Lieber Herr Weimer, von philosophischer und theologischer Exegese verstehe ich wenig, darum kann ich dazu wenig beitragen, aber von Robotik, insbesondere künstlicher Intelligenz, sollten Sie besser nur dann schreiben, wenn Sie einen tiefen Einblick in dieses Fach haben. Und ihre Zeilen widersprechem dem sehr deutlich. Einen noch so genialen Philosophen und Wissenschaftler aus dem 17. Jahrhundert bei diesem Thema ins Feld zu führen, ist ungefähr genauso sinnvoll wie Jules Vernes zu verwenden, wenn es darum geht eine Mondrakete zu bauen. Die künstliche Intelligenz hat in den letzten 50 Jahren eine Menge Fortschritte gemacht, beängstigende Fortschritte, je nachdem aus welcher Perspektive man das ganze sehen will. Und die Gefahr ist absolut real. Eine Maschine braucht keine Gefühle um des Menschen Feind zu sein, eine Kugel hat auch keine Gefühle und ist trotzdem tödlich. Killermaschinen existieren bereits heute, nur sind sie eben bis heute einem menschlichen Willen unterworfen. Das ist absolut änderbar.
Eine künstliche Intelligenz (der Begriff Roboter ist ja nur eine, noch dazu extrem eingeschränkte, Form, die eine solche tragen könnte) kann durchaus reflektieren, Ziele haben, eine Ethik vertreten. Genauso wie Menschen das auch tun. Die menschliche Fähigkeit der Reflektion, der Entwicklung von Plänen und Zielen ist absolut nichts besonderes. Und menschliche Gefühle sind eher sogar noch einen Level darunter und dienen vor allem dem Herunterbrechen von komplexen Analysen auf beherschbares Niveau, eine Technik die eine hochentwickelte Maschine vermutlich gar nicht mehr nötig hat. Es ist eher ein Bug als ein Feature.
Dazu kommt in ihrer Beschreibung ein bekannter Logikfehler, den ich mal sehr gut in der Doktorarbeit einer Kollegin (ihres Zeichens inzwischen Professor für Robotik & KI) gelesen habe: Jahrhundertelang haben die Menschen geglaubt, dass Fliegen nur möglich ist, wie Vögel oder Insekten das tun. Entsprechend haben sie versucht das zu entwickeln und sind am Ende alle gescheitert. Als der Menschen wirklich den Flug "entdeckte" folgte er am Ende gänzlich anderen Gesetzen und sah ganz anders aus, als sich all die Menschen in den Jahrhunderten vorher das vorgestellt hatten. Ein Flugzeug hätte sich niemand aus dem siebzehnten Jahrhundert vorstellen können. Wenn wir heute über künstliche Intelligenz nachdenken, dann machen wir nahezu alle den Fehler zu glauben, ein denkende Computer müsse die Kopie eines menschlichen Geistes sein. Doch das ist mit aller Sicherheit falsch. Es mag eines Tages Maschinen geben, die gänzlich anders denken als wir es uns heute auch nur vorstellen können und es könnte sogar sein, dass wir nie verstehen, warum sie überhaupt funktionieren. Das ist der Maschine allerdings egal.
Und nur ein Narr würde glauben eine solche Maschine sei keine Gefahr für ihn.
Zitat von Llarian im Beitrag #2Lieber Herr Weimer, von philosophischer und theologischer Exegese verstehe ich wenig, darum kann ich dazu wenig beitragen, aber von Robotik, insbesondere künstlicher Intelligenz, sollten Sie besser nur dann schreiben, wenn Sie einen tiefen Einblick in dieses Fach haben. Und ihre Zeilen widersprechem dem sehr deutlich.
Hoppla! Ist bei Einstellung des Themas von Kallias nicht (vorsichtshalber) darauf hingewiesen worden, dass man sich besser darauf einstellt, möglicherweise mit Gedanken anfreunden zu sollen, die einem nicht so glatt hinuntergehen wie etwa: Möglichkeiten und Grenzen der Robotik und KI? Ich muss gestehen, dass ich den Text von Prof. Weimer auch nicht in der heute meist einem Artikel vorangestellten journalistischen Minimalzeit - in Minuten messbarbar - lesen bzw. erfassen konnte.
