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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 1.003 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

29.05.2017 01:13
徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

29.05.2017 12:35
#2 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #1
Die Sonntage immer den Künsten.
Streng genommen, ist heute Montag. Ich hoffe, Dir ist aus dieser Tatsache kein Nachteil erwachsen...

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

29.05.2017 13:12
#3 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Das Gedicht klingt schon sehr traditionell... also kurz mal die Lyrikbände abgestaubt und bei Wang Wei (699-759) nachgesehen... da:

Zitat
Prächtige Bäume, zu beiden Seiten aufgereiht,
Ihr umgekehrtes Bild dort in den Glitzerwellen.
Ähneln sie nicht den Weiden am Palastgraben,
Die im Frühlingswind den Abschiedsschmerz vertiefen?

[Kommentar des Übersetzers Stefan Schuhmacher:]
Im alten China war es Brauch, beim Abschied Weidenruten vom Baum zu brechen und sie den Scheidenden mit auf den Weg zu geben. Die langen, schlanken Weidengerten versinnbildlichten das Band der Zuneigung ... So wurde der Weidenbaum ... zu einem Symbol des Abschieds.

(Wang Wei, Jenseits der weißen Wolken, Diederich 1982, S. 39)

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

29.05.2017 21:36
#4 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Zitat von Kallias im Beitrag #2
Streng genommen, ist heute Montag.


Aber ich habe den Sonntagabend den Künsten gewidmet.

Beim Wang Wei-Gedicht war ich zunächst in Versuchung zu fragen: bist du sicher? Das findet sich nämlich im 輞川集 / wǎngchuān jí, der "Sammlung der Gedichte vom Fluß Wang", und die hat bekanntlich zwei Verfasser, 王維 und 裴迪/Pei Di (von dem man nix weiß, außer daß er 714 geboren ist), im Wettstreit geschriebene Gedichte zu gleichen Themen, in dem Fall 2 x 20 Landschaftsansichten in Vierzeilern à fünf Zeichen. (Think West-östlicher Diwan oder Zahme Xenien. Das spätmittelalterliche schottische "flyting" ist eine verschärfte Variante, weils da um Hahnenkampf-Invektiven der Dicht-Er gegeneinander geht). Ist in dem Fall Herr W. Willis Barnstone - genau: der Borges-Übersetzer - übersetzt das:

Separate rows of silky willows touch,
and reflections merge into clear ripples.
The scene is not like the palace moat
where spring aches with departure.
(Laughing Lost in the Mountains, Poems of Wang Wei, 1991)

Ist Gedicht Nr. 12 in der Sammlung und geht im Original so:

柳浪 (liǔ làng, "Wellen, Weiden")

分行接綺樹,
倒影入清漪。
不學御溝上,
春風傷別離。

https://zh.wikisource.org/zh-hant/%E8%BC....9F.B3.E6.B5.AA

Zeile 2 & 4 reimen sich wie üblich: qīng yī/shāng biélí.



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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

30.05.2017 12:31
#5 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
柳浪


Wang Wei ist übrigens in den 唐詩三百首, den "300 Gedichten der Tang-Zeit", der verbreitesten Anthologie chinesischer Lyrik (ist seit 200 Jahren Standard-Schullektüre) als dritthäufigster Dichter mit 29 Gedichten (2 davon aus dem Wangchang jí) vertreten (Du Fu mit 39 und Li Bai mit 34), aber dieses Gedicht hat es nicht hinein geschafft.



