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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 45 Antworten
und wurde 4.580 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Llarian Offline



Beiträge: 7.121

27.12.2017 22:03
Facebook macht einen Fehler Antworten

Ein kleiner Gedankensplitter zwischen den Tagen.

crastro Offline



Beiträge: 212

28.12.2017 01:57
#2 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Der Beitrag zeigt die Problematik eines ausgesprochen erfolgreichen Geschäftsmodells auf.Wobei mir selbst nach Jahren nicht klar ist, warum fast jeder da mitmacht.Einerseits ist es gut, daß jeder zeigen kann, was er isst und auch das Gegenteil davon, andererseits verstehe ich nicht und werde das auch nie, warum dies derart vielen Menschen so wichtig erscheint.Vor FB gab es bereits eine Vielzahl meist intern moderierter meist eher lokaler Chats. Klappte zwar ganz gut, aber war wirtschaftlich nicht besonders erfolgreich - das begann erst richtig mit FB, wurde ausgesprochen "international".
Wobei meine persönlichen Alarmsignale dann blinkten, als ich feststellte, daß dort eine wie gewohnt an sich simple "Löschung" eines Zugangs nicht möglich war. Ein starker Grund( für mich), dies Medium zu meiden - der Mehrheit war genau das vollkommen egal.

Lösung sehe ich keine, von einem Ende von FB mal abgesehen.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.559

28.12.2017 03:02
#3 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von crastro im Beitrag #2
Wobei mir selbst nach Jahren nicht klar ist, warum fast jeder da mitmacht.


Schlicht. Das eine ist die unglaublich bequeme Bedienbarkeit - kein Vergleich mit dem Einloggen, der doch beschränkten Reichweite etwa hier im Forum (oder gar das Einstellen von Autorenbeiträgen). Dafür ist das ein flüchtigeres Momentmedium. Nicht so flüchtig wie Twitter, dafür aber volatiler. Was dazu führt, daß Aufreger sich alsbald in jeder Filterblase niederschlagen. Wenn man bedenkt, daß mindestens 85% dessen, wmot wir in den ÖR-Medien bespaßt werden, auch nichts weiter als inkonsequentes Trallala unser politischen Helene Fischers sind, wird klar, warum man, in dem Belang, etwa durchaus auf die ÖR-Nutzung verzichten kann. Ohne jeden Verlust. Zudem: Spezialinteressen lassen sich gezielt bedienen. Mein Interesse fürs Astronomische wird gedeckt, daß ich auf nicht wenige Seiten zum Thema abonniert bin: das scheint automatisch in der Timeline auf. Ohne daß ich jeden Tag meine Runde durch ein halbes Dutzend Gebiete abarbeiten müßte. Nicht zuletzt: dieses Portal ist von Format und Kurzstrecke her ideal für Klugtelephone als Netz/Human-Schnittstelle, ebenfalls anders als dieser Blog oder gar Depots für wissenschaftliche Papers. Diese Medien, FB wie Twitter, passen sich der evolutiv gegebenen Natur der zwischenmenschlichen Kommunikation an: sie ändern sich, an den Algorithmen wird geschraubt; was diesen Bedürfnissen entspricht, wird verstärkt genutzt. So funktioniert die Evolution in jedem anderen Bereich der Natur wie der Technik. Hinter der massiven Nutzung steckt keine Verblendung und keine böse Absicht, sondern reiner Darwinismus. Daß der in diesem Fall auf Silizium und verschobenen Bits läuft statt auf DNS und Proteinen, macht keinen Unterschied.

Etwas anderes ist, was im Blogbeitrag angesprochen wurde: Die Gefahr eines natürlichen Monopols, durch die man solchen Einschränkungen und Eingriffen von außen nicht ausweichen kann, ohne auf das gesamte Medium zu verzichten. Oder dergleichen nicht einmal bemerkt. Andererseits ist FB kein allesabdeckender Solitär. Konkurrierende Dienste und ganz normale Webseiten, über Suchmaschinen auffindbar bleiben untangiert. Deswegen sind bislang auch alle Versuche eine Netzzensur in bestimmten Regionen zu installieren, sämtlich gescheitert. Seit 1995. Das läßt die Voraussage zu, daß das auch weiterhin so bleiben wird. Bei einem Zeitraum von 10 Jahren würde ich diese Prognose nicht wagen, aber bei mehr als 20 Jahren kann man die Variationsbreite zukünftiger Entwicklungen bei einem so rasch mutierenden Biotop einigermaßen taxieren. Wir werden ein unfreies Netz so wenig sehen wie eine autonome, starke KI.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

28.12.2017 04:13
#4 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Heute geht es nicht um Zensur, sondern um soziale Kontrolle.

Das besonderer bei Zensur ist, dass die Denkweisen kaum verändert werden. Das Volk darf bestimmte Dinge zwar nicht schreiben oder öffentlich diskutieren. Aber DENKEN darf es das sehr wohl. Zensur ist zum Beispiel, wenn man den König nicht verunglimpfen darf. Es gibt auch in Deutschland weiterhin Zensurvorschriften, also Meinungen, Themen und Sichtweisen, die nicht geschrieben oder öffentlich geäußert werden dürfen. Solche staatliche Zensur ist vergleichsweise wirkungs- und damit harmlos. Trotzdem beschäftigt sich die deutsche Intelligenzia fast ausschließlich damit, anstatt das bedeutend größere Problem anzugehen: die soziale Kontrolle.

Und das ist es, was Maas will und Merkel, Zuckerberg und die linke Elite weltweit. Man hat erkannt, wie wenig Zensur bewirkt - nur noch Betonkommunisten wie in Nordkorea setzen auf so plumpe Werkzeuge.

Bei sozialer Kontrolle geht es aber darum, nicht einfach eine Wortmeldung zu unterdrücken. Sondern darum, bestimmte Argumente und Sichtweisen zu ächten. Es geht um die moralische Lufthoheit über den Stammtischen, weswegen eine Merkel oder eine von der Leyen tausendmal mehr Populisten sind als ein Lucke.

Wenn soziale Kontrolle funktioniert, dann ist Zensur gar nicht mehr erforderlich.

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Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Johanes Offline




Beiträge: 2.639

28.12.2017 12:12
#5 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von crastro im Beitrag #2
[...]


Vor Facebook gab es IRC-Channels, Foren und ähnliche Veranstaltungen. Die sind heute meist weniger gut besucht.
Die Medien stehen also eindeutig in Konkurrenz.

Das, was an Facebook zurecht kritisiert wird, gibt es in vergleichbare Medien auch. Das nennt man im Umfeld von Foren "Gießkannenmoderation". Da passiert das auch mal. Da wird eine Person ermahnt und sein Beitrag gelöscht, weil er einen kommerziellen Link postete und das als "Werbung" betrachtet wurde und eine andere Person gibt dann sogar Kaufempfehlungen und das wird stehen lassen. Genau das selbe dann bezüglich anderer Themen wie politischer Aussagen.
Das hat vor allen Dingen zwei Gründe. Erstens gibt es eben Ermessensspielräume. Ist zum Beispiel eine Buchempfehlung bereits eine Werbung für das Buch? Wohl eher nicht, aber wird sie dazu, wenn ein Link auf Amazon ans Ende gesetzt wird? Und ändert sich das, wenn es sich um einen gesponsorten Link handelt? Dann wohl eher schon.
Was für den einen die Grenzen des Guten Geschmacks schon überwunden hat, ist für den anderen nur ein gelungener Scherz.
Die zweite Sache ist die Unübersichtlichkeit. Bei einem kleinen, gemütlichen Forum wie "Zettels Raum" fällt es schon schwer, den Überblick über alle Themenbereiche zu behalten, wenn viel geschrieben wurde. Spätestens bei Foren von der Größe von Heise, Golem oder im englischen Sprachraum Slashdot und Reddit kann man vorhersehen, dass sogar die fleißigsten Moderatoren irgendwann etwas übersehen.