Von Menschenbildern (Kallias) handele der Text. Zu ergänzen wäre: bisweilen im Vergleich zu einer vom Menschen entwickelten Maschine, deren Fähigkeiten vielleicht nicht exakt genug abgebildet worden sein mögen. - Wenn er darüber hätte schreiben wollen, dann hätten Sie recht mit Ihrer Warnung. - So viel nur dazu - obwohl ich mich schon über die mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft wundere, in Analogien zu denken/denken zu wollen.
Von "Bedrohung" ist die Rede - schon im Titel. Aber gleich in Negation auf den "Roboter" hin. Und vielleicht - nicht elegant genug ausformuliert - als Anfrage: was als das eigentlich Bedrohende erscheinen könnte. Ein Essay, der in verschiedene Richtungen ausgreift.
Ein erster Signalsatz steht eingangs - vor dem anschließenden (unterscheidend gemeinten) Vergleich:
Zitat Der Mensch versteht seine Stärke in der Schwäche nicht mehr, er stuft sich herab auf eine bloß höhere Tierart ohne freien Willen, mit nur automatischen Gefühlen, wie eine langsame Schnecke oder ein seelenloser Affe.
Zugegeben: Ein schwer zu verdauender - paradox formulierter - Satz, der aber sofort Sinn-trächtig, einleuchtend ist, wenn ich bedenke, dass der Mensch mit seinem freien Willen - vorrangig mit ihm! - dem Tier unterlegen ist. Das "automatisch" sollte man nicht vorschnell auf den anschließenden Vergleich beziehen. Gemeint ist, das tun müssen beim Tier; weiterhin das "seelenlose" tun müssen.
Entscheidend ist m.E., dass schon an dieser Stelle sozusagen stillschweigend das Reflektierte ausgeschlossen erscheint. Alles geschieht beim Tier "automatisch". - In dieser Hinsicht kann dann ein Vergleich mit einem wie immer beschaffenen Roboter angebracht und verständlich sein.
Auch ich musste mich vortasten, um schließlich das eigentlich gemeinte Bedrohende in der Fülle von Fakten und Gedanken begreifen zu können.
Das Bedenkenswerteste - was ein Christ von einem aufgeklärten theologischen Standpunkt her wahrnehmen sollte - steht am Schluss. Ich meine es deshalb (formal ein wenig aufbereitet) noch einmal zitieren zu sollen:
Zitat Der Gottesglaube ist im Abendland, außer in religiösen Rückzugswinkeln, tot. Ein Ersatz wird gern in der Kunst gesucht. Sie wird zum großen Stimulans, zur Gegenkraft, zum Erlöser oder Verklärer des Leidens. Bereitet aber auch sie nicht den Nihilismus vor?
Nietzsches Bote mit der Nachricht „Gott ist tot“ meinte zwei Dinge: 1) Der Gottesglaube bewegt die Menschen heute nicht mehr. Und 2) Eine ernstzunehmende christliche Theologie nach der Aufklärung ist nirgends zu sehen.
Pascal und Nietzsche durchschauten Vieles. Beide lobten das frühe Judenchristentum.
Wir ahnen, dass ihre persönliche Verletzung und Kritik an einer nicht-aufgeklärten Theologie eine berechtigte Religionskritik war. Sie sahen eine falsche Praxis und griffen sie an.
Der Postchrist Nietzsche kannte nicht mehr die Kriterien der Unterscheidung zwischen Religion und biblischem Glauben.
So wandte er sich gegen den Begriff Geschichte und gegen die Bedeutung von Personen für die Geschichte des Gottesvolkes mit seinem Gott, also gegen den Erfahrungsort und hielt nur allgemeingültige ethische Prinzipien für wichtig.
Pascals Entdeckung des besonderen Gottesvolkes der Juden als Experiment für die Frage nach Gott und der Menschenwürde kannte oder erkannte er nicht.
