Wenn wir Zettel-Leute ehrlich sind: Die Situation beim Brexit ist viel zu unübersichtlich, als dass wir Außenstehende die Verhandlungslage wirklich überblicken könnten.
Ich wäre mir daher nicht so sicher, ob ein hartes Pflöcke-Einrammen wirklich so schädlich ist. Es könnte nämlich auch ganz anders laufen. Nur mal ein Szenario:
Der Brexit wird von deutscher und von EU-Seite extrem hart verhandelt. Am Ende steht tatsächlich ein Verhandlungsergebnis ziemlich nahe am "harten Brexit" - mit allen Nachteilen, den Sie zu recht befürchten. (Im Extremfall erklären beide Seiten die Verhandlungen womöglich sogar für gescheitert und es bleibt tatsächlich nur ein ganz harter Brexit). Und angesichts dieser Sachlage wird in Großbritannien vielleicht doch noch mal neu nachgedacht. Der Brexit wird in der Öffentlichkeit zunehmend unpopulär. Und Frau May entschließt sich, das konkrete Verhandlungsergebnis noch mal per Volksabstimmung absichern zu lassen. Und womöglich bekommt dann das Remain-Lager eine knappe Mehrheit. Ergebnis: Friede, Freude, Eierkuchen. Und Gabriels harte Linie hätte sich im Nachhinein als goldrichtig erwiesen.
Keine Ahnung, wie wahrscheinlich so ein Szenario ist. (Und insbesondere: keine Ahnung, ob Frau May - die ja ursprünglich auch im Remain-Lager war - eine solche Eskalation der Risiken sogar bewusst einkalkuliert und insgeheim weiter das "Remain" als Ziel hat). Es fehlt mir da einfach der Einblick in die internen Diskussionen. Auch ohne diesen Einblick kann man von mir aus gerne Gabriels Taktik kritisieren. Aber so lange die Lage sehr unübersichtlich ist, sollte man m.E. doch so fair sein und Gabriel nicht quasi des Landesverrats bezichtigen.
Zitat von Florian im Beitrag #2 Am Ende steht tatsächlich ein Verhandlungsergebnis ziemlich nahe am "harten Brexit" - mit allen Nachteilen, den Sie zu recht befürchten. (Im Extremfall erklären beide Seiten die Verhandlungen womöglich sogar für gescheitert und es bleibt tatsächlich nur ein ganz harter Brexit). Und angesichts dieser Sachlage wird in Großbritannien vielleicht doch noch mal neu nachgedacht. Der Brexit wird in der Öffentlichkeit zunehmend unpopulär. Und Frau May entschließt sich, das konkrete Verhandlungsergebnis noch mal per Volksabstimmung absichern zu lassen. Und womöglich bekommt dann das Remain-Lager eine knappe Mehrheit. Ergebnis: Friede, Freude, Eierkuchen. Und Gabriels harte Linie hätte sich im Nachhinein als goldrichtig erwiesen.
Also zum einen, lieber Florian: Das sind m.E. nach Wunschträume. Die ja nun seit der Abstimmung in ganz verschiedenen Formen hochploppen, aber bis dato allesamt gescheitert sind. Im Gegenteil, ich würde behaupten durch Reden von Schulz, Brok, Junckers & Co (um nur ein paar Deppen zu nennen) sind die Fronten inzwischen so weit verhärtet worden, dass inzwischen die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Briten "es noch einmal überlegen" auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft sind, so diese überhaupt je bestanden hat. Schon die Muskelspiele um Gibraltar, so unwichtig diese eigentlich sind, tragen alle ihren Teil dazu bei, dass die Briten von der EU immer weniger wissen wollen. Inzwischen wird darüber geredet, ob man überhaupt noch Sicherheitspartner sein will, etwas was man weit vor den Zeiten der EU selbstverständlich gewesen ist. Wenn der Brexit so weiterverhandelt wird, wie das derzeit passiert, dann werden wir uns am Ende feindlicher gegenüberstehen, als in der Zeit, bevor diese "tollste Idee, die die Europäer im 20.ten Jahrhundert gehabt haben" (Schäuble) umgesetzt worden ist. Mir persönlich macht das allmählich echte Sorgen. Aber nehmen wir wirklich "for the sake of argument" einmal an, dass es eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario gäbe. Auch dann würde es keinerlei Sinn machen solche Pflöcke öffentlich einzurammen. Hart verhandeln kann man immer noch. Aber am Verhandlungstisch. Das ganze in die Öffentlichkeit zu tragen ist einfach nur dumm.
Zitat Keine Ahnung, wie wahrscheinlich so ein Szenario ist.
Ziemlich unwahrscheinlich. Aber reden wir von Wahrscheinlichkeiten: Auch wenn Sie gerne ein solches Szenario sehen möchten(?), so sind wir uns vermutlich einig, dass es sich auf jeden Fall um das deutlich(!) unwahrscheinlichere handelt (würden Sie es anders sehen, würde ich Ihnen eine kostspielige Wette anbieten). Viel wahrscheinlicher ist, dass der Brexit kommt. Und in einem solchen Szenario sind die Stampfereien von Gabriel nicht nur dumm sondern extrem teuer.
Zitat Aber so lange die Lage sehr unübersichtlich ist, sollte man m.E. doch so fair sein und Gabriel nicht quasi des Landesverrats bezichtigen.
Verrat wäre nicht das richtige Wort (dieses Wort würde ich nur für ein Regierungsmitglied verwenden und das ist nicht Gabriel). Aber ich sage offen, dass ich der Meinung bin, dass Gabriel (und Steinmeier nebenbei), die paar billigen Zeitungsartikel in denen sie sich jetzt sonnen, wichtiger sind als die wirtschaftlichen Folgen, die man ihrem Verhalten nicht zuordnen kann und wird.
PS. Ihr Szenario hat übrigens auch noch einen versteckten Haken. So einfach kann der Brexit nicht zurück genommen werden, selbst wenn die Briten das wollten. Und es gibt durchaus Länder, die ein ganz vitales Interesse am Brexit haben. Ohne die Briten ist die Transferunion nicht mehr aufzuhalten. Und es gibt durchaus Länder, die genau das wollen.
"Wenn der Brexit so weiterverhandelt wird, wie das derzeit passiert, dann werden wir uns am Ende feindlicher gegenüberstehen, als in der Zeit, bevor diese "tollste Idee, die die Europäer im 20.ten Jahrhundert gehabt haben" (Schäuble) umgesetzt worden ist. "
Ich habe inzwischen echten Hass auf die deutsche politische Führungsklasse entwickelt. Deswegen gehe ich davon aus -klar, im Rahmen meines Weltbilds- dass wir deutsche Politiker haben, die eine solche Eskalation bewusst in Kauf nehmen.