Bei Facebook ist es einfach die schiere Masse an Texten, Bildern und Videos, die jede effektive Kontrolle erschwert.
Hinzu kommen, wie oben schon erwähnt, die Zweifelsfälle. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Grenze in einigen Fällen gar nicht zweifelsfrei gezogen werden kann, weil es darauf ankommt, wie der Leser die Nachricht aufnimmt bzw. wie sie den vom Verfasser gemeint war. Was ist z. B. mit einem an sich völlig harmlosen Beitrag einer umstrittenen Webseite?
Einerseits sollte man das im Namen der Meinungsfreiheit durchgehen lassen, andererseits macht man damit Werbung für diese Seite.
Zudem hat man es bei einem halbwegs großen Medium früher oder später mit Verschwörungstheoretikern und anderen Leuten zu tun, die einen pauschal nur das Schlechteste unterstellen wollen.

Ein Problem besteht sicherlich auch darin, dass die meisten Leute sich ganz einfach nicht in die Lage derer versetzten müssen, die gezwungen sind, solche Zweifelsfallentscheidungen zu treffen. Das ist ja auch eine sehr exotische Situation. Doch der Mangel an Erfahrung führt dazu, dass man von einem Totalversagen ausgeht, wo eigentlich nur gewöhnliche menschliche Schwäche zu erkennen ist.

Was Facebook angeht:
Die Gefahr geht eigentlich nicht so sehr vom Monopol aus, sondern kommt daher, dass dieses Netzwerk das gewöhnliche Web mehr und mehr ersetzt. Viele Leute surfen z. B. nicht mehr die Nachrichtenseiten an sich an, sondern warten bis die Informationen in der Facebook-Timeline auftauchen. Damit hat FB heute die Bedeutung, die vor einigen Jahrzehnten mal die Lokalzeitung bei vielen Leuten gehabt haben wird. Als erste Bezugsquelle, aber auch ersten Filter für Nachrichten. Das beunruhigt dann viele Politiker, weil sie eine Manipulation fürchten...

Llarian Offline



Beiträge: 7.121

28.12.2017 16:39
#6 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #5
Das, was an Facebook zurecht kritisiert wird, gibt es in vergleichbare Medien auch. Das nennt man im Umfeld von Foren "Gießkannenmoderation". Da passiert das auch mal.

Nein. Das tut es eben nicht. Ich glaube Sie haben das eigentlich Problem nicht im Ansatz mitgenommen, lieber Johanes. Facebook hat nicht das Problem, dass "mal was durchrutscht". Facebook hat eine politische Stoßrichtung und die wird gnadenlos durchgesetzt. Es geht nicht um Spam, es geht um eine politische Richtung. Die Sammlung von Herrn Steinhövel ist keine Sammlung von Fehlern, es ist eine Sammlung von bewussten Entscheidungen.

Zitat
Erstens gibt es eben Ermessensspielräume.


NEIN. Eben nicht. Das ist genau der Witz der Sache. Im rechtlichen Rahmen, im Rahmen der freien Meinungsäusserung, im Rahmen der Gesetzgebung gegen Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, auch Volksverhetzung, dort gibt es Ermessenspielräume. Und die Gerichte sind seit Jahr und Tag bemüht diese Spielräume festzulegen. Facebook hat aber gerade keine solchen Spielräume, denn Facebook kann tun und lassen, was es will. Wenn Facebook nicht will, dass Antisemitismus nicht mehr diskutiert wird, dann kann Facebook genau das tun. Und niemand kann es überprüfen, ja niemand darf es überprüfen. Wenn Facebook es beispielsweise will, dass nicht mehr über den Fall Maria L. diskutiert wird, dann findet das nicht mehr bei Facebook statt. Kein Ermessensspielraum, kein nix. Es findet nicht mehr statt.

Zitat
Bei Facebook ist es einfach die schiere Masse an Texten, Bildern und Videos, die jede effektive Kontrolle erschwert.


Und genau das wäre auch vor 20 Jahren der Punkt gewesen und genau deswegen konnte sich die NSA auf den Kopf stellen und nicht jedes Telefongespräch der Welt effektiv überprüfen. Aber wir leben in der Welt von Big Data. Wir leben in der Welt von künstlicher Intelligenz, von Watson, Deep Learning und Schwarmintelligenz. Die Effektivität der Kontrolle wächst jedes Jahr. Und man sollte das Problem auch nicht überschätzen: Wenn jemand einmal etwas schreibt was Facebook nicht passt, dann tut er das auch sicher noch einmal. So schwer ist das nicht.

Zitat
Hinzu kommen, wie oben schon erwähnt, die Zweifelsfälle. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Grenze in einigen Fällen gar nicht zweifelsfrei gezogen werden kann, weil es darauf ankommt, wie der Leser die Nachricht aufnimmt bzw. wie sie den vom Verfasser gemeint war. Was ist z. B. mit einem an sich völlig harmlosen Beitrag einer umstrittenen Webseite?


Löschen. Und genau das ist der Punkt. Facebook braucht keine Zweifelsfälle. Im Zweifel löschen, fertig ab. Und genau damit stirbt die Meinungsfreiheit. Der Fehler ist zu glauben das Facebook ein neutraler Vermittler von Information wäre.

Zitat
Das beunruhigt dann viele Politiker, weil sie eine Manipulation fürchten...


Hier musste ich schon ein bischen schmunzeln. Und ich frage mich ob sie den Ursprungsbeitrag zu Ende gelesen haben. Politiker fürchten in aller Regel diese Manipulation nicht. Sie wünschen sie. Leute wie Heiko Maas oder Manuela Schwesig machen sich keine Sorgen wegen der Manipulation, sie wollen sie aktiv für sich nutzen. Facebook soll genau DAS tun. Mass beispielsweise macht ja keinen Hehl aus seinen Zielen. Und Facebook ist ein sehr effektives Werkzeug dazu.

NACHTRAG:
Der Link zu Amazon im Text stammt von mir, der am Ende wir explizit von Blogspot eingepflegt. Es liegt mit absolut fern für das Machwerk von Herrn Maas auch nur irgendeiner Werbung zu platzieren. Der Link im Text dient nur dazu das Gedankengebäude des Herrn Maas zu beleuchten und wer heute alles Minister werden kann. Ein Blick in die Rezessionen sei jedem empfohlen.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

02.01.2018 09:31
#7 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Ich kenne hier keinen Strang, der sich dezidiert mit dem Problem des erodierenden Verständnisses für den deutschen Rechtsstaat beschäftigt, statt dessen ist dieses Thema überall mal eingestreut. Ich bin über folgende Formulierung gestolpert:

19.12.2017 – Recht verständlich: Fremdenfeindlicher Chat – Kündigung?
Das Arbeitsgericht Mainz (Az: 4 Ca 1240/17 bis 1243/17) hatte kürzlich über mehrere Kündigungsschutzklagen von Mitarbeitern des Wormser Ordnungsamts zu entscheiden. Die vier Mitarbeiter hatten in einer privaten WhatsApp-Gruppe unter anderem fremdenfeindliche Bilder und Sprüche ausgetauscht. ...
Das Arbeitsgericht entschied in allen Fällen, dass die Kündigungen unwirksam sind. Das Hauptargument war: privat ist privat. ... Das Arbeitsgericht Mainz folgt hier der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (2 AZR 534/08), nach der es arbeitsrechtlich nicht zu Lasten des sich äußernden Arbeitnehmers gehen darf, wenn ein Gesprächspartner diese Vertraulichkeit aufhebt und den Arbeitgeber informiert. Die vier Arbeitnehmer haben hier also schlicht Glück gehabt.
...
Quelle: n-tv
https://www.n-tv.de/ratgeber/Fremdenfein...le20190854.html

Völlig unabhängig davon, um was es inhaltlich ging: wie kann ein Journalist es als "Glück" bezeichnen, wenn ein Gericht das Recht auf Privatsphäre bestätigt? Wie kann man es als "Glück" bezeichnen, wenn JEDER durch den deutschen Rechtsstaat geschützt ist (und nicht etwa nur diejenigen, die man mag)?

Solche Sprüche sind derart verräterisch: der Urheber einer solchen Formulierung steht nicht mehr hinter dem deutschen Rechtsstaat.

