Zitat Vor einigen Jahren habe ich in unserem kleinen Zimmer erwähnt, dass ich zu der eher ungewöhnlichen Spezies der überzeugten Kirchensteuerzahler gehöre. Ich kann mit dem spirituellen Überbau der evangelischen Kirche nichts anfangen (...), aber ich hielt die Kirche immer für einen wichtigen Kitt unserer Gesellschaft.
Und mit genau diesen Worten ("Kitt unserer Gesellschaft") würden die von Ihnen kritisierten ihr Geschäft auch bezeichnen. Sie zeigen hier sehr schön, was das Mißverständnis ist. Würde der "spirituelle Überbau" (ist es eine absichtliche Pointe, hier marxistische Terminologie zu benutzen?) ernstgenommen, gäbe es für Ihre Kritik keine Grundlage. Das Geschäft der Kirche(n) ist nicht "die Gesellschaft" sondern der Nächste. Es gibt ein sehr schönes Bibelwort:
Zitat von 1. Joh. 4,20Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.
einerseits: Manches ist nachvollziehbar, und dass Leute wie Sie sich mit dieser Kirche immer weniger identifizieren können, sehr schade. Andererseits: Wenn Sie schon finanziell argumentieren, sollte man das, was da in grüne Projekte und öffentliche Darstellung fließt, nicht zu hoch bewerten. Sie bezahlen hauptsächlich Pfarrer (wie mich), die sich genau um kirchliches Leben, religiöse Kultur, Seelsorge und persönliche Begleitung kümmern. Sie helfen die Unmenge an Kirchengebäuden, Orgeln und christlicher Kultur zu erhalten. Sie leisten einen Beitrag dazu, dass das Abendland erkennbar christlich bleibt und Sie finanzieren soziale und diakonische Einrichtungen mit (auch wenn diese zum größeren Teil vom Staat gegenfinanziert werden). Letztlich hat aber der Forenkollege Recht: Das was Sie als spirituellen Überbau bezeichnen, ist unsere Basis. Und die würde ich auch gerne erhalten. Nicht zuletzt weil sie auch zur Basis unserer Kultur und Zivilisation gehört.
Ich könnte mir auch vorstellen, sich die zu zahlende Kirchensteuer auszurechnen und diesen Betrag gezielt der eigenen Gemeinde als Spende zukommen zu lassen.
Zitat von Llarian in ZRDie Kirche bezahlt Seelsorger und Pfarrer, die betreibt Kindergärten, Kliniken, Schulen und soziale Einrichtungen. Kirchensteuer ist mithin die einzige Steuer, aus der man austreten kann, aber sie ist auch eine der ganz wenigen Steuern, mit denen überwiegend gesellschaftliche Kernaufgaben finanziert werden.
Dies ist genau eines der Motive, warum ich noch Mitglied in der römisch-katholischen Kirche bin. Hier auf dem Land ist die Kirche ein wichtiger Faktor in der Sozialarbeit (im weiteren Sinne), der sich so leicht nicht ersetzen ließe. Und trotz aller Ergrünungstendenzen (die es ja auch in der rk Kirche gibt, wenngleich nicht so fortgeschritten wie bei den Evangelischen) habe ich die Hoffnung, dass eine auf einem christlichen Weltverständnis basierende Sozialarbeit nicht in die Abgründe führt, in die eine rein auf linksideologischen Prämissen beruhende Sozialarbeit gerne einmal abgleitet.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund für meinen Verbleib in der Kirche, nämlich, dass ich gerne mal in einer Kirche verbleibe. Um es etwas kitschig zu formulieren: Kirchen sind für mich Refugien historischer und kultureller Geborgenheit und - gerade in einer fremden Stadt - auch Orte der Zuflucht vor dem Trubel in den Straßen. Ich werde genau dann an den bevorstehenden Untergang des Abendlandes glauben, wenn hierzulande Kirchen in gewichtiger Zahl desekriert (und vielleicht - als besondere Pointe - von einer Glaubensgemeinschaft mit eifrigeren Anhängern übernommen) werden.
Ich bin ja auch schon vor vielen Jahren aus der evangelischen Kirche ausgetreten, allerdings aus ganz persönlichen Gründen. Meine Frau allerdings ist katholisch und es würde ihr nie und nimmer einfallen die Kirche zu verlassen. Selbst wenn alle Geistlichen dort Mörder oder sonstwelche Verbrecher wären, sie würde immer sagen, das sind Menschen, die Kirche ist das Haus Jesus. Sie kann das trennen, und ich beneide sie darum, weil ich es nicht kann.
Meine Frau geht in keine Messen oder sonstige Gottesdienste, nur wenn irgendwelche Feierlichkeiten anstehen. Was sie aber regelmäßig tut, sie zündet Kerzen an und betet ganz allein für sich in der Kirche. Ich bin jedesmal, wenn sie das tut, aufs neue überrascht, wie sie sich in diesen Minuten verändert. Hinterher ist sie gelöster, freier und von neuer Energie erfasst.
vom ersten bis zum letzten Wort mag ich mich Ihnen vom ganzen Herzen anschließen.
Gerade gestern habe ich mit meinem Bruder über einen Austritt aus der Evangelischen Kirche aus genannten Grüden diskutiert. Es sind die dem Zeitgeist entsprechenden Leute deren Worte laut transportiert werden und welche wir deshalb so dominant wahrnehmen. Aber diese sind nur ein Teil der Kirche und noch nicht mal in Positionen und Ämter, welche sie bevollmächtigen und bestimmen für die gesamte Kirche sprechen zu dürfen.
Daher plädierte mein Bruder für den Verbleib. Ob ich nun in der Kirche bleibe, wird die nächste Zeit zeigen und vor allem von der Gemeinde hier vor Ort abhängen.
