Das Ganze hat auch noch den schicken Nebeneffekt, dass man im Vergleich zu anderen Ländern nicht das Problem einer zu hohen Jugendarbeitslosigkeit hat, wenn man einfach eine ganze Generation an der Hochschule verräumt.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #2Das Ganze hat auch noch den schicken Nebeneffekt, dass man im Vergleich zu anderen Ländern nicht das Problem einer zu hohen Jugendarbeitslosigkeit hat, wenn man einfach eine ganze Generation an der Hochschule verräumt.
Deutschland hat mit Abstand die geringste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa (6,6%, das ist Vollbeschäftigung, wenn man bedenkt, daß bei Jugendlichen die Sucharbeitslosigkeit völlig normal höher ist als im "etablierten Lebensalter"). In Deutschland haben wir Azubimangel; jedenfalls bei Lehrlingen, die Rechnen und Deutsch können und ein bißchen mobil sind. Inzwischen wirbt das Handwerk unter Studenten um Lehrlinge! Hessen versucht offenbar, ein Problem erst richtig zu verstärken.
Zitat von LlarianDie Quittung kommt dann auf dem Arbeitsmarkt und das ist dann ein ziemlich fieser Absturz. Denn jemand, der es nicht kann, wird nicht eingestellt, nur weil er jetzt jemand ist, der es nicht kann und einen Abschluss hat.
Das wäre die harmlosere Variante, weil man einfach nachqualifizieren/umschulen kann, wenn man mit einem Abschluß nicht eingestellt wird. Richtig problematisch wird die Erwerbsbiographie, wenn man den McAbschluß hat und dann vom Unternehmen wegen Inkompetenz 'rausgeworfen wird. Der Rauswurf steht dann im Arbeitszeugnis (genauer: die verdächtig kurze Betriebszugehörigkeit), aber die Arbeitgeber wissen nie sicher, was genau die Ursache war. So ein Makel geht auch nicht mit Umschulungen weg.
Hinzu kommt, daß ein Studium eben nur mit bestimmten Fächern wirklich gute Beschäftungungsaussichten bietet. Diese Fächer sind entweder die traditionellen NC-Fächer (da fällt so ein Realschulabschluß also aus) oder die Fächer, für die man schon ohne Mathematik-LK im Gymnasium Schwierigkeiten hat.
Und dann ist da noch der Staat als eigentlicher Arbeitgeber für die meisten Akademiker. Die werden von Beschäftigten in der Privatwirtschaft bezahlt, die Mehrheitlich kein Studium haben und brauchen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #3... In Deutschland haben wir Azubimangel; jedenfalls bei Lehrlingen, die Rechnen und Deutsch können und ein bißchen mobil sind. Inzwischen wirbt das Handwerk unter Studenten um Lehrlinge! Hessen versucht offenbar, ein Problem erst richtig zu verstärken. ...
Gute Beobachtung. Das geht damit einher, dass klassische und auch neue Handwerksberufe mittlerweile unter Schülern wenig Ansehen genießen, sieht man mal vom Automechaniker oder Mechatroniker ab. Dachdecker? Dreher? Maurer? Fliesenleger? Gas-Wasser-Sch* ? Fehlanzeige! Dabei kann man in diesen Berufen gut Geld verdienen, nicht zuletzt mit Schwarzarbeit - das fällt dem Akademiker doch recht schwer. Hier in der Region bekommen Dachdeckerlehrlinge vom Chef einen Firmenwagen (!), und trotzdem finden sich nicht genug. Man geht auf Raubzug in Polen und Rumänien, um willige Lehrlinge zu bekommen. Aber der typische Ø-Schüler möchte einen Büroberuf, Bankfach, was kaufmännisches, oder gleich Studieren - oder "was mit Menschen" / "was mit Medien". Das jedenfalls meine Beobachtung. Interessanterweise hilft hier weder die Handwerks-Werbekampagne noch die überdurchschnittlichen Ausbildungslöhne - das Geld ist vielen egal, Handwerk ist verbunden mit dem Image "hart arbeiten, viel Stress, wenig chillen". Stimmt ja auch.
Zitat von Avanti Dilettanti.Nein, weil es einer verdammten Prämisse unterliegt, die fast den Kern der politischen Korrektheit trifft: Wir alle sind gleich.