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Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

02.01.2018 09:58
#8 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Und noch einen Blick auf die andere Seite der Erdkugel:
China ist ja erstaunlicherweise vollkommen von Kritik ausgenommen. Ich kann mich nicht daran erinnern, in den letzten 5 Jahren auch nur einen prominenten Artikel in den Massenmedien gelesen zu haben, der sich kritisch mit der chinesischen Diktatur auseinandersetzt. Hier ist jedenfalls die Realität:

22.12.2017 – Urteil gegen VPN-Dienst: Chinese muss fünfeinhalb Jahre in Haft
Ein chinesischer Anbieter eines VPN-Dienstes, mit dem Internetnutzer in China die Zensur umgehen können, ist zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Wu Xiangyang aus der südchinesischen Region Guangxi muss ferner eine hohe Geldstrafe von 500.000 Yuan (64.000 Euro) bezahlen, wie das Gericht in Pingnan nach Angaben der Webseite des Mitteilungsorgans der Generalstaatsanwaltschaft vom Freitag verfügte. Der Mann hatte von 2013 bis Juni 2017 ein Virtual Private Network (VPN) betrieben, mit dem chinesische Nutzer soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram, YouTube und andere in China gesperrte Webseiten besuchen können.
...
In China sind schon einfache Google-Suchen unmöglich oder Webseiten der New York Times, des Wall Street Journal und chinakritische Webseiten geblockt. Die Zensur geht – wie im Januar dieses Jahres angekündigt – zunehmend schärfer gegen die Nutzung von VPN-Tunnel vor und stört deren Server massiv. Ab Februar sollen ausländische Dienste gar nicht mehr benutzt werden können. Auch ausländische Firmen in China sind davon betroffen, weil sie häufig geschützte VPN-Verbindungen zu ihren Mutterhäusern in der Heimat nutzen. Sie sollen künftig nur noch lizenzierte Leitungen staatlicher chinesischer Anbieter einsetzen können. Doch gibt es Sorge, dass ohne Nutzung eigener VPN-Verschlüsselungen Geschäftsgeheimnisse nicht mehr bewahrt werden können. Die Bundesregierung bemüht sich seit Monaten vergeblich, mit der chinesischen Seite über die Probleme deutscher Unternehmen mit der VPN-Blockade und auch die Irritationen durch das neue chinesische Cyber-Sicherheitsgesetz zu reden. Vor eineinhalb Jahren hatten beide Seiten beim Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Peking eigentlich die Aufnahme eines Cyber-Dialogs vereinbart. Doch sind nach dpa-Informationen bisher alle Versuche, hier mit Peking ins Gespräch zu kommen, ergebnislos verlaufen.
Quelle: heise online
https://www.heise.de/newsticker/meldung/...ft-3926954.html

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

02.01.2018 12:25
#9 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von crastro im Beitrag #2
Wobei mir selbst nach Jahren nicht klar ist, warum fast jeder da mitmacht.

Ulrich Elkmann hat schon einige Aspekte gut dargestellt. Facebook ist sehr leicht zu bedienen und sehr flexibel, um individuelle Bedürfnisse abzudecken.

Zitat
Einerseits ist es gut, daß jeder zeigen kann, was er isst ...


Das mit dem "Foodporn" ist so ein Klischée ...
Das natürlich ab und zu auch stimmt, genau wie das Klischée mit den Katzenvideos.

Wobei es (in seltener Dosierung) auch mal ganz nett sein kann mitzubekommen, daß Verwandte/Bekannte irgendwo etwas Leckeres essen weil sie Urlaub machen oder feiern. Dieses einfache und schnelle "Mitbekommen" ist wohl der zentrale Vorteil, durch den Facebook groß geworden ist.
Nur bei relativ wenigen engen Freunden und Verwandten hat man ja die Zeit, regelmäßig telephonisch oder gar brieflich den Kontakt zu pflegen. Ansonsten ist es normal, daß man von vielen Leuten jahrelang gar nichts mitkriegt. Während man über Facebook von einigen hundert Leuten des lockeren Bekanntenkreises ein bißchen mitverfolgen kann, was sich so tut. Das ist sehr angenehm.

Das hat dafür gesorgt, daß "fast alle" bei FB mitmachen. Und damit die Basis gegeben ist für speziellere Kommunikation. Wenn ich gewisse (durch definierte Gruppen abgegrenzte) Leute erreichen will, dann ist FB exzellent geeignet. Incl. der Möglichkeit, bis zu einer gewissen Größenordnung inhaltliche Diskussionen zu führen (das geht bei Messengern fast nicht). Ich kann damit z. B. als Kommunalpolitiker einen großen Teil meiner Wählerschaft erreichen (und die mich), ungefiltert durch die Lokalpresse.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

02.01.2018 12:45
#10 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #6
Facebook hat eine politische Stoßrichtung ...

Ich glaube nicht, daß Facebook die hat.
Facebook hat weltweit das Prinzip, daß es "familyfriendly" sein will. Also gibt es keine Nacktheit und möglichst auch keine direkten Beleidigungen von anderen Teilnehmern.

Aber ansonsten gibt es m. W. keine politischen Vorgaben. Sondern diese politische Stoßrichtung ist eine Spezialität des deutschen Markts und FB hat die übernommen, um hierzlande nicht anzuecken und sein Geschäftsmodell nicht zu gefährden. Denn es hat ja auch vor Maas schon erheblichen politischen Druck gegeben.
Insofern muß die Diskussion m. E. um diesen politischen Druck gehen, nicht darum, daß der größte Anbieter dem genauso nachgibt wie viele kleine.

Zitat
Facebook hat aber gerade keine solchen Spielräume, denn Facebook kann tun und lassen, was es will.


Jein. Bei illegalen Inhalten hat auch FB keine Spielräume. Gilt genauso für andere Medien - auch eine Zeitung darf keinen Leserbrief mit illegalen Inhalten veröffentlichen.
Aber ansonsten kann FB in der Tat tun und lassen, was es will. Und das ist erst einmal gut so. Das ist ein privates Angebot und das darf der Anbieter selbstverständlich nach eigenen Vorstellungen regeln. Wenn FB morgen beschließt, daß Fußball oder Astrologie keine zulässigen Themen mehr sind, dann wäre das legitim. Dann müssen sich die daran Interessierten eben ein anderes Forum für diese Diskussionen suchen.

Zitat
Löschen. Und genau das ist der Punkt. Facebook braucht keine Zweifelsfälle. Im Zweifel löschen, fertig ab. Und genau damit stirbt die Meinungsfreiheit.


Richtig, im Zweifelsfall wird gelöscht. Das ist eigentlich bei den meisten Forumsbetreibern nicht anders (auch hier in Zettels kleinem Zimmer). Und das ist NICHT das Ende der Meinungsfreiheit, weil die nicht beinhaltet, daß private Betreiber jede beliebige Meinung verbreiten müssen.

Zitat
Der Fehler ist zu glauben das Facebook ein neutraler Vermittler von Information wäre.


Ja. Das ist der Knackpunkt: FB ist kein neutraler Vermittler, kann das auch gar nicht sein. Wenn man FB benutzt, muß man sich über die Grenzen im klaren sein - wie bei jedem anderen Medium auch.
Das ist wie mit der Tagesschau. Das Problem ist eigentlich nicht, daß die ein grünes Weltbild vermitteln. So etwas ist legal. Das Problem ist eigentlich (neben der Zwangsfinanzierung), daß zu viele Leute immer noch glauben, das wäre seriöse und neutrale Berichterstattung.

Llarian Offline



Beiträge: 7.121

02.01.2018 21:53
#11 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10
Ich glaube nicht, daß Facebook die hat.

Das glaube ich aber für Dich mit. Ich denke die Sammlung von Steinhövel ist da schon sehr eindeutig. Vor allem weil er belegt, dass nicht nur kritische Dinge gelöscht werden, sondern auch was für unglaubliche Hetze andererseits problemlos akzeptiert wird. So sie nur das richtige Vorzeichen hat. Facebook zielt schlicht darauf, dass es weltweit mehr als eine Milliarde Anhänger des Islams gibt. Und keine 10 Millionen Kritiker.