Inzwischen genügt "Dummheit" nicht mehr, um das politische Verhalten zubeschreiben. Bei den Wählern lasse ich "Dummheit " gelten. Bei den Politikern nicht. Diese Leute sind tatsächlich bereit, Blut fließen zulassen, um persönlich besser dazustehen oder die eigene Ideologie durchzusetzen.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Florian im Beitrag #2Keine Ahnung, wie wahrscheinlich so ein Szenario ist. (Und insbesondere: keine Ahnung, ob Frau May - die ja ursprünglich auch im Remain-Lager war - eine solche Eskalation der Risiken sogar bewusst einkalkuliert und insgeheim weiter das "Remain" als Ziel hat).
Wenn so May kalkuliert, dann wäre sie äußerst kühn und gerissen. Ihr Risiko wäre dabei allerdings, daß sie selber für die glücklosen Verhandlungen verantwortlich gemacht werden würde. Eine ablehnende Volksabstimmung zum von ihr ausgehandelten Brexit müßte sie viel mehr als Rücktrittsaufforderung verstehen, als Cameron das Ergebnis der (unverbindlichen) Volksbefragung. Dies wird dadurch verstärkt, daß im White Paper zum GRP der Regierung (also ihr) besondere legislative Ermächtigungen vorgesehen sind, vorgeblich weil der gewöhnliche parlamentarische Gang für die Inkorporation so vieler Regelungen zu langsam sei. May würde auf diese Weise ungewöhnlich viel Macht erhalten. Das würde sie einerseits beim Scheitern der Verhandlungen noch mehr exponieren, andererseits ihr das Regieren attraktiver machen als es für gewöhnlich mächtige Premierminister würde. Ich glaube also, daß May aus einer für sie anfangs unerfreulichen Situation auf Teufel komm raus das beste machen will.
Ein anderes Indiz: Für May wäre es risikoloser und verfassungstreuer gewesen, die Frage dem souveränen Parlament vorzulegen und sich danach vornehm zurückzunehmen. Zwar war bekannt, daß im Parlament der Brexit keine Mehrheit hat, aber man hätte es trotzdem als mit der Intention der Brexiteers vereinbar verkaufen können: Die Wurzel der politischen Diskrepanz zwischen dem UK und Resteuropa ist ja, daß Resteuropa nur die Volkssouveränität kennt ("alle Macht geht vom Volke aus"), die legislativen Befugnisse des vom Volk gewählten EP also kein Systembruch sind. Im UK sind sie es, weil dort die Parlamentssouveränität gilt, aber das Westminster-Parlament keinerlei Einfluß aufs EP hat. Stattdessen hat May von den Remain-Kollegen ihrer Fraktion Fraktionsdisziplin verlangt, nachdem ausgerechnet eine Bürgerin durchgesetzt hat, daß überhaupt das souveräne Parlament verfassungsgemäß der Regierung die Ermächtigung zur Austrittserklärung gibt. In allem sehe ich eher einen latenten Putschversuch Mays gegen das Parlament. Wie es kommt, wissen wir natürlich nicht. Es kann aber sein, daß May aus einer harten Haltung der EU am Ende eine Art "Erdoğan-Strategie" entwickelt, also das Feindbild EU wachsen läßt, um sich selber als Verteidiger der Nation aufzuspielen und sich mehr Vollmachten im Inland zu verschaffen. Dann würde sich eine zu harte Haltung der EU rächen, denn auch wenn so ein Vorgehen für May dieselben Risiken hat wie jetzt für Erdoğan, wäre es für die EU besonders schlecht.
Zitat von Florian im Beitrag #2Es fehlt mir da einfach der Einblick in die internen Diskussionen. Auch ohne diesen Einblick kann man von mir aus gerne Gabriels Taktik kritisieren. Aber so lange die Lage sehr unübersichtlich ist, sollte man m.E. doch so fair sein und Gabriel nicht quasi des Landesverrats bezichtigen.
Gabriel hat sich in seiner kurzen Amtszeit als Außenminister schon mehrmals damit hervorgetan, ohne Rücksprache mit betroffenen Regierungskollegen patzig-unsachliche Verlautbarungen von sich zu geben. Jüngst etwa die Antwort auf den (strategisch gerechtfertigten) amerikanischen Wunsch, das NATO-Ziel der Verteidigungsausgaben einzuhalten: "Wir wüßten gar nicht, wo wir die vielen Flugzeugträger hinstellen könnten." Das Verteidigungsministerium darf anschließend die Wogen diplomatisch glätten. Ein anderes mal hat er in Griechenland finanzielle Versprechungen gemacht, von denen sein Kollege im Finanzministerium nichts wissen will.
Wenn man extrapoliert, wie ein dergestalt eingestellter Außenminister als Bundeskanzler agieren würde, dann kann man wirklich froh sein, daß er für dieses Amt dieses Jahr nicht kandidiert. Ich habe bekanntlich keine hohe Meinung von Merkels Politik, aber Gabriel wäre imstande sie noch zu untertreffen. Leider ist sein kandidierender Parteigenosse vom Auftreten her nicht viel anders undiplomatisch ("Putin mag ich nicht.", "Wir werden Trump nicht geben, was er will.").
Zitat von Llarian im Beitrag #3Und es gibt durchaus Länder, die ein ganz vitales Interesse am Brexit haben. Ohne die Briten ist die Transferunion nicht mehr aufzuhalten. Und es gibt durchaus Länder, die genau das wollen.
Haben die auch Namen? In einem anderen Strang habe ich nur nebulöse Mutmaßungen ohne Belege gelesen.
Abgesehen davon haben wir erstens die Transferunion im Euroraum schon seit dem Beschluß des ESM, und zweitens wäre es für prospektive Transferempfänger äußerst dumm, einen Nettozahler gehen zu lassen.
Himmel hilf - ich muß Gabriel verteidigen. Nein, nicht in Deiner Einschätzung seiner persönlichen Fähigkeiten oder in Bezug auf die Frage, ob er deutsche Interessen oder Parteiinteressen vertritt - da stimme ich Deiner Darstellung schon zu.