Einer der in meinen Augen katastrophalsten Ausflüsse dieser Prämisse ist übrigens "die Quote". Durch die Anwendung der "gutmeinenden" Prämisse "alle sind gleich", schafft man so erst Diskriminierung und Ungleichheiten in einem sehr umfassenden Ausmaß.
Das ist genau das, was mich machmal vor Verzweiflung am liebsten laut aufschreien lassen würde: Man verursacht genau das, was man vorgibt zu verhindern, ohne es zu begreifen. Die eigene Überzeugung steht über empirischer Belegebarkeit. An dieser Stelle sind wir nicht weiter als die Inquisition.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Eigentlich ja Binsenweisheiten. Aber es gibt halt leider zu viele, die die Realität ignorieren. Mir ist schon seit langem klar, dass ein pfiffiges, intelligentes Schulkind jeden einfachgestrickten Erwachsenen mit seinem Intellekt ausstechen kann - selbst die Allgemeinbildung ist da z.T. nicht schlechter. Das Problem ist eher folgendes: wie geht eine Gesellschaft, in der in den nächsten Jahren - sofern die Entwicklung weiter so fortschreitet - mit den Menschen um, die dann eben keinen "sinnvollen" Beitrag mehr leisten können, da das ein Computerprogramm schon getan hat. Aber in der Politik funktionierts halt auch so, wie überall sonst auch - man muss halt immer geschäftig aussehen, sonst könnten Menschen denken, man wäre faul. So tut man lieber unsinnige Dinge, anstatt gar nichts... ;-)
Zitat von Emulgator im Beitrag #3... In Deutschland haben wir Azubimangel; jedenfalls bei Lehrlingen, die Rechnen und Deutsch können und ein bißchen mobil sind. Inzwischen wirbt das Handwerk unter Studenten um Lehrlinge! Hessen versucht offenbar, ein Problem erst richtig zu verstärken. ...
Gute Beobachtung. Das geht damit einher, dass klassische und auch neue Handwerksberufe mittlerweile unter Schülern wenig Ansehen genießen, sieht man mal vom Automechaniker oder Mechatroniker ab. Dachdecker? Dreher? Maurer? Fliesenleger? Gas-Wasser-Sch* ? Fehlanzeige! Dabei kann man in diesen Berufen gut Geld verdienen, nicht zuletzt mit Schwarzarbeit - das fällt dem Akademiker doch recht schwer. Hier in der Region bekommen Dachdeckerlehrlinge vom Chef einen Firmenwagen (!), und trotzdem finden sich nicht genug. Man geht auf Raubzug in Polen und Rumänien, um willige Lehrlinge zu bekommen. Aber der typische Ø-Schüler möchte einen Büroberuf, Bankfach, was kaufmännisches, oder gleich Studieren - oder "was mit Menschen" / "was mit Medien". Das jedenfalls meine Beobachtung. Interessanterweise hilft hier weder die Handwerks-Werbekampagne noch die überdurchschnittlichen Ausbildungslöhne - das Geld ist vielen egal, Handwerk ist verbunden mit dem Image "hart arbeiten, viel Stress, wenig chillen". Stimmt ja auch.
Freundlichst, Krischan
Also hier in der Region, ist das Handwerk "selbst schuld", keine geeigneten Lehrlinge oder Arbeiter zu finden. Mindestlohn, schlechte Arbeitsbedingungen, Montage. Selbst die passioniertesten Handwerker, die ihren Beruf lieben haben echt die Schnauze voll - wandern aus oder suchen Alternativen...
Zitat von LlarianDas Bundesland Hessen hat einen interessanten Modellversuch gestartet: Um an hessischen Fachhochschulen ein Studium aufzunehmen, genügt derzeit eine mittlere Reife mit einer Benotung von besser als 2,5. Also anders gesagt: Ein mittelmäßiger Realschulabschluß.
Wäre das nicht super? Wer talentiert ist, spart sich so die Zeitverschwendung Abitur und geht nach der 10. Klasse sofort an die Hochschule.
Ich vermute aber eher, dass sich an dieser Stelle ein Fehler in Ihren Text eingeschlichen hat.
Zitat Wenn Leute nach zehn Semestern sich endlich eingestehen, dass sie es nicht packen, haben sie nicht nur fünf Jahre ihres Lebens verloren, sie haben auch sehr viel Frustration erlebt und haben das innerliche Gefühl ein Versager zu sein.
