Da Project Gutenberg als amerikanisches Unterfangen nach dortigem Recht sich nicht deutschen Rechtsnormen beugen wird, und die Copyrightabdeckungen in DE ausgeweitet werden dürften, wenn die bisherigen Erfahrungen ein Maßstab sind, dürfte der Konflikt bestehen bleiben und eine Beilegung nicht erfolgen. Danke, lieber S. Fischer Verlag. So hängt man Dunkelschland mal eben vom kulturellen Weltgedächtnis ab. Bitte versuchen, ob dergleichen nicht auch mit Youtube oder Wikipedia möglich ist.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat In dem Statement versichert der zur Holtzbrinck Publishing Group gehörende S. Fischer Verlag, dass es in der Auseinandersetzung nicht "um das legale Angebot von Gutenberg.org hinsichtlich unzähliger heute gemeinfreier Texte der Weltliteratur" gehe. Die betroffenen 18 Bücher – darunter etwa Thomas Manns "Buddenbrooks: Verfall einer Familie" und Heinrich Manns "Der Untertan" – sind in Deutschland aber noch einige Jahre urheberrechtlich geschützt. Die Übersetzungen dagegen sind in den USA bereits urheberrechtsfrei, da sie vor 1923 erschienen sind. Darauf beruft sich das E-Book-Portal Gutenberg.org, für das nach eigener Überzeugung nur US-Recht gilt. Das sah das Landgericht Frankfurt am Main aber anders und führte unter anderem an, dass es einen deutschsprachigen Bereich der Seite gebe.
Gutenberg.org akzeptiert das Urteil nicht Gutenberg.org hatte erklärt, die Aussperrung deutscher Nutzer sei erfolgt, um ähnlichen weiteren Klagen vorzubeugen. Immerhin umfasse das eigene Angebot bereits mehr als 56.000 Titel. Zumindest der S. Fischer Verlag erklärt aber, dass er die Angelegenheit erst außergerichtlich habe klären wollen. Besucher des Portals werden derweil noch immer offenbar nur nach IPv4-Adressen ausgesiebt, mit einer IPv6-Adresse lassen sich weiterhin E-Books herunterladen, auch die 18 beanstandeten Titel. Die hinter dem Portal stehende Foundation hat angekündigt, den Gerichtsentscheid anfechten zu wollen und bittet aktuell um Ratschläge, wie das am besten angegangen werden soll. Zumindest in diesem Punkt sind sich die Macher also mit dem Verlag einig: Denn der schließt aus der Aussperrung, dass Gutenberg.org offenbar "das Urteil eines Gerichts nicht akzeptieren möchte".
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1. Irgendwie passt es, dass so ein soziales Projekt aus den USA kommt und zwar in privater Initiative. Entgegen dem in Deutschland gepflegten Mythos sind die bürgerlichen Schichten der USA sehr sozial eingestellt. Während - wieder entgegen dem Mythos- die bürgerlichen Schichten in Deutschland da eher träge sind: soll sich doch der Staat drum kümmern....
2. Bemerkenswert ist auch, dass in der gesammten Organisation von Projekt Gutenberg keine Deutschen mehr sind. Deswegen wurde nicht mal die FAQ-Seite dazu übersetzt. Die digitale Revolution ist irgendwie nicht wirklich in Deutschland angekommen. Man hat den Eindruck, dieses Land hechelt irgendwie hinterher, um nicht ganz abgehängt zu werden. Außer bei Online-Shootern natürlich, da sind deutsche Gruppen ganz weit vorn dabei.
3. Dieser Fall ist exemplarisch für die offene Diskussion der Durchsetzung von Recht und Gesetz im Internet. So weit, so normal. Nicht mehr normal ist aber, dass in Deutschland sehr emotional andere Länder angeprangert werden, die das Internet zensieren - völlig in Einklang mit DEREN Gesetzgebung. Wir aber völlig unverfroren dieses Recht für uns in Anspruch nehmen (der Richterspruch ist da eindeutig).
