Rutte hat gegenüber der Türkei noch nie ein Blatt vor den Mund genommen:
Zitat On the Dutch television program, Rutte was shown a film of a group of Turkish-Dutch demonstrating in Rotterdam following an attempted coup in Turkey in July. In the film the demonstrators confront a NOS journalist, making it impossible for him to do his job and making it clear that he should "fuck off".
"My primary first feeling is: fuck off yourself. Go back to Turkey", Rutte said on the show. He added that the majority of Turkish-Dutch are well integrated, but there is a minority of "Turks in the Netherlands" that stand outside society. Turkey thinks these statements inappropriate. (...) A spokesperson for Rutte confirmed that the Prime Minister "took note" of the statement and still stands by his words, ANP reports.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #2Es besteht also kein Anlass, das habituelle Misstrauen auch auf Mitglieder von "Altparteien" in anderen Ländern zu übertragen.
Richtig. Gerade die Flüchtlingskrise war doch ein weiteres Beispiel dafür, daß die deutsche Politik schon deutlich anders tickt als die der übrigen EU-Staaten. Es gab ja weithin nur ratloses Staunen bis Entsetzen über den deutschen Alleingang. Selbst die anfangs noch Flüchtlings-freundlichen Schweden haben nach einiger Zeit die Grenze dicht gemacht, die Niederländer haben nie den Merkel-Standpunkt geteilt.
Insofern gehe ich davon aus, daß Rutte auch nach der Wahl denselben Türkei-Kurs fahren wird.
Zitat von LlarianUnd da ist es natürlich wichtig, dass man "Rechtspopulisten" nicht das Feld überlässt und stattdessen sich selbst möglichst "rechtspopulistisch" gibt, zumindest so lange, wie man keinen Gegenwind aus dem politischen Establishment bekommt, und das hält bis zur Wahl die Füße still. Bleibt die Frage: Wie glaubhaft ist das eigentlich?
Es gibt zwei Mechanismen, wie die Präferenzänderungen im Wahlvolk sich auf die Politik übertragen. Es gibt den Ideologenmechanismus und den Opportunistenstrategie Beim Ideologenmechanismus lassen die Abgeordneten sich lieber tapfer abwählen als ihre Programmatik an das anzupassen, was die Wähler inzwischen wollen. Bei ihnen läuft es stattdessen so: Sind sie mit ihrer Programmatik gewählt worden, dann ziehen sie diese Programmatik durch, selbst wenn unter unvorhergesehenen Bedingungen die Wähler mit dieser Politik doch nicht einverstanden sind. In den Niederlanden hat die Demokratie traditionell nach diesem Schema bei allen Parteien funktioniert. Das war die Epoche der Verzuilingvor Fortuyn und Wilders.
Bei der Opportunistenstrategie schaut der Politiker permanent auf Umfragen und Stimmung. So hofft er, um Amt zu bleiben, weil die Gegenpartei voraussichtlich mit keinem Anliegen mehr Stimmen erhält als er.
Welchen Mechanismus man sympathischer findet, hängt wohl davon ab, ob man selber halbwegs einer "reinen Lehre" anhängt. Ausgerechnet bei den Wilders-Anhängern ist das aber nicht der Fall, was sich ja darin spiegelt, daß es zur Zeiten der Verzuiling keine solche Strömung gab. Die PVV kann man deswegen zurecht als populistische Partei bezeichnen, wenn man das Wort im Sinne von Volkspartei verwendet, also einer Partei, die auf keine weltanschauliche Systematik, konfessionelle oder sozioökonomische Bindung fokussiert.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #2 Es besteht also kein Anlass, das habituelle Misstrauen auch auf Mitglieder von "Altparteien" in anderen Ländern zu übertragen.
Aber sicher besteht das. Es ist etwas völlig anderes ein paar bescheurte Demonstranten zu beschimpfen als sich offen mit der türkischen Regierung anzulegen. Und das war schon typisch Wahlkampf. Hat ja auch sehr gut funktioniert, muss man ja sagen. Jetzt muss nur noch der zweite Teil eintreten und nach der Wahl alles wieder in seine ruhigen Gewässer geleitet werden.
Zitat von R.A. im Beitrag #4Selbst die anfangs noch Flüchtlings-freundlichen Schweden haben nach einiger Zeit die Grenze dicht gemacht, die Niederländer haben nie den Merkel-Standpunkt geteilt.
Niemand hat den Merkel Standpunkt in seiner Extremheit geteilt, aber dieses wunderschön linke Kumbaja haben eine ganze Menge Regierungen gemeinsam. Und Schweden ist ja gerade ein schönes Beispiel für ein Land, das gerade an dieser Politik eingeht.
Zitat Insofern gehe ich davon aus, daß Rutte auch nach der Wahl denselben Türkei-Kurs fahren wird.
Halte ich gegen. Wie wollen wir es bewerten? Klar, Wahlkampfauftritte wird es nicht geben (so offen kann man das Gesicht nicht verlieren), aber ich gehe die Wette ein, da wird nichts an diplomatischem Getöse mehr nachfolgen und auf die geforderte Entschuldigung wird man schlicht verzichten.
Zitat von FOCUSNiederländische Regierung sucht Versöhnung mit der Türkei
Die Partei des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte schlägt nach dem für sie positiven Ausgang der Parlamentswahl wieder versöhnlichere Töne gegenüber der Türkei an. „Wir würden die Spannungen gerne abbauen“, sagte Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert am Mittwochabend in Den Haag.