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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

31.05.2017 22:45
#6 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Zitat von Kallias im Beitrag #3

Zitat

[Kommentar des Übersetzers Stefan Schuhmacher:]
Im alten China war es Brauch, beim Abschied Weidenruten vom Baum zu brechen und sie den Scheidenden mit auf den Weg zu geben. Die langen, schlanken Weidengerten versinnbildlichten das Band der Zuneigung ... So wurde der Weidenbaum ... zu einem Symbol des Abschieds.
(Wang Wei, Jenseits der weißen Wolken, Diederich 1982, S. 39)



Fußt nicht zuletzt auf einer weit verbreiteten Tradition in Sachen Assonanz gleich klingender Wörter.

https://www.coursehero.com/file/p5o4pf/t...er-to-view-the/

Zitat
Wang Wei’s poetry also makes heavy use of tree imagery, often referring to different species of trees in different quatrains, such as apricot, magnolia, and willow. This recalls the mulberry tree of “He Waters his Horse by a Breach in the Great Wall,” an early Yueh-Fu poem, the pine and cypress trees in “At Fifteen I Went for a Soldier” from the same period, and finally, the implication of the willow tree in “Four Poems,” attributed to Su Wu. According to the Anthology of Chinese Literature, willow branches were commonly broken when parting from a friend, as the Chinese word for “willow” and “stay” sound the same. “Brothers are joined together like leaves and branches,” Su Wu writes, “This is truer of us, who are joined like twigs to a tree.” The imagery invoked through the use of these similes draws parallels between willow branches and the togetherness of friendship and brotherhood. In the Su Wu poem, the reference to the willow trees’ cohesiveness helps set up the “long-parted now are my good friend and I” in the fourth poem of “Four Poems.” Wang Wei’s poems also draw parallels between willow trees and people. In the his quatrain “Willow Waves,” the willow trees “do not copy those by the royal moat/that suffer from parting in the spring breeze.” Here, the willow branches suffer a parallel physical damage (being broken) as people suffer mental trauma in parting from their loved ones. In both cases, parting is unfortunate, but necessary. Just as willow trees must undergo broken branches, humans must also undergo the heartbreak associated with parting ways with a companion.



留/bleiben = liú, 柳/Weide = liú

Am bekanntesten ist die Vermeidung der Zahl 4 in vielen Alltagsangelegenheiten; entspricht unserer 13; 四/si klingt genau wie 死/si = sterben; in allen Cicerones zu lesen: daß kein Taxi eine 4er-Ziffer als Fahrzeugnummer oder auf dem Nummerschild trägt & Fahrstühle in Hotels keinen vierten Stock kennen. Es bringt Unglück, wenn Eheleute gemeinsam Birnen essen (梨, lí), weil 离, "jemanden verlassen" auch lautet. Ist auch der Grund, warum Flattermäuse, 蝠, fú, Glücks(福, fú)tiere sind (Wiki: "fortune" or "good luck" is represented both as a Chinese ideograph, but also at times pictorially, in one of its homophonous forms, most popularly as a bat").

Umgekehrt ist die Zahl 8, 八/fā (fast) homophon mit 富/bā = Reichtum, auch im übertragenen Sinn, "Glück". Im Kantonesischen ist die Aussprache ganz konkret auf verschoben. Was der Grund dafür ist, daß etwa Nummernschilder mit "88" für immense Summen vertickt werden. Und weswegen auch die Olympischen Spiele in Beijing am 08.08.08 um 08:08 lokaler Zeit losfingen. Oder gar:

https://en.wikipedia.org/wiki/1As_lucky_...mber8_(number)#

Zitat
In Chinese tradition, 18 pronounced 十八 (shí bā) and is a considered lucky number due to similarity with 實發 (shì fā) 'definitely get rich', 'to get rich for sure'



Wenn Hr. Maas das hört, implodiert er.



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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

31.05.2017 23:39
#7 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Zitat von ZR
Das "qiáo" bedeutet "Brücke", "kāng" gibt die englische Silbe "Cam" wieder. Die heutig übliche Bezeichnung lautet 劍橋, Jiànqiáo, wobei das erste Hanzi das Zeichen für "Schwert" darstellt.



"Gotha ist säbelförmig gebaut." Johann Georg August Galletti (Nr. 173).

Bei diesem Posting fehlte eigentlich noch ein Soundtrack. Bai Guang, 黃昏/Sonnenuntergang.

月如鉤 掛枝頭
有情人約會黃昏後


Der Mond hängt in den Zweigen wie eine Sichel
über den Liebenden, die sich heimlich nach Sonnenuntergang treffen.



