Es ist schade, dass diese Selbstverständlichkeit einer solch ausführlichen Herleitung bedurfte. Trotzdem danke, Meister Petz!
P.S.: Dass Rudolf "Diesel" wegen des VW-Skandals "noch töter" sein soll, halte ich für ein Gerücht. Er steht allerdings unter ideologischem Beschuss.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
wären Sie Franzose, Pole, Tscheche oder Österreicher, dann hätten Sie diese Zeilen nie geschrieben.
Klonovsky (klingt so polnisch) hat diesen fiktiven Dialog gebracht:
Zitat "Sind Sie stolz darauf, dass Kant, Goethe, Beethoven, Röntgen oder Max Planck Deutsche waren?" "Nein, wieso? Ich habe doch an deren Leistungen keinerlei Anteil." "Aber für Hitler schämen Sie sich schon, nicht wahr?"
Zitat von Martin im Beitrag #4Aber, lieber Petz, wären Sie Franzose, Pole, Tscheche oder Österreicher, dann hätten Sie diese Zeilen nie geschrieben.
Als ob Le Pen, Kukiz, Lidinsky oder Strache in ihren Ländern keinen Gegenwind spüren würden...
Zitat von Martin im Beitrag #4Klonovsky (klingt so polnisch) hat diesen fiktiven Dialog gebracht:
Zitat "Sind Sie stolz darauf, dass Kant, Goethe, Beethoven, Röntgen oder Max Planck Deutsche waren?" "Nein, wieso? Ich habe doch an deren Leistungen keinerlei Anteil." "Aber für Hitler schämen Sie sich schon, nicht wahr?"
Es klingt tschechisch - im polnischen ginge es auf -wski.
Aber genau darauf will ich ja raus - das ist ja keine Einbahnstraße. Fiktiver Dialog analog meiner These: "Schämen Sie sich für Hitler?" "Nein, wieso? Ich habe doch an seinen Verbrechen keinerlei Anteil." "Aber stolz darauf, dass Kant, Goethe, Beethoven, Röntgen oder Max Planck Deutsche waren, sind Sie schon, nicht wahr?"
Zitat von Werwohlf im Beitrag #3Es ist schade, dass diese Selbstverständlichkeit einer solch ausführlichen Herleitung bedurfte. Trotzdem danke, Meister Petz!
Lieber Werwohlf, wenn mich das letzte Jahr eines gelehrt hat, ist es, nirgendwo in der politischen Debatte etwas als Selbstverständlichkeit vorauszusetzen.
Zitat P.S.: Dass Rudolf "Diesel" wegen des VW-Skandals "noch töter" sein soll, halte ich für ein Gerücht. Er steht allerdings unter ideologischem Beschuss.
Doch doch, dass er noch töter ist, ist alternativ Fakt.
Vor ungefähr zehn Jahren las ich das Buch „Anus Mundi. Fünf Jahre Auschwitz“ von Wieslaw Kielar, meiner Erinnerung nach ein polnischer Kommunist. Nach der Lektüre des Buches war mir klar, warum ich angesichts der Erinnerungskultur der Bundesrepublik, die ich seit meiner Kindheit beobachten konnte, stets ein diffuses Unbehagen verspürte:
1. Das Empfinden von „Schuld“ oder „Scham“ ist m. E. ein verharmlosender Umgang mit dem Sujet. Für mich sind Emotionen Ergebnis eines evolutionären Prozesses, der sich in Gruppengrößen von ca. 1000 Personen abspielte. In diesen Gruppen empfindet man Schuld, wenn man einzelnen oder meinetwegen einer überschaubaren Mehrzahl von Menschen etwas antut. Für den Holocaust hält unser Repertoire an emotionalen Reaktionen aber nichts bereit. Dies erklärt m. E. zum Teil, warum diese Vorgänge als so grauenhaft empfunden werden.