Zitat von Herr im Beitrag #3 Andererseits: Wenn Sie schon finanziell argumentieren, sollte man das, was da in grüne Projekte und öffentliche Darstellung fließt, nicht zu hoch bewerten. Sie bezahlen hauptsächlich Pfarrer (wie mich), die sich genau um kirchliches Leben, religiöse Kultur, Seelsorge und persönliche Begleitung kümmern. Sie helfen die Unmenge an Kirchengebäuden, Orgeln und christlicher Kultur zu erhalten. Sie leisten einen Beitrag dazu, dass das Abendland erkennbar christlich bleibt und Sie finanzieren soziale und diakonische Einrichtungen mit (auch wenn diese zum größeren Teil vom Staat gegenfinanziert werden).
Und genau diese Gründe sind es, lieber Herr, die Jahre, ja bald Jahrzehnte, dafür gesorgt haben, dass ich in der Kirche geblieben bin. Ich weiss durchaus wieviel die Kirche und auch speziell die Pfarrer für diese Gesellschaft tun. Ich selber verdanke einem ganz speziellen Pfarrer sehr, sehr viel, und es war mir immer ein Bedürfnis etwas dafür auch zurück zu geben. Es mag für die meisten Menschen etwas seltsam klingen, aber ich kann nur schwer beschreiben wie wichtig es ist, dass da (im Zweifelsfall zu jeder Tages- und Nachtzeit) jemand ist, der für einen da ist. Die ja ansonsten gar nicht so viel diskutierte Seelsorger(!)-Eigenschaft, ist nach meinem Dafürhalten etwas von zentraler Wichtigkeit und Bedeutung.
Und dennoch, so positiv und wichtig das ist, so steht es eben im Gegensatz zu den Käßmanns der selben Kirche (ich greife sie jetzt heraus, weil sie einfach ein Extremum darstellt, es gibt aber noch reichlichst andere). Und auch wenn nur ein Teil meines Geldes an diese Leute fliesst, so ist dieser Teil schon zu viel, wenn er zur Zerstörung unserer Gesellschaft beiträgt. Früher habe ich das nicht so extrem beurteilt, eher mit den Schultern gezuckt, wenn sich da mal wieder der eine oder andere Kirchenfürst in die Öffentlichkeit eingebracht hat. Aber gerade im Zuge der Flüchtlingskrise (eigentlich ist Krise nicht das Wort, dass mir damit assoziiert wird) hat gerade die evangelische Kirche einen geradezu katastrophalen Einfluss ausgeübt und tut das weiterhin. Um es ganz platt zu sagen: So lange ich die Kirche für etwas bezahle, was ich für gesellschaftlich wichtig halte (auch wenn es mir persönlich keinen bis wenig Nutzen bringt), und einige Figuren sich deshalb wichtig machen, ist das okay. Bischen Schwund ist immer. Wenn aber die Organisation, die ich bezahle, meine Lebensgrundlagen in Gefahr bringt und mich persönlich schädigt, dann ist irgendwann Schluss mit lustig. Das, was sich die Grünen an Gesellschaftsordnung vorstellen, halte ich für eine nicht funktionsfähige Katastrophe, es hat nahezu gar nichts mit dem Leben zu tun, dass ich persönlich anstrebe oder leben möchte. Ich bin so ein doof-spiessiger biodeutscher, heterosexueller, nicht-herausgeforderter, männlicher, alter(?), weisser Mann. Sozusagen der Feind. Ich stehe den Zielen der Grünen nahezu diametral entgegen. Wenn nun die evangelische Kirche sich hinter diese Ziele stellt und diese umzusetzen hilft, dann kann ich es nicht mit mir vereinbaren das zu unterstützen. Schon alleine, dass sich eine Frau Käßmann öffentlich darauf berufen möchte, dass zig Millionen hinter ihr stehen, kann so nicht einfach stehen bleiben.
Zitat Letztlich hat aber der Forenkollege Recht: Das was Sie als spirituellen Überbau bezeichnen, ist unsere Basis. Und die würde ich auch gerne erhalten. Nicht zuletzt weil sie auch zur Basis unserer Kultur und Zivilisation gehört.
Sie gehört dazu, und das ist ein zentral wichtiger Punkt. Aber sie ist eben nur ein Teil dazu. Basis unserer Kultur und Tradition ist ebenso die Aufklärung und dazu gehört eben auch, dass Religion in der Politik nichts verloren hat. Basis unserer Kultur und Tradition ist auch ein Nationalstaat und keine Weltgemeinschaft. Basis unserer Kultur und Tradition ist auch ein gewisses Bild zwischen Mann und Frau (etwas, das sich übrigens in der Bibel ja nun mehr als deutlich wiederfindet und trotzdem von den modernen Kirchenfürsten über Bord geworfen wird).
Ich bin (oder war) bereit, der Kirche so lange zu folgen, wie wir einen gemeinsamen Weg haben. Wenn dieser Weg aber zu einer Gesellschaft führen soll, an die ich weder glaube noch für lebenswert halte, dann können wir diesen Weg eben nicht mehr gemeinsam gehen. Ich kann nicht den Weg in den eigenen Untergang mitgehen, weil ich aus meinem spirituellen Verständnis glaube, dass ich dafür in irgendeinen Himmel komme. Ich glaube an die Gegenwart und an das, was mir mein Schöpfer mitgegeben hat. So lange wir an eine gemeinsame Gesellschaft glauben, die miteinander kompatibel ist, ist es egal ob der eine von uns glaubt, dass er irgendwann in den Himmel kommt. Denn das ist ihre und meine Privatsache. Wenn aber unserer Vorstellung von Gesellschaft dahingehend nicht mehr zusammen passt, weil einer von uns meint, es wäre am Ende egal wie die Gesellschaft sich entwickelt, weil sowieso irgendwann alles von Gott geregelt wird, dann können wir diesen Weg eben nicht mehr gemeinsam gehen.
Zitat von nocheiner im Beitrag #4Ich könnte mir auch vorstellen, sich die zu zahlende Kirchensteuer auszurechnen und diesen Betrag gezielt der eigenen Gemeinde als Spende zukommen zu lassen.