Rutte war zuletzt vorgeworfen worden, den Streit eskaliert zu haben, um keine Wählerstimmen an die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders zu verlieren. Hennis-Plasschaert wies solche Vermutungen am Mittwochabend zurück. „Wir mussten eine rote Linie ziehen“, sagte sie. „Das hatte nichts mit den Wahlen zu tun.“
Manus lavat manus. Erdogan wird denselben Effekt nutzen.
Nett. Allerdings scheint die Verteidigungsministerin nicht für das Büro Rutte zu sprechen. Das einzige, was der bislang zugesagt hat, ist ein Treffen. An der Haltung ändert sich bislang nichts:
Zitat De VVD-leider ontkent dat hij de Turken zou hebben toegezegd dat ze na de Nederlandse verkiezingen op 15 maart wél welkom zouden zijn, zoals het Duitse dagblad Bild beweert. ,,Wij hebben van het begin af aan duidelijk gemaakt dit niet te willen. Niet voor en niet na 15 maart.” Der VVD-Vorsitzende bestreitet, dass er den Türken zugesagt habe, dass sie nach den niederländischen Wahlen am 15. März willkommen wären, wie es die deutsche Tageszeitung Bild behauptet. "Wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir das nicht wollen. Nicht vor und nicht nach dem 15. März".
Die deutschen Medien scheinen die Verlautbarungen der Türken (v. a. Yildirim) ungefiltert zu glauben. Der hat nämlich auch behauptet, dass Rutte ihm eine Entschuldigung angeboten habe. Wahrheitswert vergleichbar der türkischen Mondlandung.
Zitat Das einzige Zitat von der Dame im Focus lautet: „Wir würden die Spannungen gerne abbauen“
Kein vernünftiger Staat will gern Spannungen haben (besonders nicht unsere nordwestlichen Nachbarn). Die Frage ist halt, welchen Preis man dafür zahlen will. Dazu macht sie keine Angaben. Warum das Zitat also ein "Bingo" (in Form dessen, dass es einen baldigen Canossagang impliziert) gerechtfertigt hat, war mir sowieso nicht klar.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #17Kein vernünftiger Staat will gern Spannungen haben ...
Eben. Ich weiß ja nicht, was manche Kollegen hier erwartet haben - daß Rutte nach der Wahl erklärt: "Und jetzt nutze ich das Ergebnis als Basis, um Erdogan mal richtig in den Hintern zu treten!"?
Das mit dem "Spannungen abbauen" ist eine ganz normale und angebrachte diplomatische Floskel. Ein Einknicken der Holländer ist nicht in Sicht.
Zitat Das einzige Zitat von der Dame im Focus lautet: „Wir würden die Spannungen gerne abbauen“
Kein vernünftiger Staat will gern Spannungen haben (besonders nicht unsere nordwestlichen Nachbarn).
Vermutlich sagt das deshalb jeder Verteidigungsminister jeden Tag mal öffentlich. Das hilft. Dass kein vernünftiger Staat Spannungen haben will, dürfte eine These sein, ich meine ein vernünftiger Staat muss auch zu Spannungen bereit sein.
Zitat von R.A. im Beitrag #18 Ich weiß ja nicht, was manche Kollegen hier erwartet haben - daß Rutte nach der Wahl erklärt: "Und jetzt nutze ich das Ergebnis als Basis, um Erdogan mal richtig in den Hintern zu treten!"?
Angesichts der Deutlichkeit mit der er sich am Wochenende in Form von Taten geäussert hat, wäre das durchaus konsequent. Nur wird das nicht passieren, denn das Ziel wurde ja erreicht.
Zitat Ein Einknicken der Holländer ist nicht in Sicht.
Von Einknicken wurde auch nichts geschrieben. Aber man wird die offene Konfrontation, wie man sie am letzten Wochenende gezielt gesucht hat, eben nicht mehr suchen. Am Wochenanfang konnte man sich noch hinstellen und lauthals eine Entschuldigung fordern. Und genau darauf wird man in den nächsten Wochen dann leise verzichten. Ist Aussitzen einknicken ? Eher nicht. Aber Standhaftigkeit ist es genauso wenig. Oder simpel gesagt: Wir haben am Wochenende eine sehr gute Show gesehen. Und das war alles was es war.
Danke. Das der gute Quentin Quencher uns liest, ist ja kein Geheimnis. Ich wundere mich nur, dass er ausgerechnet einen meiner schwächeren Posts ausgesucht hat (so doll ist der Artikel ja nicht), ich habe im letzten Jahr deutlich besseres geschrieben.
Zitat von Llarian im Beitrag #21Ich wundere mich nur, dass er ausgerechnet einen meiner schwächeren Posts ausgesucht hat (so doll ist der Artikel ja nicht), ich habe im letzten Jahr deutlich besseres geschrieben.
Das liegt an der Neugestaltung der Website, die Rubrik »Fundstück« gibt es bei AchGut noch nicht so lange. Ich habe aber auch nur begrenzten Einfluss darauf, welche Fundstücke dann auf der Seite kommen. Manchmal, es sind ja immerhin eine ganze Anzahl von Autoren und Gastautoren tätig, sind es zu viel, so dass redaktionell eine Auswahl vorgenommen wird. Damit habe ich dann nichts mehr zu tun, und will ich auch nicht. Bei allen Gemeinsamkeiten, so ist mir Distanz immer ein Anliegen.
Texte mit knackigen zitierfähigen Sätzen oder Aussagen sind für die Rubrik natürlich besonders geeignet. Die abwägenden und nachdenklichen Texte, die mir im Zweifel immer lieber sind, sind nicht so geeignet. Diese müsste man besprechen, also quasi einen Text über den Text schreiben, was dann selbst ein Artikel ist, und kein Fundstück mehr.
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