Die jüngste Sexismus-Debatte ist - wie schon ihre Vorgängerinnen - eine an Problemlösungsansätzen nicht interessierte Demonstration der Diskurshoheit einer Aktivistinnengruppe. Das politisch-publizistische Milieu macht gute Miene zum altbekannten Spiel.
Ich vermeide das Thema weitgehend, weil ich es dermaßen doppelzüngig und verlogen finde. Wie kann man heute eine Sexismusdebatte führen, ohne auf Einwanderung und kulturspezifische Frauenbilder einzugehen? Wie auch immer - bei den Beiträgen, die ich überflogen habe, ist mir mehrfach (!) folgende Formulierung von Frauen aufgefallen (Formulierungen sinngemäß):
"Mir selbst ist das ja so noch nicht passiert, aber das Problem trifft natürlich jede Frau..." oder "Anzügliche Blicke oder sexistische Sprüche musste ich auch schon erleben.... dieser Sexismus zerstört das Leben von Frauen..."
Das ist so gaga, dass ich nicht mehr weiß, was ich auf solche Aussagen antworten soll. Jeder Mensch, die englische Königin, Steve Jobs und Robie Williams eingeschlossen, mussten sich schon mal "dumme Sprüche" anhören oder haben böse Blicke geerntet. Wenn jemand ernsthaft behauptet, sie oder er würde eine Gesellschaft anstreben bzw bevorzugen, in der es dumme Sprüche oder unerwünschte Blicke nicht gibt - diejenige/derjenige schlägt damit eine Welt vor, in der es die Menschheit nicht mehr gibt. Da mögen dann irgendwelche Wesen leben, aber MENSCHEN sind das nicht mehr. (Diesen genoziden Totatilarismus teil sich der agressive Femminismus mit dem Sozialismus, der ja auch voraussetzt, den Menschen auszurotten und durch irgendwas anderes zu erstzen, was halt zur totalitären Ideologie passt).
Niemand bestreitet, dass gesellschaftliche, nicht-körperliche Aktionen das Leben eines Menschen zerstören können. Wird jemand von der gesamten Umgebung abgelehnt, verurteilt oder demütigend betrachtet/angesprochen - dann ist es nicht nötig, denjenigen/diejenige körperlich zu beeinträchtigen. Allein schon die soziale Interaktion kann einen Menschen zerstören. Das gilt für Frauen wie auch für Dicke oder Dünne, sehr kleine oder große Menschen, Menschen mit "falscher" Hautfarbe, Behinderung, Sprachfehler, zu wenig IQ oder zu viel, oder jeder sonst wie denkbaren Abweichung vom Durchschnitt.
Aber wenn jemand ernsthaft behaupten würde, eine einzige Person könne mit einem einzigen Kommentar ein komplettes Leben ankratzen oder gar zerstören: da würde man doch eher denjenigen/diejenige zum Seelenklemper schicken, die sich von einem Kommentar so runterziehen lässt. Wer so wenig Selbstbewusstsein hat, der braucht professionelle Hilfe.
Nur so ganz nebenbei: Es gibt eine relevante Anzahl von Frauen, die wollen begehrliche Blicke auf sich ziehen und sind selbst bei derben Sprüchen geschmeichelt. Dummerweise klebt bei den Frauen aber kein Zettel auf der Stirn "Mich darf man anschaun!" und selbst wenn, würde es nichts nützen. Mal auf diese Thema angesprochen haben Freundinnen mir erklärt: weder das Anglotzen, noch die Anmache oder dumme Sprüche seien das Problem. Das Problem sei, dass die falschen (!) Männer so etwas tun würden. Der schnucklige Typ dahinten, der darf das sehr wohl...
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #2 Das Problem sei, dass die falschen (!) Männer so etwas tun würden. Der schnucklige Typ dahinten, der darf das sehr wohl...
Das haben mir auch schon viele Frauen "gebeichtet" der Unterschied liegt weniger im Verhalten als im Aussehen der Männer.
