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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 1.022 mal aufgerufen
 Zeitgeschichte und Politik
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.12.2007 23:54
Eine Familientragödie, ein Korruptionsbericht und die deutsche Befindlichkeit Antworten

Zwei Meldungen, die an der Oberfläche nichts miteinander zu tun haben: Eine Mutter tötet ihre Kinder; es wird eine Umfrage vorgestellt, derzufolge die Deutschen in ihrem Land besonders viel Korruption vermuten.

Mir scheint, es gibt einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen. Davon handelt dieser Beitrag.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

07.12.2007 09:37
#2 RE: Eine Familientragödie, ein Korruptionsbericht und die deutsche Befindlichkeit Antworten

Lieber Zettel,

mich erstaunt immer, welch grenzenloses Vertrauen in den Staat gesetzt wird, obwohl er doch gerade eben wieder bewiesen hat, daß er diesem Vertrauen nicht gerecht wurde! Das Jugend-, Sozial- und wer weiß was noch für ein Amt war doch zuständig, oder? Aber statt die Tatsache zu akzeptieren, daß Ämter genauso versagen können wie wir selbst (Und es gibt durchaus Gründe anzunehmen, daß sie bei weitem schlimmer sind), werden ihnen noch mehr Aufgaben aufgedrückt und noch mehr Macht eingeräumt!
Ich bin meinen Gemeinschaftskundelehrern sehr dankbar dafür, daß sie immer wieder betont haben, daß die Menschen sich vor dem Staat schützen müssen, daß sie, wenn sie sich nicht widersetzen, ihre Freiheit verlieren. Und das geht schneller als man denkt!
Seid aber gewiß, daß das Geheimnis des Glücks die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit abr der Mut ist. (Perikles)

Herzlich, Thomas

C. Offline




Beiträge: 2.639

07.12.2007 10:14
#3 RE: Eine Familientragödie, ein Korruptionsbericht und die deutsche Befindlichkeit Antworten

Guten Morgen,

In Antwort auf:
Der Glaube, daß der Staat den Auftrage habe, das Glück "seiner" Bürger zu sichern und sie vor allen Fährnissen zu bewahren, und sei es vor der Attacke einer Schizophrenen, ist längst nicht mehr auf die deutsche Linke beschränkt. Er ist - das Wort scheint mir allmählich angemessen zu werden - zu einer gesellschaftlichen, einer politischen Obsession geworden


So ist es mit dem glauben, allerdings hast Du dafür schon einmal die Gründe plausibel dargelegt am Beipiel des Aktionismus von Herrn Schäuble.

Natürlich ist sich auch Frau von der Leyen bewusst, dass es solche vorgänge immer wieder geben wird wie sich auch Schäuble bewusst ist, dass ein Anschlag eben nicht zu vermeiden ist, aber man will sich nicht den Vorwurf gefallen lassen nicht alles in der Macht stehende getan zu haben. Das ganze hat ja auch ein paar wunderschöne Nebeneffekte, schafft Arbeitsplätze auf Staatskosten, lässt sich medienwirksam verkaufen und schürt die Illusion, dass der Staat irgendetwas ausrichten könnte, auch dort wo er gar keine Chance hat oder wo es ihn nichts angeht.

Interessant in diesem Zusammenhnang ist tatsächlich das Ergebnis der Umfrage zur Korruption: ganz vorne liegen politische Parteien, Medien und das Parlament.

http://www.welt.de/politik/article1435309/.html#reqNL






Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.12.2007 14:07
#4 Der Staat als Super-Nanny Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Aber statt die Tatsache zu akzeptieren, daß Ämter genauso versagen können wie wir selbst (Und es gibt durchaus Gründe anzunehmen, daß sie bei weitem schlimmer sind), werden ihnen noch mehr Aufgaben aufgedrückt und noch mehr Macht eingeräumt!

Ich habe, lieber Thomas, zunehmend den Eindruck, daß der Staat an die Stelle nicht nur der Eigeninitiative, der Eigenverantwortung der Bürger tritt, sondern auch gleich noch Kirche, karitative Organisationen, Nachbarschaftshilfe ersetzen soll.

Nein, diese Familientragödie war nicht zu verhindern - nicht, weil die Ämter versagt hätten, sondern weil es im Leben eben Risiken gibt, die der Staat nicht aufheben kann.

Und auch nicht soll! Natürlich könnte man jeder Familie, in der es Probleme gibt, eine Super-Nanny zur Seite stellen, die sie "betreut", d.h. unmündig macht.