Zitat
Also gibt es keine Nacktheit und möglichst auch keine direkten Beleidigungen von anderen Teilnehmern.


Oh doch. So lange es die richtigen sind.

Zitat
Sondern diese politische Stoßrichtung ist eine Spezialität des deutschen Markts und FB hat die übernommen, um hierzlande nicht anzuecken und sein Geschäftsmodell nicht zu gefährden. Denn es hat ja auch vor Maas schon erheblichen politischen Druck gegeben.


Ah, iwo. Die spielen sich doch nur die Bälle gegenseitig zu. Maas ist das "moralische" Deckungsschild von Facebook und Facebook ist das juristische Schild von Maas. Das ist einfach ein Doppelpaßspiel.

Zitat
Aber ansonsten kann FB in der Tat tun und lassen, was es will. Und das ist erst einmal gut so. Das ist ein privates Angebot und das darf der Anbieter selbstverständlich nach eigenen Vorstellungen regeln. Wenn FB morgen beschließt, daß Fußball oder Astrologie keine zulässigen Themen mehr sind, dann wäre das legitim. Dann müssen sich die daran Interessierten eben ein anderes Forum für diese Diskussionen suchen.


Und jetzt erweitern wir das mal: Die Post ist ein privates Unternehmen. Wenn sie sich morgen entschließt keine Post der FDP mehr zu befördern, ist das legitim. Die deutsche Lufthansa ist ein privates Unternehmen. Und wenn sie morgen keine AfD Politiker mehr befördert, ist das legitim. Die Telekom ist ein privates Unternehmen. Wenn sie morgen beschließt alle Pakete in ihrem Netz zu blocken, die aus Buxtehude kommen, dann ist das legitim. Und so weiter und so weiter und so weiter. Und natürlich das Sahnebonbon: Humaninsulin wird gerade mal von einer handvoll Unternehmen produziert. Was ist wenn die morgen beschliessen, dass das nur noch an Personen verkauft werden darf, die ihrer politischen Agende entsprechen? Alles legitim. Oder doch nicht?

Zitat
Das ist eigentlich bei den meisten Forumsbetreibern nicht anders (auch hier in Zettels kleinem Zimmer). Und das ist NICHT das Ende der Meinungsfreiheit, weil die nicht beinhaltet, daß private Betreiber jede beliebige Meinung verbreiten müssen.


Und GENAU da ist das eigentliche Problem im Kern. Zettels Raum ist nicht die Welt, eine Sperrung undramatisch. Die Telekomleitungen dagegen sind in Deutschland die Welt. Und es ist das Ende der Meinungsfreiheit, wenn die Telekom Leute ausschliessen könnte. Facebook ist davon in vielen Bereichen nicht mehr weit entfernt. Und ob Sie eine beliebige Meinung verbreiten müssen(!), das ist genau der zentrale Punkt. Die Telekom muss. Und das ist, um deine Redewendung aufzugreifen, gut so.
Ich möchte übrigens einen wichtigen Punkt an der Stelle differenzieren: Niemand erwartet von Facebook das sie ihre Nachrichten, die sie ja auch darstellen, gleichwertig gestalten, darum geht es nicht. Es geht explizit darum, dass sie einer bestimmten politischen Gruppe das Recht entziehen untereinander(!) zu kommunizieren.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.01.2018 10:05
#12 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #11
Ich denke die Sammlung von Steinhövel ist da schon sehr eindeutig.

Nein. Das sind fast ausschließlich Beispiele aus dem deutschen FB und jüngeren Datums. Das belegt nicht, daß der FB-Konzern eine weltweite politische Agenda hätte. Und wenn man sich anschaut, was im US-Wahlkampf alles dort über FB gelaufen ist, glaube ich nach wie vor nicht an diese Agenda.
Und ich weiß auch noch, daß man vor einigen Jahren in Deutschland fast alles (außer Nacktheit und direkter Gewalt) auf FB bringen konnte. Das hat sich deutlich verschärft NACHDEM Maas angefangen hat die Folterwerkzeuge vorzuzeigen.
Ich sehe hier schlicht eine deutsche Niederlassung, die auf Druck der deutschen Politik handelt um ihr Geschäftsmodell zu schützen.

Zitat
Maas ist das "moralische" Deckungsschild von Facebook und Facebook ist das juristische Schild von Maas.


Ich sehe keinerlei Belege für so ein Doppelspiel. Vom zeitlichen Verlauf ist ziemlich deutlich, daß Maas der wesentliche Akteur war und FB (und zwar erst nach einiger Zeit) reagiert hat.

Zitat
Und jetzt erweitern wir das mal: Die Post ist ein privates Unternehmen.


Langsam.
Wir haben hier zwei getrennte Probleme. Einmal die Frage, ob ein Unternehmen sich aussuchen darf, mit wem es Geschäfte macht. Da gibt es keine klare liberale Antwort, weil wir einerseits für die die Freiheit des Unternehmers sind und andererseits keine "Juden raus"-Schilder an Geschäften sehen wollen. Diese Grundsatzdiskussion ist noch offen und hat wenig mit FB zu tun.
Zum Anderen ist FB ein Medium, daß Inhalte veröffentlicht und damit auch strafrechtlich mit drinhängt - das ist nicht zu vergleichen mit der Post, die für den Inhalt der beförderten Pakete nie verantwortlich ist.

Zitat
Und GENAU da ist das eigentliche Problem im Kern. Zettels Raum ist nicht die Welt, eine Sperrung undramatisch.


Völlig richtig, die Menge macht einen qualitativen Unterschied. Trotzdem sehe ich große Probleme mit der Idee, daß Zettels Raum plötzlich in seiner Gestaltungsfreiheit eingeschränkt werden soll, nur weil vielleicht zu viele Leute mitmachen (wollen). Selbst wenn 99% aller Deutschen bei ZR mitlesen oder diskutieren würden - es bleibt immer noch ein privates Forum und hat m. E. keine Verpflichtungen diesen Leuten gegenüber.

Zitat
Die Telekomleitungen dagegen sind in Deutschland die Welt. Und es ist das Ende der Meinungsfreiheit, wenn die Telekom Leute ausschliessen könnte.


Die Telekom hat in manchen Bereichen noch ein Monopol - und dort gibt es dann zu Recht ein Anschlußzwang zu gleichen Bedingungen. Aber für andere Telekom-Dienstleistungen (auch solche, bei denen die Telekom sehr stark im Markt ist) gibt es das Monopol nicht, und dann ist auch die Meinungsfreiheit nicht bedroht.

Zitat
Facebook ist davon in vielen Bereichen nicht mehr weit entfernt.


Es ist nicht entscheidend, wie weit die Entfernung ist. Sondern nur, daß diese existiert. Soll heißen: FB hat kein Monopol und kann auch nie eines bekommen (falls Maas kein entsprechendes Gesetz durchkriegt). Es gibt Alternativen um sich mitzuteilen, und man kann auch jederzeit neue Alternativen aufmachen.
Deswegen gibt es m. E. keine Berechtigung FB dazu zu zwingen, irgendwelche Sachen zu veröffentlichen, zu denen sie keine Lust haben.

Zitat
Es geht explizit darum, dass sie einer bestimmten politischen Gruppe das Recht entziehen untereinander(!) zu kommunizieren.


Nein. Diese Gruppen haben genug andere Möglichkeiten für die interne Kommunikation.





[/quote]

Llarian Offline



Beiträge: 7.121

03.01.2018 15:22
#13 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12
Ich sehe hier schlicht eine deutsche Niederlassung, die auf Druck der deutschen Politik handelt um ihr Geschäftsmodell zu schützen.

Und wie erklärt es sich dann, dass offenkundige Hasskommentare, die halt nur ein anderes Vorzeichen tragen, überhaupt kein Problem für Facebook darstellen?

Zitat
Ich sehe keinerlei Belege für so ein Doppelspiel. Vom zeitlichen Verlauf ist ziemlich deutlich, daß Maas der wesentliche Akteur war und FB (und zwar erst nach einiger Zeit) reagiert hat.


Dann bilde ich mir die "Taskforce" von Facebook, Maas und Kahane nur ein?