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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

01.06.2017 00:18
#8 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Zitat von Kallias im Beitrag #3
Das Gedicht klingt schon sehr traditionell...


Da unsere Landesbibliothek jetzt nicht mehr im Wochenendschlaf harrt, eine kleine textuelle Expedition. Bd. 7 der Geschichte der chinesischen Literatur, München: K.G.Saur, 2005, Die chinesische Literatur im 20. Jahrhundert. Dieser letzte Band ist von Wolfgang Kubin abgefasst, namhaftester dt. Sinologe (jedenfalls großer Zampanò des Fachs).

Zitat von Kap. 'Die Grundlegung einer modernen Literatur in China (1915-1927)'
Wen Yiduo hat für die letztlich westliche Form eines chinesischen Gedichtes nicht nur Zustimmung erfahren. Manche kritisierten die starre Rechteckform und sprachen von einem Gedichtin Gestalt eines Stücks Bohnenkäse. Die Kritik ist leicht nachvollziehbar. Die Stophen sid festgefügt, ebenso die Verse, die jeweils nach neun Zeichen enden und kein Enjambement kennen. Wen Yiduos größter Widersacher in dieser Hinsicht war Xu Zhimo (1896 [die Jahreszählung geht hier nach dem chinesischen Mondkalender] - 1931), der zwar derselben Schule, der Xinyuepai, angehörte, sich aber denoch gegen die starre Regulierung des Neuen Gedichtes aussprach. Man draf sich hiervon nicht täuschen lassen. Auch wenn sich Xu Zhimo für Schlagworte wie Herzschlag, Blut und Inspiration starkgemacht hat, so hat er jedoch keinesfalls ein regelloses Gedicht verfaßt, wie es das ziyoushi erlaubt hätte. Vielmehr erkennen wir bei ihm ein hohes Formbewußtsein, das der Praxis von Wen Yiduo nur scheinbar gegenüberstand. (S. 93).

Die scheinbare Leichtigkeit der Aussage ist hier zur wohlkalkulierten Form geworden, Das gilt auch für das berühmteste, gern vertonte und gesungene Gedicht von Xu Zhimo "Zweiter Abschied von Cambridge" ("Zai bie Kangqian"). ...

Leicht gehe ich, / Wie ich auch leicht gekommen bin. / Und leicht auch winke ich / Den Wolken am westlichen Himmel zum Abschied.
Still gehe ich, wie ich leicht gekommen bin. / Ich schüttele die Ärmel aus, / Daß sich keine Wolke mit mir fortstiehlt.

Die Rundform des Gedichtes wird in der Umschrift deutlicher als in obiger Übersetzung. ... Binnenreim, Alliteration, Assonanz und die diversen Arten der Iteration, wie sie hier, kunstvoll eingesetzt, unmittelbar ins Auge fallen, sind Ausdruck hoher Kunstfertigkeit. Von einem mangelnden Formwillen kann nirgendwo die Rede sein. Wir dürfen daher die Auflehnung gegen die formalen Gebote eines Wen Yiduo als die Auflehnung gegen die zu starre Fixierung auf eine pedantisch durchkomponierte Form verstehen. Für Xu Zhimo scheint die Form eher Spiel zu sein. So wie die Verse leicht aufeinanderfolgen, ohne mehr zu sagen als ihr Anfang und ihr Ende, so leicht folgen auch die Vokale und Konsonanten aufeinander, ohne mehr als der Natur ihres Klanges zu gehorchen. (95-96)



Und wer dem letzten Satz des Meisters einen Sinn abzugewinnen vermag, der erhält den fünften Grad in der Disziplin des Letternkampfs, wo es erlaubt ist, dem Gegner Sand in die Augen zu streuen.



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Ulrich Elkmann Online




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01.06.2017 00:40
#9 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

(holt tief Luft...) Kubins vollständige Übersetzung findet sich in der von ihm herausgegebenen und übersetzten Anthologie Nachrichten von der Hauptstadt der Sonne: Moderne chinesische Lyrik 1919-1984. FFM: edition suhrkamp, 1985, S. 50-51. Ich setz das mal her.