Aber seine aktuellen Stellungnahmen sind durchaus sinnvoll, ja sogar notwendig. Klar, man kann gut Verhandlungen am Tisch führen und die können besser werden, wenn man sich mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhält. Aber zu dieser Vorgehensweise gehören zwei.
Da nun aber die britische Regierung schon seit Monaten völlig frei dreht und andauernd mit öffentlichem Getöse Pflöcke einschlägt, muß man da auf der Gegenseite schon reagieren. Man kann irreale Vorstellungen à la "wir werden weniger zahlen, aber weiterhin alle Vorteile bekommen" schlicht so nicht stehenlassen. Die britische Öffentlichkeit wird derzeit heftigst mit Propagandalügen zugespamt, was angeblich die Position der Europäer und speziell der Deutschen wäre und warum man deswegen beim Brexit ruhig offensiv auftreten könne. Da ist es absolut notwendig das richtig zustellen.
Denn wenn die britische Öffentlichkeit nicht bald eine realitätsnahe Vorstellung entwickelt, wie eine vernünftige und faire Brexit-Lösung aussehen könnte - dann werden sie vom Verhandlungsergebnis zwangsläufig sehr enttäuscht sein und der harte Brexit wird wahrscheinlicher. Und den sollten beide Seiten nicht wollen.
Zitat von Llarian im Beitrag #3Schon die Muskelspiele um Gibraltar, ...
Es gibt keine Muskelspiele um Gibraltar. Das ist eine der von mir erwähnten Propagandlügen der Brexiteers, mit denen gegen die EU Stimmung gemacht wird (bis hin zu Kriegsdrohungen). Die britische Regierung in ihrer nachhaltigen Unfähigkeit hat bis heute nicht einmal eine Vorstellung vorgelegt, wie Gibraltar künftig behandelt werden soll. Im Austrittsbrief wird das Thema nicht einmal erwähnt. Da ist also noch nicht einmal eine Basis für Muskelspiele da.
Zitat Inzwischen wird darüber geredet, ob man überhaupt noch Sicherheitspartner sein will ...
Ebenfalls eine völlig irrationale inner-britische Diskussion, die die Brexiteers da angezettelt haben. Für die Sicherheitspartnerschaft ist ohnehin in erster Linie die NATO zuständig, die EU bzw. die EU-Mitgliedschaft spielen da kaum eine Rolle, und von seiten der EU ist das für die Brexit-Verhandlungen kaum ein Thema.
Zitat Wenn der Brexit so weiterverhandelt wird, wie das derzeit passiert, ...
Es wird ja noch überhaupt nicht verhandelt. Sondern beide Seiten bereiten jeweils ihre Verhandlungsposition vor. Und was bisher von der EU beschlossen wurde, ist völlig fair und friedlich. Es gab in der Vergangenheit auch einige dumme (aber unverbindliche) Einzelmeinungen von EU-Politikern. Aber die Verschärfungen der letzten Monate kamen durchweg von der britischen Seite. Und zwar immer in Form öffentlicher Anwürfe, nicht am Verhandlungstisch (den es ja noch gar nicht gibt).
Zitat So einfach kann der Brexit nicht zurück genommen werden, selbst wenn die Briten das wollten.
Das ist formal richtig, aber falls sie es wollen, wird die EU zustimmen. Was immer es da an destruktiven Einzelpositionen geben mag - die werden sich in so einer Frage nicht durchsetzen.
Zitat von R.A. im Beitrag #7Da nun aber die britische Regierung schon seit Monaten völlig frei dreht und andauernd mit öffentlichem Getöse Pflöcke einschlägt, muß man da auf der Gegenseite schon reagieren. Man kann irreale Vorstellungen à la "wir werden weniger zahlen, aber weiterhin alle Vorteile bekommen" schlicht so nicht stehenlassen. Die britische Öffentlichkeit wird derzeit heftigst mit Propagandalügen zugespamt, was angeblich die Position der Europäer und speziell der Deutschen wäre und warum man deswegen beim Brexit ruhig offensiv auftreten könne. Da ist es absolut notwendig das richtig zustellen.
Da sie jüngst im UK weilten: Wie wird die Sache mit dem Great Repeal Bill dort wahrgenommen? Die Papiere für Parlament und Regierung spiegeln wieder, daß momentan die eigentliche Hauptsorge ist, wie man das ganze EU-Recht mit Verordnungen, Verträgen und sogar Gerichtshofsentscheidungen möglichst sauber weitergelten läßt.
Zitat von Emulgator im Beitrag #8Da sie jüngst im UK weilten: Wie wird die Sache mit dem Great Repeal Bill dort wahrgenommen?
Aktuell war das kein Thema. Aus vergangenen Gesprächen hatte ich den Eindruck, daß sehr viele Briten davon gar nichts wissen oder es als unwichtige Formalität abtun. Was es teilweise ja auch ist - aber es ist natürlich bizarr, daß die britische Regierung derzeit ALLE EU-Regeln 1:1 übernimmt. Selbst solche, die nach Brexit sinnlos werden (z. B. die Regeln zur EU-Kommission). Das ist natürlich ein manifester Widerspruch zur Brexit-Grundüberzeugung, daß GB endlich mal selbstbestimmt handeln und den pösen EU-Gesetzgebern entkommen müßte.
Zitat von Emulgator im Beitrag #8Da sie jüngst im UK weilten: Wie wird die Sache mit dem Great Repeal Bill dort wahrgenommen?
Aktuell war das kein Thema. Aus vergangenen Gesprächen hatte ich den Eindruck, daß sehr viele Briten davon gar nichts wissen oder es als unwichtige Formalität abtun. Was es teilweise ja auch ist
Oh nein! Dieser Gesetzeskomplex ist die einzige bleibende Parlamentsbeteiligung, wenn es zu einem harten Brexit kommt, und so ein Gesetz muß auf alle Fälle vorher verabschiedet werden. Außerdem muß das Regionalparlament Schottlands zu vielen Punkten zustimmen. Da bestehen einerseits noch große innenpolitische Erpressungsmöglichkeiten gegen May, andererseits hat sie die Chance, mit sog. Heinrich VIII.-Klauseln im GRB besondere Machtfülle zu bekommen.
Zitat von R.A. im Beitrag #9- aber es ist natürlich bizarr, daß die britische Regierung derzeit ALLE EU-Regeln 1:1 übernimmt.
Nicht ganz alle. Ausgerechnet die Grundrechtecharta wird nicht übernommen. Die Behauptung der Regierung ist, daß die Grundrechte exakt so schon 1:1 britisches Recht seien. Daß das nicht stimmt und daß dieser Irrtum sogar richtig bizarre Folgen haben würde, hat Daniel Sarmiento dargelegt.