Zitat
Wir haben hier zwei getrennte Probleme. Einmal die Frage, ob ein Unternehmen sich aussuchen darf, mit wem es Geschäfte macht. Da gibt es keine klare liberale Antwort, weil wir einerseits für die die Freiheit des Unternehmers sind und andererseits keine "Juden raus"-Schilder an Geschäften sehen wollen. Diese Grundsatzdiskussion ist noch offen und hat wenig mit FB zu tun.


Nein. Die hat genau mit Facebook zu tun und GENAU DIESE Grundsatzdiskussion ist es, um die es in der ganzen Problematik geht. Private Unternehmen haben aus gutem Grund in der Regel keinen Kontrahierungszwang. Das wäre ja auch noch schöner, wenn der Staat einem auch noch vorschriebe mit wem man Geschäfte macht. Aber: Das führt in der Logik zwar nicht zu "kauf nicht bei Juden" Schildern, aber es kann dazu führen, dass ein Unternehmen nicht mehr an eine bestimmte Gruppe verkauft. Ob wir das sehen wollen oder nicht. Man kann nicht beides haben. Und genau das ist das Problem: Das GG verpflichtet rein den Staat, nicht die Bürger. Was aber, wenn die Bürger etwas treiben was die Grundrechte eines anderen effektiv aufhebt?

Zitat
Zum Anderen ist FB ein Medium, daß Inhalte veröffentlicht und damit auch strafrechtlich mit drinhängt - das ist nicht zu vergleichen mit der Post, die für den Inhalt der beförderten Pakete nie verantwortlich ist.


Das ist ein roter Hering aus dem Maas Ministerium. Es geht bei weit mehr als 90% (eher 99%) der inkriminierten Dinge nicht um strafrechtliche relevante Inhalte. Dafür gab es bereits vorher Gesetze und die werden auch in aller (nach meiner Meinung in übermäßiger) Härte angewandt. Was Facebook hier treibt hat nichts mit illegalen Inhalten sondern mit nicht gewollten Inhalten zu tun.

Zitat
Selbst wenn 99% aller Deutschen bei ZR mitlesen oder diskutieren würden - es bleibt immer noch ein privates Forum und hat m. E. keine Verpflichtungen diesen Leuten gegenüber.


Und genau das wäre ein Problem. Wenn ZR in Deutschland die Informationsinstanz schlechthin wäre, wir aber in dem Moment gezielt Leute rausschmeissen, deren Nase uns nicht passt, dann haben wir ein Problem mit Grundrechten. Denn für diese Leute existieren diese rein auf dem Papier weiter.

Zitat
Die Telekom hat in manchen Bereichen noch ein Monopol - und dort gibt es dann zu Recht ein Anschlußzwang zu gleichen Bedingungen.


Um dieses spezielle Monopol geht es nicht. Die Telekom hat auch ein Quasi-Monopol auf die Backbones, und es gibt keinerlei rechtliche Verpflichtung dieses nicht entsprechend zu nutzen.

Zitat
Soll heißen: FB hat kein Monopol und kann auch nie eines bekommen (falls Maas kein entsprechendes Gesetz durchkriegt). Es gibt Alternativen um sich mitzuteilen, und man kann auch jederzeit neue Alternativen aufmachen.


Das Facebook Monpol ist schwer zu belegen (obschon ich meine, dass es in diversen Peer-Groups durchaus Realität ist). Aber nehmen wir doch die Telekom, weils dort einfacher ist. Es gibt Alternativen zur Telekom. Wenn die Telekom morgen anfinge einzelne Kunden zu schmeissen, weil sie in der AfD sind, sagst Du denen dann auch: Ihr könnt ja Briefe schreiben. Oder ein Handy benutzen.

Zitat
Nein. Diese Gruppen haben genug andere Möglichkeiten für die interne Kommunikation.


Natürlich haben die das. Die können auch morsen. Oder trommeln. Ich kann auch alle Autobahnen privatisieren und darauf hinweisen, dass man jeden Punkt in Deutschland über Landstrassen erreichen kann. Gehen tut das alles. Aber was sind unsere Grundrechte unter einer solchen Betrachtung noch wert? Das ganze Internet gehört privaten Unternehmen. Und jetzt stellen wir uns mal vor, diese Unternehmen schliessen Dich aus und sagen Dir ins Gesicht, Du kannst ja immernoch in Bibliotheken gehen, Briefe verschicken oder mit dem Zug hinfahren. Wobei: Vertu Dich nicht. Die Bibliothek, die Post wie auch die Bahn sind private Unternehmen.

Ganz grundsätzlich: Es gibt einen zentralen Widerspruch zwischen Grundrechten und freiem Unternehmertum, der sich logisch nicht auflösen lässt. AT&T ist ein Beispiel dafür gewesen, genauso wie Standard Oil, und beide wurden aus gutem Grunde zerschlagen. Obschon sowohl AT&T als auch Standard Oil nichts illegales getan haben. Facebook schickt sich an genau in die selbe Kerbe zu springen, nur im Unterschied in einem weit(!) sensibleren Feld und mit deutlich anderen Waffen. Ich sehe da eine gewaltige Bedrohung. AT&T und Standard waren am Ende nur teuer und haben den Markt behindert. Facebook dagegen schickt sich an zentrale Grundrechte außer Kraft zu setzen. Ich sehe aus meiner Perspektive vier große Giganten mit entsprechender Macht: Alphabet, Amazon, Apple & Facebook. Alphabet hat, obwohl sie genügend Murks veranstalten, immer noch eine Art Grundkodex, Apple und Amazon sind gute Kapitalisten, denen es rein um Geld geht. Facebook dagegen verfolgt eine politische Agenda. Und es ist im Sinne von Grundrechten keine gute.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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03.01.2018 16:26
#14 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Viele interessante Argumente.

Der zentrale Punkt wird aber meines Ermessens dabei nicht genannt:

Die Rechtsprechung ist Aufgabe der Judikative und eine Privatisierung der Rechtsprechung kann durchaus als Angriff auf den Rechtsstatt begriffen werden.

Nichts anderes aber - als eine (Teil-)Privatisierung der Rechtsprechung - ist das NetzDG: Es hält mehr oder weniger direkt FB und Konsorten dazu an, juristische Einschätzungen in Tagesfrist vorzunehmen und umzusetzen, für die Gerichte nicht selten Monate und Jahre brauchen. Strafbare Inhalte können bereits heute gelöscht, bzw. sanktioniert werden. Allerdings nur über die „Mühlen des Rechtsstaates.“ Nicht durch ein Privatunternehmen.

Wir können uns sicher darauf einigen, dass eine blinde Justizia auch in einem gut funktionierenden Rechtsstaat ein nicht erreichbares Ideal ist, aber eine faktische (Teil-)Privatisierung der Rechtssprechung ist mehr als eine kleine Abweichung vom Ideal. Sie ist in meinen Augen ein Desaster für den Rechtsstaat.

Und im Kern liegt hier eigentlich genau das Dilemma von Facebook. Eigentlich müßte Facebook sich gerichtlich dagegen wehren, dass es als Privatunternehmen die Aufgaben der Judikative übernehmen soll. Die Frage ist nur: Will ein Unternehmen wirklich einen Prozeß gegen den Staat führen in dem es agiert? Was glaubt es dabei gewinnen zu können? Da fügt es sich lieber den Wünschen des Staates - alleine schon, weil es ökonomisch weniger risikoreich zu sein scheint, so zu handeln.

Und die Wünsche der aktuellen politischen Führung Deutschlands scheinen mir dabei durchaus offensichtlich darauf hinzudeuten, dass man der Augenbinde Justizias in der hier diskutierten Hinsicht ein paar Löcher schneidern möchte.

Die Frage, ob Facebook eine politische Agenda verfolgt oder nicht, erscheint mir daher irrelevant – auch wenn ich im Urteil über das, was durch das Handeln der Akteure geschieht (ein sehr relevanter Angriff auf die Meinungsfreiheit), sehr nah bei Llarian bin. Die wesentliche Frage, bzw. der wesentliche Sachverhalt ist in meinen Augen, dass von der Politik ein Angriff auf den Rechtsstaat erfolgt und bisher keiner gewillt ist dem entschlossen entgegen zu treten. Und dieser Angriff wirkt auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Wie stark er wirkt, darüber mag man debattieren. Aber er findet statt und ist nicht wirkungslos.