In einem Punkt haben die Pseudo-Feministinnen der aktuellen Sexismus-Debatte durchaus recht: Es geht nicht um Sex, es geht um Macht. Nämlich um die Deutungshoheit und um Karriereförderung.
Zitat von R.A. im Beitrag #4es geht um Macht. Nämlich um die Deutungshoheit und um Karriereförderung
Und etwas weiter gefasst wohl auch um Narzissmus und Selbstgefälligkeit. Zumindest in diesem Fall.
Ich mag der Dame furchtbar Unrecht tun und da ich sie nur aus Rundfunk und Fernsehen kenne, mag ich einem Fehlurteil unterliegen, aber Chebli erscheint mir eine sehr selbstverliebte und eingebildete Persönlichkeit zu sein. Da produziert man sich gerne, sieht sich selbst gerne in den Schlagzeilen, und liebt es von anderen zu hören wie toll man ist. Dazu ist jedes Mittel Recht. Quasi Persönlichkeitstotalitarismus.
Im persönlichen Umfeld lasse ich solche Menschen links liegen. Ärgern über sie wäre schon zu viel Zeit verschwendet. Ansonsten: Fernsehen ausmachen oder Zeitung beseite legen, wenn Sie auftauchen. Fördert das eigene Wohlbefinden, wenn man auf verträgliches, normales Sozialverhalten steht.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Frank2000 im Beitrag #2Aber wenn jemand ernsthaft behaupten würde, eine einzige Person könne mit einem einzigen Kommentar ein komplettes Leben ankratzen oder gar zerstören: da würde man doch eher denjenigen/diejenige zum Seelenklemper schicken, die sich von einem Kommentar so runterziehen lässt. Wer so wenig Selbstbewusstsein hat, der braucht professionelle Hilfe.
Zitat von R.A. im Beitrag #4In einem Punkt haben die Pseudo-Feministinnen der aktuellen Sexismus-Debatte durchaus recht: Es geht nicht um Sex, es geht um Macht. Nämlich um die Deutungshoheit und um Karriereförderung.
Tatsächlich gehen Sprüche und auch leichte Antatschereien die Politik überhaupt nichts an - mit einer Ausnahme vielleicht: wenn tatsächlich eine Machtposition ausgenutzt wird. Aber diese Macht muss schon sehr real und erheblich sein. Die Kritiker(innen) dieser ganzen Hashtag-Wellen haben einen Punkt, wenn sie darauf hinweisen, dass solche Kampagnen sich Frauen grundsätzlich nur als Opfer darstellen können. Dass eine Frau nicht erst nach Jahren von traumatischen Erlebnissen aufgrund von irgendwelchen Sprüchen berichtet, sondern dem Macker mal eben seine Grenzen aufzeigt, scheint da nicht vorstellbar. Dabei halte ich das eigentlich für die Normalität. Praktiziert auch und gerade von den Frauen, die ihre Erfüllung nicht in esoterischen Feminismusdebatten suchen müssen. Ich habe da zwei Beispiele vor Augen, eins konkret und das andere vom Hörensagen, dafür aber bekannter. Das eine wäre meine Liebste. Die hat ihr Leben lang alle Kerle in die Schranken gewiesen, die ihr nicht gepasst haben, während sie sich gerne hat von denen anmachen lassen, von denen sie etwas wollte. Ich würde sowas als Win-Win bezeichnen: Die Kerle konnten sich produzieren, meine Liebste wählte aus und alle hatten daran ihren Spaß(1). Kein Wunder, dass diese modernen Feministinnen irgendwie so oft ein Problem mit ihrem Geschlecht zu haben scheinen - denen entgeht sowas wohl total. Das zweite Beispiel ist - wie gesagt - als Person bekannter.
(1) Das war natürlich alles vor meiner Zeit
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Um meinen schauderhaften Drohungen vom 21. das passende Übel folgen zu lassen, verfasse ich meinen ersten Sachbeitrag nach Rückkehr ins Zettels Zimmer.
Man möge also schon vorbeugend erzittern.
Ich stimme Noricus-Artikel zu. "Me too, Abifiz", also, um den albernen Infantilspruch dieser letzten Kampagne meinerseits aufzunehmen.