Ich denke so (oder so ähnlich) wird der Weg sein, den ich gehen werde. Vielleicht eine kleine Anekdote: Ich habe meine Probleme mit der evangelischen Kirche ja nicht erst seit gestern. Und ich hatte auch im privaten Umfeld öfter mal erzählt, dass ich eigentlich gerne in die katholische Kirche wechseln würde, weil die eben nicht so ergrünt sind (da war auch noch der Ratz an der Macht). Und nach einigen Unterhaltungen, auch mit Leuten aus dem inneren katholischen Umfeld kam dann heraus: Die nehmen einen nicht, wenn man nicht bereit ist zu erzählen, dass man daran glaubt. Dazu bin ich aber nicht bereit. Das was ich glaube ist bestenfalls kompliziert, aber was es auf jeden Fall nicht ist, ist kompatibel zu dem (aus meinen Augen) Unsinn, der in der Bibel steht. Aber die Katholiken nehmen einen dann nicht. :)
Man hats schon schwer: Bei den Evangelen will ich nicht, die Katholen wollen mich nicht, die Juden nehmen einen erst recht nicht (don't ask), die einzige große Religion, in der ich von heute auf morgen Mitglied werden könnte wäre eine, in die ich partout nie eintreten wollte. Ich werd mein Geld schon irgendwie loswerden.....im Zweifelsfall kaufe ich mir ein Nudelsieb.
Zitat von Noricus im Beitrag #5 Hier auf dem Land ist die Kirche ein wichtiger Faktor in der Sozialarbeit (im weiteren Sinne), der sich so leicht nicht ersetzen ließe. Und trotz aller Ergrünungstendenzen (die es ja auch in der rk Kirche gibt, wenngleich nicht so fortgeschritten wie bei den Evangelischen) habe ich die Hoffnung, dass eine auf einem christlichen Weltverständnis basierende Sozialarbeit nicht in die Abgründe führt, in die eine rein auf linksideologischen Prämissen beruhende Sozialarbeit gerne einmal abgleitet.
Glaub mir, lieber Noricus, genau das ist das zweite Herz, das in meiner Brust schlägt. Und ich kanns nicht richtig auflösen. Wenn ich eine Lösung wüsste, die beides gut vereint, dann würde ich das tun. Vielleicht etwa in die Richtung, die nocheiner angesprochen hat.
Zitat Es gibt aber noch einen weiteren Grund für meinen Verbleib in der Kirche, nämlich, dass ich gerne mal in einer Kirche verbleibe. Um es etwas kitschig zu formulieren: Kirchen sind für mich Refugien historischer und kultureller Geborgenheit und - gerade in einer fremden Stadt - auch Orte der Zuflucht vor dem Trubel in den Straßen.
Das ist (für mich) wieder faszinierend. Mir geht es exakt(!) umgekehrt: Ich betrete den Tempel nahezu grundsätzlich nicht. Ich habe in den letzten 20 Jahren den Tempel kaum ein Dutzend mal betreten (für eine Hochzeit, eine Taufe und drei Beerdigungen und um jemanden abzuholen). Für mich ist das ein Sakrileg (oder Blasphemie), eben weil ich nicht an die spirituelle Welt der Kirche glaube. Für mich fühlt sich das an wie ein Ort, den ich nicht betreten darf. Wenn es für die Gläubigen ein Haus Gottes sein soll, ist es nicht an mir dorthin zu gehen.
Zitat Ich werde genau dann an den bevorstehenden Untergang des Abendlandes glauben, wenn hierzulande Kirchen in gewichtiger Zahl desekriert (und vielleicht - als besondere Pointe - von einer Glaubensgemeinschaft mit eifrigeren Anhängern übernommen) werden.
Das passiert ja schon. Teilweise unter Applaus der grünen Weltverbesserer.
Und wenn man dieser These folgt, dann war einer der gnadenlosesten Fundamentalisten der Kirchengeschichte der heuer allerorten als Aufklärer gefeierte Luther.
Allgemein zum Thema: Ich habe mir schon oft überlegt, was ich machen würde, wenn ich evangelisch wäre (und eine einigermaßen vergleichbare Sozialisation erfahren hätte). Ich weiß, dass ein sehr guter Freund von mir während seiner Bundeswehrzeit aus der ev-Luth-Kirche ausgetreten ist, aufgrund der Haltung der EKD zum Soldaten-sind-Mörder-Urteil. Grundsätzlich ist also diese Politisierung nix Neues, und ebenfalls nix Neues ist, dass die EKD meistens der staatlich dominierenden Linie folgt (das resultierte letztendlich in den Deutschen Christen). Aber die Tatsache, dass die spirituelle Basis immer mehr vernachlässigt wird (mir hat mal einer, der es hinter sich hatte, erzählt, dass der sicherste Weg zum Atheismus über ein Studium der evangelischen Theologie führt), ist eher eine Entwicklung der letzten 20 Jahre, und das würde mich vermutlich zum gleichen Ergebnis bringen. Ich finde, dass Quentins Frau mein Gefühl sehr stark wiederspiegelt - und die meisten Evangelen, die ich kenne, legen auf dieses Gefühl der spirituellen Verankerung überhaupt keinen Wert mehr - für die ist das eher so eine Art gemeinnütziger Club, bei dem die Haltung wichtiger ist als der Glaube.
Allerdings stammt der schönste Text zu diesem Thema von einem Protestanten:
Zitat Dem unbekannten Gott
Noch einmal, eh ich weiterziehe und meine Blicke vorwärts sende, heb ich vereinsamt meine Hände zu dir empor, zu dem ich fliehe, dem ich in tiefster Herzenstiefe Altäre feierlich geweiht, daß allezeit mich deine Stimme wieder riefe.
Darauf erglüht tief eingeschrieben das Wort: Dem unbekannten Gotte. Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte auch bis zur Stunde bin geblieben: Sein bin ich - und fühl die Schlingen, die mich im Kampf darniederziehn und, mag ich fliehn, mich doch zu seinem Dienste zwingen.
Ich will dich kennen, Unbekannter, du tief in meine Seele Greifender, mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender, du Unfaßbarer, mir Verwandter! Ich will dich kennen, selbst dir dienen.