Zitat von R.A. im Beitrag #9Das ist natürlich ein manifester Widerspruch zur Brexit-Grundüberzeugung, daß GB endlich mal selbstbestimmt handeln und den pösen EU-Gesetzgebern entkommen müßte.
Ich bin gespannt, wann man das auf der Insel merkt.
Zitat von Emulgator im Beitrag #10Dieser Gesetzeskomplex ist die einzige bleibende Parlamentsbeteiligung, wenn es zu einem harten Brexit kommt, ...
Im Prinzip ja. Aber selbst ein Anti-Brexit-Parlament kann - wenn die Regierung die Brexit-Verhandlungen scheitern läßt und einen harten Brexit provoziert - dieses Gesetz eigentlich nicht ablehnen. Dann gäbe es über Nacht in so vielen Bereiche Regelungslücken, das wäre eigentlich nicht zu verantworten.
Zitat Außerdem muß das Regionalparlament Schottlands zu vielen Punkten zustimmen.
Auch hier gilt: Sie können eigentlich nicht ablehnen. Nicht inhaltlich, weil das Gesetz ja nur bestehendes (und gerade von Schottland gewünschtes) EU-Recht enthält. Und politisch nicht, weil dann aus dem harten Brexit das volle Desaster würde. Aus Sicht der Brexiteers wären dann die Gesetzesablehner für das entstehende Chaos verantwortlich.
Zitat Nicht ganz alle. Ausgerechnet die Grundrechtecharta wird nicht übernommen.
Das ist nun mehr als pikant. Nicht nur, daß die Regierung hier offenbar lügt. Sondern die Begründung ist auch völlig schräg, weil nirgendwo sonst geprüft wird, ob irgendwelche Regeln a) schon vorhanden oder b) nicht mehr nötig sind. Wenn also gerade für die Grundrechtscharta eine Ausnahme gemacht wird, dann soll also tatsächlich materiell etwas geändert werden.
Das mag ja inhaltlich sogar begründbar sein. Vielleicht kann man ja manche Punkte der Grundrechtscharta kritisch sehen. Aber sie abzuschaffen müßte dann natürlich Ergebnis eines expliziten Prozesses mit Begründung sein. Und das will May offenbar umgehen. Hochgradig unseriös.
Zitat von R.A. im Beitrag #11[...]Vielleicht kann man ja manche Punkte der Grundrechtscharta kritisch sehen. Aber sie abzuschaffen müßte dann natürlich Ergebnis eines expliziten Prozesses mit Begründung sein. Und das will May offenbar umgehen. Hochgradig unseriös.
Vor diesem Hintergrund muß man sich auf der Zunge zergehen lassen, daß der letztliche Zweck des 'Repeal Bill', wie der Name schon andeutet, nicht so sehr die (pragmatisch erforderliche) unmittelbare Übernahme des EU-Rechts ist (die an sich schon nicht so unproblematisch ist, weil dieses Recht eben darauf zugeschnitten ist, im Rahmen der EU-Institutionen zu funktionieren und nicht außerhalb), sondern nachher die Abschaffung und Anpassung dieses Rechts zu vereinfachen. Hierbei ist daran gedacht, daß die Abschaffung und Anpassung weitestgehend von der Exekutive durchgeführt werden können soll, ohne das Parlament groß zu behelligen, was ja bei der Fülle des Materials sehr, sehr lange dauern würde.
Kurz gesagt ist der 'Repeal Bill' also ein Ermächtigungsgesetz, das der Regierung die Änderung und Abschaffung von Gesetzen und Rechten ohne parlamentarische Prüfung erlaubt. Ein ziemlich gefährliches Instrument also.
Nun kann so ein Instrument, eben wegen der Fülle der anzupassenden Gesetze, ein pragmatisches und sinnvolles Werkzeug sein, aber es setzt sehr großes Vertrauen darin voraus, daß die Regierung verantwortlich und behutsam damit umgeht. Die Regierung May läßt, wenn man sich ihren bisherigen track record so anschaut, in dieser Hinsicht eher wenig bis nichts erhoffen.
Die EU ist wie Phoenix aus der Asche auf dem Trümmerfeld des 2. Weltkrieges entstanden. Sie ist eine große Vision einer friedlichen Zukunft in Europa. Diese Vision wurde schändlich missbraucht. Gerade die Osterweiterungen in dem vorgelegten Tempo waren doch nur dazu da, den Russen ein Bollwerk vor die Tür zu stellen. Und dabei ist Europa schwer beschädigt worden.
Der Brexit zeigt, was mir schon immer klar war und in England, wo ich 5 Jahre gearbeitet habe, auch nie anders begegnet ist: die Engländer hingen und hängen am British Commonwealth of Nations und haben kein Interesse am Kontinent.
Wirtschaftlich wird man sich einigen, und die Vision Europa spielt eh keine Rolle. Hoffentlich ist der Brexit ein so gewaltiger Tritt in den Brüsseler Hintern, dass die EU sich aufmacht, notwendige Reformen umzusetzen, bevor es u spät ist.
Zitat von Erich Henkel im Beitrag #13Die EU ist wie Phoenix aus der Asche auf dem Trümmerfeld des 2. Weltkrieges entstanden. Sie ist eine große Vision einer friedlichen Zukunft in Europa.
Richtig.
Zitat Diese Vision wurde schändlich missbraucht. Gerade die Osterweiterungen in dem vorgelegten Tempo waren doch nur dazu da, den Russen ein Bollwerk vor die Tür zu stellen.
Die Vision ist immer noch da und hilft Europa friedlicher zu machen. Und gerade der Beitritt der Osteuropäer zeigt, daß diese die friedliche EU dem Putin'schen Rußland vorziehen. Für ein "Bollwerk" ist die EU viel zu friedlich strukturiert.
Zitat die Engländer hingen und hängen am British Commonwealth of Nations und haben kein Interesse am Kontinent.
Für einen Teil der Engländer gilt das. Für den klügeren Teil ist aber klar, daß das Commonwealth de facto nicht mehr existiert, auch nicht wiederkommen wird, und alle wesentlichen Zukunftschancen Englands auf dem Kontinent liegen.
Zitat Hoffentlich ist der Brexit ein so gewaltiger Tritt in den Brüsseler Hintern, dass die EU sich aufmacht, notwendige Reformen umzusetzen, bevor es u spät ist.