Man kann den Leuten beibringen, statt die Oma oder die Tante um Rat zu fragen, zur staatlichen Psycho-Beratungsstelle zu laufen.

Man kann dann, wenn sie ein Unglück getroffen hat, Unglücks-Profis auf sie loslassen. Wenn ich es recht mitbekommen haben, sind jetzt nach dieser Familientragödie gleich vier Seelsorger im Einsatz.

Wenn Leute wirklich psychisch krank sind, dann brauchen sie natürlich die Hilfe von Psychologen oder Psychiatern. Aber diese Neigung, überall Helfer einzusetzen, am besten staatliche verordnete, wo jemand ein Problem hat, führt doch unweigerlich dazu, daß wir es verlernen, uns unseren Problemen selbst zu stellen und mit ihnen fertigzuwerden.
Zitat von Thomas Pauli
Seid aber gewiß, daß das Geheimnis des Glücks die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit abr der Mut ist. (Perikles)

Ich habe jetzt nicht nachgesehen, vermute aber, daß Thymós mit "Mut" übersetzt ist. Das ist viel mehr als Mut; es ist bei Platon dasjenige Seelenvermögen, das er dem Brustkorb zuordnet (so wie den Nous, den Geist, dem Kopf und die Begierden der Bauchhöhle). "Charakter" trifft vielleicht am besten, was mit Thymós gemeint ist. ("Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich der Charakter in dem Strom der Zeit").

Machiavelli verwendet im "Fürsten" immer wieder den Begriff virtú, der etwas Ähnliches meint.

Herzlich, Zettel


PS: Im Titel stand zuerst "Der Statt als Super-Nanny". Das war ein hübscher Freud'scher Verscheiber.
Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

07.12.2007 14:21
#5 RE: Der Staat als Super-Nanny Antworten
Lieber Zettel,

richtig, in diesem Fall hat der Staat nicht versagt, sondern es bloß auch nicht verhindern können. Vielerseits wird dies aber als Versagen wahrgenommen, insbesondere dort, wo man an die Omnipotenz des Staates glauben soll oder will. Natürlich ist dies der Bürokratie insofern willkommen, als sie sich neue Mittel und eine Ausweitung ihrer Kompetenzen erhofft. Daß aber diese Taktik des "Mehr vom Gleichen" schon lange im Bereich der "Diminishing Returns" angekommen ist und daher nicht mehr Sicherheit sondern nur mehr Unfreiheit bringt, sollte doch langsam bekannt sein - und doch rufen die Schafe immer lauter nach dem Schäfer!

Herzlich, Thomas
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.12.2007 14:34
#6 Wann brauchen wir den Staat? Wo sollte er sich heraushalten? Antworten

Dear C.,

Zitat von C.
... allerdings hast Du dafür schon einmal die Gründe plausibel dargelegt am Beipiel des Aktionismus von Herrn Schäuble.

Natürlich ist sich auch Frau von der Leyen bewusst, dass es solche vorgänge immer wieder geben wird wie sich auch Schäuble bewusst ist, dass ein Anschlag eben nicht zu vermeiden ist, aber man will sich nicht den Vorwurf gefallen lassen nicht alles in der Macht stehende getan zu haben.

Schäuble kam mir auch in den Sinn, als ich das geschrieben habe, auf das du dich jetzt beziehst. Und eigentlich habe ich a bisserl darauf gewartet, daß jemand, der meinen Beitrag mit Scharfsinn liest, den Widerspruch anspricht. Den vermeintlichen, wie ich allerdings denke.

Wie du zart angedeutet hast, bin ich ja in Bezug auf das, was Schäuble will, anderer Meinung. Anderer Meinung als in Bezug auf das, was von der Leyen will; anderer auch als du, vermute ich.

Ich sehe da nämlich einen fundamentalen Unterschied.

Der Staat (der Nachtwächter-Staat, wie ich ihn befürworte) muß dann über das normale Maß hinaus tätig werden, wenn die Allgemeinheit bedroht ist. Das ist sie, wenn z.B. das Verbrechen in einer Stadt überhand nimmt; wie seinerzeit in New York. (Inzwischen dank Rudy Giuliani bekanntlich eine der sichersten Großstädte der Welt). Das ist dann Fall, wenn Terroristen uns bedrohen. Denn die wollen ja nicht die Leute schädigen, die in einem AKW arbeiten oder in seiner Umgebung wohnen. Sondern sie wollen unsere Gesellschaft schädigen, unsere Kultur, unsere Werte.