Zitat von Llarian im Beitrag #10Für mich ist das ein Sakrileg (oder Blasphemie), eben weil ich nicht an die spirituelle Welt der Kirche glaube. Für mich fühlt sich das an wie ein Ort, den ich nicht betreten darf. Wenn es für die Gläubigen ein Haus Gottes sein soll, ist es nicht an mir dorthin zu gehen.
Das ist er aber - eigentlich - nur während der Gottesdienstes; wobei das bei der Hl. Messe ("achtet auf die Türen!") stärker gewichtet wird als bei den protestantischen Ketzern, die es mehr mit der spirituellen Wurschtigkeit haben. Was auch Gestalten wie GKE als letzte Schwundstufe priesterlicher Umtriebigkeit erklärt. (Ich vermute mal, daß die Ausrichtung, die die protestantische Theologie im 19. Jdt. genommen hat: historischer Reduktionismus und generelle Komparatistik, da eine wesentliche Rolle gespielt hat). Ist übrigens interessant, daß chinesische Bekannte genau die gleiche Scheu zeigen, Kirchen zu besuchen. Und die sind atheistisch grundiert. Auch da gibt es ein Gefühl des Ungebührlichen. Andererseits handelt es sich hier um Grundlagen unsere Kultur, ein Standbein, aber eins, das aus der Genese nicht rausgekürzt werden kann (und ohne die so etwas wie Aufklärung und wissenschaftliche Revolution nicht möglich gewesen wäre). Von der Funktion als Biblia pauperum über die diversen Ausprägungen der diversen Traditionen bis hin zur Kunstgeschichte braucht das keine persönliche spirituelle Teilhabe, um geschätzt werden zu können, so wenig wie bei anderen Religionen.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #12die es mehr mit der spirituellen Wurschtigkeit haben.
Weliswaar. Haltet euch mal gut fest. "Pinkster" hat nb. nix mit Häkelmützen zu tun.
Zitat von De Volkskrant, 30. Mei 2017Ruil Tweede Pinksterdag in voor het Suikerfeest. 'Dat levert een betekenisvolle vrije dag op. Het sluit de vastentijd af en is een feest van verbroedering en verzustering, binnen en buiten islamitische kring.'
Met deze boodschap mengen de Remonstranten zich in het debat over vrije feestdagen. Verreweg de meeste daarvan hebben op dit moment een christelijke achtergrond. Joost Röselaers, algemeen secretaris van de Remonstranten, wil hiermee de diversiteit in religie recht doen. De islam geldt als de tweede godsdienst in Nederland.
De Remonstranten vormen een vrijzinnige splinter in de protestantse kerk en schuwen de provocatie niet. In het woensdag gepubliceerde pleidooi wordt benadrukt dat Tweede Pinksterdag niet eens bestaat op de christelijke kalender. 'Het is, zo lijkt het nu soms, een gewone dag voor de commercie geworden, voor meubelboulevard, de keukengiganten en de autoshowrooms.'
Deze vrije dag zou ruimte geven om stil te staan bij wat de ander, de islamitische buurman, beweegt
Citaat uit het pleidooi van Röselaers en zijn co-auteurs Röselaers en zijn co-auteurs beseffen een gevoelig punt aan te snijden. Politiek en sociaal is er op dit moment weinig ruimte voor dit type toegeeflijkheid. Voor de Remonstranten des te meer reden juist nu met dit voorstel te komen: 'Deze vrije dag zou ruimte geven om stil te staan bij wat de ander, de islamitische buurman, beweegt.'
Gut, das ist eher Provokation als ernstgemeinter Vorschlag. Ich warte aber darauf, daß hier jemand damit um die Ecke kommt, den Pfingstmontag zugunsten des Eid al-Fitr zu ersetzen. Durchgegendert ("verbroedering en verzustering") sind die jedenfalls vorbildlich.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #12 Das ist er aber - eigentlich - nur während der Gottesdienstes
In der katholischen Kirche eigentlich nicht nur während der Hl. Messe. Wenn das Ewige Licht brennt, befindet sich im Tabernakel das Altarsakrament (der Leib Christi). Wie auch immer das von den jeweiligen Kirchenbesuchern empfunden oder geglaubt wird, halte ich es schon für richtig, Respekt in der Haltung beim Betreten einer Kirche zu bezeugen (der gläubige Katholik macht eine mehr oder minder tiefe Kniebeuge und bekreuzigt sich). Auch, wer dem christlichen Glauben fremd gegenübersteht, sollte sich in einer Kirche leise verhalten und die Kopfbedeckung abnehmen (ich habe schon anderes erlebt). In einer Synagoge oder auf einem jüdischen Friedhof trägt man als Mann eine Kopfbedeckung (in der Regel eine Kippa). Sowohl in der Kirche, als auch in der Synagoge, als auch in einer Moschee finde ich es einfach gut und richtig zu bezeugen, dass man die Würde des Ortes achtet, ob man nun Agnostiker oder Gläubiger ist oder einer anderen Religion angehört. Insofern kann ich das Gefühl oder die Scheu von Llarian (habe ich das richtig interpretiert?) beim Betreten einer Kirche gut verstehen. Die Diskussion mit den verschiedenen Beiträgen ist mir übrigens sehr wertvoll. Ich lese sie mit großem Interesse.
Zitat von LlarianBasis unserer Kultur und Tradition ist ebenso die Aufklärung und dazu gehört eben auch, dass Religion in der Politik nichts verloren hat. Basis unserer Kultur und Tradition ist auch ein Nationalstaat und keine Weltgemeinschaft.
Na ich hoffe doch mal, dass "unsere Kultur und Tradition" nicht erst 1871 im Spiegelsaal zu Versailles erfunden wurde (dann könnte man sich auf die Aufklärung nicht mehr berufen). Im Gegenteil - historisch gesehen ist der Nationalstaat eigentlich sogar explizit keine deutsche Tradition - selbst als er nach den Napoleonischen Kriegen überall sonst groß in Mode gekommen war, haben die Deutschen am Flickenteppich aus größeren und kleineren Territorialfürstentümern festgehalten.