Es mag daran liegen, dass er wie schon Lessing an der biblischen Wunder-Sprache und an den Dogmen-Streitereien scheiterte. Aber in der Hauptsache sah er sich im Stich gelassen bei seiner Frage: „Aus der bekannten Welt ist der humanitäre Gott nicht nachzuweisen: so weit kann man euch heute zwingen und treiben. Aber welchen Schluss zieht ihr daraus?“ (Nachlass)
Es fehlten also die zeitgenössischen Wunder durch ein Gottesvolk.
Nietzsche verlangte das Eingeständnis Entweder - Oder. Da diese Beichte ausblieb und keine starken Christen erschienen, musste er den starken neuheidnischen Menschen fordern. Nicht die Roboter bedrohen die Menschheit, sondern der Verlust der Menschenwürde auf Seiten des Postchristentums und das Ende der Kulturkraft auf Seiten der Kirchen. Ludwig Weimer
Dank für Ihre Einwände zu meinem Ausgangspunkt (Angst vor der Hexenkunst Technik). Es ist eine Gefahr, dass der Lehrling die Kunst des Meisters anwendet und die Folgen nicht mehr stoppen kann. Natürlich ging es mir mehr um den zweiten Teil, um meine Angst vor einer naturwissenschaftlichen Reduzierung der Anthropologie als bloßer Teil der Zoologie.
Gleich heute am Montag (16. 10.17) sehe ich zwei Beiträge in der Zeitung "Die Welt" zu Ihrem, dem ersten Thema.Seite 22: "Künstliche Intelligenz. Viele Deutsche sehen mögliche Bedrohung". 41 Prozent sähen in der KI eine Bedrohung für das Überleben der Menschheit. In Großbritannien und den USA ähnlich viele. Man fürchtet um den Arbeitsplatz, aber auch um die Privatsphäre, und dass die Technik außer Kontrolle und in die Hände von Kriminellen geraten könne.
Das Zweite ist viel umfänglicher und steht samt den Listen der Umfrage im Wirtschaftsteil: "Sex-Maschine. Die Deutschen sind vernarrt in Technik - offenbar auch im Bett: Jeder zweite Mann würde einen Roboter für Liebesdienste testen. Die Hersteller wittern große Geschäfte." Ich denke, diese lange Überschrift genügt.Die zwei Autor(inn)en führen ins Feld, dass sich aber in Deutschland 62 und in den USA 70 Prozent der Frauen betrogen fühlen würden und ihr Schlusssatz lautet: "Es scheint, als würde künftig eine menschliche Regung die Maschinen in Schach halten: die Eifersucht".
Auffällig ist für mich, wie sehr Zahlenverhältnisse aus Umfragen die Moral beeinflussen, als gäbe es nur eine demokratische Wahrheit und keine der Menschenwürde an sich.
Ihre drei letzten Sätze, lieber Herr Llarian, zu einem künftigen Computer mit Geist, kann ich als Mensch aus dem 20. Jahrhundert noch nicht nachvollziehen. Er wäre, was das kleine Säugetier nach dem Aussterben der Dinosaurier war und im Menschen wurde? Gibt es diesen Sprung von Zahlen und Technik in die Welt von Leben und Geist, wenn und weil der Zauberlehrling Mensch ihn ermöglicht??
