem Gesagten auch dann verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, daß sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können. Dasselbe gelte auch für den Fall, dass sie ihre verfassungswidrigen Ziele zeitweise zurückstellt.

https://de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

27.01.2017 18:00
#23 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #22
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #21
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Vereinen und Parteien. Letztere werden durch Artikel 21 GG geschützt. Vereine nicht. Insofern waren Parteien schon seit Inkrafttreten des GG "sakrosankt".
Das BVerfG hat die Verfassungsfeindlichkeit der NPD festgestellt, nicht aber ihre Verfassungswidrigkeit die nach Art. 21 GG zu einem Verbot geführt hätte. Das ist mehr als ich erwartet habe und ich begrüße das Urteil.

Aber wenn man es mit der Begründung des KPD-Verbotsurteils vergleicht, bleibt der Eindruck: Wenn zwei das Gleiche tun...

Zitat
Auf die geringen Erfolgsaussichten dieser Ziele komme es nicht an, was in Anbetracht der Isolierung der KPD anzunehmen war, denn:
Eine Partei kann nach dem Gesagten auch dann verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG sein, wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, daß sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können. Dasselbe gelte auch für den Fall, dass sie ihre verfassungswidrigen Ziele zeitweise zurückstellt.
https://de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot

Gruß Petz


Als Zuagroaster kann ich mir zwar nur ein eingeschränktes Urteil bilden, aber angesichts der Bedrohung durch die Sowjetunion und des Einflusses der DKP innerhalb der Gesellschaft, ihrer Finanzierung durch die SED und der Einflussnahme des MfS halte ich die DKP von damals in der Tat für wesentlich bedrohlicher für die FDGO als die NPD heute.

Viele Grüße, Erling Plaethe

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

27.01.2017 19:11
#24 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #23
Zitat von Meister Petz im Beitrag #22

Aber wenn man es mit der Begründung des KPD-Verbotsurteils vergleicht, bleibt der Eindruck: Wenn zwei das Gleiche tun...


Als Zuagroaster kann ich mir zwar nur ein eingeschränktes Urteil bilden, aber angesichts der Bedrohung durch die Sowjetunion und des Einflusses der DKP innerhalb der Gesellschaft, ihrer Finanzierung durch die SED und der Einflussnahme des MfS halte ich die DKP von damals in der Tat für wesentlich bedrohlicher für die FDGO als die NPD heute.


In der Tat, und trotzdem wurde die DKP nicht verboten. Oder meinten Sie die KPD?

Ich denke, "wenn zwei das Gleiche tun" trifft die Sache nur am Rande, es sei denn man verwehrt der Rechtssprechung die Anpassung an die Verhältnisse. Das Verbotsäquivalent zur KPD sind am rechten Rand die SRP und die FAP (mit der Besonderheit, dass die FAP nicht als Partei verboten wurde, sondern ihr der Parteistatus aberkannt wurde und sie danach als Vereinigung verboten wurde), mit "auf dem rechten Auge blind" hat es also schon mal nix zu tun.

Warum sich das Verfassungsgericht jetzt entschieden hat, die tatsächlich von einer Partei ausgehenden Gefahr zugrunde zu legen anstatt wie beim vorherigen NPD-Verbotsverfahren die fehlende Agressivität beim Betreiben der Abschaffung der FDGO zu nennen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Auch die V-Mann-Problematik hat sich ja wohl nicht wesentlich verändert.

Gruß
hubersn

--
Mein Politik-Blog: http://politikblog.huber-net.de/
Mein Mischmasch-Blog: http://miscblog.huber-net.de/

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

27.01.2017 20:12
#25 RE: Die NPD wird nicht verboten. Was das für den Kampf gegen Rechts bedeutet Antworten

Zitat von hubersn im Beitrag #24
Ich denke, "wenn zwei das Gleiche tun" trifft die Sache nur am Rande, es sei denn man verwehrt der Rechtssprechung die Anpassung an die Verhältnisse. Das Verbotsäquivalent zur KPD sind am rechten Rand die SRP und die FAP (mit der Besonderheit, dass die FAP nicht als Partei verboten wurde, sondern ihr der Parteistatus aberkannt wurde und sie danach als Vereinigung verboten wurde), mit "auf dem rechten Auge blind" hat es also schon mal nix zu tun.