Diese Erfahrung hab eich leider auch schon machen müssen, gut bei mir hat es "nur" 8 Semester gedauert.
Zitat Es war ja gut gemeint. Und wenn jemand auf der Uni versagt, dann ist er es entweder selber schuld, oder besser noch, man sorgt dafür, dass es niemand merkt. Indem man wertlose Diplome verteilt und den gesellschaftlichen Fortschritt propagiert. Bis die Leute dann wirtschaftlich trotzdem scheitern. Aber das kann man dann auf die böse Industrie schieben.
Interessanterweise bin ich auch ohne Diplom für die Wirtschaft interessant.
Zitat von emjot im Beitrag #6 Das Problem ist eher folgendes: wie geht eine Gesellschaft, in der in den nächsten Jahren - sofern die Entwicklung weiter so fortschreitet - mit den Menschen um, die dann eben keinen "sinnvollen" Beitrag mehr leisten können, da das ein Computerprogramm schon getan hat.
Zitat von tekstballonnetje im Beitrag #8 Wäre das nicht super? Wer talentiert ist, spart sich so die Zeitverschwendung Abitur und geht nach der 10. Klasse sofort an die Hochschule.
Hmmm. Ich betrachte mich als talentiert. Und kann so gar nicht erkennen, dass das Abitur Zeitverschwendung gewesen wäre. Im Gegenteil finde ich die Kompression auf 12 Jahre schon absolut fatal. Ich bin sicher kein Freund von der "Studium Universale" Schwafelei, wo es im Endeffekt darum geht, dass jemand, der so gar nichts kann, versucht das unter 1000 Anfängervorlesungen zu verstecken, aber auch jemand, der später einmal hochqualifiziert irgendwo rauskommt, sollte über eine möglichst breite Allgemeinbildung verfügen und auch einiges aus Bereichen kennen, die er nicht studiert hat. Ich finde es jedenfalls keinen Schaden, dass ich heute noch Klimazonen unterscheiden kann und weiss, wie man eine Analyse kocht, auch wenn ich keine Meteorologie oder Chemie studiert habe.
Zitat Ich vermute aber eher, dass sich an dieser Stelle ein Fehler in Ihren Text eingeschlichen hat.
Zitat von xanopos im Beitrag #9 Diese Erfahrung hab eich leider auch schon machen müssen, gut bei mir hat es "nur" 8 Semester gedauert.
Wenn man bedenkt was man in vier Jahren alles erreichen kann, ist auch das schon ein ziemlich hoher Preis. Ich wollte es im Artikel nicht zu sehr betonen, aber ich habe mehrfach versucht Studenten genau das zu sagen: Wenn ihr das erst in ein paar Jahren merkt, dann wird das furchtbar weh tun. Aber es ist mir nie gelungen damit durchzudringen. Da Sie sich hier so offen präsentieren: Wenn Ihnen jemand im zweiten Semester gesagt hätte, dass das nichts gibt, hätten Sie es geglaubt?
Zitat Interessanterweise bin ich auch ohne Diplom für die Wirtschaft interessant.
Ich würde behaupten das jeder, der nicht gerade damit überfordert ist, ein paar einfache Rechenaufgaben zu lösen und keine Angst vor Arbeit hat, für die Wirtschaft interessant ist. Arbeit ist eigentlich durchaus (noch) tonnenweise da. Aber eben nicht in der Form, dass jeder das machen kann, was er schon immer machen wollte. (Ich wäre ja auch vielleicht gerne Chef von Thyssen, allein, weder meine Qualifikation noch meine Opferbereitschaft sind dafür ausreichend vorhanden.) Eine der versteckten Aussagen meines Artikel ist ja am Ende ein einfaches: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Der Mensch muss sich erkennen können und ein realistisches Bild von sich selber haben. Was nicht heisst, dass man nicht ehrgeizig sein sollte. Aber man muss trotzdem auch seine realen Grenzen im Auge haben. Und man tut auch niemandem einen Gefallen, wenn man ihm etwas einredet, was der nicht hat.
Und nebenbei: Man muss kein Studium (oder einen besonderen IQ) haben, um ausserordentlich erfolgreich zu sein.
Zitat von tekstballonnetje im Beitrag #8 Wäre das nicht super? Wer talentiert ist, spart sich so die Zeitverschwendung Abitur und geht nach der 10. Klasse sofort an die Hochschule.