Man kann jetzt einem Unternehmen schwer vorwerfen, nichts zu unternehmen, wenn selbst das Parlament bisher nur sehr halbherzig – wenn überhaupt – Widerstand gegen diesen Angriff leistet. Ich glaube, dass es völlig gleichgültig ist, ob Facebook eine politische Agenda verfolgt oder nicht. Im Zweifel versucht Facebook ökonomisch risikooptimiert zu handeln – ob der Rahmen, den die Politik dafür vorgibt, in die Weltsicht der eigenen Führung nun passt oder nicht, ist kein Entscheidungskriterium für ein professionell geführtes Unternehmen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Florian Offline



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03.01.2018 16:38
#15 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12
Zitat von Llarian im Beitrag #11
Ich denke die Sammlung von Steinhövel ist da schon sehr eindeutig.

Nein. Das sind fast ausschließlich Beispiele aus dem deutschen FB und jüngeren Datums. Das belegt nicht, daß der FB-Konzern eine weltweite politische Agenda hätte. Und wenn man sich anschaut, was im US-Wahlkampf alles dort über FB gelaufen ist, glaube ich nach wie vor nicht an diese Agenda.
Und ich weiß auch noch, daß man vor einigen Jahren in Deutschland fast alles (außer Nacktheit und direkter Gewalt) auf FB bringen konnte. Das hat sich deutlich verschärft NACHDEM Maas angefangen hat die Folterwerkzeuge vorzuzeigen.
Ich sehe hier schlicht eine deutsche Niederlassung, die auf Druck der deutschen Politik handelt um ihr Geschäftsmodell zu schützen. .


Ich seh's so wie R.A.

Habe aber dennoch eine Verständnisfrage:

Wie ist eigentlich die deutsche Rechtslage bzgl. Facebook "International"?

Also konkret:

Wenn z.B. ein Amerikaner einen Beitrag schreibt, der nach deutschem Verständnis ein zu löschender Hasskommentar wäre: Wird dann Facebook durch die deutsche Rechtslage zum Löschen gezwungen?

Falls nein: Ist das deutsche Gesetz dann nicht ein ganz stumpfes Schwert? (Jeder problematische Kommentar könnte dann ja weiter veröffentlicht werden. Nur halt unter einem (nominell) amerikanischen Account.

Falls ja: Das wäre dann ja ein massiver Eingriff des deutschen Staats in "Facebook International". Auf einmal würde die deutsche Gesetzeslage dazu führen, dass Menschen die im Ausland wohnen zensiert werden.
Und wenn - wie zu erwarten - andere Länder mit diesem Blödsinn nachziehen, wird früher oder später faktisch gar nichts mehr durch den Zensurfilter kommen. Denn jedes Land hat ja seine eigenen Befindlichkeiten. In Frankreich ist die Leugnung des Armenien-Genozids verboten. In der Türkei ist es verboten, dies Tat als "Genozid" zu bezeichnen. Damit wäre dann Facebook für Historiker des Ersten Weltkriegs als Medium wohl tot...
(Dito für alle anderen Themen)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.01.2018 16:42
#16 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #13
Und wie erklärt es sich dann, dass offenkundige Hasskommentare, die halt nur ein anderes Vorzeichen tragen, überhaupt kein Problem für Facebook darstellen?

Ganz einfach: Weil die kein Problem für Maas sind. FB vollzieht hier Vorgaben der Politik.

Zitat
Dann bilde ich mir die "Taskforce" von Facebook, Maas und Kahane nur ein?


Natürlich nicht. Aber die wurde von Maas gewollt, nicht von FB. Alleine schon deshalb, weil das ja alles von FB bezahlt werden muß - darauf haben die freiwillig keine Lust, hatten es vor Maas nicht und in anderen Ländern auch nicht.

Zitat
Private Unternehmen haben aus gutem Grund in der Regel keinen Kontrahierungszwang.


Und damit steht es FB frei, Leute zu löschen. Oder einem Hotel, AfDler nicht zu nehmen. Oder der Lufthansa, mißliebige Passagiere nicht zu befördern.

Zitat
Und genau das ist das Problem: Das GG verpflichtet rein den Staat, nicht die Bürger. Was aber, wenn die Bürger etwas treiben was die Grundrechte eines anderen effektiv aufhebt?


Richtig. Dieses Problem ist bisher nicht geklärt, gerade auch bei den Liberalen nicht (für die Linken ist die Frage längst beantwortet in dem Sinne, daß die Unternehmen sich nach staatlichen Vorgaben richten sollen).
FB ist nur ein Beispiel von vielen, und wir haben bisher keine echte Antwort. Die erste Antwort wäre die, daß es keinen Kontrahierungszwang geben darf - und dann wäre alles bei FB ok.

Zitat
Es geht bei weit mehr als 90% (eher 99%) der inkriminierten Dinge nicht um strafrechtliche relevante Inhalte.


Keiner von uns weiß, wie hoch dieser Prozentsatz ist.
Aber Zustimmung, bei Maas geht es um mehr als nur um Strafbares.
Aber das war nicht mein Punkt. Sondern der Punkt war, daß es grundsätzlich bei einem Medium noch andere Aspekte gibt als bei der Post. Gewisse strafbare Sachen muß FB löschen, ganz unabhängig von Maas. Und es muß sich auch grundsätzlich überlegen, wie es mit dem Graubereich umgeht. Du müßtest also z. B. mit dem Leserbriefbereich einer Zeitung vergleichen, nicht mit den von Dir aufgeführten Unternehmen.

Zitat
Und genau das wäre ein Problem. Wenn ZR in Deutschland die Informationsinstanz schlechthin wäre, wir aber in dem Moment gezielt Leute rausschmeissen, deren Nase uns nicht passt, dann haben wir ein Problem mit Grundrechten.


Nein. Siehe oben: Die Grundrechte binden den Staat, aber nicht uns als private Forenbetreiber.

Zitat
Das Facebook Monpol ist schwer zu belegen


Weil es nicht existiert. Es gibt Alternativen zu FB (in Bezug auf die reine Kommunikationsfunktion), und noch wichtiger, man kann jederzeit eine neue aufmachen.

Zitat
Wenn die Telekom morgen anfinge einzelne Kunden zu schmeissen, weil sie in der AfD sind, sagst Du denen dann auch: Ihr könnt ja Briefe schreiben. Oder ein Handy benutzen.


Die Alternative zur Telekom sind Vodaphone und Co. Die bieten völlig äquivalente Möglichkeiten.0

Zitat
Und jetzt stellen wir uns mal vor, diese Unternehmen schliessen Dich aus ...


Klingt nach Kartellbildung - die wäre wiederum verboten.

Zitat
Ganz grundsätzlich: Es gibt einen zentralen Widerspruch zwischen Grundrechten und freiem Unternehmertum, der sich logisch nicht auflösen lässt.


Eben. Genau das versuche ich darzulegen. Und dieses Grundsatzproblem haben wir (hier im Forum) bisher nicht geklärt - erst wenn wir da eine allgemeine Lösung abgrenzen können, kann man das dann auf FB anwenden.

Zitat
Facebook dagegen schickt sich an zentrale Grundrechte außer Kraft zu setzen.


Ich sehe kein einziges Grundrecht, daß FB auch nur antasten könnte. Das kann nur der Staat mit seinen Zwangsorganen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.01.2018 17:16
#17 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #15
Wenn z.B. ein Amerikaner einen Beitrag schreibt, der nach deutschem Verständnis ein zu löschender Hasskommentar wäre: Wird dann Facebook durch die deutsche Rechtslage zum Löschen gezwungen?

Ja, aber offenbar nur für deutsche Benutzer.

Es werden wohl unterschiedliche Sachen angezeigt, je nach Heimatland eines FB-Nutzers:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolit...-a-1186013.html

Florian Offline



Beiträge: 3.180

03.01.2018 19:49
#18 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #17
Zitat von Florian im Beitrag #15
Wenn z.B. ein Amerikaner einen Beitrag schreibt, der nach deutschem Verständnis ein zu löschender Hasskommentar wäre: Wird dann Facebook durch die deutsche Rechtslage zum Löschen gezwungen?