2. Die deutsche Erinnerung an den Holocaust erfolgt aus Täterperspektive. Dahinter steht unartikuliert die Prämisse, dass man selbst nicht Opfer ist. Woher, so frage ich, nimmt man eigentlich die Sicherheit, dass wenn die Deutschen das nächste Mal politisch durchdrehen, man selbst nicht zur Opfergruppe gehört? Angesichts des Holocaust stellt sich m. E. die Frage, ob nicht irgendwo, tief in der deutschen Psyche ein Systemfehler verborgen ist, der sich bis heute gehalten hat. Und wer sich nicht sicher sein kann, dass er das nächste Mal nicht zur Opfergruppe gehört, hat ein ureigenes, ganz egoistisches Interesse daran, dass diese Frage nicht ad acta gelegt wird.
Zitat von Martin im Beitrag #4Aber, lieber Petz, wären Sie Franzose, Pole, Tscheche oder Österreicher, dann hätten Sie diese Zeilen nie geschrieben.
Als ob Le Pen, Kukiz, Lidinsky oder Strache in ihren Ländern keinen Gegenwind spüren würden...
Der Gegenwind betrifft nicht die Erinnerungskultur, und die hebt nicht die Schandtaten hervor.
Zitat Aber genau darauf will ich ja raus - das ist ja keine Einbahnstraße. Fiktiver Dialog analog meiner These: "Schämen Sie sich für Hitler?" "Nein, wieso? Ich habe doch an seinen Verbrechen keinerlei Anteil." "Aber stolz darauf, dass Kant, Goethe, Beethoven, Röntgen oder Max Planck Deutsche waren, sind Sie schon, nicht wahr?"
Gruß Petz
Sehen Sie, das ist der Punkt: Wer identifiziert sich denn mit einem Verbrecher? Ein normaler Mensch distanziert sich davon, ignoriert ihn soweit es geht. Man muss schon an das Schlechte in sich glauben, wenn man fürchtet in dessen Fußstapfen treten zu können.
Ein interessanter, ausgewogener Beitrag, der aber meiner Meinung nach den wesentlichen Punkt nur streift: was ist eine Nation? Oder, um bei Höcke zu bleiben: was ist das relevante Kollektiv? Eine Kollektivschuld setzt ein Kollektiv voraus - was ja auch dazu führt, das die noch-nicht-so-lang-hier-lebenden (auch nach Aufdrängen des deutschen Passes) sich absolut nicht der Kollektivschuld unterwerfen wollen.
Sie schreiben: "Ich war lange Zeit skeptisch gegenüber der "Nation-durch-Gewohnheit"-Theorie..."
Diese Skepsis verstehe ich nicht, da meines Wissens nur zwei Theorien zur Bildung einer nationalen/völkischen Identität existieren: - Entweder man begründet das genetisch (Blutslinie) - Oder man begründet das als soziale Konditionierung
Ich wüsste nicht, was es noch geben sollte... da ich die früher vorherrschende religiöse Begründung ebenfalls (mangels Glauben) als soziale Konditionierung verstehe. Da ich die genetische Komponente für absolut marginal halte (es gibt sicher genetisch vererbte Eigenschaften, die aber wahrscheinlich nur mit ausgefuchster Statistik überhaupt nachweisbar wären) bleibt ja nur die soziale Komponente. Ob man das jetzt kulturelles Gedächtnis, Meme, Gewohnheit oder Erziehungsstil nennt, ist doch völlig egal. Für mich wird ein sehr großer Teil der menschlichen Vorlieben, Abneigungen und Sichtweisen zunächst durch die Eltern und dann durch die Peer group auf die Individuen geprägt. In so weit gibt es eine deutsche Meme. Und ich hätte großes Interesse daran, dass diese Meme überlebt.
Wird sie aber nicht. Merkel hat das effektiv verhindert.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
zunächst einmal vielen Dank dafür, daß Sie meinen Beitrag auf die "große Bühne" gehoben haben.
Ich bin durchaus nicht der Meinung, daß wir "unsere" Verbrechen verschweigen sollten, ich hätte sie gern nur etwas anders skaliert.
Wir versammeln uns eben nicht einmal pro Jahr unter dem Denkmal Plancks, Goethes, Schillers oder Bachs, um den Wissenschaftlern, Dichtern, Musikern und anderen Künstlern zu huldigen, weder individuell noch ihnen als Kollektiv. Es gibt keinen "Tag des deutschen Genius".