Hmmm. Ich betrachte mich als talentiert. Und kann so gar nicht erkennen, dass das Abitur Zeitverschwendung gewesen wäre. Im Gegenteil finde ich die Kompression auf 12 Jahre schon absolut fatal. Ich bin sicher kein Freund von der "Studium Universale" Schwafelei, wo es im Endeffekt darum geht, dass jemand, der so gar nichts kann, versucht das unter 1000 Anfängervorlesungen zu verstecken, aber auch jemand, der später einmal hochqualifiziert irgendwo rauskommt, sollte über eine möglichst breite Allgemeinbildung verfügen und auch einiges aus Bereichen kennen, die er nicht studiert hat. Ich finde es jedenfalls keinen Schaden, dass ich heute noch Klimazonen unterscheiden kann und weiss, wie man eine Analyse kocht, auch wenn ich keine Meteorologie oder Chemie studiert habe.
Zitat von tekstballonnetje im Beitrag #8 Ich vermute aber eher, dass sich an dieser Stelle ein Fehler in Ihren Text eingeschlichen hat.
Welcher Fehler sollte das sein?
Dass man in Hessen lediglich einen Realschulabschluss mit mindestens 2,5 benötigt, um zum Studium zugelassen zu werden. Soweit ich weiß, besteht das Modell darin, dass man Realschulabschluss plus Ausbildung vorweisen muss, um studieren zu dürfen.
Zitat von Llarian im Beitrag #12Da Sie sich hier so offen präsentieren: Wenn Ihnen jemand im zweiten Semester gesagt hätte, dass das nichts gibt, hätten Sie es geglaubt?
Nein, da ich in einem anspruchsvollen technischem Studium noch gut unterwegs war. Und ich habe später einen Abschluss gemacht, aber nicht in Physik, was ich ursprünglich begonnen hatte. Aber noch nah genug darn, damit das keine sinnlosen Jahre waren.
Zitat von tekstballonnetje im Beitrag #13[quote="Llarian"|p140830]Dass man in Hessen lediglich einen Realschulabschluss mit mindestens 2,5 benötigt, um zum Studium zugelassen zu werden. Soweit ich weiß, besteht das Modell darin, dass man Realschulabschluss plus Ausbildung vorweisen muss, um studieren zu dürfen.
Ich halte das für einen interessanten Weg. Ich hatte an der FH einige Kollegen, die einen ähnlichen Ausbildungsweg hatten. Pflichtschule + Lehre (Name für Ausbildung in Österreich) + Abendmatura (= Schmalspurabi). Diese Herren waren genau so alt, wie die anderen Studenten, konnte aber beim Masterabschluss bereits fast 10 Jahre fach-einschlägige Vollzeitberufserfahrung vorweisen. Einzig bei mathematiklastigen Vorlesungen hatten die teilweise ernsthafte Probleme.
Zitat von Llarian im Beitrag #12Wenn man bedenkt was man in vier Jahren alles erreichen kann, ist auch das schon ein ziemlich hoher Preis. Ich wollte es im Artikel nicht zu sehr betonen, aber ich habe mehrfach versucht Studenten genau das zu sagen: Wenn ihr das erst in ein paar Jahren merkt, dann wird das furchtbar weh tun. Aber es ist mir nie gelungen damit durchzudringen. Da Sie sich hier so offen präsentieren: Wenn Ihnen jemand im zweiten Semester gesagt hätte, dass das nichts gibt, hätten Sie es geglaubt?
Ich glaube auch diese 8 Semester sind auf keinen Fall vergeudet. Ich glaube das sehen Sie zu eng. Ich habe 8 Semester Chemie Dipl. studiert und mußte wegen meiner Legasthenie abbrechen. Diese 8 Semester haben mir bei meiner Tätigkeit als Anwalt extrem geholfen und das in vielerlei Hinsicht. Es ist immer wieder erstaunlich, wie ein Maschbau-Ingenieur schaut, wenn ich seine Probleme mit den Qualitätsanforderungen im Detail verstehe. Nein, ich glaube, selbst wenn man scheitert, so nimmt man immer was nützliches mit. Gleiches gilt für ein Studium generalis. Es gilt der Grundsatz non scholae sed vitae discimus. Und das meine ich ernst. In meiner Zunft wäre es dringend nötig, wenn mehr Juristen viel mehr von anderen Fächern verstünden, dabei braucht eben nicht den Abschluß sondern "nur" das Verständnis für die anderen Bereiche.