Ein mittlerweile auch angejahrtes Phantasma, das sich aus diversen Schienen der Automaten-Phantasien, mit denen das Stichwort "Roboter" im Lauf der Zeit gefüllt worden ist, speist - und zugleich das unrealistischste. Diese spezielle Maschinenmensch-Projektion verdankt sich unmittelbar der Romantik: E.T.A. Hoffmann hat sie mit seiner Olympia in die Welt gesetzt und Villiers de l'Isle Adam mit seiner Eve Futur rundgemacht. Bis zu Lester del Reys Erzählung "Helen O'Loy" (1938) wird das über die Dienerin/Haushaltshilfe geführt; der blatant mitschwingende Sexualitätsfaktor kommt erst im Kielwasser der "sexuellen Revolution" hinein; Texte, die das explizit (und anders läßt sich das nicht fiktional durchspielen) in den Fokus rücken, sind allerdings selten (Tanith Lees The Silver Metal Lover von 1977; interessanterweise sind das, wie auch in Barbarella (1967), oft "männliche" Automaten). Im wirklichen Leben wird dergleichen nie eine Rolle spielen. Schon jetzt gibt es für niedrige 4-stellige Summen lebensgroße Sexpuppen zu erwerben, die aber im RL keine Auswirkung haben und deren Verkaufszahlen sehr übersichtlich sein dürften. Weil es eben läppische Masturbationshilfen sind und von gleicher Peinlichkeit - und, verstärkend: aus dem gleichen Grund, warum Gadgets wie Asimov-inspirierte "Automatenwesen" wie Asimo (eben!) oder Aibo nie mehr als Medienkuriositäten waren. Aufwand und Ergebnis sprechen für sich.
Zitat Es ist eine Gefahr, dass der Lehrling die Kunst des Meisters anwendet und die Folgen nicht mehr stoppen kann. Natürlich ging es mir mehr um den zweiten Teil, um meine Angst vor einer naturwissenschaftlichen Reduzierung der Anthropologie als bloßer Teil der Zoologie.
Die Gefahr ist jedweder techne inhärent; die Unplanbarkeit, die unabsehbaren Folgen und die Umwälzungen auf jedem Gebiet sind nicht nur Folge davon; sie sind auch unabdingbar notwendig für ihren Erfolg. Das gilt für jede Kulturtechnik; angefangen mit der Landwirtschaft, der Domestizierung von Tieren (und des Menschen selbst; in dem Fall nennt man das Kultur) und der Fertigung von Werkzeugen. Natürlich ist alles, was wir an "nicht-natürlicher" Umwelt um uns sehen: jedes Gebäude, jedes Stück Technik oder das, was damit erzeugt wird, auch die Tastatur, auf der ich das tippe; die Datenleitungen; die Kraftwerke, die sie mit Strom versorgen, ein Stück Biologie. Die Biologen nennen das einen "erweiterten Phänotyp". Auch alles Schriftliche fällt darunter, als da Gedächtnisinhalte aus der biologischen Maschinerie ausgelagert und besser verschaltbar, dauerhafter gespeichert, anderen Lesern zugänglich gemacht usf. werden. Es führt nur auf Abwege, die speziellen Kategorien, die sich aus der Analyse der "reinen Biologie" ergeben ("Zoologie") hier anzuwenden (obgleich sie selbstredend gültig sind): weil sich durch diese Erweiterung des evolutionären Spielfeld neue Regeln ergeben (ebenso prinzipiell unvorhersehbar und unberechenbar, sie emergieren) - so wie es unsinnig wäre, etwa Funktionen und Bestimmung eines Computerprogramms auf die Zustandsänderungen der Transistoren herabzubrechen.
Zitat Gibt es diesen Sprung von Zahlen und Technik in die Welt von Leben und Geist, wenn und weil der Zauberlehrling Mensch ihn ermöglicht?
Bislang gibt es ihn nicht ansatzweise. Und weil hier die KI-Forschung hier seit ziemlich genau 50 Jahren (also seit gut 5 Generationen, nach dem Zeitmaß in dieser Branche) auf der Stelle tritt, darf man seine Sorge erst einmal wohl getrost einmotten. Das war die Idee der "starken KI", also der Emulation einer Ratio, eines Verstandes, eines aus Algorithmen programmierten Systems, daß ein Verständnis und eine, wie gering auch immer ausfallende, Reflexion zeigen würde. Seit den frühen 1980er Jahren hat die KI-Forschung diesen Ansatz völlig aufgegeben. Was wir in der Praxis sehen, mit Alexa + Siri + Co., sind weiter parallel verschaltete Suchalgorithmen, die auch erheblich größere Datenbasen zurückgreifen können und deren Evolution durch den Erfolg bei zunehmender Nachfrage gesteuert wird. (Der ELIZA-Effekt spielt auch ein wenig mit hinein.) Wenn Google vor ein paar Tagen verkündet hat, seine KI sei von 23 auf 46 IQ-Punkten gestiegen, ist das eine doppelt sinnfreie Angabe. Zum einen, weil in diesem Bereich diese Meßlatte sinnlos ist; zum anderen, weil eben keine Steigerung stattgefunden hat, sondern eine Erhöhung der Rechenleistung. Das ist für die Aufgaben solcher Systeme (die liefen mal unter "Expertensysteme") sinnvoll; aber mit "KI" im alten Sinn hat das nichts zu tun.