Der Anlaß: Eine junge narzißmus-erfüllte Frau, die aufgrund von politischen Beziehungen eine Stellung ergattert hat, für welche ihr die Qualifikation abgeht, bis auf die Hauptqualifikationen, a)arrogant genug unqualifiziert zu sein, b) den derzeit angesagten Quoten zu entsprechen, kommt zu spät und gänzlich unvorbereitet zu einem Podiumsgespräch, setzt sich aber nicht auf den für sie reservierten Platz, sondern auf denjenigen, der für jemand anderen vorgesehen ist. Der Gesprächsleiter kündigt ihr Fehlen an. Sie ist gekränkt, meldet sich pikiert, ohne die Spur einer Bitte um Entschuldigung für ihr Zu-spät-Kommen.
Der Gesprächsleiter ist einerseits - sehr zurecht - verärgert über den unverdienten Rüffel und die Selbstverursachung des Mißverständnisses seitens der jungen Frau ("Dame" darf ich hier wahrlich nicht behaupten), anderseits verlegen. Verlegen, weil er sie nicht erkannt hat, sie wie selbstverständlich voraussetzt, er hätte es unbedingt sollen. Verlegen, weil er sich beim Verärgert-Sein ertappt, und der Verärgerung ja keinerlei Auslauf gewähren mag/darf/vermag. Also greift er zum ubiquitären menschlichen Behelf in solchen Bredouillen: Zu einer Übersprungshandlung, nämlich ausgerechnet zu einem in der Situation etwas abwegigen Kompliment!
Die Gekränkte erfüllt dann ihren öffentlichen Part, und zwar nach Zeugenaussagen miserabelst. Und ist unter Schock. (Bis wann weiß ich nicht. Zumindest aber solange die Kampagne anhält. Unter Schock. Intensivstation. Mindestens.)
Daraufhin läßt sie ihr öffentliches Verdammungsurteil los. In diesem zeiht sie eine ausschließlich männliche Gesprächsgruppe der unverzeihbaren Schuld, sie - als Frau - übersehen zu haben, wiederum ohne Erwähnung von "läßlicher" Verspätung und "läßlichem" falschem Platz. Und übersieht damit öffentlich in ihrem öffentlichen Verdammungsurteil ausgerechnet die andere Frau in der Gesprächsgruppe! So etwas muß man schon lange emsig geübt haben, um es zu können...
Aus diesem albernen Anlaß die theatralische im Artikel besprochene Kampagne. Nur Theater? Ich meine, nein, ganz entschieden nein. Dazu äußere ich mich ja weiter unten im Text.
An dieser Ursprungsgeschichte ist etliches sehr unangenehm. Das Auftreten, samt Verspätung, der Frau Chebli. Ihr mangelndes Fingerspitzengefühl für die Situation und für den Gesprächsleiter. Ihre pikierte Arroganz. Ihre mangelnde Vorbereitung; wobei ich selbstverfreilich annehme, wieviel Schwerstwichtiges sie davor zum Wohle der gesamten Bevölkerung und der Frauen insbesondere zu bewältigen gehabt hatte... Das schiefe Verlegenheit-Abklomplimentieren seitens des Leiters zählt jedoch eigentlich nicht dazu; ist lediglich eine unbedeutende schiefe Folge der es verursacht-habenden Derangiertheit des Chebli-Auftretens.
Man kann kaum glauben, was man liest. Die Kluft zwischen der behaupteten Männer-Feistheit und der mickrigen Realität des „#inkriminierten“ Vorfalls könnte nicht größer sein.
Daraufhin dann die sattsam bekannte Hatz!
R.A. sagt, es gehe um Macht. Recht hat er. Ganz und gar. Aber es geht um mehr.
Auch Frank hat recht. Und spricht sogar von "genozidalem Totalitarismus".