Es gibt über das Heilige Römische Reich den schönen Spruch von Voltaire, dass es weder heilig, noch römisch, noch ein Reich gewesen sei. Und auch der beliebte Zusatz "deutscher Nation" (der ursprünglich analog "Made in Germany" ein Kampfbegriff seiner Gegener war, die damit jegliche Machtansprüche über den deutschen Sprachraum hinaus bestreiten wollten) würde hier hineinpassen. Denn die "Nation" bezeichnet hierbei nicht - wie wir es heute verstehen würden - ein Volk, sondern entsprechend der mitteralterlich-lateinischen Bedeutung den Ort seines Ursprungs (vgl: natus = geboren).
Ergo: Historisch gesehen war Deutschland vor 1871 niemals ein Nationalstaat, sondern ein überstaatliches Gebilde. Und was die Religion angeht, die in der Politik nichts verloren hatte: Noch nach der Paulskirchenrevolution hat der König von Preußen die Kaiserwürde abgelehnt, weil er sie nicht aus den Händen eines Parlamentes entgegennehmen wollte, sondern nur durch Gottesgnadentum. Gerade - und hier schließt sich der Kreis zum Thema - die protestantische Religion war zu allen Zeiten sehr staatsnah - das merkt man vor allem in den skandinavischen Ländern mit protestantischer Staatskirche. Beispielsweise schreibt die Norwegische Verfassung vor, dass das Staatsoberhaupt (also der König) er protestantischen Religion angehören muss.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #15die protestantische Religion war zu allen Zeiten sehr staatsnah
Das war auch ihr Problem in der Nazizeit. Glücklicherweise gab es Bonhoeffer, die Bekennende Kirche und verschiedene, heute vergessene "widerspenstige" ev. Pfarrer. Vielleicht ist dies auch heute wieder das Problem der ev. Kirche, im Zeitgeist die eigene theologische Basis zu verlieren, wobei die kath. Kirche auch nicht ganz frei davon ist.
Zitat von Noricus im Beitrag #5Um es etwas kitschig zu formulieren: Kirchen sind für mich Refugien historischer und kultureller Geborgenheit und - gerade in einer fremden Stadt - auch Orte der Zuflucht vor dem Trubel in den Straßen.
Hier haben wir (beides Katholiken) ein sehr ähnliches Empfinden, lieber Noricus. Ich würde sagen das Besondere an der Kirche ist für mich: Sie ist ein Stück Heimat, welches ich überall finden kann.
Was die durchaus berechtige Kritik Llarians an der Kirche betrifft, welche in Teilen zumindest auch für die katholische Kirche gilt, trenne ich das für mich ab. Auch muß man feststellen, dass diese Kritik unabhängig von den Kirchen, für unsere komplette Gesellschaft berechtigt wäre. Das ist die Zeit in der wir leben, die auch die Kirchen beeinflußt. Ihr Kern jedoch, das neue Testament, ihre Spiritualität und ihre durchaus erkennbare Affinität zur Aufklärung, sind für mich ausreichend an ihr festzuhalten. Einem auch gewohnten Stück Heimat.
Wenn man an der Zeitgeistigkeit der Kirchen denn etwas ändern möchte, hilft es nichts ihr weniger Geld zu geben. Es hülfe nur den Zeitgeist zu ändern und wie soll das gehen? Ausser mit der Zeit...
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von So, jetzt habt ihrs geschafft.Als bürgerliches Mitglied der evangelischen Kirche muss man schon eine ganze Weile entweder ziemlich stark oder ziemlich blöde sein.
Weder das eine, noch das andere würde ich sagen. Es reicht vollintegrietes Kind unserer Zeit und Gesellschaft zu sein. Was Quentin Quencher in seinem Text über Kulturen schreibt, scheint mir auch für den Zeitgeist zuzutreffen: Kirche nimmt natürlich die Lebensrealität ihrer Gemeinden auf.
Das ökologische, totalpazifistische, auf einem statischen Weltbild beruhende Idealbild unserer heutigen Gesellschaft ist das, was Geister und Hexenglaube im Mittelalter war. Und zwar 1:1. Dieses 1:1 gilt dabei nicht nur für das Vorhandensein von Dogmen, sondern auch für deren antiaufklärerische Verteidigung durch die Menschen der Gesellschaft, da diese Dogmen eng mit deren eigener Identität verwoben sind.
Vielleicht lebe ich in meinem privaten Umfeld ja wirklich in einer komischen Parallelwelt, die sonst keiner erlebt. Wenn ich aber dort das Ideal eines statischen Naturbildes in Frage stelle, reagieren die Menschen ähnlich wie einer vor 400 Jahren reagiert haben muß, hätte ich die Existenz von Hexen angezweifelt.
Die Kirche ist eine Institution geprägt von Menschen, die widerum von ihrem Gesellschaftsbild geprägt sind. Was soll da anderes herauskommen, wie auch Abbilder des Zeitgeistes? Manchmal erinnert mich die Situation der Kirchen in dieser Hinsicht an den Zustand der EU: Die EU setzt im Wesentlichen nur den Unsinn um, den die Nationalstaaten, samt ihrer frei gewählten Regierungen, auch wollen. Allem voran der deutsche, ökologische Regulierungswahn. Da gibt es keine hidden Agenda oder einen andere "wahrere Wahrheit", der man besser folgen sollte.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nocheiner im Beitrag #4Ich könnte mir auch vorstellen, sich die zu zahlende Kirchensteuer auszurechnen und diesen Betrag gezielt der eigenen Gemeinde als Spende zukommen zu lassen.
Lieber nocheiner, genau das ist ja die ökonomische Grundlage der Kirchen in Ländern, in denen die Kirchensteuer nicht staatlich eingetrieben wird. Und da sind die Kirchen naturgemäß näher an der Basis. Extravaganzen wie Bibel in gerechter Sprache muss man sich da leisten können und wollen.