Wie alle Ausformungen der Technik unterliegt auch so etwas der Evolution, d.h. hier greifen die gleichen Faktoren, die auch im Bereich der Biologie wirken: die Variation, die Selektion, und die Weitergabe (auch "soziale Systeme" unterliegen dieser Evolution). Daß das nicht über Gene und als autonome biologische Einheiten erfolgt, tut nichts zur Sache. Es verstärkt im Gegenteil den Ausleseprozeß. Diese Systeme tun nichts von sich aus; sie laufen nur so lange, wie den anderen Systemen - also uns (und ihnen) ein Nutzen daraus erwächst; eine gewisse Schadwirkung wird hingenommen, solange der Nutzen diesen Schaden überwiegt; aber wenn sie zu groß wird, wird sie umgehend abgestellt (das ist übrigens der Grund, warum die Umwelt mit steigendem Wohlstand fast naturgesetzlich sauberer wird). Die KI ist ein Werkzeug, nicht mehr, nicht weniger. Daß sie "uns" unterbuttert, ist so wahrscheinlich, wie daß die moderne Medizin uns vorsätzlich schadet. Das wird gern geglaubt; allein, dem ist nicht so.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Nachtrag: "Wir sind die Roboter" (ein Denkbild, das natürlich mit Philip K. Dick verbunden ist, für dessen Werk die Oszillieren zwischen Illusion und Wirklichkeit ja konstitutiv ist). Das Phantasma der Maschinenfrau ist im Nachklapp des Surrealismus (und seiner Vorgänger - in diesem Fall Duchamp) mal unter dem Terminus "Junggesellenmaschine", machine celibataire, gefaßt worden (von Michel Carrouges, in seinem gleichbetitelten Buch von 1954). Dieser Denkansatz, quasi Theweleit avant la lettre, von Deleuze dann noch einmal bedient, hat sich aber als so steril wie die evozierten Robotrices erwiesen. Nicht zuletzt, weil es sich hier um Einzelfacetten eines literarischen Genre handelt (die von Anfang an auch als Parodie angelegt werden können/angelegt worden sind - sh. Olympia) und nicht um konstitutive Elemente dieser literarischen Verfahren.
Die Maria aus Metropolis laß ich mal außen vor: hier wird ein anderes Mythologem bedient, nämlich die Reduzierung menschlichen Handelns auf "elementare" Figuren: der Roboter als symbolische Verkörperung der Weiblichkeit/Sexualität überhaupt, mechanisisert als symbolischer Ausdruck "wie der Kapitalismus alles in eine Ware verwandelt" (die Dystopie von Metropolis ist ja einen einzige Anklage des "Kapitalismus"; und Lang muß sich diebisch ins Fäustchen - no pun intended - gelacht haben, daß er die Illusions- und Kapitalfabrik der UFA vor diesen Karren spannte), Rotwang als für "Wissenschaft/Technik" in toto stehendes Symbol - hat überhaupt jemand gesehen, daß dieser Film DIE Entsprechung zu "Jedermann" als Moralisches Holzhammerspiel mit mittelalterlichen Emblemata darstellt? Ebenso den Pygmalionstoff: da geht es um das Verhältnis des Künstlers (bzw. seine Blendung) zum/durch eigene(n) Werk; die Belebung ist Akt göttlicher Gnade (und zugleich Fluch); mythologisch gesehen ist das ein Parallelstück zur Sage um Narziß.