Aber es gibt eine ganze Armada von Tagen, die unsere Schuld thematisieren, Kriegsende, Reichskristallnacht, Volkstrauertag...es fällt einem sicherlich noch mehr ein, wenn man weiter darüber nachdenkt.
Als "Schlußstricher" (no pun taken) plädiere ich weder für das Entfernen von Mahnmalen noch die Beseitigung von Gedenktagen - aber es wäre schön, wenn nicht mehr die ganze Nation, die Regierung vornweg, schon zwangsneurotisch die immer gleichen Gesten vollführen, die immer gleichen Reden schwingen, die immer gleiche Symbolik beschwören müßten, sondern die besondere Hervorhebung dieser Tage langsam entschwinden könnte.
Zitat von schattenparker im Beitrag #11 Ich bin durchaus nicht der Meinung, daß wir "unsere" Verbrechen verschweigen sollten, ich hätte sie gern nur etwas anders skaliert.
Ich selbst sehe das ähnlich; aber es gibt durchaus sehr gute Argumente auch für das Gegenteil: die menschliche Natur an und für sich.
Jeder Mensch macht Fehhler. Eine extrem universelle Eigenschaft des Mensch-seins ist nun, die eigenen Fehler zu verdrängen, zu verschweigen bzw zu beschönigen und die guten Taten zu betonen. Das geht sogar so weit, dass einem Büßer, die permanent die eigenen Fehler und Schwächen ausbreiten, tierisch auf den Senkel gehen. Eine solche Eigenart wird als negativ wahrgenommen, als depressiv - ja gestört.
Menschen, die sie sich slebst in positive Licht darstellen, werden auch tatsächlich viel positiver wahrgenommen - so lange man es nicht übertreibt.
Warum sollte das bei Nationen anders sein?
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Auch wenn ich ein paar Schwierigkeiten habe deinen Text zu verstehen, lieber Petz, möchte ich doch ein paar Gedanken einwerfen.
Wenn ich Dich richtig verstehe, geht es Dir in erster Linie um Konsequenz: Wer stolz auf Goethe sein will, der muss auch die Scham für Hitler mitnehmen. Dem möchte ich zwei Gedanken gegenüberstellen:
Zum einen: So viele sind ja gar nicht stolz auf Goethe. Den meisten Deutschen ist es ziemlich aberzogen stolz auf ihre Nation oder ihre Vergangenheit (und seien es Teile davon) zu sein. Es entsprach nahezu jahrzehntelang dem deutschen Mainstream sich für Hitler zu schämen aber nicht auf den Gedanken zu kommen Stolz auf die eigene Nation zu empfinden. Ich persönlich halte es da lieber mit den sieben Todsünden (eine der wenigen Dinge, wo die Katholen nicht völlig daneben liegen) und versuche Stolz generell weitgehend zu vermeiden, aber in der Konsequenz deiner eigenen Worte, müsste eine Nation, die sich permanent der Erinnerung, Verantwortung und der Exegese des dritten Reiches widmet, mindestens ebenso aufgefordert sein ihre lichten Seiten deutlich zu machen. Was den meisten Deutschen sehr schwer fällt.
Zum anderen: Auch in der Konsequenz wäre ein solches Verhalten zumindest ungewöhnlich. Andere Nationen haben nicht das geringste Problem damit ihre lichten Seiten nach vorne zu stellen und die dunklen Stellen zu vermeiden. Man denke an den Genoizid an den Armeniern (dessen Erwähnung schon in der Türkei ins Gefängnis führen kann). Man denke an den Massenmord der Japaner in China, man denke an die Genoizid der Amerikaner an ihren Ureinwohnern, man denke an Kolonialverbrechen, Kriegsverbrechen, überhaupt Angriffskriege, und, und, und. Aber kaum jemand, mal ab von den Deutschen, betreibt einen solche Kult im Umgang mit den dunkelsten Seiten der eigenen Geschichte. Dabei geht es nicht darum zu sagen, dass der Umgang falsch ist, nur, dass diese Konsequenz, die Du scheinbar forderst, praktisch nirgendwo existiert.