So viele Reformen sind gar nicht nötig. Und der Brexit ist im wesentlich ein englisches Eigentor - gerade weil die britische Regierung das so unfaßbar stümperhaft umsetzt.
Zitat von R.A. im Beitrag #7Himmel hilf - ich muß Gabriel verteidigen.
Ist nur folgerichtig deiner bisheriger Argumentation: Da die Brexiteers nichts richtig machen können (vielleicht allenfalls sterben) macht jeder Gegenüber eben alles richtig, vollkommen egal was er tut. Das ist schon fast zu absurd, um es zu diskutieren. Oder zu debattieren. Gabriel könnte nackig um ein Mikro laufen und rufen "Hach was sind die Briten doof" und Du würdest uns erzählen, dass Boris Johnson daran schuld ist. Wenn Du, als Mann der Mitte, in diesem Thema derart ins Extrem gerätst, dann frage ich mich ganz ernsthaft ob ich in diesem Land inzwischen vom Aussenseiter zum Extremisten werde, wenn ich diese Position nicht nur nicht nachvollziehen kann, sondern rundheraus ablehne. Ist das das Ergebnis von 40 Jahren (+/-) EU ?
Zitat Aber zu dieser Vorgehensweise gehören zwei.
Nein. Tuns nicht. Selbst wenn deine Unterstellung bezüglich der Briten stimmen würden (was sie nicht tun), würde das nichts am Gabrielschen Verhalten richtig machen. Pflöcke vor einer Verhandlung einzurammen ist vollkommen sinnlos und dient einzig der eigenen Profilierung. In einer Verhandlung kann man seine Positionen frei definieren, und kann durchaus auch Punkte vorlegen, die man nicht verhandeln will. In der Öffentlichkeit hat das nix veloren. Vollkommen unabhängig davon ob sich die andere Seite damit beschäftigt oder nicht.
Zitat Da ist es absolut notwendig das richtig zustellen.
Nein, ist es nicht. Und das wird durch Wiederholung auch nicht wahr. Solche Spielchen dienen einzig dem eigenen Profil und sind in einer Verhandlung nur kontraproduktiv. Was die britische Öffentlichkeit glaubt oder nicht glaubt ist Sache der Briten, nicht die von Gabriel. Die britische Öffentlichkeit ist auch nicht sein Ziel.
Zitat Denn wenn die britische Öffentlichkeit nicht bald eine realitätsnahe Vorstellung entwickelt, wie eine vernünftige und faire Brexit-Lösung aussehen könnte
Das was Du und Gabriel für "fair" definiert ist am Ende ein Scherz und wird genau dazu führen. Ich glaube auch inzwischen, dass daran so richtig kein Weg mehr vorbeiführen wird. Und es wird weh tun. Scheusslich weh. Und zwar auch der deutschen Wirtschaft. Das wäre zu vermeiden gewesen. Was ich dagegen weit schlimmer finde, ist, dass öffentlich eine Feindschaft zu einem Staat aufgebaut wird, der bei allen Fehlern die er hat, eine vorbildliche Demokratie mit einem positiven Werteverständnis ist (zumindest aus meinem Wertekosmos), während gleichzeitig dieses Land immer mehr vor die Hunde geht. Und das nicht zuletzt aus den Gründen, die den Brexit erst ermöglicht haben.
Zitat Und den sollten beide Seiten nicht wollen.
Doch. Den wollen tatsächlich einige. Die Briten eher nicht, denn die haben nix davon. Aber eine Menge "Europäer" wollen das. Nicht weil ihnen das selber schadet (das ist der unangenehme Teil, den man aber in Kauf nimmt), sondern vor allem weil es den Briten schadet und damit jedem Nachahmer möglichst den Wind aus den Segeln nehmen soll. Wenn die überzeugten "Europäer" eins nicht brauchen können, dann einen weichen Brexit nach dem die Engländer auch noch gut klar kommen. Und darauf wird auch zugearbeitet. Und deshalb glaube ich auch nicht, dass es sich am Ende noch verhindern lassen wird.
Zitat Die britische Regierung in ihrer nachhaltigen Unfähigkeit hat bis heute nicht einmal eine Vorstellung vorgelegt, wie Gibraltar künftig behandelt werden soll.
Das muss sie auch nicht. Gibraltar gehört zu Großbritannien, daran gibts nichts zu deuteln. Wir reden ja auch nicht über Helgoland, weil die Briten vielleicht Interesse daran haben könnten. Da gibts von britischer Seite nix vorzuschlagen oder zu sagen. Es ist aber bezeichnend für den Streit und die angebliche "Fairness".
Zitat Da ist also noch nicht einmal eine Basis für Muskelspiele da.
Deswegen fährt ein spanisches Kriegsschiff auch ausgerechnet ein paar Tage nachdem die EU Spanien irgendwelche Vetorechte zubilligt, dort vorbei. Nee, klar. Lassen wir das einfach, ist mir auch zu absurd.
Zitat Für die Sicherheitspartnerschaft ist ohnehin in erster Linie die NATO zuständig, die EU bzw. die EU-Mitgliedschaft spielen da kaum eine Rolle, und von seiten der EU ist das für die Brexit-Verhandlungen kaum ein Thema.
Das muss der Grund sein, warum deutsche Politiker was in der Hose haben, als das in Zweifel geriet....
Zitat Und was bisher von der EU beschlossen wurde, ist völlig fair und friedlich.
Ja, das haben die Franzosen in Versailles auch verkündet. Ergebnis ist bekannt. Ich glaube Dir sogar, dass Du das als fair empfindest. Nur wird es dadurch nicht.
Zitat Was immer es da an destruktiven Einzelpositionen geben mag - die werden sich in so einer Frage nicht durchsetzen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #6Haben die auch Namen?
Ja, natürlich haben sie das. Beispielsweise Frankreich. Oder Italien. All diejenigen halt, die sich bei einer Transferunion als Gewinner sehen. Und die brauchen weniger den Nettozahler GB (der durch den Britenrabatt ohnehin nicht soo spannend ist und im Vergleich zur Wirtschaftskraft der Deutschen auch nicht so relevant ist), was die brauchen ist, dass es keine Sperrminorität gegen weitere Transfers gibts. Das ist mit dem Austritt von GB gesichert.
Zitat Abgesehen davon haben wir erstens die Transferunion im Euroraum schon seit dem Beschluß des ESM, und zweitens wäre es für prospektive Transferempfänger äußerst dumm, einen Nettozahler gehen zu lassen.