Als Atheist bin ich gerne bereit, für das mein kulturelles Erbe und die Erhaltung dessen zu zahlen - und meine Steuergelder sanieren Kirchen und derlei Weihestätten. Allerdings subventionieren meine Steuergelder auch jahrelange rhetorische Ausbildungen für bestimmte Religionen (vulgo Theologiestudium - und ja, ich weiss, das ist kontrovers, auch und gerade in diesem Forum.) - und da, denke ich, sollten doch die Kirchen selbst für Nachwuchs und dessen Ausbildung sorgen, und nicht auf die Gemeinschaft der Steuerzahler verweisen.
Im Endeffekt, lieber Llarian, ist das Verweigern von Kirchensteuer nur der erste Schritt. Ein wichtiger, aber nicht der letzte.
Zitat von nocheiner im Beitrag #4Ich könnte mir auch vorstellen, sich die zu zahlende Kirchensteuer auszurechnen und diesen Betrag gezielt der eigenen Gemeinde als Spende zukommen zu lassen.
Ich denke so (oder so ähnlich) wird der Weg sein, den ich gehen werde. Vielleicht eine kleine Anekdote: Ich habe meine Probleme mit der evangelischen Kirche ja nicht erst seit gestern. Und ich hatte auch im privaten Umfeld öfter mal erzählt, dass ich eigentlich gerne in die katholische Kirche wechseln würde, weil die eben nicht so ergrünt sind (da war auch noch der Ratz an der Macht). Und nach einigen Unterhaltungen, auch mit Leuten aus dem inneren katholischen Umfeld kam dann heraus: Die nehmen einen nicht, wenn man nicht bereit ist zu erzählen, dass man daran glaubt. Dazu bin ich aber nicht bereit. Das was ich glaube ist bestenfalls kompliziert, aber was es auf jeden Fall nicht ist, ist kompatibel zu dem (aus meinen Augen) Unsinn, der in der Bibel steht. Aber die Katholiken nehmen einen dann nicht. :)
Man hats schon schwer: Bei den Evangelen will ich nicht, die Katholen wollen mich nicht, die Juden nehmen einen erst recht nicht (don't ask), die einzige große Religion, in der ich von heute auf morgen Mitglied werden könnte wäre eine, in die ich partout nie eintreten wollte. Ich werd mein Geld schon irgendwie loswerden.....im Zweifelsfall kaufe ich mir ein Nudelsieb.
Lieber Llarian! Wir haben uns daran gewöhnt, an einer Kirche zu leiden, die wir uns meist nicht ausgesucht haben. Meist sind wir in sie hineingeboren worden, wurden darin sozialisiert, und als uns in einem gewissen Alter "die Augen aufgingen", wir anfingen zu denken und zu vergleichen, da fehlte uns die letzte Einsicht oder das letzte Quäntchen Mut, dieser "Geburtskirche", auch mit allen Folgen" den Rücken zu kehren. Das ist doch etwa der Inhalt Ihrer Überlegungen, die ich als Katholik und Angehöriger einer eben solchen "Kirche" seit Geburt nachvollziehen kann - auch Ihr Abwägen, welche Gemeinschaft Sie im Ernstfall eines Austritts alternativ aufnehmen könnte, ohne sich gegenseitig Zwang aufzuerlegen, kann ich nachempfinden. - Allerdings: Sollten wir uns nicht die Mühe machen und uns z. B. fragen, warum "einen die Juden erst recht nicht nehmen"? - Da liegt für mich doch - abgesehen von der Frage einer eigenen Nationalität - die Antwort auf der Hand: Weil sie uns christlich Sozialisierten nach allem, was wir ihnen in den 2000 Jahren "nach Christus" angetan haben, nicht (mehr) trauen (können). Sie brauchen Sicherheit. Ein Lippenbekenntnis genügt nicht mehr. Die nach Palästina Geflohenen fanden die Sicherheit, indem sie noch einmal in ihrer langen Geschichte einen eigenen Staat gründeten. - Die meisten Israelis haben auch den Glauben an ihre Bibel und ihren Gott verloren. Sie sind säkular geworden. Sie kennen noch ihre Geschichte, feiern den Sabbat und die Feste, leben eine bestimmte Ethik - so erlebte ich es in den Kibbuzim, aber mehr auch nicht. Sie können auch dem Neuen Testament mit seinem Herzstück, der "Bergpredigt", nicht trauen. - Der Dichter Amos Oz z.B., der als 13-jähriger in einen Kibbuz kam, kann es nicht, sagt er, obwohl es ihm gut vertraut ist, nachdem ein Teil seiner Familie, Klausner, alles Gelehrte, in der Shoa umgekommen, seine Mutter traumatisiert worden ist, so dass sie in jungen Jahren Selbstmord beging. Ihm bliebe von der Bibel (und der Kirche) nur noch die Lösung, dass die Sicherheit seiner Nation und seines Glaubens-Volkes in einem eigenen Staat mit Hoheitsgewalt garantiert werden kann. Die gewaltfreie Lösung des Jesus von Nazareth sei für ihn obsolet. (vgl. Amos Oz in div. Interviews und in: Eine Geschichte von Liebe und Finsternis). - So ein geschichtsbeladenes Denken ist uns inzwischen fremd. Wir fühlen uns nach 70 Jahren Friedenszeit in unserm Land auch nicht mehr wirklich verantwortlich für das schändliche Tun unserer Vorfahren. -
Wie fremd uns so ein aus der Not der täglichen Geschichte geborenes Denken und Entscheiden geworden ist, wurde mir gerade bewusst, da es in Berlin urplötzlich darum geht, ob ein Kreuz auf der Kuppel des Berliner Stadtschlosses stehen soll, nachdem es längst durch eine Spende abgesichert und in den Plänen des Wiederaufbaus so vorgesehen ist: In das Kauderwelsch der Weltanschauungen und Meinungen, die in den Medien daraufhin transportiert wurden, hat sich z.B. auch der Vorsitzende der Muslime in Deutschland mit seinem Dreiervorschlag, Kreuz, Davidstern und Halbmond geschickt einzubringen gewusst. Aber dann wurde in "Die Welt" auch die Stimme des Theologen und Präsidenten des Fördervereins Berliner Schloss hörbar, der geschichtsbeflissen daran erinnerte, wie eigentlich der damalige Kaiser, der die Kuppel mit dem Kreuz auf seiner Residenz errichten ließ, nicht nur an das "Gottgnadentum" erinnere, sondern - abgekürzt gesprochen - daran, wie dieser sich unter die Souveränität Gottes stellte, ähnlich wie es die Väter des deutschen Grundgesetzes 100 Jahre später in die "Präambel" für jeden von uns hineingeschrieben haben (Lesenswert in: Die Welt, 31.05.2017).