Nebenbei gesprochen, ich habe mir das Ding durchaus angesehen. Aber einen Fehler gemacht. Ich habe das jüdische Museum in Berlin vorher gesehen und damit war von vorneherein klar, dass es sich um einen billigen Abklatsch mit möglichst großem Aufwand handelt. Ich finde es ist kein Denkmal der Schande, sondern eher ein Denkmal der Blödheit, dass man ein irres Geld für eine schlechte Kopie bezahlt, die noch dazu die Wirkung des Originals bei weitem verfehlt und gleichzeitig nur dazu dient der Welt zu signalisieren wie sehr man aus der eigenen Geschichte gelernt habe. Und wie gut man das hat demonstriert die vereinigte Linke fast jeden Tag.
Zitat von Llarian im Beitrag #13 Ich finde es ist kein Denkmal der Schande, sondern eher ein Denkmal der Blödheit, dass man ein irres Geld für eine schlechte Kopie bezahlt, die noch dazu die Wirkung des Originals bei weitem verfehlt und gleichzeitig nur dazu dient der Welt zu signalisieren wie sehr man aus der eigenen Geschichte gelernt habe. Und wie gut man das hat demonstriert die vereinigte Linke fast jeden Tag.
Sehr schöne Formulierung, die ich ergänzen möchte: Schindlers Liste hat mich bewegt -gerade WEIL es eine Hollywood-Schmonzette war. So ist nun mal meine Natur und ich behaupte die Natur der meisten Menschen. Diese ganzen Denkmäler lassen mich kalt: seien es diese aufdringlichen "Stolpersteine" oder die Mahnale oder was auch immer. Typisch deutscher Größenwahn, kalt und unpersönlich.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #14Sehr schöne Formulierung, die ich ergänzen möchte: Schindlers Liste hat mich bewegt -gerade WEIL es eine Hollywood-Schmonzette war. So ist nun mal meine Natur und ich behaupte die Natur der meisten Menschen. Diese ganzen Denkmäler lassen mich kalt: seien es diese aufdringlichen "Stolpersteine" oder die Mahnale oder was auch immer. Typisch deutscher Größenwahn, kalt und unpersönlich.
Es geht doch gar nicht um das konkrete Denkmal, sondern um die Absicht, die mit ihm verbunden ist. Ästhetische Diskussionen mögen ihre Berechtigung haben, aber im Zusammenhang mit Höcke beantworten sie die falsche Frage.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Frank2000Diese Skepsis verstehe ich nicht, da meines Wissens nur zwei Theorien zur Bildung einer nationalen/völkischen Identität existieren: - Entweder man begründet das genetisch (Blutslinie) - Oder man begründet das als soziale Konditionierung
Ich wüsste nicht, was es noch geben sollte... da ich die früher vorherrschende religiöse Begründung ebenfalls (mangels Glauben) als soziale Konditionierung verstehe. Da ich die genetische Komponente für absolut marginal halte (es gibt sicher genetisch vererbte Eigenschaften, die aber wahrscheinlich nur mit ausgefuchster Statistik überhaupt nachweisbar wären) bleibt ja nur die soziale Komponente. Ob man das jetzt kulturelles Gedächtnis, Meme, Gewohnheit oder Erziehungsstil nennt, ist doch völlig egal. Für mich wird ein sehr großer Teil der menschlichen Vorlieben, Abneigungen und Sichtweisen zunächst durch die Eltern und dann durch die Peer group auf die Individuen geprägt. In so weit gibt es eine deutsche Meme. Und ich hätte großes Interesse daran, dass diese Meme überlebt.
Darauf wollte ich gar nicht heraus, mir geht es nicht um noch eine Leitkulturdebatte. Sondern lediglich auf die Kontingenz, zu welcher Nation / zu welchem Staat eine Person oder eine Gruppe gehört. Und dafür ist Deutschland mit seiner wechselhaften Geschichte der Überlagerung von verschiedenen Landsmannschaften, Staat(enverbund)szugehörigkeiten und die wechselhafte Bedeutung des "Deutschseins", dass für mich die Willkürlichkeit dieser Zugehörigkeit so was von evident ist, dass ich gar nicht nachvollziehen kann, wie man darauf irgendeine Ideologie begründen kann.