4. Nebenbei könnte man auch noch diskutieren, warum so wenige deutsche Titel erfasst sind. Das hat mMn nicht nur etwas mit den US-Gründern zu tun.... (siehe oben Punkt 2)
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #34. Nebenbei könnte man auch noch diskutieren, warum so wenige deutsche Titel erfasst sind. Das hat mMn nicht nur etwas mit den US-Gründern zu tun....
Beim (amerikanischen, also nicht dem dt. Ableger) Project Gutenberg spielt hinein, daß Deutsch, ungeachtet einiger Zwischenrufe aus den German Departments, eine quantité negligeable ist, und Fremdsprachen überhaupt weit hinten angesiedelt sind - im allgemeinen kulturellen Kosmos und im akademischen Universum zumal. Da täuscht das gern gepflegte Vorurteil nicht. Die Ausnahme sind eben die speziellen Fachbereiche; und da sind Französisch und Spanisch einfach weiter vorn. Man braucht dergleichen schlicht nicht. Umgekehrt ist es natürlich anders gelagert: jeder, der sich geschäftlich, geistig, wissenschaftlich, akademisch oder überhaupt als aufgeschlossner Mensch in der Welt bewegen will, braucht das Englische - und zwar auf einigermaßen handfestem Niveau: das wird durch die tägliche Übung erledigt. Aber um vom Weltrest eine Ahnung zu haben, braucht man keine nähere Vertrautheit mit dem Idiom, aus dem es stammt. So schön das auch ist/wäre/sein sollte. Die meisten haben Ahnung, und gar nicht 1x zu oberflächlich, was die französische Literatur und Kulturgeschichte anbetrifft, oder die italienische, oder die russische von Puschkin bis Pasternak, ohne ein Wort davon im Original rezipiert zu haben. Und fürs Deutsche kommt hinzu: das ist eine Kultur, die zum einen kaum "exportfähig" ist; sie spricht die Leute nicht an, sie hat keinen Sexappeal wie die Französische; sie wirkt, entre nous soit dit, sowohl verbohrt wie plump. Und was einem davon etwas sagen könnte, ist in Übersetzung greifbar (und das beschränkt sich in letzter Näherung, da muß man dem kleinen Akif Recht geben, auf die Grimmschen Märchen. Und ein halbes Dutzend Ondits von Goethe und Einstein). Das gilt auch für die Musik jenseits der Klassik.
Insofern überrascht nicht, daß bei einem solchen Privatprojekt, das sich ja nicht aus einem systematischen Erfassungsdrang speist, sondern auf die "Privataltertümer" der Beiträger setzt, wenn da die gängigen Klassiker der eignen Sprache die Hauptmasse bilden - gefolgt von, als zahlenmäßiges Übergewicht, lauter verschollenen und vergessenen Tagesschreibern, Lokalpoeten, zweite und dritte Garnitur. Und das ist genau der Sinn eines solchen Unterfangens: dergleichen Verschollenes greifbar zu machen (und nebenbei: auf deren schiere Existenz hinzuweisen). Die Klassiker von GöteundSchiller bis hin zu Lichtenberg oder selbst einem Autor wie Nicolai (um im Zeitrahmen zu bleiben) brauchen der gleichen nicht, um bewahrt zu werden; die kleinen verschollenen Lichter schon. (Auch wenn sie dadurch kein Stück interessanter oder relevanter werden, aber so stehen sie zur Verfügung, werden bewahrt, bleiben greifbar.) Kleines Beispiel, leicht OT, aber deshalb bin ich überhaupt auf den Casus gestoßen worden. So oft braucht man ja solche Archive auch nicht: Im Project Gutenberg sind im vorigen Jahr an deutschen Texten ein halbes Dutzend Hefte der ältesten Science-Fiction-Reihe eingestellt worden. Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff. Erschienen zwischen 1908 und 1916 mit gut 150 Folgen. Das ist billigster Kintopp und nur noch als Fußnote interessant. (Man stellt überhaupt fest, wie unlesbar diese Genreliteratur der billigen Preisklasse schnellstens wird.) Es gibt keine komplette Sammlung dieser Reihe auf der Welt; man weiß übrigens auch nicht, wer (Singular oder Plural) das geschrieben hat. Vor gut 12 Jahren sind einige im Verlag Dieter von Reeken, der auf solche Schmäucher kapiziert ist, als kleine Taschenbuchauflage nachgedruckt worden. (Die sind die Vorlage für die PG-Texte). Dieser Nachdruck ist mittlerweile selbst ein Sammlerstück; wer das ohne Netz ansehen möchte, ist auf Bibliotheken angewiesen, bei denen Fernleihe Alltag ist. Kein Problem für Universitätsstädte; aufwendiger im Umland. Mit der Netzverfügbarkeit entfällt diese ganze dazwischengeschaltete Struktur.