Ja, aber offenbar nur für deutsche Benutzer.

Es werden wohl unterschiedliche Sachen angezeigt, je nach Heimatland eines FB-Nutzers:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolit...-a-1186013.html


Ok, danke für die Info.

Übrigens stützt dies zusätzlich Ihre Position:

Facebook löscht die Beiträge also gar nicht - sie sind nur für deutsche Nutzer nicht mehr sichtbar.
Für ausländische Nutzer bleiben sie aber sichtbar.
Man erkennt daran, dass es eben gerade nicht das Ziel von Facebook ist, bestimmte Beiträge zu unterdrücken - dann würde man das ja komplett löschen.

Stattdessen werden speziell DEUTSCHEN Lesern gewisse Informationen nicht mehr zugänglich sein.
Das zeigt auch wunderbar die volkserzieherische Absicht des DEUTSCHEN Staats dahinter.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

03.01.2018 22:01
#19 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat
Die Rechtsprechung ist Aufgabe der Judikative und eine Privatisierung der Rechtsprechung kann durchaus als Angriff auf den Rechtsstatt begriffen werden.

Nichts anderes aber - als eine (Teil-)Privatisierung der Rechtsprechung - ist das NetzDG: Es hält mehr oder weniger direkt FB und Konsorten dazu an, juristische Einschätzungen in Tagesfrist vorzunehmen und umzusetzen, für die Gerichte nicht selten Monate und Jahre brauchen. Strafbare Inhalte können bereits heute gelöscht, bzw. sanktioniert werden. Allerdings nur über die „Mühlen des Rechtsstaates.“ Nicht durch ein Privatunternehmen.

Wir können uns sicher darauf einigen, dass eine blinde Justizia auch in einem gut funktionierenden Rechtsstaat ein nicht erreichbares Ideal ist, aber eine faktische (Teil-)Privatisierung der Rechtssprechung ist mehr als eine kleine Abweichung vom Ideal. Sie ist in meinen Augen ein Desaster für den Rechtsstaat.


Verständnisfrage: Könntest Du mir sagen, wo genau hier Recht im Sinne der Iudikative gesprochen wird? Und im Anschluss daran, welche Art von Vollzug findet statt?

Gruß und Gutes neues Jahr, Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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04.01.2018 09:31
#20 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #19
Verständnisfrage: Könntest Du mir sagen, wo genau hier Recht im Sinne der Iudikative gesprochen wird? Und im Anschluss daran, welche Art von Vollzug findet statt?

Es ist Aufgabe eines Gerichts, die Rechtswidrigkeit einer Äusserung festzustellen und das Unterbinden ihrer weiteren Verbreitung anzuweisen.

Das NetzDG gibt sich damit nicht zufrieden. Durch die gesetzte Zeitfrist, samt angedrohter, empfindlicher ökonomischer Sanktionen, nötigt es Unternehmen dazu, Einschätzungen, welche einem Gericht obliegen, in sehr kurzer Zeit selbst vorzunehmen und Handlungen, welche ein Gericht anweisen müßte, selbst, ohne gerichtliche Anweisung vorzunehmen.

Wir sind einig: Erstes ist formal keine Rechtsprechung. Zweites ist formal kein Vollzug. Aber es wirkt faktisch zunächst analog – auch wenn dem Betroffenen danach sicherlich der Rechtsweg offen steht, dagegen vorzugehen.

Das NetzDG regelt etwas, was schon längst geregelt ist und über die Beschreitung des Rechtswegs geklärt werden müsste. Seinen Sinn kann ich daher nur darin sehen, dass es den bisherigen Rechtsweg umgehen soll – aus welchen Gründen auch immer. Das NetzDG nötigt dabei über Androhung hoher ökonomischer Sanktionen private Instanzen das zu tun, was eigentlich Gerichte und Vollzugsbeamte tun und anweisen müßten. Ob man das dann formal Rechtsprechung und Vollzug nennen kann ist das eine. Wie es faktisch wirkt, das andere.

Genauso kann man ja etwas Verständnisfrage nennen, wenn man widerspricht. Verstehen wird es jeder.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Meister Petz Offline




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04.01.2018 10:57
#21 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #20
Zitat von Meister Petz im Beitrag #19
Verständnisfrage: Könntest Du mir sagen, wo genau hier Recht im Sinne der Iudikative gesprochen wird? Und im Anschluss daran, welche Art von Vollzug findet statt?

Es ist Aufgabe eines Gerichts, die Rechtswidrigkeit einer Äusserung festzustellen und das Unterbinden ihrer weiteren Verbreitung anzuweisen.

Das NetzDG gibt sich damit nicht zufrieden. Durch die gesetzte Zeitfrist, samt angedrohter, empfindlicher ökonomischer Sanktionen, nötigt es Unternehmen dazu, Einschätzungen, welche einem Gericht obliegen, in sehr kurzer Zeit selbst vorzunehmen und Handlungen, welche ein Gericht anweisen müßte, selbst, ohne gerichtliche Anweisung vorzunehmen.

Wir sind einig: Erstes ist formal keine Rechtsprechung. Zweites ist formal kein Vollzug. Aber es wirkt faktisch zunächst analog – auch wenn dem Betroffenen danach sicherlich der Rechtsweg offen steht, dagegen vorzugehen.

Das NetzDG regelt etwas, was schon längst geregelt ist und über die Beschreitung des Rechtswegs geklärt werden müsste. Seinen Sinn kann ich daher nur darin sehen, dass es den bisherigen Rechtsweg umgehen soll – aus welchen Gründen auch immer. Das NetzDG nötigt dabei über Androhung hoher ökonomischer Sanktionen private Instanzen das zu tun, was eigentlich Gerichte und Vollzugsbeamte tun und anweisen müßten. Ob man das dann formal Rechtsprechung und Vollzug nennen kann ist das eine. Wie es faktisch wirkt, das andere.

Ich halte das NetzDG zwar für ein hirnverbranntes Gesetz und volkspädagogischen Unsinn; auch was die Stoßrichtung vom Maas bis an die Merkel (SCNR ) angeht, gehe ich mit, aber das Argument hier überzeugt mich nicht. Es wird kein Rechtsweg umgangen, sondern eine zusätzliche Verantwortlichkeit eingeführt (bzw. konkretisiert und verschärft, auch ohne NetzDG hat ein Provider eine Verantwortlichkeit für Inhalte auf seinen Seiten).

Grundsätzlich sorgt jedes Gesetz dafür, dass Unternehmen und Privatpersonen jeden Tag Einschätzungen über die Rechtmäßigkeit von Sachverhalten treffen müssen und ihr Handeln danach ausrichten müssen, weil sie sonst von Strafen bedroht sind. Auch oft innerhalb von kurzer Zeit (deutlich weniger als 24 Stunden). Meist geht es dabei um die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns, aber oft eben auch über das von Dritten.

Der Vergleich mit Leserkommentaren in einer Zeitung wurde schon gebracht. Als weitere - weil naheliegende Parallele fällt mir die Aufgabe der Security bei einer Veranstaltung ein. Der Türsteher, der eine Taschenkontrolle vornimmt, hat ebenso eine Doppelfunktion wie die Moderation bei Facebook. Er übt zum Einen das Hausrecht aus, zum anderen nimmt er quasi polizeiliche Aufgaben war und ist selbstverständlich auch dazu gezwungen, Rechtmäßigkeiten einzuschätzen. Wie z.B., ob ein Messer, das ein Besucher dabei hat, in der Öffentlichkeit geführt werden darf oder nicht. Das ist vom Hausrecht unberührt - das Hausrecht erlaubt ihm selbstverständlich, auch ein winziges, vom Waffengesetz selbstverständlich erlaubtes Schweizer Taschenmesser einzuziehen. Lässt er allerdings einen Besucher mit einer Machete rein und die Polizei findet die später, wird er sicher Probleme bekommen. Weil er von Rechts wegen für die Sicherheit auf seiner Veranstaltung verantwortlich ist und deshalb zunächst selber korrekt einschätzen muss, ob die Machete gegen das Waffengesetz verstößt oder nicht (das ist die Parallele zum "offensichtlich rechtswidrigen Inhalt" iSv § 3 NetzDG). Aber niemand würde - nicht mal im übertragenen Sinne - auf die Idee kommen, dass hier Recht gesprochen und vollzogen und damit "privatisiert" wird. Obwohl das auch alles "schon längst geregelt" ist.

