Der Spiegel berichtet recht ausführlich über den diletantischen Zustand der SPD. Im Artikel wird auch gut dargestellt, wie seltsam zusammengeschustert das SPD-Programm wirkt. Ein witziges Detail: Das offizielle Schulz-Wahlkamp-Motto lautet ja "Zeit für mehr Gerechtigkeit". Hingegen hat der von der SPD an die Presse verteilte Leitantrag zum Programm den Titel "Mehr Zeit für Gerechtigkeit". Der Spiegel vermutet wohl ganz zu Recht, dass das ein Flüchtigkeitsfehler war. Denn "Mehr Zeit für Gerechtigkeit" ergibt ja eigentlich überhaupt keinen rechten Sinn.
Wenn man nun überfordert ist, den eigenen Wahlslogan (!) richtig zu zitieren und sich so ein Fehler im Titel (!) des Leitantrags (!) einschleicht, dann ist das schon ziemlich peinlich. Zumal für die SPD, die sich ja als "Programmpartei" sieht und bei der Programm-Formulierungen ja üblicherweise sehr genau durchdiskutiert werden.
Zu Zeiten von Schröder und Müntefering war die SPD ja (zu Recht) immer sehr stolz auf ihre superprofessionell durchgeführten Wahlkämpfe. Aktuell scheint es, dass die SPD 2017 nicht so recht an diese Tradition anknüpfen kann...
Ich würde vermuten, daß diese Beliebigkeit oder besser Wurschtigkeit eine langfristige Folge ist, wenn man nur noch mit solchen Leerformeln hantiert. Nonsens prägt sich nur ein, wenn er sich reimt (die 68er haben ja dadrauf gesetzt; obwohl die das von der damaligen Fernsehwerbung geklaut hatten - der "alle reden vom Wetter - wir nicht" mit der Roten Trinität im Hintergrund stammte ja von der Bahn). Beide Slogans, wie überhaupt gefühlte 98% der Wahlkampfmotti setzen ja auf nichts als das, was wir seit Hajek als "Wieselwörter" kennen. Im Grund fahren die Genossen schon seit Brandts "Mehr Demokratie wagen" auf dieser Spur. Da kann jeder den Inhalt einfüllen, der ihm gerade genehm ist. "Soziale Gerechtigkeit" dürfte das Optimum einer solchen semantischen Mogelpackung sein. Der letzte halbwegs an die Wand nagelbare Slogan scheint mir das "Freiheit statt Sozialismus" der CDU von 1976 gewesen zu sein. Und die sind damals von allen Seiten heftig angegangen worden: Das schließe sich doch nie aus, das sei geradezu identisch. Seitdem scheint es da ein Wettlaufen um memetische Zuckerwatte zu geben: irgendwie bunt, irgendwie wärmend, aber von gleichem geistigen Nährwert.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Ich finde die Wieselwörter aber auch wichtig, weil man sonst nichts zu parodieren hätte. Bei einer kürzlich stattfindenden Bürgermeister-Nachwahl in einer oberbayerischen Kleinstadt ist ein Kandidat der PARTEI mit dem Slogan "Das Bier entscheidet" angetreten. Meine Stimme hätte er bekommen.
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