Die R.A.sche Gewohnheitsthese bezieht sich auch auf genau diese Frage: nach der Entstehung einer Nation, nicht nach ihrem Wesen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #16Und dafür ist Deutschland mit seiner wechselhaften Geschichte der Überlagerung von verschiedenen Landsmannschaften, Staat(enverbund)szugehörigkeiten und die wechselhafte Bedeutung des "Deutschseins", dass für mich die Willkürlichkeit dieser Zugehörigkeit so was von evident ist, dass ich gar nicht nachvollziehen kann, wie man darauf irgendeine Ideologie begründen kann.
Naja, meines Erachtens ist die Zugehörigkeit so wenig willkürlich wie zwangsweise, sondern nicht eineindeutig. Was nicht bedeutet, dass nicht für >70% der Menschen klar ist, ob das Kriterium als erfüllt betrachtet werden kann oder nicht. Ich halte diese Prozentzahl bewusst gering, weil auch Österreicher (und Südtiroler...) und Deutschschweizer kulturell Deutsche sind, nur eben nicht historisch und rechtlich.
Deutschsein wird überwiegend vererbt, aber es kann selbstverständlich auch erworben werden - durch Assimilation. Andere Wege wären mir aktuell nicht bekannt.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Frank2000 im Beitrag #12Jeder Mensch macht Fehler. Eine extrem universelle Eigenschaft des Mensch-seins ist nun, die eigenen Fehler zu verdrängen, zu verschweigen bzw zu beschönigen und die guten Taten zu betonen. Das geht sogar so weit, dass einem Büßer, die permanent die eigenen Fehler und Schwächen ausbreiten, tierisch auf den Senkel gehen. Eine solche Eigenart wird als negativ wahrgenommen, als depressiv - ja gestört.
Menschen, die sie sich slebst in positive Licht darstellen, werden auch tatsächlich viel positiver wahrgenommen - so lange man es nicht übertreibt.
Allerdings steht da noch die Frage des Selbstbildes und des Fremdbildes in der Geschichte. Ich vermute mal, dass Reinhard Heydrich der Welt lieber als virtuoser Pianist (der er ohne Zweifel war) in Erinnerung geblieben wäre, denn als Leiter der Wannseekonferenz. Und OJ lieber als Runningback der Buffalo Bills denn als Angeklagter in einem Mordprozess (wo er nicht einmal verurteilt wurde).
Und hier glaube ich, dass das Konzept der tätigen Reue (die sogar einen Einfluss auf Strafzumessungen hat) durchaus nicht "tierisch auf den Senkel geht" (das tut es nur, wenn ich mich a priori entscheide, dass es unglaubwürdig ist). Im Gegenteil - vergleichen Sie mal das Nachkriegsansehen von beispielsweise Akbert Speer (reuig) und Großadmiral Dönitz oder Carl Schmitt (nicht reuig). Da zieht das Mem von Schuld und Sühne.
Zitat von Llarian im Beitrag #13Zum einen: So viele sind ja gar nicht stolz auf Goethe. Den meisten Deutschen ist es ziemlich aberzogen stolz auf ihre Nation oder ihre Vergangenheit (und seien es Teile davon) zu sein. Es entsprach nahezu jahrzehntelang dem deutschen Mainstream sich für Hitler zu schämen aber nicht auf den Gedanken zu kommen Stolz auf die eigene Nation zu empfinden. Ich persönlich halte es da lieber mit den sieben Todsünden (eine der wenigen Dinge, wo die Katholen nicht völlig daneben liegen) und versuche Stolz generell weitgehend zu vermeiden, aber in der Konsequenz deiner eigenen Worte, müsste eine Nation, die sich permanent der Erinnerung, Verantwortung und der Exegese des dritten Reiches widmet, mindestens ebenso aufgefordert sein ihre lichten Seiten deutlich zu machen. Was den meisten Deutschen sehr schwer fällt.
Au contraire, lieber Llarian. Nur sind es vielleicht Dinge, die Du nicht als ganz so licht empfindest. Dazu gehört schon das Gedenken selber - Broder hat dazu geradezu Erleuchtendes ausgearbeitet. Die Energiewende. Die Willkommenskultur. Überhaupt das ganze "Gutmenschentum". Alles, woran die Welt jeweils unter Anerkennung des deutschen Überlegenheitsanspruchs zu genesen hat.