Es ist viel besser einen Zahler zu haben, der sich schlecht wehren kann und mehr Kohle in den Taschen hat, als zwei Zahler zu haben, die sich verbünden können, um nicht mehr zu zahlen.
Zitat von Erich Henkel im Beitrag #13Hoffentlich ist der Brexit ein so gewaltiger Tritt in den Brüsseler Hintern, dass die EU sich aufmacht, notwendige Reformen umzusetzen, bevor es u spät ist.
Also bei aller Liebe, aber die einzige Lehre, die Brüssel bis jetzt gezogen hat, ist die Zügel zu straffen und mehr Europa zu schaffen, so schnell und brutal wie möglich. Der Brexit bewirkt das genaue Gegenteil, die Mißstände in der EU werden noch deutlich verstärkt. Da ist eine echte "Jetzt oder nie" Mentalität zu beobachten. Oder um bei ihren Worten zu bleiben: Die versuchen jetzt mehr zu machen, DAMIT es zu spät ist.
Zitat von Llarian im Beitrag #15Da die Brexiteers nichts richtig machen können (vielleicht allenfalls sterben) ...
Das haben sie immerhin mit Merkel gemeinsam.
Wobei ich nicht behauptet habe, daß sie nichts richtig machen können. Nur daß sie bisher nichts richtig gemacht haben. Was schon merkwürdig ist. Es ist ja eine Frage, wie man zum Brexit selber steht. Und eine ganz andere, wie die britische Regierung ihn umsetzen will. Gerade Brexit-Fans sollten verzweifelt und empört sein angesichts der Inkompetenz, mit der May und Konsorten ihr Anliegen betreiben.
Zitat macht jeder Gegenüber eben alles richtig
Du hast schon verstanden, daß ich da differenziert habe? Deine Extremismus-Vorwürfe sind da schwer nachvollziehbar. Es geht hier nur um einen konkreten Punkt: Öffentlich Pflöcke einrammen kann bei solchen Verhandlungen eine durchaus sinnvolle Sache sein. Insbesondere dann, wenn die Gegenseite schon Pflöcke gesetzt hat. Ob nun Gabriel konkret hier die richtigen gesetzt hat könnte man kritisch diskutieren. M. E. war er eigentlich zu diffus, um so einer Diskussion eine Basis zu geben.
Zitat Pflöcke vor einer Verhandlung einzurammen ist vollkommen sinnlos und dient einzig der eigenen Profilierung. In einer Verhandlung kann man seine Positionen frei definieren, und kann durchaus auch Punkte vorlegen, die man nicht verhandeln will. In der Öffentlichkeit hat das nix veloren.
Vorsichtige Vermutung: Du hast so überhaupt keine Erfahrung mit solchen Verhandlungen? Selbstverständlich kann es sinnvoll und notwendig sein, vor der Verhandlung öffentliche Festlegungen zu treffen. Das verändert den Spielraum für Lösungen, und das kann taktisch sehr schlau sein.
Zitat Was die britische Öffentlichkeit glaubt oder nicht glaubt ist Sache der Briten, nicht die von Gabriel. Die britische Öffentlichkeit ist auch nicht sein Ziel.
Aber selbstverständlich ist die sein Ziel. Die öffentliche Meinung im Land gegenüber ist bei internationalen Verhandlungen extrem wichtig und es ist immer sinnvoll, die im eigenen Sinne zu beeinflussen zu suchen. So als Beispiel mal die TTIP/CETA-Verhandlungen: Da wäre es schlau von Obama gewesen, die vom Campact-Mob verzerrte öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen und gewisse Punkte richtig zu stellen. Sein Kollege aus Kanada hat das aktiv gemacht.
Zitat Was ich dagegen weit schlimmer finde, ist, dass öffentlich eine Feindschaft zu einem Staat aufgebaut wird ...
Wer tut das? Entsprechende Gabriel-Zitate kenne ich nicht. Auch von EU-Seite allgemein wird sehr zurückhaltend kommuniziert. Das Aufbauen von Feindschaft war dagegen das Fundament der kompletten Brexit-Kampagne, bis hin zu den aktuellen Kriegsdrohungen gegenüber Spanien.
Zitat Das muss sie auch nicht. Gibraltar gehört zu Großbritannien ...
Nein!
Kleiner Einschub: Es waren die Grünen, die das faktenfreie "Argumentieren" in die deutsche Politik eingebracht haben. Bauch statt Kopf, gefühlte Wahrheiten vor Realität. Sie haben damit mehr Schaden angerichtet als mit irgendwelchen Einzelmaßnahmen, incl. sogar der Energiewende. Mit dem Aufkommen von UKIP, AfD und Genossen hat die rechte Seite diesen Politikstil nun kopiert. Was ich ziemlich schlimm finde. Um so mehr muß man entsprechend gegenhalten.
Also: Wie Florian schon dargestellt hat, gehört Gibraltar NICHT zu Großbritannien. Es wird von London aus regiert (und das stellt auch keiner in Frage), aber es hat einen rechtlichen Sonderstatus. Und den hat nicht die pöse EU gewollt, sondern das ist Erfindung der Briten selber und sie haben auch sehr darauf bestanden, daß dieser Sonderstatus durch entsprechende Sonderregelungen mit der EU abgesichert ist. Insbesondere beim Grenzregime funktioniert Gibraltar anders als England. Es gelten unterschiedliche Regeln für eine Reise zwischen Algeciras und Gibraltar als zwischen London und Madrid.
Zitat Da gibts von britischer Seite nix vorzuschlagen oder zu sagen.
Ja selbstverständlich gibt es das. Ganz generell sind es die Briten, die mit dem aktuellen Regelwerk unzufrieden sind und die Änderungen wollen (ansonsten bräuchten sie ja nicht auszutreten). Welche konkreten Änderungen das nun sein sollen läßt die britische Regierung immer noch offen - aber sie muß sich zuerst positionieren. Denn die Position der EU ist klar - einfach alles so zu lassen wie es ist. Also sind auch die Briten am Zuge zu sagen, wie sie sich den neuen Status bzw. die künftigen Sonderregeln für Gibraltar vorstellen. Sie können sich auch dafür entscheiden, gar nichts ändern zu wollen, dann sind halt die Verhandlungen an einem Nachmittag erledigt.
Zitat Das muss der Grund sein, warum deutsche Politiker was in der Hose haben, als das in Zweifel geriet....