Die Probleme zum NetzDG liegen meiner Ansicht woanders: Zum einen liegen sie darin (und das finde ich auch rechtsstaatlich zumindest widersprüchlich), dass die darin definierten "rechtswidrigen Inhalte" z.B. auch die §§ 185-187 (Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung) umfassen, allerdings ohne Verweis auf die Einschränkung durch §194 (Antragsdelikt). Was passiert hier? Es werden unterschiedliche Anwendungen des gleichen Gesetzes konstruiert, je nach dem, ob es im Netz stattfindet oder im sonstigen öffentlichen Raum. Denn: Wenn ich im Wirtshaus auf die Klotür schreibe "der X ist ein Arschloch", verpflichtet das den Wirt zu gar nix - nicht mal die Schrift wegzuwischen (es sei denn, der X besteht darauf). Ich selber kann strafrechtlich nur belangt werden, wenn der X mich anzeigt (oder der Wirt wegen Sachbeschädigung, aber das ist auch ein Antragsdelikt...). Schreibe ich dagegen das Gleiche auf FB, ist FB verpflichtet, den Inhalt zu entfernen, ohne dass der X dazu befragt wird. Vielleicht will der X ja gar nicht, dass die Beleidigung entfernt wird, sondern vielmehr dass jeder sieht, was der Petz für ein ungehobelter Kerl ist? Interessiert aber keinen. Das NetzDG verlangt nämlich nicht, dass die Beschwerde vom Beleidigten selber kommt.

Das Hauptproblem liegt aber selbstverständlich in der beabsichtigten massiven volkserzieherischen Wirkung.

Zitat
Genauso kann man ja etwas Verständnisfrage nennen, wenn man widerspricht. Verstehen wird es jeder.


Nein, ich wollte wirklich wissen, ob es noch ein überzeugenderes Argument gibt.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.290

04.01.2018 11:33
#22 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #11
Und jetzt erweitern wir das mal: Die Post ist ein privates Unternehmen.


Ich finde es gibt passendere Vergleiche um das Problem einzukreisen, und dann erscheint die ganze Sache schon wieder in einem anderen Licht.

Das Kernproblem hier ist doch, dass diverse Publizisten der Ansicht sind, Facebook wäre aus irgendeinem Grund verpflichtet alle gleich zu behandeln. Nur ist das doch in der gesamten Branche nicht der Fall:

Wenn sie als Musiker extrem geschmacklose Texte schreiben, bekommen sie eben keinen Vertrag mit Verlagen und Vetrieben, die sich auf Familienunterhaltung spezialisiert haben - was wohl auch ca. 90% des Marktes ausmacht. Dann müssen sie sich eben anpassen oder nach Alternativen umsehen. Ein Umstand über den sich kein Mensch beschwert. Völlig normal.

Und es käme auch niemand auf die Idee von Zeitungsverlagen zu fordern, dass diese jeden Autor veröffentlichen müssten der sich das gerne wünscht. Im Gegenteil, es wird dort als völlig normal angesehen, dass man ohne die entsprechende politische Färbung nicht die geringste Chance hat.

Nur bei Facebook soll die Sache auf einmal völlig anders gelagert sein? Tut mir leid, ich erkenne da keinen Unterschied.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

04.01.2018 12:00
#23 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat
Nur bei Facebook soll die Sache auf einmal völlig anders gelagert sein?


Ich stimme zwar in der Sache zu, allerdings haben nicht die werten Forums- und Autorenkollegen damit angefangen, sondern die Verfasser des NetzDG, die ein Gesetz explizit für Dienste mit mehr als 2 Mio Nutzern geschrieben haben. Damit schreiben sie FB, Twitter et al. quasi auf legislativem Weg ein natürliches Monopol zu, was eine staatliche Regulierung überhaupt erst rechtfertigt. Nur mit dem Unterschied, dass die Regulierung im Vergleich zu anderen Monopolisten wie Strom-, Gas- und Schienennetzbetreibern weniger den diskriminierungsfreien Zugang und die Preise reguliert, sondern den Inhalt. (Die Parallele beim Stromnetz wäre der Einspeisevorrang für Erneuerbare ).

Wenn aber nun dieses Monopol - das man wie R.A. mit gutem Grund bestreiten kann - aber schon durch ein Gesetz bestätigt ist, ist es schon verständlich, dass man das als Argument anführen kann.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Minichamp Offline



Beiträge: 174

04.01.2018 13:43
#24 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #21
Lässt er allerdings einen Besucher mit einer Machete rein und die Polizei findet die später, wird er sicher Probleme bekommen. Weil er von Rechts wegen für die Sicherheit auf seiner Veranstaltung verantwortlich ist und deshalb zunächst selber korrekt einschätzen muss, ob die Machete gegen das Waffengesetz verstößt oder nicht (das ist die Parallele zum "offensichtlich rechtswidrigen Inhalt" iSv § 3 NetzDG).


Der Paragraf 42a des Waffengesetzes gilt nur für den öffentlichen Raum. Auf privaten Grund gilt das Hausrecht des Eigentümers. Wenn ich meinen Besuchern erlaube Macheten zu tragen, geht das die Polizei gar nichts an. Beispiel: Ich lade ein paar Freunde und Bekannte zum gemeinsamen Brombeerstauden entfernen ein. Macheten machen da mitunter Sinn.
Oder ein sehr alltägliches Beispiel: Laut Waffengesetz dürfen Messer über 12 cm Klingenlänge nicht geführt werden, in jeder privaten Küche gibt es Messer, die dagegen verstoßen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

04.01.2018 13:55
#25 RE: Facebook macht einen Fehler Antworten

Zitat von Minichamp im Beitrag #24
Zitat von Meister Petz im Beitrag #21
Lässt er allerdings einen Besucher mit einer Machete rein und die Polizei findet die später, wird er sicher Probleme bekommen. Weil er von Rechts wegen für die Sicherheit auf seiner Veranstaltung verantwortlich ist und deshalb zunächst selber korrekt einschätzen muss, ob die Machete gegen das Waffengesetz verstößt oder nicht (das ist die Parallele zum "offensichtlich rechtswidrigen Inhalt" iSv § 3 NetzDG).

Der Paragraf 42a des Waffengesetzes gilt nur für den öffentlichen Raum. Auf privaten Grund gilt das Hausrecht des Eigentümers. Wenn ich meinen Besuchern erlaube Macheten zu tragen, geht das die Polizei gar nichts an. Beispiel: Ich lade ein paar Freunde und Bekannte zum gemeinsamen Brombeerstauden entfernen ein. Macheten machen da mitunter Sinn.
Oder ein sehr alltägliches Beispiel: Laut Waffengesetz dürfen Messer über 12 cm Klingenlänge nicht geführt werden, in jeder privaten Küche gibt es Messer, die dagegen verstoßen.

So viel ich weiß, ist bei öffentlichen Veranstaltungen das Führen von Hieb- und Stoßwaffen ebenfalls verboten:

Zitat
Weiterhin ist der Vertrieb und das Überlassen von Hieb- und Stoßwaffen im Reisegewerbe, auf Messen, Märkten, Volksfesten und Sammlertreffen verboten. Ausnahmegenehmigungen kann die zuständige Behörde, d.h. die lokale Polizei erlassen, wenn öffentliche Interessen nicht entgegen stehen. Auch dürfen Hieb- und Stoßwaffen nicht auf öffentlichen Vergnügungen, Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Märkten geführt werden.

https://www.outdoormesser.de/Messerrecht-Trageverbot

Ich würde eine Machete unter Hiebwaffe subsummieren, kann mich aber täuschen.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

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