Zitat Zum anderen: Auch in der Konsequenz wäre ein solches Verhalten zumindest ungewöhnlich. Andere Nationen haben nicht das geringste Problem damit ihre lichten Seiten nach vorne zu stellen und die dunklen Stellen zu vermeiden. Man denke an den Genoizid an den Armeniern (dessen Erwähnung schon in der Türkei ins Gefängnis führen kann). Man denke an den Massenmord der Japaner in China, man denke an die Genoizid der Amerikaner an ihren Ureinwohnern, man denke an Kolonialverbrechen, Kriegsverbrechen, überhaupt Angriffskriege, und, und, und. Aber kaum jemand, mal ab von den Deutschen, betreibt einen solche Kult im Umgang mit den dunkelsten Seiten der eigenen Geschichte. Dabei geht es nicht darum zu sagen, dass der Umgang falsch ist, nur, dass diese Konsequenz, die Du scheinbar forderst, praktisch nirgendwo existiert.
Ich bin auch gar nicht begeistert vom Mahnmal an sich oder von gewissen Formen der Politisierung des Holocausts aus welcher Richtung auch immer. Und was die Konsequenz angeht: Zugegeben lege ich an jemanden, der mich dermaßen mit Deutschgetümel vollsäuselt wie Kamerad Höcke, etwas höhere Ansprüche bezüglich dieser Konsequenz an. Mir ist bewusst, dass andere Nationen (vor allem die Amerikaner) das anders halten, und ich finde das auch nicht gerade erstrebenswert. Aber wahrscheinlich regt mich nichts so sehr auf wie das deutsche Alles-oder-nichts, das Churchillsche Auf-den-Knien-oder-am-Hals.
Zitat Nebenbei gesprochen, ich habe mir das Ding durchaus angesehen. Aber einen Fehler gemacht. Ich habe das jüdische Museum in Berlin vorher gesehen und damit war von vorneherein klar, dass es sich um einen billigen Abklatsch mit möglichst großem Aufwand handelt. Ich finde es ist kein Denkmal der Schande, sondern eher ein Denkmal der Blödheit, dass man ein irres Geld für eine schlechte Kopie bezahlt, die noch dazu die Wirkung des Originals bei weitem verfehlt und gleichzeitig nur dazu dient der Welt zu signalisieren wie sehr man aus der eigenen Geschichte gelernt habe. Und wie gut man das hat demonstriert die vereinigte Linke fast jeden Tag.
So unterschiedlich können die Eindrücke sein. Ich fand gerade das Museum geradezu penetrant pädagogisch.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #16Und dafür ist Deutschland mit seiner wechselhaften Geschichte der Überlagerung von verschiedenen Landsmannschaften, Staat(enverbund)szugehörigkeiten und die wechselhafte Bedeutung des "Deutschseins", dass für mich die Willkürlichkeit dieser Zugehörigkeit so was von evident ist, dass ich gar nicht nachvollziehen kann, wie man darauf irgendeine Ideologie begründen kann.
Naja, meines Erachtens ist die Zugehörigkeit so wenig willkürlich wie zwangsweise, sondern nicht eineindeutig. Was nicht bedeutet, dass nicht für >70% der Menschen klar ist, ob das Kriterium als erfüllt betrachtet werden kann oder nicht. Ich halte diese Prozentzahl bewusst gering, weil auch Österreicher (und Südtiroler...) und Deutschschweizer kulturell Deutsche sind, nur eben nicht historisch und rechtlich.
Deutschsein wird überwiegend vererbt, aber es kann selbstverständlich auch erworben werden - durch Assimilation. Andere Wege wären mir aktuell nicht bekannt.
Was ist denn ein "kultureller" Deutscher? Ist ein Welschtiroler ein kultureller Italiener? Ist ein Genfer ein kultureller Franzose oder ein kultureller Schweizer? Wenn letzteres, warum teilt er seine Nationalität nicht mit einem Deutschschweizer? Was ist mit einem Tessiner? Burgenlandkroate=Österreicher=kultureller Deutscher? Ein Sorbe?