Was genau meinst Du? Aus deutscher Sicht braucht sich im Bereich Sicherheit nichts zu ändern, weil das im wesentlichen keine EU-Angelegenheit ist. Warum manche Brexiteers die Sicherheitszusammenarbeit ändern wollen, ist unklar. Genauso die Frage, ob die britische Regierung diese Änderungswünsche auch übernimmt.
Zitat
Zitat Und was bisher von der EU beschlossen wurde, ist völlig fair und friedlich.
Ja, das haben die Franzosen in Versailles auch verkündet. Ergebnis ist bekannt. Ich glaube Dir sogar, dass Du das als fair empfindest. Nur wird es dadurch nicht.
Jetzt mal Butter bei die Fische: Was genau an den bisherigen Beschlüssen der EU ist irgendwie unfair? Oder soll diesen abstrusen Versailles-Vergleich begründen?
Zitat von R.A. im Beitrag #18 Es ist ja eine Frage, wie man zum Brexit selber steht.
Nein, eigentlich nicht. Und das ist auch bezeichnend für die ganze Debatte. Mir geht der ganze Brexit ziemlich am Allerwertesten vorbei. Das ist Sache der Briten. Ich hab kein Problem damit, wenn die nicht mitmachen wollen und auch keins, wenn sie es wollen. Ich finde es nur bezeichnend mit welch gewaltiger Emotionalität das ganze Thema aus Deutschland (und auch von Dir) behandelt wird. Es ist unglaublich wie beleidigt so viele sind, weil man in ihrem tollen Club nicht mitmachen will. Ich finde es bedeutend wichtiger (und das ist auch der Kern des Originalbeitrages) was hier in Deutschland läuft und wie hundsdämlich sich deutsche Politiker verhalten. Britische Politiker sind mir sowas von egal. Was juckt es mich ob GB in den nächsten Jahren 10 Prozent wächst oder schrumpft? Was mich dagegen juckt sind die Verluste, die hier ankommen.
Zitat Öffentlich Pflöcke einrammen kann bei solchen Verhandlungen eine durchaus sinnvolle Sache sein.
Nein, ist es nicht. Jedenfalls nicht für die Verhandlung.
Zitat Vorsichtige Vermutung: Du hast so überhaupt keine Erfahrung mit solchen Verhandlungen?
Ach, Du hast mehr? Welchen Länderausstieg aus einem multinationalen Verband hast Du denn schon verhandelt? Ich denke ich habe durchaus diverse Dinge in meinem Leben verhandelt und grundsätzlich die Erfahrung gemacht, dass "Don't" zwar in jeder Verhandlung existieren, aber NIE hilfreich sind. Und ohne Not welche aufzustellen ist einfach dämlich.
Zitat Das verändert den Spielraum für Lösungen, und das kann taktisch sehr schlau sein.
Aber überhaupt nicht. Die Veränderung des Lösungsraums besteht einzig in seiner Beschränkung. Und das ist nie ein Vorteil.
Zitat Auch von EU-Seite allgemein wird sehr zurückhaltend kommuniziert.
Schon mal Juncker, Brok und Schulz zugehört? Wenn das zurückhaltend ist, dann will ich nicht erleben wie die vom Leder ziehen.
Zitat Was genau meinst Du? Aus deutscher Sicht braucht sich im Bereich Sicherheit nichts zu ändern, weil das im wesentlichen keine EU-Angelegenheit ist.
Ich stell mal die Preisfrage: Wenn es einen harten Brexit gibt, der Handel zwischen Deutschland und GB massiv in den Keller geht, und man sich noch ein paar Nettigkeiten an den Kopf wirft, wie wahrscheinlich ist es, dass beispielsweise die Nachrichtendienste (etwas was ja in Deutschland recht unterentwickelt ist) in Zukunft noch gut zusammenarbeiten werden?
Zitat Jetzt mal Butter bei die Fische: Was genau an den bisherigen Beschlüssen der EU ist irgendwie unfair?
Beschlossen ist ja erst einmal noch gar nix. Aber es ist schon bezeichnend, dass man einerseits von den Briten Geld verlangt, dass in Zukunft ausgegeben werden soll (was man durchaus so sehen kann), andererseits aber mit dem lapidaren Hinweis, "man wolle ja die EU nicht auflösen" den britischen Anteil am EU-Vermögen gerne behalten möchte. Das ist für sich reichlich einseitig. Gut, ist ja auch ein Verhandlungseinstieg. Wenn aber Gabriel und Co. klarstellen, dass diese Position schon eine Vorraussetzung über die Verhandlung des späteren Handelsabkommens ist, dann ist es mit der Fairness nicht mehr weit.
Zitat von Llarian im Beitrag #19Das ist Sache der Briten. Ich hab kein Problem damit, wenn die nicht mitmachen wollen und auch keins, wenn sie es wollen.
Richtig. Das "nicht-mitmachen-wollen" ist per se kein Problem (andere machen ja auch nicht mit). Aber was mich zunehmend nervt ist die Irrationalität bzw. Dummheit der Brexiteers. Wenn die für sich Vorteile rausschlagen wollen - ist legitim. Wenn wir dabei Nachteile haben - muß man akzeptieren. Aber sie haben so überhaupt keinen Plan, was sie eigentlich wollen und schaffen damit nur massive Nachteile auf beiden Seiten des Kanals. Das ist blinde Destruktivität, nur weil sie die moderne Welt nicht kapieren und (wie die Grünen) Bauch statt Kopf entscheiden lassen.
Zitat Welchen Länderausstieg aus einem multinationalen Verband hast Du denn schon verhandelt?
Da es bisher keinen gab: Keinen. Aber ich kenne Verhandlungen, bei denen auf beiden Seiten die öffentliche Meinung eine große Rolle spielt und entsprechend bedient wird. Und da ist Pflöcke einschlagen die halbe Miete, ganz wesentliche Teile der Verhandlungen laufen so, also indirekt über öffentliche Statements. Und ganz wichtig ist da immer: Wenn die andere Seite einen solchen Pflock einrammt, muß man sofort öffentlich widersprechen. Ansonsten ist die Sache so gut wie durch.
Ob Gabriel das im konkreten Fall geschickt gemacht hat kann man diskutieren - aber das Prinzip ist absolut richtig.
Zitat Schon mal Juncker, Brok und Schulz zugehört? Wenn das zurückhaltend ist, dann will ich nicht erleben wie die vom Leder ziehen.
Welche konkreten Zitate meinst Du? Und haben die eine ähnliche Qualität wie Howards Kriegsdrohungen?