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Für mich ist dieser Text eine Sammlung von klugen bis an die Grenzen gehenden Gedanken, wo sie jeweils anstoßen und nicht fündig werden. Wenn es um den Ort gehen soll, wo Gott auf der Erde anzutreffen ist, um die Kirche – so ist doch als Christ daran festzuhalten, was in der Bibel (in der alle Axiome des christlichen Glaubens enthalten sind) in Matth.16,18 steht: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ Wir leben in einer Zeit großer Umstrukturierungen, wo manches untergeht und Neues noch nicht deutlich zu erkennen ist. Die Kulturkraft, wie Sie, lieber Hr.Weimer feststellen, dass diese in der Kirche nicht zu finden ist, wie etwa in früheren Zeiten – die ist von der untergehenden Volkskirche nicht zu erwarten. Diese allerdings ist die hauptsächliche Struktur, die man allgemein mit Kirche verbindet. - Wo gibt es sonst Orte, wo man um den christlichen Glauben bemüht ist und ihn ernst nimmt? Sie reden von „religiösen Rückzugswinkeln“. Sind diese denn wirklich „Winkel“, abgeschottet von der übrigen Welt? Kann es nicht sein, dass gerade dort der neue Gottesglaube aufkeimt? Ist es nicht auch eine Gefahr für einen nach strengen Kategorien denkenden Menschen, dies nicht sehen zu können? Für das Leben gelten andere Kategorien. Ich verweise auf ihr Zitat von Pascal! Er spricht von der Logik des Herzens. Ich schätze ihre mit scharfsinnigem Verstand geschriebenen Texte, senden Sie doch ihre Kundschafter jeglicher Art nicht nur gedanklich ins All, sondern real gerade in diese „Winkel“ auf Erden. Könnte es nach gründlicher Suche nicht sein, dass Sie dort fündig werden?!
Ihre Ermahnung, was ein Christ, zumal als Theologe, bezeugen könnte, müsste, beherzige ich sehr. Nur ist es in diesem Fall des blogs mit liberalen Agnostikern meine Sache, mit solchen Fernstehenden ins Gespräch zu kommen bzw. von ihnen die Sprache für heute und morgen zu lernen. Mein Lehrer Papst emeritus Ratzinger hat von der Aufgabe eines "Vorhofs für die Heiden" gesprochen. Ich kam als Theologiestudent 1966 in eine Krise und fand erst nach dem Studium einen Ort in der kath. Kirche, wo es in München auch einen Neuanfang gegeben hatte als Antwort auf die Aufklärung und die Shoah; diese Leute aus der "Katholischen Integrierten Gemeinde" baten mich, zu promovieren und zu habilitieren. Dann wurde ich auch Priester. Erst nach Jahrzehnten waren wir so stark, durch einen Stiftungslehrstuhl (selbst bezahlt) unsere Erfahrungen und Arbeits-Ergebnisse an die Universität zurückzutragen, und zwar in Rom, in Deutschland wurden solche geistlichen Gemeinschaften nicht gern gesehen. derzeit bieten wir zudem ein postgraduales Fernstudium von zwei Jahren in Theologie an (dt. und engl.), für Laien und nebenberuflich. Wir sind überrascht, wie kluge Leute sich da einfinden, vom Großfischhändler bis zum Gravitationsastronomen, vom Arzt bis zum Diakon, der sich weiterbilden will (Studi a distanza, "Teologia del Popolo di Dio").
Meine Kollegen und ich haben eine Reihe von 24 Lehrbriefen verfasst, jetzt kann ich nebenbei auch etwas Nötiges tun: Ein Archiv für die besonderen Schwerpunkte, an denen ich 50 Jahre arbeitete, anlegen. Gerade gliedere ich es grob: 1)Verstehenshilfen für die Glaubenssprache der Bibel und der Dogmen 2)Wie ist Schöpfung möglich? 3)Wie ist Offenbarung möglich? 4)Wie war die Inkarnation möglich? 5)Wie sind Kirche und Gemeinde möglich? 6)Wie ist Reform möglich?