Verehrter Llarian, mein Nachdenken und Resümee in dieser Sache: Das Stehen oder der Verbleib in der Kirche Christi muss grundsätzlicher gesehen werden. Die Kirche ist kein Verein, den man beliebig wechseln kann. Sie verpflichtet. Meinetwegen so - wegen der naheliegenden Vergleichsebene des Personals - wie es im Film "Adel verpflichtet" komödiantisch dargestellt ist. Aber das genügt nicht. Es bedarf der Einsicht in das, in dem man steht - und woran man leidet. Es kann einem dann auch auf politischem Terrain - für sich und für andere - Stand geben.
Zitat von Simon im Beitrag #20Verehrter Llarian, mein Nachdenken und Resümee in dieser Sache: Das Stehen oder der Verbleib in der Kirche Christi muss grundsätzlicher gesehen werden. Die Kirche ist kein Verein, den man beliebig wechseln kann. Sie verpflichtet. Meinetwegen so - wegen der naheliegenden Vergleichsebene des Personals - wie es im Film "Adel verpflichtet" komödiantisch dargestellt ist. Aber das genügt nicht. Es bedarf der Einsicht in das, in dem man steht - und woran man leidet. Es kann einem dann auch auf politischem Terrain - für sich und für andere - Stand geben.
Vielen Dank, lieber Simon, für diesen bedenkenswerten Text. Nebenbei, ich bin nicht ausgetreten. Meine Begründung für mich persönlich: Ich kann auch nicht aus dem deutschen Volk austreten. Ich gehöre einfach dazu, bin dort sozialisiert und hatte nebenbei auch zwei deutsche Eltern und vier deutsche Großeltern. Ich muss alles mittragen, das, was mir an Deutschland, meinem Heimatland nicht gefällt und auch die gesamte, zum Teil grauenhafte Geschichte meines Volkes. Danebem gibt es in Deutschland auch viel Schönes und Gutes, das ich sehr zu schätzen weiß, ja liebe (merkwürdig. Wenn ich das schreibe, kommt mir der Gedanke, dass dieses Wort "lieben" vielleicht schon zu schwülstig sein könnte. Man wagt das in diesem Zusammenhang kaum zu benutzen. Ich glaube, von Gustav Heinemann gibt es dazu einen Kommentar https://de.wikiquote.org/wiki/Gustav_Heinemann. Man liebt seine Frau aber nicht den Staat). Ich weiß allerdings von Menschen, die den von mir vorgeschlagenen Weg gegangen, aus der Kirche ausgetreten sind und ihre Steuer gespendet haben. Man mag mir übrigens mit Recht einwenden, dass eine Kirche kein Staat ist. Man kann die Kirche ohne großen Aufwand verlassen. Das ist, die Motive für den Austritt einmal unberücksichtigt, in meinen Augen gut und spricht für unseren Staat und auch die Kirchen, bzw. für die Trennung von Staat und Kirche. Aus dem Islam kann man nämlich nicht austreten, ohne sich an Leib und Leben zu gefährden. Man kann übrigens durchaus dem Judentum beitreten. Das ist aber aus gutem Grund ein langer Weg, denn die Ernsthaftigkeit muss bewiesen werden.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #15 Na ich hoffe doch mal, dass "unsere Kultur und Tradition" nicht erst 1871 im Spiegelsaal zu Versailles erfunden wurde (dann könnte man sich auf die Aufklärung nicht mehr berufen). Im Gegenteil - historisch gesehen ist der Nationalstaat eigentlich sogar explizit keine deutsche Tradition - selbst als er nach den Napoleonischen Kriegen überall sonst groß in Mode gekommen war, haben die Deutschen am Flickenteppich aus größeren und kleineren Territorialfürstentümern festgehalten.
Ja, aber umso länger das her ist, umso mehr verblasst es gegen neuere Teile der Kultur. "Meine" Kultur ist im Wesentlichen in den letzten 80 Jahren entstanden, natürlich gehören auch die davor dazu, aber zu einem immer mehr schwindenden Anteil. Wenn man ins Extrem geht, waren "die Deutschen" schon Teil des gallischen Krieges (zumindest steht da was bei Caesar), aber die Anteile sind inzwischen recht verschwindend. Für mich ist der Nationalstaat ein fester Bestandteil der deutschen Kultur und Tradition.
Zitat Und was die Religion angeht, die in der Politik nichts verloren hatte: Noch nach der Paulskirchenrevolution hat der König von Preußen die Kaiserwürde abgelehnt, weil er sie nicht aus den Händen eines Parlamentes entgegennehmen wollte, sondern nur durch Gottesgnadentum.
So weit musst Du gar nicht zurück gehen, schon in der Präambel des Grundgesetzes findet sich ein Anruf an den (christlichen) Gott. Was aber nix daran ändert, dass wir in Deutschland eine Demokratie sind, in die die Kirche sicht erst einmal nicht einzumischen hat. Ich finde das auch durchaus Teil einer urchristlichen Tradition, die mir das Christentum durchaus sympathisch macht: Jesus hat sich (nicht immer aber meistens) nicht in politische Dinge eingemischt, sondern beim Menschen, respektive Individuum, angesetzt. Zumindest war das immer mein Verständnis. In dieser Form der "Gesellschaftsformung", die der derzeitigen evangelischen Kirche vorschwebt, erkenne ich mehr die Kirche des Mittelalters als das Urchristentum.