Das Project Gutenberg ist ja nicht das einzige Unternehmen dieser Art. Die deutsche Variante (die ja weiterhin zugänglich ist, und über den Spiegel gehostet wird) zeigt aber eben eine erhebliche Beschränkung in der Autorenauswahl. das Amateurprinzip bei PG ist, wieanalog bei Wikipedia, diesen Flaschenhals zu umgehen. Andere Länder haben ihre eigenen Unterfangen. In Frankreich ist das Gallica:
Zitat Aufgenommen werden urheberrechtsfreie Bücher (seit der Inkunabelzeit), Bilder und Tondateien. In Gallica sind (Stand April 2016) ungefähr 2.400.000 digitalisierte Dokumente frei abrufbar: mehr als 657.000 einzelne Bücher und 3500 Zeitschriften (über 1,6 Millionen Ausgaben), ungefähr 917.000 Bilder, 76.700 Karten, 75.300 Handschriften, 34.600 Tondateien, 41.000 Partituren, 354.000 Objekte usw. [1]
Der Unterschied ist: Gutenberg ist allgemein bekannt, Gallica kennt niemand. Noch ein Unterschied: Beide sind frei von jedem Rechner aus zugänglich. In meiner Bibliothekstätigkeit arbeite ich täglich mit älterer englischer Literatur - und zwar viel mit Flugschriften, Tagespublizistik, Pamphleten. Seit gut 15 Jahren ist die Arbeit auf eine ganz neue Basis gestellt worden, weil die Textkorpora, soweit sie selbst in kleinen Beständen erfaßt sind, sukzessive digitalisiert und zur Verfügung gestellt werden: über EEBO (Early English Books Online; Betsand seit Beginn des Buchdrucks bis 1699) und ECCO (Eighteenth Century Collections Online, für den Zeitraum von 1700-99): Da findet man (falls schon erfaßt; beide Projekte laufen noch weit vorm Abschluß) jeweils mehrere 100.000 Titel, deren Sichtung früher vor Ort Monate in Anspruch genommen und zentimeterdicke Antragsstapel zur Reisekostenerstattung nötig gemacht hätte. Das Ziel ist die Sicherung des gesamten Textkorpus. (Das ist ein hübsches Paradox der cybernetischen Revolution: sie erweitert nicht nur den Raum der Gegenwart - weil es so ziemlich die gesamte Welt in Echtzeit zugänglich macht, falls es interessiert - sie erweitert auch die Vergangenheit, den wir in Augenschein nehmen können.) Die beiden letzten Projekte sind nur im akademischen Rahmen nutzbar; weil sie über Nationallizenzen jährlich gezahlt werden und nur an einzelne Universitäten freigeschaltet werden, die die Notwendigkeit gesehen haben, sich darauf zu abonnieren. (Was, schöne Rückkoppelung, von den Hochschulverwaltungen über die Zugriffszahlen entschieden wird.)
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