Und was unterscheidet den kulturellen Deutschen vom historischen Deutschen? Gehört da ein Deutschrusse dazu? Ist Helene Fischer (* in Jekaterinenburg) eine historische Russin oder eine kulturelle Deutsche? Der Siebenbürger Sachse, der deutscher Muttersprachler ist? Sein Banater rechtlich-rumänischer Landsmann, der ein historischer Österreicher ist? Wie kann sich der historische Deutsche dem kulturellen Deutschen assimilieren? Schon bevor oder erst nachdem er rechtlicher Deutscher ist?
Zitat von Meister Petz im Beitrag #16 Die R.A.sche Gewohnheitsthese bezieht sich auch auf genau diese Frage: nach der Entstehung einer Nation, nicht nach ihrem Wesen. Gruß Petz
Das wiederum kann ich nicht verstehen: wieso sollte jemanden so etwas interessieren? Das ist für mich genau so interessant wie die Frage, ob wir vom Homo heidelbergensis oder vom Homo erectus abstammen.
Entscheidend ist, dass die deutsche Gesellschaft anders funktioniert und tickt als die russische, türkische oder nordkoreanische. Und wenn wir in einem Monsterexperiment alle Deutschen nach Nordkorea verfrachten und alle Nordkoreaner nach Deutschland, dann haben wir in Nordkorea eine deutsche Gesellschaft und in Deutschland eine nordkoreanische. Weil die Menschen und deren Verhaltensweisen eine Kultur ausmachen und nicht Boden, Bauwerke oder Betriebsstätten. Deswegen konnten wir in Deutschland problemlos 20 Millionen Flüchtlinge aus der DDR aufnehmen, krepieren aber bereits bei 1 Million Einwanderern aus dem nahen Osten.
Was mich, so nebenbei bemerkt, auch unsäglich ärgert bei der Flüchtlingspropaganda. Just jetzt wird ja wieder in die Fanfare geblasen, dass Flüchtlinge erfrieren würden, während die von Österreich nach Bayern laufen. Mit Verlaub: warum sollte a) mich das interessieren, wenn die freiwillig in den Tod laufen und vor allem b) macht die Todesgefahr solche Menschen eigentlich zu besseren Menschen? Letztere Frage ist durchaus ernst gemeint - wird aus einem Einbrecher ein besserer Mensch, wenn er/sie droht, beim Einbruch am eingeschlagenenen Fensterglas zu verbluten?
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Martin im Beitrag #4Aber, lieber Petz, wären Sie Franzose, Pole, Tscheche oder Österreicher, dann hätten Sie diese Zeilen nie geschrieben.
Als ob Le Pen, Kukiz, Lidinsky oder Strache in ihren Ländern keinen Gegenwind spüren würden...
Der Gegenwind betrifft nicht die Erinnerungskultur, und die hebt nicht die Schandtaten hervor.
In Österreich gibt es genau die gleiche Diskussion mit der FPÖ um die Erinnerungskultur - spätestens seit Haiders Waffen-SS-Gedenkteilnahme 1995. In Frankreich gibt es - vor allem im Kontext des Islamismus - eine lebhafte Diskussion um Marine Le Pens Standpunkt bzgl. des Algerienkriegs .
Ich finde es ja toll, wie zielsicher du dich um die restlichen 20% kümmerst. Das ändert nur nichts daran, dass es bei den übrigen 80% klar ist. Mit Unschärfen muss man bei solchen Diskussionen immer leben, aber sie delegitimieren nur Urteile, die allein ausgehend von solchen Einstufungen über Individuen gefällt werden. Letztlich aber ist die Zahl derjenigen, die nicht wissen, welchem Volk sie wirklich angehören, äußerst gering. Man müsste die Menschen und ihre Nachbarn (um reine Selbstzuschreibungen auszuschließen) nur mal fragen
Parallelen zur Sexualität drängen sich auf - wobei da auch Ärzte etwas beitzutragen hätten...
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Auch interessant: Wie steht eigentlich jemand, der als Sohn türkischer Eltern von Geburt an mit einem deutschen Pass ausgestattet wurde, zum Gedenken an die Shoa?