Nach meiner Einschätzung geht es zunächst um den sogenannten Feminismus überhaupt, eine Bewegung von der Frauen-Emanzipation zur Frauen-E-Mann-zipation. Eine Bewegung, die Gutes historisch wollte und Gutes historisch bewirkte, welche nun, nur notdürftig camoufliert, häßlich Haß und Hatz aus nichtigsten Anlässen auf die weißen Hetero-Männer ideologisiert, auslebt, tradiert, perpetuiert; Haß und Verachtung auf die Gerne-Mütter; Haß und Verachtung auf/für die Nicht-Karriere-Frauen; Haß und Verachtung letztlich auf/für die Familie als solche; faktisch, genaugenommen und paradoxerweise, auch indirekt und massiv Haß und Verachtung auf/für sich selber, als Mitglieder des westlichen Teils einer Gattung aus Frauen und Männern, der nur durch Kooperation, Wertschätzung und Zuneigung überleben könnte.
Zugleich, und das ist das noch Infamere daran, die reale Unterdrückung der Frauen in etlichen – vor allem islamischen Ländern – bis hin zur breiten Vernichtung der sexuellen Identität einer jeden Frau durch die routinemäßig durchgesetzte genitale Verstümmelung vollständig ignoriert diese Bewegung, ja sogar deren Ausschwappen durch islamische Immigranten nach Deutschland; deren Zunehmen im Lande in neuen vorher unbekannten, höchst bedrohlichen Formen; deren Durchsetzung der vernichtenden Genitalverstümmelung im Lande so wie im angeblichen Heimat-Urlaub der Mädchen; deren Verheiratung „par ordre de famille“; deren Verheiratung als Kinder eben auch und gerade in Deutschland komplizenhaft ignoriert, somit deckt und unweigerlich mit-fördert.
Es ist die Aufkündigung des Landfriedens von 1495; 1648 unter völlig verschiedenen Vorzeichen bekräftigt.
Es ist der Wille, Krieg zu führen. Zunächst um Posten und Positionen und Potenzen. Letztlich aber zur Vernichtung einer friedlichen Kooperation, Wertschätzung und Zuneigung zwischen Frauen und Männern, somit zur Vernichtung der deutschen und, wenn nur möglich, der westlichen Kultur. Etwas blutrünstig aber zutreffend kann man solch ein pathologisches Phänomen als in mehreren Hinsichten genozidal bezeichnen. Ich ziehe es jedoch vor, diese Hybris als durch und durch menschenfeindlich zu bezeichnen; als eine eindeutige (im Sinne einer destruktiven, unterschwelligen, uneinhegbaren low intensity Kriegsführung) Kriegserklärung neuer Art; als eine Aufkündigung der sozialen Selbstverständlichkeiten; als Willen eher zum Haß als zur Macht, weil die Machtgewinne dem nachholenden Sieg des Hasses letztlich im aufgekündigten Frieden zuarbeiten. Und als Komplizenschaft zur stattfindenden Ausbreitung frauenverachtender Sitten. Ein Krieg völlig neuer Art, getarnt, hinterhältig, uneinklagbar.
Dennoch über Generationen fortdauernd im destruktiven Ergebnis mörderisch.
_______________________________________________________________________________________ Meine sehr kluge Signatur befindet sich noch in der Herstellungsphase. Falls keine gravierenden Inkompatibilitätsprobleme auftauchen werden, rechne ich mit ihrer Lieferung für das 1. Quartal 2034. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
Solange es Frauen und Männer gibt und solange es Machtverhältnisse und Verführungskünste - auf beiden Seiten - gibt, also immer in alle Zukunft wird es das Problem geben, früher sagte man das Böse, wie es auch das Glück von Anziehung und Liebe gibt. Zu der unsäglichen Grabscher-Debatte möchte ich nur erinnern, wie das alte Christentum unbefangen und befreiend, weil es aus der jüdischen weltzugewandten Tradition kam,auf den Leib blickte. Siehe Kunstgeschichte (selbst mit dem korrigierenden "Höschenmaler" in der Sixtina):
Bilder, Holzschnitte und Altarbilder, zeigen z. B. bei dem Motiv "Jüngstes Gericht" mit der Auferstehung der Toten viele Frauenleiber. Sie zeigen Männer, die aus dem Grab steigen und als erstes nackte Frauenhintern sehen, hinter denen sie zum Himmelstor geführt werden, z. B. in der Schedelschen Weltchronik ganz schön drastisch. Oder das Motiv "Maria lactans", bei dem eine hübsche junge Frauenbrust aus dem Gewand enthüllt werden muss.