Zitat von Rapsack im Beitrag #17 Diese 8 Semester haben mir bei meiner Tätigkeit als Anwalt extrem geholfen und das in vielerlei Hinsicht.
Das mag bei Ihnen so sein, lieber Rapsack, aber das ist wohl eher ihrer speziellen Situation geschuldet. Die wenigsten unfreiwilligen Studienabbrecher werden später Anwälte. Die meisten haben ein sehr grosses Versagenserlebnis, dass sich massiv aufs spätere Leben auswirkt. Dazu kommt: Sie mögen an einem speziellen Studiengang gescheitert sein und hatten Erfolg in einem anderen. Bei vielen Studenten scheitert es aber nicht am speziellen Studiengang: Sie sind generell nicht zu einem Studium in der Lage. Das fehlen teilweise die einfachsten Grundlagen. Für eine Lehre hätte es aber gereicht und auch aus einer Lehre kann man viel machen. Der Fehler ist zu glauben, dass ein jeder zum Akademiker geeignet ist.
Zitat Nein, ich glaube, selbst wenn man scheitert, so nimmt man immer was nützliches mit.
Sollte man meinen. Nur ist dem nicht unbedingt so. Ich habe Studenten erlebt, die sitzen fünf Jahre lang in der selben Anfängervorlesung. Glauben Sie, die haben irgendetwas gelernt, außer sich als Versager zu fühlen?
Zitat Gleiches gilt für ein Studium generalis. Es gilt der Grundsatz non scholae sed vitae discimus. Und das meine ich ernst. In meiner Zunft wäre es dringend nötig, wenn mehr Juristen viel mehr von anderen Fächern verstünden, dabei braucht eben nicht den Abschluß sondern "nur" das Verständnis für die anderen Bereiche.
Jetzt muss ich mal deutlich weiter ausholen, als ich eigentlich wollte. Denn diese Argumentation kenne ich leider(!) zur Genüge. Und es ist eine böse, geradezu bitterböse Falle. Denn der Satz an sich ist selbstredend richtig, genauso wie die Aussage, dass man gerade Leute braucht, die über den Tellerrand hinausblicken können und fachübergreifend Zusammenhänge verstehen. (Kleiner Einschub: Ich erlebe das immer wieder mal, wenn ich mit Patentanwälten arbeite, die ja sowohl Ingenieure als auch Juristen sein müssen (oder sollten)). Nur, und das ist das absolut Essentielle daran: Solche Leute sind trotzdem in wenigstens einem Fach richtig gut. Ein Maschinenbauer, der programmieren kann, ist super, weil er seine Probleme in Software umsetzen kann. Aber er muss auch ein guter Maschinenbauer sein. Ein Informatiker widerum, der etwas von Maschinenbau versteht, ist auch super, denn er kann Algorithmen entwickeln für Probleme des Maschinenbaus. Ein Halb/Halb-Student, der weder was in der Tiefe von Maschinenbau versteht, noch von Informatik, ist zu nix gut. Denn er kann nichts umsetzen. In meinem Bereich gibt es ein Wort dafür: Industrieschauspieler. Ich habe zur Zeit meines Studiums einige solche Exemplare kennengelernt: Zwei Semester BWL, dann umgeschwenkt auf Biologie, um irgendwann bei den Geographen raus zu kommen. Studium universale. Solche Leute kaschieren es jahrelang systematisch, dass sie eigentlich zu gar nichts wirklich geeignet sind, tragen aber eine Monsterbugwelle vor sich. Und sind in aller Regel über 25, bevor die Lebenslüge dann zusammenkracht. Endet dann oft bei "irgendwas mit Medien" (politische wie journalistische Karrieren sehen gerne so aus). Anders gesagt: Generalisten sind vor allem dann gut, wenn sie bewusst(!) Generalisten geworden sind, weil ihnen ein Fach zuwenig war. Wenn die Generalisierung aber daher kommt, dass die Spezialisierung denjenigen überfordert, dann taugt das am Ende zu gar nichts.