Zitat von Simon im Beitrag #20 Allerdings: Sollten wir uns nicht die Mühe machen und uns z. B. fragen, warum "einen die Juden erst recht nicht nehmen"? - Da liegt für mich doch - abgesehen von der Frage einer eigenen Nationalität - die Antwort auf der Hand: Weil sie uns christlich Sozialisierten nach allem, was wir ihnen in den 2000 Jahren "nach Christus" angetan haben, nicht (mehr) trauen (können).
Aber so ganz und gar nicht, lieber Simon. Da ich den Prozess inzwischen auch ganz gut kenne (aus Gründen, die nicht in dieses Forum gehören), habe ich für mich eher eine gänzlich andere Erkenntnis gewonnen: In das Judentum ist schwer einzutreten, weil das Judentum sich selber als Glaube, aber auch Bürde versteht. Wer nicht zum Judentum gehört, muss sich an das mosaische Gesetz halten, um gerecht zu sein. Das ist vergleichsweise einfach. Wer dagegen ins Judentum eintreten will, der muss (fast) unendlich viele andere Dinge beachten. Wer, der klar bei Verstand ist, könnte das wollen? Ein geborener Jude hat keine Wahl, die Gesetze sind ihm auferlegt. Aber ein Nichtjude? Soweit ich den Konversionsprozess kennengelernt habe, muss man sich ganz schön Mühe geben, glaubhaft zu machen, dass man sich dem wirklich unterwerfen will. Mit Herkunft hat das in meiner Erfahrung nichts zu tun. Ich spreche ja hier nicht von Einwanderung, sondern von der Aufnahme in einen Glauben. Aber ich wollte mit diesem Halbsatz eigentlich gar keine Diskussion auslösen.
Zitat Wir fühlen uns nach 70 Jahren Friedenszeit in unserm Land auch nicht mehr wirklich verantwortlich für das schändliche Tun unserer Vorfahren. -
Ist zwar auch wieder ein Halbsatz und ein ganz anderes Thema, aber ich für meinen Teil fühle mich weder wirklich noch nicht wirklich für etwas verantwortlich, was 40 Jahre vor meiner Geburt geschehen ist.
Zitat Die Kirche ist kein Verein, den man beliebig wechseln kann. Sie verpflichtet.
Dann darf sich die Kirche eben auch nicht wundern, dass immer mehr Leute austreten. Früher hat das mit der Verpflichtung tatsächlich funktioniert, weil die Leute wirklich an das Seelenheil geglaubt haben, dass die Kirche verkündet. Ist ja auch was schönes. Für Leute, die das aber so nicht glauben, ist die Kirche eben tatsächlich nicht mehr als ein Verein. Den ich vielleicht nicht wechseln kann, aus dem ich aber austreten kann. Und genau das werde ich in den kommenden Tagen tun (Adresse habe ich mir heute rausgesucht). Eine Verpflichtung, lieber Simon, setzt m.E. nach eine Form von Bringschuld hinaus, die in irgendeiner Form auf eine eigene Handlung zurück geht. Ich wüsste nicht welche Verpflichtung ich gegenüber der Kirche haben sollte. Ich habe keine "Verpflichtung zu leiden".
Zitat von Meister Petz im Beitrag #15 Ja, aber umso länger das her ist, umso mehr verblasst es gegen neuere Teile der Kultur. "Meine" Kultur ist im Wesentlichen in den letzten 80 Jahren entstanden, natürlich gehören auch die davor dazu, aber zu einem immer mehr schwindenden Anteil. Wenn man ins Extrem geht, waren "die Deutschen" schon Teil des gallischen Krieges (zumindest steht da was bei Caesar), aber die Anteile sind inzwischen recht verschwindend. Für mich ist der Nationalstaat ein fester Bestandteil der deutschen Kultur und Tradition.
Die Aufklärung hättest Du aber schon gern dabei, oder? Rosinenpicken gildet nicht . Zitat:Ich finde das auch durchaus Teil einer urchristlichen Tradition, die mir das Christentum durchaus sympathisch macht: Jesus hat sich (nicht immer aber meistens) nicht in politische Dinge eingemischt, sondern beim Menschen, respektive Individuum, angesetzt. Zumindest war das immer mein Verständnis. In dieser Form der "Gesellschaftsformung", die der derzeitigen evangelischen Kirche vorschwebt, erkenne ich mehr die Kirche des Mittelalters als das Urchristentum.
Das Interessante ist ja, dass sich die katholische und die Lutherische Position beide mit dem Evangelium rechtfertigen lassen. Wenn man die zwei Mustersätze "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist" und "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" heranzieht, so schließt der Katholik draus, dass ihm die weltliche Obrigkeit erstmal gar nix kann (vor allem in geistlichen Dingen), während der Lutheraner die jeweilige Obrigkeit (bis hin zur NSDAP) als gottgewollt anerkennt und sich in weltlichen Dingen in ihren Dienst stellt.
Dass die von Dir beschriebene urchristliche Tradition so schnell untergegangen ist, lag daran, dass sie im römischen Reich entstanden ist, wo es eine Staatsreligion gab, die neben viel Volksreligion auch den Staat (in Person des Kaisers) vergöttlicht bzw. die Religion verstaatlicht hat. Dieser Dualismus setzt sich zuerst im christlichen Rom unter Konstantin und dann im HRR (das sich ja nicht umsonst auf diese Tradition berufen hat), aber auch im Gallikanismus und in England (Suprematseid) fort und hat immer diejenigen verfolgt, die ihm das "Jesusmodell" entgegengesetzt haben - zunächst die Christen selbst, die sich weigerten, den Kaiser als göttlich anzuerkennen.
Zitat von Llarian im Beitrag #23Wer nicht zum Judentum gehört, muss sich an das mosaische Gesetz halten, um gerecht zu sein. Das ist vergleichsweise einfach.
An das mosaische nun ja gerade nicht. Meinten sie die noachitischen Gebote oder war das wieder was anderes?
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