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Frank2000 im Beitrag #21Weil die Menschen und deren Verhaltensweisen eine Kultur ausmachen und nicht Boden, Bauwerke oder Betriebsstätten. Deswegen konnten wir in Deutschland problemlos 20 Millionen Flüchtlinge aus der DDR aufnehmen, krepieren aber bereits bei 1 Million Einwanderern aus dem nahen Osten.
Sagen Sie bitte nicht "wir". Das würde mich einschließen, und ich krepiere keineswegs.
Was allerdings die 20 Mio aus der DDR angeht, so weiß Kamerad Höcke Bescheid:
Zitat Viele von euch wissen: Ich habe meine Kindheit und Jugend im Rheinland verbracht, ich bin also gelernter Wessi. [Gelächter, ironisches Mitleid] Ihr braucht mich nicht zu bedauern, aber ich bin wirklich heilfroh, diesmal auf der richtigen Seite zu stehen. [Jubel, Applaus] Meine Kinder, meine Frau und ich fühlen uns einfach nur pudelwohl in Thüringen. Thüringen ist uns zur Heimat geworden. Und ich versichere euch: Ich bin vollständig integriert in Thüringen. [Gelächter, Applaus] Ich habe also meine Kindheit und Jugend im Rheinland verbracht und habe deswegen auch noch die Wessiperspektive und weiß, dass, wenn es nochmal eine Erneuerungsbewegung gibt, die von Erfolg gekrönt sein könnte, dann wird sie ihren Ursprung hier in Dresden, hier auf dem Gebiet der ehemaligen DDR haben.
Wenn es nach ihm geht, sind das die EIGENTLICHEN Deutschen...
Ich finde es ja toll, wie zielsicher du dich um die restlichen 20% kümmerst.
Als guter Deutscher weiß ich doch, dass 20% ungefähr der Anteil an Menschen ist, die wissen, was läuft .
Zitat von Werwohlf im Beitrag #23Das ändert nur nichts daran, dass es bei den übrigen 80% klar ist. Mit Unschärfen muss man bei solchen Diskussionen immer leben, aber sie delegitimieren nur Urteile, die allein ausgehend von solchen Einstufungen über Individuen gefällt werden. Letztlich aber ist die Zahl derjenigen, die nicht wissen, welchem Volk sie wirklich angehören, äußerst gering. Man müsste die Menschen und ihre Nachbarn (um reine Selbstzuschreibungen auszuschließen) nur mal fragen Parallelen zur Sexualität drängen sich auf - wobei da auch Ärzte etwas beitzutragen hätten...
Daran habe ich überhaupt keine Zweifel - dafür sorgt allein schon die Obrigkeitshörigkeit (wenn mich eine Behörde so registriert, dann bin ich das). Hier ist übrigens die Parallele zur Sexualität noch toller, drum ist es ja so wichtig, eine staatliche Anerkennung als Polytransasexuell*er_in zu erhalten.
Aber diese aktuelle Selbst- und Fremdzuschreibung ändert nix daran, dass die deutsche Nation ein vages Konstrukt ist. Mich als katholischer Bayer verbindet z. B. mit einem Österreicher oder Südtiroler, ja sogar trotz Sprachunterschied mit einem Westböhmen kulturell mehr als mit einem protestantischen Hamburger.
Werter Petz, Sie haben Recht, dass "wir" war zu viel. Es gibt sicher auch jetzt viele schon länger hier lebende, die keine persönlichen Einschränkungen durch die aktuelle Einwandetungswelle haben (oder zumindest nicht so empfinden).
Was Ihr Zitat betrifft: Dieses Erweckungsgefasel von Höcke geht mir echt auf den Zeiger (ganz abgesehen davon, dass es dumm und gefährlich ist). Ansonsten verstehe ich Ihren Kommentar nicht wirklich:
" Wenn es nach ihm geht, sind das die EIGENTLICHEN Deutschen..."
Unter Berücksichtigung einer gewissen Abstraktionsebene kann ich durchaus auch ein Problem erkennen, wenn zu viele Passdeutsche entstehen, die einen maximal weiten Abstand zu unserem Lebensmodell haben. Wir könnten ja mal versuchsweise allen Türken oder Iranern oder Russen einen deutschen Pass schenken, mit allen Rechten. Würde das funktionieren?
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