Zitat von Llarian im Beitrag #18Das mag bei Ihnen so sein, lieber Rapsack, aber das ist wohl eher ihrer speziellen Situation geschuldet. Die wenigsten unfreiwilligen Studienabbrecher werden später Anwälte. Die meisten haben ein sehr grosses Versagenserlebnis, dass sich massiv aufs spätere Leben auswirkt. Dazu kommt: Sie mögen an einem speziellen Studiengang gescheitert sein und hatten Erfolg in einem anderen. Bei vielen Studenten scheitert es aber nicht am speziellen Studiengang: Sie sind generell nicht zu einem Studium in der Lage. Das fehlen teilweise die einfachsten Grundlagen. Für eine Lehre hätte es aber gereicht und auch aus einer Lehre kann man viel machen. Der Fehler ist zu glauben, dass ein jeder zum Akademiker geeignet ist.
Es ist eine auch eine wertvolle Erfahrung, die eigenen intellektuellen Grenzen zu erfahren. Es gibt so gut wie immer ein leichteres Studium, in das man/frau wechseln kann. In 8 Semester Chemie (oder Physik bei mir) kann man schon eine Menge nützlicher Dinge mitnehmen. Ja, es ist ein Scheitern, aber auch das ist eine wertvolle Erfahrung. Nur weil jemand ungeeignet ist zu studieren, muss er/sie nicht für die Lehre geeignet sein. Wer unfähig ist, um neun ausgeschlafen in der Vorlesung zu sein, wird wahrscheinlich noch weniger um sieben auf der Baustelle sein können.
Zitat von Llarian im ZR-BeitragWeder die Fähigkeit zum selbstständigen Lernen noch die Bereitschaft auch mal ein bischen Raubbau an sich selbst zu treiben.
Die Fähigkeit zum selbständigen Lernen (die oft genug mit einem Raubbau an den eigenen Kräften einhergeht) wird durch die Verschulung der meisten Studiengänge drastisch sinken. Wer in der 8-Uhr-Vorlesung anwesend sein muss, weil eine Überprüfung seiner Präsenz stattfindet, wird auch physisch zugegen sein, sich aber bei Desinteresse eher dem eigenen Smartphone als dem Vortrag des Dozenten zuwenden. Und der Interessierte wird vielleicht wertvolle Zeit vergeuden, weil er einer didaktischen Fehlleistung beiwohnen muss, die in 1,5 Stunden nicht einmal den Inhalt von 1,5 Lehrbuchseiten zu vermitteln imstande ist.
Zitat von Llarian im ZR-BeitragDie Quittung kommt dann auf dem Arbeitsmarkt und das ist dann ein ziemlich fieser Absturz. Denn jemand, der es nicht kann, wird nicht eingestellt, nur weil er jetzt jemand ist, der es nicht kann und einen Abschluss hat. Das mag im öffentlichen Dienst funktionieren, aber in Firmen, die Geld verdienen wollen, klappt das eben nicht.
Hier muss ich widersprechen. Bei der Einstellung zählt zunächst einmal primär der Abschluss (samt eventuellen weiteren formalen Qualifikationen), dem ganzen Soft-Skills-Gedöns zum Trotz. Ob es der Bewerber kann, lässt sich zu diesem Zeitpunkt (zumeist) noch nicht eruieren. Außerdem sind die Personalverantwortlichen häufig nicht befähigt, die fachlichen Leistungen des Stellenaspiranten zu beurteilen.
Unser Kandidat wird also eingestellt und fängt in seiner Fachabteilung an. Dort sitzen entweder Leute, die es genauso wenig können wie er selbst und dies entweder nicht erkennen oder lieber den Deckel draufhalten, weil sie sich sonst möglicherweise selber ans Messer liefern würden. Oder aber die sehr wohl die Minderleistung ihres neuen Kollegen wahrnehmen, aber aus Angst, am Ende als böse Mobber dazustehen, lieber die Klappe halten.
Sozialpolitisch ist das vermutlich ein Segen, wäre die Arbeitslosenquote andernfalls zweifellos viel höher.
Zitat von xanopos im Beitrag #19 Es ist eine auch eine wertvolle Erfahrung, die eigenen intellektuellen Grenzen zu erfahren. Es gibt so gut wie immer ein leichteres Studium, in das man/frau wechseln kann. In 8 Semester Chemie (oder Physik bei mir) kann man schon eine Menge nützlicher Dinge mitnehmen. Ja, es ist ein Scheitern, aber auch das ist eine wertvolle Erfahrung.