Die Leibfeindlichkeit (die es freilich auch in der Kirche gab) scheint ganz andere Hintergründe zu haben als den biblischen Glauben. Die "Auferstehung des F l e i s c h e s" ist ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dualistisch oder gnostisch denkenden Religionen.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #8... möchte ich nur erinnern, wie das alte Christentum unbefangen und befreiend, weil es aus der jüdischen weltzugewandten Tradition kam,auf den Leib blickte.
Das wäre mir ganz neu. Mir hat man erzählt, daß die Antike den unbefangenen und freien Blick auf den Leib hatte, aber das Christentum (in jüdischer Tradition) eher aufs schamvolle Verhüllen setzte.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #8... möchte ich nur erinnern, wie das alte Christentum unbefangen und befreiend, weil es aus der jüdischen weltzugewandten Tradition kam,auf den Leib blickte.
Das wäre mir ganz neu. Mir hat man erzählt, daß die Antike den unbefangenen und freien Blick auf den Leib hatte, aber das Christentum (in jüdischer Tradition) eher aufs schamvolle Verhüllen setzte.
Beide Varianten finde ich etwas holzschnittartig. Wir reden hier über zwei Jahrtausende europäische Kulturgeschichte. Mit vielen Wandlungen von Sitten, Gebräuchen und Moden.
Was für eine Generation normal war, konnte 2-3 Generationen später schon - je nach Umständen - als lasterhaft oder als prüde abgelehnt werden. Die vielen Mischformen noch nicht mitgerechnet: es gab Phasen im Mittelalter, zu denen sich fremde Männer und Frauen gemeinsam nackt im großen Bottich gebadet haben. Und deren (weibliche) Alltagskleidung dennoch sehr, sehr züchtig und verdeckend war. Es gab lange Phasen, in denen die ziemliche weibliche Bekleidung zurückhaltend und schlicht war und die Männer sich die buntesten Fetzen anzogen, incl. farblich stark betontem Genitalbereich. usw.usf.
Das Beispiel Sixtinische Kapelle entstammt zum Beispiel der Renaissance, deren Einflüsse eben gerade nicht nur das Christentum war, sondern auch die Antike. Hundert Jahre zuvor wären solche Abbildungen in einer Kirche noch unvorstellbar gewesen. Und allein schon die Tatsache der später wieder übermalten Genitalien zeigt ja, dass die Sittsamkeit-Vorstellungen im Laufe der Jahrhunderte Schwankungen unterworfen waren.
Zitat von Florian im Beitrag #10es gab Phasen im Mittelalter, zu denen sich fremde Männer und Frauen gemeinsam nackt im großen Bottich gebadet haben.
Erm, nein. Bei diesen Holzschnitten - übrigens nicht mittelalterlich, sondern erst am Ende des 15. Jhdt.s auftauchend, handelt es sich um Darstellungen von Bordellen. In anderen Zeitzeugnissen aus dem richtigen MA - von Chaucer bis zurück über die Lais der Troubadoure (die Carmina Burana darf man auch einrechnen, aufgrund der einschlägigen Thematik) - taucht das nicht auf. Norbert Elias hat mit seiner Fehldeutung im "Zivilisationsprozeß" da mal wieder eine akademische "urban legend" geschaffen, die den vorgeblichen mittelalterlichen Glauben von der Flachheit der Erde und das ius primae noctis beerbt hat.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Florian im Beitrag #10Wir reden hier über zwei Jahrtausende europäische Kulturgeschichte.
Schon richtig, und die Beispiele sind auch alle zutreffend. Trotzdem: In seiner ganzen Geschichte war das Christentum immer prüder, lust- und körperfeindlicher als die Religionen vorher. Die Fixierung auf "Sünde" (insbesondere in Verbindung mit Sex) kannte die Antike nicht.