Zitat
Leicht gehe ich
Wie ich leicht gekommen bin;
Und leicht auch winke ich
Den Wolken über westlichem Himmel zum Abschied.

Die goldene Weide am Fluss
Ist eine Braut im Abend;
Ihr bunter Schatten im Wellenlicht
Durchflutet mein Herz.

Die Sumpfrosen (*) über dem Schlamm
Schwingen mühelos auf dem Wasser!
In den sanften Wellen des Cam
Wäre ich gern eine Wasserpflanze!

Der Teich unter dem Schatten der Ulme:
Keine Quelle, ein Regenbogen am Himmel
Zerrieben zwischen den treibenden Algen,
Mit dem Bodensatz von Träumen nach Maßgabe seiner Farben.

Den Traum suchen? Nimm eine lange Bootsstange
Und geh hinein ins Grün, in immer tieferes Grün,
Das Boot beladen mit Sternenglanz,
Sing deine Lieder in der Farbe der Himmelslichter.

Doch ich bin stumm,
Stille ist der Klang des Abschieds;
Auch die Zikaden des Sommers sind für mich verstummt,
Schweigen ist Cambridge an diesem Abend!

Still gehe ich
Wie ich still gekommen bin;
Ich schüttele die Ärmel aus,
Daß sich keine Wolke mit mir fortstiehlt.



Apropos "Sumpfrosen". Silas S. Brown:

Zitat
软泥 Ruǎnní is ooze or soft mud, 青qīng is green (when used of plants) and 荇xìng is a kind of water plant like nymphoides peltatum (which was mis-spelled “peltalum” in the Unihan database and many Chinese-English dictionaries that derive from it). That plant looks like a kind of water lily and tends to grow in ponds or very slow-moving rivers with no shade; I wouldn’t know where to look for them on the Cam. Perhaps the character had other meanings which current dictionaries don’t bring out very well. Susan Gu translated it as “rushes” (灯心草) and I guess she knew what she was doing so I’ll say “rushes” too.



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Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

02.06.2017 12:16
#10 RE: 徐志摩 - 再别康橋. Xu Zhimo, "Erneuter Abschied von Cambridge" (1928) Antworten

Auf Baidu - aber was findet man nicht auf Baidu? - finde ich diese Übertragung in ein unbekanntes Idiom.

http://baike.baidu.com/item/%E5%86%8D%E5...7%E6%A1%A5/6212

Adieux à Cambridge -- Xu Zhimo

Douce et légère est ma démarche
Tout comme mon arrivée, légère
Ma main salue gentiment
Pour prendre congé des brumes de l’ouest .

Ce saule doré sur la rive,
C’est comme une mariée au soleil couchant.
Le reflet splendide des eaux qui chatoient,
Les vaguelettes bercent mon cœur.

Ces mousses vertes sur le fond boueux,
On les voit scintiller, elles se font remarquer
Les ondes partent au loin, sur la rivière Cam
Rester ici comme une herbe d'eau, cela m'irait !

Ce point d’eau à l’ombre d’un Orme,
N'est pas une source limpide ; il est plutôt comme un arc-en-ciel
Tombé en morceaux entre les joncs.
Des sédiments d’arc-en-ciel, comme un rêve.

Poursuivre le rêve ? S’appuyer sur la perche d’une barque
Remonter le courant vers des herbes vertes, plus vertes encore
Remplir son bateau de belles poussières d’étoiles
Chanter à pleine voix sous l'astre resplendissant

Hélas je ne sais pas chanter
En silence je m'éloigne de ma flûte
Les insectes de l’été aussi se renferment, taciturnes
Recueillement ce soir, au pont de Cambridge

Je repars dans la paix,
Comme je suis arrivé, silencieux
Je me secoue les manches,
Pour n'emporter avec moi aucun morceau de nuage.


-



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

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