Aber eine sehr teure. Ich sags mal ganz platt: Eine Uni ist keine Selbsterfahrungsanstalt. Hätten wir realistische Studiengebühren (und auch die ganze restliche Förderung wie Studentenwerke nicht), dann würde jedes solche Semester ganz schnell eine fünfstellige Summe kosten. Da sind wie bei 8 Semester schnell bei über 100.000 Euro. Das ist nicht Sinn und Zweck der Übung. Natürlich ist es gut seine Grenzen auszuloten und man hat sicher auch das Recht Fehler zu machen und zu scheitern. Aber nicht jahrelang. Dazu kommt eben, wie schon mehrfach geschrieben, die Versagenserfahrung. Das muss alles nicht sein.
Zitat Nur weil jemand ungeeignet ist zu studieren, muss er/sie nicht für die Lehre geeignet sein. Wer unfähig ist, um neun ausgeschlafen in der Vorlesung zu sein, wird wahrscheinlich noch weniger um sieben auf der Baustelle sein können.
Erstaunlicherweise (oder auch nicht) ist dem aber nicht so. Es ist ein Unterschied, ob ich in einer Vorlesung gehen kann (oder liegen bleibe) oder ob der Meister mir die Ohren lang zieht, wenn ich nicht um sieben auf der Matte stehe. Es ist meine Erfahrung das viele Studenten mit der Freiheit eines Studiums nicht zurecht kommen. Das heisst nicht, dass sie nicht tun, was man ihnen deutlich sagt. Und nebenbei: Wer von einer Lehre überfordert ist, hat auf der Uni erst recht nix verloren.
Zitat von Noricus im Beitrag #20 Hier muss ich widersprechen. Bei der Einstellung zählt zunächst einmal primär der Abschluss (samt eventuellen weiteren formalen Qualifikationen), dem ganzen Soft-Skills-Gedöns zum Trotz. Ob es der Bewerber kann, lässt sich zu diesem Zeitpunkt (zumeist) noch nicht eruieren. Außerdem sind die Personalverantwortlichen häufig nicht befähigt, die fachlichen Leistungen des Stellenaspiranten zu beurteilen.
Bei uns wird nicht ein Vorstellungsgespräch geführt, ohne das ein entsprechender Fachmann mit am Tisch sitzt. Und ich kann mich noch sehr gut an meins erinnern und das da durchaus diverse fachliche Fragen gestellt wurden. Eine Firma die rein über die Personalabteilung einstellt ist m.E. nach nicht wettbewerbsfähig.
Zitat Unser Kandidat wird also eingestellt und fängt in seiner Fachabteilung an. Dort sitzen entweder Leute, die es genauso wenig können wie er selbst und dies entweder nicht erkennen oder lieber den Deckel draufhalten, weil sie sich sonst möglicherweise selber ans Messer liefern würden. Oder aber die sehr wohl die Minderleistung ihres neuen Kollegen wahrnehmen, aber aus Angst, am Ende als böse Mobber dazustehen, lieber die Klappe halten.
Das halte ich aber für sehr pessimistisch, entspricht auch absolut nicht meiner Lebenserfahrung. Zumal Leistungen nicht von Kollegen bewertet werden, sondern vom Chef. Und es ist sein Job und kein Mobbing solche Leute nicht zu übernehmen. Aber unterstellen wir einmal, dass Du recht hast: Eine solche Firma hätte gewaltige Wettbewerbsnachteile gegenüber Firmen, die auf die Qualifikation ihrer Mitarbeiter achten. Und das bedeutet in einer Marktwirtschaft ziemlich schnell den Konkurs. Klar: Es gibt Firmen nach dem "to big to fail" Prinzip, die dann irgendwann auch wie der öffentliche Dienst funktionieren (beispielsweise die Telekom oder die Post). Aber die meisten Arbeitsplätze hat in Deutschland immer noch der Mittelstand. Und eine mittelständische Firma kann sich ein solches Arbeitsprinzip nicht leisten. Warum bläht sich denn in Deutschland die öffentliche Verwaltung mehr und mehr aus und warum wachsen gerade hier die prekären Beschäftigungsverhältnisse für Akademiker wie Pilze aus dem Boden?