Zitat von R.A. im Beitrag #12Trotzdem: In seiner ganzen Geschichte war das Christentum immer prüder, lust- und körperfeindlicher als die Religionen vorher.
Ein fundierter Überblick über 2000 Jahre wechselvolle Kirchengeschichte ist nicht so einfach, wie Sie es sich vorstellen. Vielleicht sollte man erst Schmerz- und Lustempfinden voneinander scheiden, bevor man über Körperfeindlichkeit nachdenkt. Da haben wir auf der einen Seite schmerzhafte und gesundheitsschädliche Körpermodifikationen (etwa Lotosfüße), auf der anderen Seite die Betonung des Glaubens an die leibliche Auferstehung.
Es gab zwar in der Zeit des Christentums immer wieder und überall leibfeindliche Strömungen, die an einen Dualismus zwischen reinem Geist und verruchtem Leib glaubten, wie etwa die Katharer oder die Valesianer. Die apostolische Kirche lehnte diese Strömungen aber immer ab. Es ist wohl nur durch die Unwissenheit des zeitlichen Abstandes erklärbar, warum man heutzutage einerseits die Kirche einer Leibfeindlichkeit bezichtigt, andererseits aber ihr ihre Ächtung der unstrittig leibfeindlichen Sekten übelnimmt.
Zitat von R.A. im Beitrag #12Die Fixierung auf "Sünde" (insbesondere in Verbindung mit Sex) kannte die Antike nicht.
Die jüdisch-christliche Antike schon, das Heidentum freilich nicht, weil im Heidentum Sex meist als Huldigung an Fruchtbarkeitsgötter verstanden wurde. Zeitgenössische Menschen können sich sicher auch nicht so ganz mit der Vorstellung identifizieren, daß man Sex haben müsse, damit die Ernte glückt. Für das heidnische Denken wäre derlei Instrumentalisierung des Sexualverkehrs hingegen normal. Der christlich-jüdische Glaube wäre im Kontrast dazu ohne das Doppelgebot aus erstem und sechstem Gebot nicht mehr derselbe. Nicht nur der Gott wäre nicht mehr derselbe, auch die durch den Glauben artikulierte Idealvorstellung menschlicher Beziehungen wäre eine andere. Eine Nächstenliebe ist nicht mehr denkbar, wenn es schon nicht nötig wäre, den eigenen Partner zu lieben.
Zitat von Emulgator im Beitrag #13Eine Nächstenliebe ist nicht mehr denkbar, wenn es schon nicht nötig wäre, den eigenen Partner zu lieben.
Kommt wohl noch hinzu, dass die Ehe auch als Spiegelbild des Bundes von Gott und Mensch verstanden wurde (und m.E. noch wird). Sozusagen erstes Gebot vs. "Hure Babylon".
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Emulgator im Beitrag #13Eine Nächstenliebe ist nicht mehr denkbar, wenn es schon nicht nötig wäre, den eigenen Partner zu lieben.
Kommt wohl noch hinzu, dass die Ehe auch als Spiegelbild des Bundes von Gott und Mensch verstanden wurde (und m.E. noch wird). Sozusagen erstes Gebot vs. "Hure Babylon".
Ja, richtig, das sechste Gebot also als Verlängerung des ersten. So wird ja auch das Hohelied Salomos als Bild der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk verstanden. Ein solch erotischer Text wurde gewählt, um das wichtigste zu beschreiben, was die Religion ausmacht! Wenn man der Kirche Leib- und Erotikfeindlichkeit vorwerfen will, dann muß man ihr auch Schlamperei vorwerfen, damit nicht konsequent zu sein.
Zitat von Emulgator im Beitrag #15Wenn man der Kirche Leib- und Erotikfeindlichkeit vorwerfen will, dann muß man ihr auch Schlamperei vorwerfen, damit nicht konsequent zu sein. wink]
Liegt wahrscheinlich daran, dass Ehepartnern nach zig Jahren Zusammenleben in Verbindung mit ihrem Partner nichts richtig Erotisches mehr einfällt...