Deshalb bin ich auf der Seite Schäubles, wenn er ein hartes Durchgreifen gegen den Terrorismus verlangt.

Aber wenn durch eine psychische Erkrankung eine Familientragödie passiert; wenn eine hilflose Frau ihre Neugeborenen tötet - dann tangiert das nicht das Gemeinwesen.

Herzlich, Zettel

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

07.12.2007 16:54
#7 RE: Wann brauchen wir den Staat? Wo sollte er sich heraushalten? Antworten

Lieber Zettel

Verbrechen sind nicht zu verhindern, weder diese Kindermorde noch übrigens Terrorismus. Man kann nur versuchen soweit es möglich ist vorzubeugen.

In der Terrorismusbekämpfung, das habe ich auch schon ausgeführt bin ich nicht der Meinung von Schäuble, für meinen Teil bin ich nicht bereit zu viele Bürgerfreiheiten aufzugeben nur weil Politiker behaupten, dies sei notwendig um die Terroristen zu bekämpfen.
Ich glaube das die Möglichkeiten der Polizei sehr wohl ausreichend sind.
Ganz davon abgesehen traue ich mir erheblich mehr Wissen in der modernen Technik zu als sämtlichen Politikern, die nachweislich davon keine Ahnung haben und leider auch häufig nicht auf die Berater hören die Sie vielleicht hätten.
Denn das was Schäuble fordert, bekomme schon die Kids ausgehebelt.

In diesem Fall jedoch der psychisch kranken Frau, die fünf Kinder umbringt ist dies natürlich schon sehr suspekt. Natürlich kann ein Staat nicht generell Verbrechen die durch diese Krankheit verursacht werden verhindern. Nur macht es mich sehr stutzig, weil diese Frau in entsprechender Behandlung war und auch unter der Kontrolle des Jugendamts stand.

Da frage ich mich natürlich, wieso man so leichtfertig einer psychisch kranken Frau die Betreuung von fünf Kindern überlässt.
Und ob man diesen Mord nicht doch hätte verhindern können, ist hier sehr wohl die Frage.

Es erinnert mich doch sehr verdächtig an die großartigen Reedereien von Psychiatern, die einsitzende Sexualmörder und sonstige Schwerverbrecher beurteilen und dann immer mit der großartigen Prognose kommen es ginge gar keine Gefahr mehr von ihm aus, er hätte sich wunderbar entwickelt und alles sei eitel Freude Eierkuchen.

Und wenn der Bursche dann rausgekommen ist, hat er schon am ersten Tag wieder jemanden umgebracht.
Die lapidare Erklärung der Psychiater dann tja, das sei einfach nicht vorhersehbar gewesen, man könne eben doch nicht in einen Menschen reinsehen.


Herzliche M. Schneider

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.12.2007 17:20
#8 RE: Der Staat als Super-Nanny Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Daß aber diese Taktik des "Mehr vom Gleichen" schon lange im Bereich der "Diminishing Returns" angekommen ist und daher nicht mehr Sicherheit sondern nur mehr Unfreiheit bringt, sollte doch langsam bekannt sein.

Treffender Hinweis. Aber wer, der nach dem Staat ruft, hat schon mal was von Grenznutzen gehört?

Der Staat kann mit wenig Einsatz viele Fälle von Vernachlässigung von Kindern verhindern. Soweit stimmt es ja; es gibt es ja auch schon seit dem 19. Jahrhundert, zunächst unter dem Namen "Fürsorge"; der Beruf hieß noch vor ein paar Jahrzehnten "Fürsorgerin". (Weiblich, denn es war ein Frauenberuf).

Also, so schließt man - dann müßte man doch mit etwas mehr Einsatz überhaupt jede Vernachlässigung von Kindern verhindern können.

Statt in Extremfällen einzugreifen, soll der Staat uns alle unter seine Fittiche nehmen. Daß die Kosten überproportional steigen, mit immer geringerer Wirkung, je mehr man das versucht - tja, damit die Öffentlichkeit das versteht, müßten halt Grundzüge der Ökonomie zum Allgemeinwissen gehören.

Aber Ökonomie und Astronomie - davon versteht der Gebildete ja bekanntlich nix, und ist stolz darauf. (Mir hat küzrlich eine sehr gebildete Dame versichert, sie hätte keine Ahnung, wie weit Mond und Mars von der Erde entfernt seien).

Herzlich, Zettel

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