Die Fähigkeit zum selbständigen Lernen (die oft genug mit einem Raubbau an den eigenen Kräften einhergeht) wird durch die Verschulung der meisten Studiengänge drastisch sinken. Wer in der 8-Uhr-Vorlesung anwesend sein muss, weil eine Überprüfung seiner Präsenz stattfindet, wird auch physisch zugegen sein, sich aber bei Desinteresse eher dem eigenen Smartphone als dem Vortrag des Dozenten zuwenden. Und der Interessierte wird vielleicht wertvolle Zeit vergeuden, weil er einer didaktischen Fehlleistung beiwohnen muss, die in 1,5 Stunden nicht einmal den Inhalt von 1,5 Lehrbuchseiten zu vermitteln imstande ist.
Zu meinen Zeiten gab es noch keine Smartphones, aber trotzdem Alternativen, seine Zeit effektiver zu nutzen. Den Lehrstoff konnte man in einem Bruchteil der Zeit nachlesen (die Vorlesungen waren eh nichts anderes als Herunterlesen oder -schreiben). In der Zeit konnte man sich als Hiwi oder Praktikant etwas zuverdienen und sein Studium finanzieren.
Zitat Hier muss ich widersprechen. Bei der Einstellung zählt zunächst einmal primär der Abschluss (samt eventuellen weiteren formalen Qualifikationen), dem ganzen Soft-Skills-Gedöns zum Trotz. Ob es der Bewerber kann, lässt sich zu diesem Zeitpunkt (zumeist) noch nicht eruieren. Außerdem sind die Personalverantwortlichen häufig nicht befähigt, die fachlichen Leistungen des Stellenaspiranten zu beurteilen.
Das scheint mir für den technischen Bereich etwas realitätsfremd. Ich selbst wurde seinerzeit von zwei Abteilungsleitern intensiv interviewt, ich selbst habe alle von der Personalabteilung vorselektierten Aspiranten persönlich interviewt, bevor ich sie eingestellt habe. Dabei haben nicht nur fachliche Fragen eine Rolle gespielt, sondern auch meine Einschätzung, ob die Aspiranten mit dem bestehenden Team harmonieren könnten. Diese Einschätzung kann eine Personalabteilung nicht leisten.
Zitat von Llarian im Beitrag #21Und nebenbei: Wer von einer Lehre überfordert ist, hat auf der Uni erst recht nix verloren.
Kommt ganz auf den Grund an. Wer aufgrund einer körperlichen Behinderung mit den meisten Lehrberufen überfordert ist, hat auf der Uni eventuell gar keine Probleme.
Zitat Aber eine sehr teure. Ich sags mal ganz platt: Eine Uni ist keine Selbsterfahrungsanstalt. Hätten wir realistische Studiengebühren (und auch die ganze restliche Förderung wie Studentenwerke nicht), dann würde jedes solche Semester ganz schnell eine fünfstellige Summe kosten. Da sind wie bei 8 Semester schnell bei über 100.000 Euro.
Wir hätten das Problem nicht, wenn in den ersten beiden Smestern ordentlich ausgesiebt werden würde.
Zitat Dazu kommt eben, wie schon mehrfach geschrieben, die Versagenserfahrung. Das muss alles nicht sein.
Warum nicht? Versagen und Scheitern gehören zum Leben dazu. Wollen wir wiklich fertige Akademiker haben, die damit eventuell gar nicht umgehen können? Viel Spaß beim ersten größeren Projekt im Beruf.
Zitat von Llarian im Beitrag #22Bei uns wird nicht ein Vorstellungsgespräch geführt, ohne das ein entsprechender Fachmann mit am Tisch sitzt.
Interessant - aber das halte ich (ab einer gewissen Firmengröße) für unüblich. Bei uns würden sich die Fachabteilungen ziemlich dafür bedanken, wenn sie bei jedem Gespräch dabei sein sollten.
Zitat Eine Firma die rein über die Personalabteilung einstellt ist m.E. nach nicht wettbewerbsfähig.
Richtig - aber "rein über die Personalabteilung" dürfte es fast nicht geben.
Die Personalabteilung ist meistens dafür zuständig, bei den Erstgesprächen die Spreu vom Weizen zu trennen. Dabei wird erst einmal vorausgesetzt, daß der Bewerber die über Zeugnisse belegten Kenntnisse auch besitzt - eine durchaus sinnvolle Erstannahme. Die Fachabteilung kommt dann in der zweiten Runde dazu und sucht sich aus einer Handvoll Bewerber den geeignetsten heraus. Und dabei wird dann verifiziert, daß die nötigen Fachkenntnisse wirklich vorhanden sind.
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