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Das Hohelied konnte sich den Platz im jüdischen und im christlichen Bibelkanon freilich nur erobern und sichern, weil es schon von den Rabbinen allegorisch auf die Liebe Gottes zu Israel ausgelegt wurde. Was steckt dahinter?
Im Baalskult des alten Kanaan galten die Baalim mit ihren Frauen als 'verheiratet' mit dem fruchtbaren Erdboden, sie waren Garanten des Regens sowie der politischen regionalen Macht; die Jungfrauen mussten wohl ihre Jungfernschaft opfern (hist. unsicher: nur rituell oder als Akt mit einem fremden Pilger oder Priestern in Tempeln bzw. unter grünen Bäumen an heiligen Plätzen), um den Segen anzuregen. Auch die Israeliten (bes. bei Mischehen) gerieten in diese Versuchung, den Segen auf Acker und im Stall und in der Familie einem örtlichen Baal zu verdanken (Polemik der Propheten gegen die Stierbilder, Verspottung im "goldenen Kalb").
Der Himmelsgott El und der Gott Israels waren viel transzendenter, letzterer ohne Bild und magisch (miss)brauchbarem Namen. Bis zum Propheten Hosea (rund um 750 v. Chr.) war das jüdische Gottesbild streng abstrakt. Der Prophet Hosea erkannte, dass man den mit der Erde verheirateten Baalen etwas entgegenstellen müsse. Er war der erste, der den Mut fand, Gott die Liebe zu seinem Volk zuzusprechen: Aus Liebe habe er es aus Ägypten befreit. Jetzt sei es abgefallen, das sei ein Ehebruch, aber Gott wolle seiner verlorenen Braut vergeben, sie wieder zurückholen. Hosea verband seine Worte sogar mit der existentiellen Zeichenhandlung, dass er eine Hure bzw. ein rituell eingeweihtes Mädchen heiratete und einem Sohn z. B. den Namen "Lo-ammi" (Nicht-mehr-mein-Volk)gab. Hosea war es wohl auch, der die Sage von einem Auszug aus Ägypten zum Kern der jüdischen Theologie gemacht hat, also gleichsam das Großbild erfand.
Seine Entdeckung, dass Gott ein Volk (und gerade nicht Blut und Boden) als Braut brauche, als Segens-Gewicht in der Welt, wurde 100 Jahre später von Jeremia und von Ezechiel aufgenommen. (Wenn Sie wollen, holen sie die Texte aus dem Internet: Ezechiel Kap. 16 und Kap.23 sind das Deftigste, viel ungenierter als das Hohelied.) Es geht um eine Sprache im Gleichnis! Der jüdische Gott hat keine Frau neben sich im Himmel und geht auch nicht fremd wie Zeus, er hat aber auf Erden ein Volk (nicht Land und Boden wie Baal). Es geht um eine Religionskritik. Ein feiner, aber riesiger Unterschied. Jeremia 2,2 heißt es: "Auf! Ruf Jerusalem laut ins Ohr: So spricht der Herr: Ich denke an deine Jugendtreue, an die Liebe deiner Brautzeit, wie du mir in der Wüste gefolgt bist." Statt Wüstenzug mit Murren (Exodus und Deuteronomium) also das neue Bild: Da geht ein verliebtes Brautpaar Hand in Hand.
Verglichen mit diesen Bildern ist Manches in der christlichen Mystik zwar noch erotischer, exzessiver oder sublimiert, aber leider fehlt oft bei den in der kath. Kirche verehrten Heiligen der Gesichtspunkt Gottesvolk, es wird alles individualistisch, auch weltlos. Kaum einer versteht heute, wo Luther gefeiert wurde, noch, dass Gottes Braut eine einzige sein sollte, eine volle Ökumene gilt vielmehr als Schrecken. Und dass es nicht nur um chr. Konfessionen geht, sondern um die Einheit Judentum und Christentum, war schon gar nicht mehr Gegenstand der Reformgedanken. Arme Kirchen!
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.