Vielleicht sehen sie aus diesen Themen, warum man das Gespräch mit der Philosophie und den Naturwissenschaften braucht, obgleich doch die Hauptsache das von Ihnen, liebe Frau Eiselt, Angemahnte ist: den Glauben zu leben, an seinem authentischen Ort, und von Erfahrungen erzählen zu können.
Die Diskussion scheint abgeschlossen. Erstaunlich ist die Kluft zwischen Naturwissenschaften und Philosophie/Theologie. Ich bin nicht enttäuscht, weil viele zunächst nur das Thema Künstliche Intelligenz und Roboter aufnahmen. Die Entfremdung zwischen Naturwissenschaft und Bibel wuchs schon einige Jahrhunderte; auch die Philosophie schlug sich mit Hegel auf die Seite der ‚Natur‘-Wissenschaft, wenn er den Begriff Gott aufgab und zurücksetzte in die Kraft der Phantasie des Menschen.
Das Thema Roboter interessiert mich durchaus, aber ich kann mich nur auf der Ebene der Medien grob informieren. Gerade heute, am 30. Oktober berichtet die WELT auf S. 26 süffisant von dem Roboter Sophia, in Honkong entwickelt und in Saudi-Arabien vorgeführt. ‚Sophia‘ trat ohne Kopftuch auf und zeigte ihre Intelligenz (gut einprogrammiert) in einem Interview. „Als Sorkin fragt, ob Roboter ein Bewusstein haben und wissen, dass sie Roboter sind, stellt ‚Sophia‘ eine Gegenfrage: ‚Wie weißt du, dass du ein Mensch bist?‘“ Es geht um Politik. Die saudi-arabische Regierung „hat dem Roboter, noch auf der Bühne stehend, die Staatsbürgerschaft verliehen.“ Sie bedankte sich täuschend echt. Der Autor schließt mit der Äußerung, die der weibliche Roboter im März 2016 seinem Erfinder, dem US-Amerikaner David Hamnson auf die Frage gab: „Willst du die Menschheit zerstören? Bitte sag Nein.“ Und ‚Sophia‘ antwortete: „Okay. Ich werde die Menschheit zerstören.“
Mein Beitrag zielte auf die Einsicht: Nicht die Roboter sind eine Gefahr, sondern jene Drift in den Wissenschaften zur Natur und zur Geschichte und Philosophie, die den Menschen auf die Stufe der Säugetiere und damit unsere Denkfähigkeit auf bloße Physik und Chemie herabstuft. Meine Absicht war, an die Gesprächsnotwendigkeit zwischen Naturwissenschaften und Philosophie und (allerdings sehr erneuerten) Theologie zu erinnern. Wie nötig das ist, zeigt ein Leserbrief über den ‚schwachen Gott‘ im Chrismon (Das evangelische Magazin) Nr. 11/2017. Der Schreiber aus Wunstorf sagt ganz richtig, dass wir für das von Menschen verursachte Leid verantwortlich sind und eine Selbstverpflichtung zum Frieden mit der Natur und unter uns eingehen müssen. Aber er hat die Brücke zur Theodizeefrage einfach abgebrochen, wenn er mit dem Satz endet: „Wir begreifen nichts und verbessern nichts, wenn wir das Gute und das Böse von Gott her begreifen wollen.“ Politik statt Kirche also.
Ich selber ziehe aus dem Elend der Kirchen die Folgerung: Bei den kommenden Gesprächen in Tischrunden mit jungen Leuten zwischen 17 und 25 schlage ich als Ausgangsthema vor: „Wozu braucht es Gott? Wenn er sowieso nicht eingreifen kann und alles dem Menschen überlässt?“ Wozu braucht es Gott? Alle Menschen brauchen ihn nicht. Vielleicht braucht er nur ein kleines Volk als Gewicht in der Welt? Nicht leicht zu beantworten. Die Frage lautet nicht: Was tut er den ganzen Tag? Diese Frage wäre einfach zu beantworten: Für ihn gibt es keine Zeit, nur Gegenwart. Wir haben die Raumzeit, - und die Probleme mit unserer Größe: der Freiheit zum Guten und Bösen.
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