Warum sich das Verfassungsgericht jetzt entschieden hat, die tatsächlich von einer Partei ausgehenden Gefahr zugrunde zu legen anstatt wie beim vorherigen NPD-Verbotsverfahren die fehlende Agressivität beim Betreiben der Abschaffung der FDGO zu nennen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Auch die V-Mann-Problematik hat sich ja wohl nicht wesentlich verändert.

Mir geht's ja gar nicht um linke oder rechte Augen. sondern um den Vergleich mit anderen Parteiverboten. Die FAP hat sich in ihrem Antrag gegen das Verbotsverfahren genau an diese Argumentation gehalten. Das Verfassungsgericht nahm aber genau dieses zum Anlass für die Aberkennung des Parteienprivilegs:

Zitat
Nach alledem kann nicht davon gesprochen werden, die in der Satzung und im Programm der Antragsgegnerin niedergelegte Zielsetzung der politischen Einflußnahme und der parlamentarischen Vertretung sei "ernsthaft". Es handelt sich vielmehr um eine offenbar aussichtslose Absicht, die das Ziel parlamentarischer Vertretung als gänzlich wirklichkeitsfern erscheinen läßt. Es ist auch nicht erkennbar, daß die Antragsgegnerin irgendwelche erheblichen Anstrengungen unternommen hat, um ihre derzeitige Situation grundlegend zu ändern. Wenn eine Vereinigung sich aber offenkundig mit dem Zustand absoluter Bedeutungslosigkeit - wie er auch aus ihrer Antragserwiderung hervorgeht - abfindet, erweist sich der bekundete Wille zur politischen Einflußnahme und zur Mitwirkung an der Vertretung des Volkes in den Parlamenten als ein bloß vorgeblicher, mithin als Maskerade. Angesichts ihrer mangelnden Organisationsdichte, einer nicht ausreichend handlungs- und arbeitsfähigen Parteiorganisation, des geringen Mitgliederbestandes, des fehlenden kontinuierlichen Hervortretens in der Öffentlichkeit und des Mangels an jeglichem Widerhall in der Bevölkerung bietet die FAP keine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung. Sie ist keine Partei im Sinne von Art. 21 GG, § 2 Abs. 1 PartG.

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv091276.html#Rn007

Wenn man sich anschaut, wieviele Kleinparteien mit noch weniger Mitgliedern und Organisation als die FAP (bis zu 1000, mehrere Wahlteilnahmen) in der heutigen politischen Landschaft mit unangetastetem Parteienstatut rumgeistern (darunter auch verbotswürdige wie der 3. Weg), dann ist das insgesamt nicht schlüssig. Bei der KPD wurde festgestellt, es ist egal, ob die Partei irgendwann gefährlich werden kann. Bei der FAP war es klar, dass nicht, aber man half sich über den Ausweg der Aberkennung des Parteienprivilegs. Was aus meiner Sicht auch nicht konsequent ist - immerhin wurde 2013 eine aus ca. 50 Nasen bestehende und komplett unseriöse Reichsbürgerpartei namens "Deutsche Nationalversammlung" unter ausdrücklicher Anerkennung des Parteienprivilegs zur Bundestagswahl zugelassen: http://www.bundesverfassungsgericht.de/S...2bvc000313.html

Die "Anpassung an die Verhältnisse" scheint also darin zu bestehen, wie ich in meiner Ursprungsthese behauptet habe, Parteien insgesamt mehr Spielraum einzuräumen.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

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