Zitat Wenn es einen harten Brexit gibt, der Handel zwischen Deutschland und GB massiv in den Keller geht, und man sich noch ein paar Nettigkeiten an den Kopf wirft, wie wahrscheinlich ist es, dass beispielsweise die Nachrichtendienste (etwas was ja in Deutschland recht unterentwickelt ist) in Zukunft noch gut zusammenarbeiten werden?
Wenn GB da sachwidrig einen Zusammenhang herstellt, dann ist eine Beeinträchtigung auch in der Sicherheit möglich. Aber naheliegend ist das nicht.
Zitat Beschlossen ist ja erst einmal noch gar nix.
Natürlich. Beschlossen ist die Antwort der EU auf die Austrittsnote. Da stehen Sachen drin wie die Gibraltar-Klausel. Und auch alles andere scheint mir fair und angemessen zu sein. Wenn Du das behauptete fiese Vorgehen der EU belegen willst, dann müßtest Du mal konkret etwas zitieren.
Zitat Aber es ist schon bezeichnend, dass man einerseits von den Briten Geld verlangt, dass in Zukunft ausgegeben werden soll ...
Es geht nicht um ominöse künftige Vorhaben, sondern um gemeinsam und mit britischer Zustimmung beschlossene konkrete Maßnahmen. Das hat die Qualität eines völkerrechtlichen Vertrags. Selbstverständlich muß das bezahlt werden. Es ist schon ziemlich dreist, daß die Brexiteers das überhaupt in Frage stellen - wie soll man überhaupt mit Leuten zusammenarbeiten, die Vertragstreue so in Frage stellen?
Zitat andererseits aber mit dem lapidaren Hinweis, "man wolle ja die EU nicht auflösen" den britischen Anteil am EU-Vermögen gerne behalten möchte.
Es gibt keinen "britischen Anteil" am EU-Vermögen. Die EU ist keine GmbH mit Gesellschafteranteilen, sondern eine eigenständige Organisation. In englischen Zeitungen habe ich den Vergleich mit einem Golfclub gelesen, der liegt bei Briten wohl nahe. Und die Kommentatoren meinten, beim Austritt aus einem Club würde man ja auch nicht ein Stück Golfplatz überschrieben bekommen. Der Verein macht ohne das Mitglied weiter und behält selbstverständlich sein Vereinsvermögen. Ist bei internationalen Organisation nie anders. Auch in dieser Diskussion ist die Vorstellung der Brexiteers ziemlich absurd und jenseits üblicher Gepflogenheiten.
Egal wann oder wie - früher oder Später wird das Kartenhaus sowieso zerfallen, ob mit oder ohne harten Brexit. Und mich persönlich können eh alle mal ... , die immer nur von effizienz und Geld sprechen - das ist das Todesurteil für jedes Zusammenleben, früher oder später. Da kann man sich überlegen, ob man noch viel Gutes beitragen will oder sich lieber mit einer Tüte Popcorn zurücklehnt und sich am Zerfall ergötzt...
Zitat von emjot im Beitrag #21Da kann man sich überlegen, ob man noch viel Gutes beitragen will oder sich lieber mit einer Tüte Popcorn zurücklehnt und sich am Zerfall ergötzt...
Gibt ja noch die Variante sich einfach aufzuhängen. Das würde auch zum parallelen Beitrag passen von wegen Untergang der Menschheit wäre wünschenswert.
Zitat von R.A. im Beitrag #22Gibt ja noch die Variante sich einfach aufzuhängen. Das würde auch zum parallelen Beitrag passen von wegen Untergang der Menschheit wäre wünschenswert.
Die letztere Variante wäre idT die schlimmstmögliche. Dann hätte das Universum nichts mehr, mit dem es über sich selbst nachdenken könnte. Andererseits ist die maximalpessimistische, nihilistische Haltung natürlich zumal deutsche Traditionspflege - verbunden mit den Namen Schopenhauer. Der das als Protest und Aufstand gegen den Zwang des Seins aus dem Buddhismus ableitete. ist natürlich nicht auf D beschränkt. Sartre hat sich aus diesem Dilemma: Sinnlosigkeit des Daseins & gleichzeitiges Vorhandensein ohne Erlösungshoffnung, gezogen, indem er sich mutwillig den Glauben an den Sowjetkommunismus verordnet hat. Der Letzte, der die Haltung konsequent vertreten hat, war Cioran.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von emjot im Beitrag #21Da kann man sich überlegen, ob man noch viel Gutes beitragen will oder sich lieber mit einer Tüte Popcorn zurücklehnt und sich am Zerfall ergötzt...
Gibt ja noch die Variante sich einfach aufzuhängen. Das würde auch zum parallelen Beitrag passen von wegen Untergang der Menschheit wäre wünschenswert.
Nein eben nicht. Dann hat man das selbe Problem im nächsten Leben - oder landet im Fegefeuer; je nach dem welcher Religion man "glaubt"... :-D Und außerdem schmeckt Popcorn besser! ;-)
Zitat von R.A. im Beitrag #22Gibt ja noch die Variante sich einfach aufzuhängen. Das würde auch zum parallelen Beitrag passen von wegen Untergang der Menschheit wäre wünschenswert.
Die letztere Variante wäre idT die schlimmstmögliche. Dann hätte das Universum nichts mehr, mit dem es über sich selbst nachdenken könnte. Andererseits ist die maximalpessimistische, nihilistische Haltung natürlich zumal deutsche Traditionspflege - verbunden mit den Namen Schopenhauer. Der das als Protest und Aufstand gegen den Zwang des Seins aus dem Buddhismus ableitete. ist natürlich nicht auf D beschränkt. Sartre hat sich aus diesem Dilemma: Sinnlosigkeit des Daseins & gleichzeitiges Vorhandensein ohne Erlösungshoffnung, gezogen, indem er sich mutwillig den Glauben an den Sowjetkommunismus verordnet hat. Der Letzte, der die Haltung konsequent vertreten hat, war Cioran.
So wäre das Universum ein vernunftbegabtes Wesen? Nunja...nicht wenn es mit dem beschränkten, menschlichen Verstande denkt...
...vlt. denkt das Universum lieber mit anderen Spezies, die sich auf einem der anderen unzähligen Planeten befinden?!
Was den Nihilismus angeht, den gibt es überall; nur jeder geht anders damit um - der eine klagt, der andere schießt, der nächste nimmt Drogen und schießt sich aus der Welt...
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