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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 5 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

19.10.2018 21:31
Moments bloguicaux: Paradoxes zum Herdenverhalten Antworten

Ein blogikalischer Moment zu einer Nebensächlichkeit. Aber menschliches Verhalten kann auch in seinen (scheinbar?) unbedeutenden Bereichen interessant sein, oder?

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

19.10.2018 22:10
#2 RE: Moments bloguicaux: Paradoxes zum Herdenverhalten Antworten

Zitat
Wie erkennen die Imitationswilligen so schnell, um welches Modestück es sich bei dem von den Blaublüterinnen (besser gesagt: durch Heirat blaublütig Gewordenen) handelt? Warum wollen nicht ganz wenige Frauen das gleiche Garderobenelement ihr Eigen nennen, da es doch als mittlere gesellschaftliche Katastrophe gilt, wenn zwei Damen zu einer Veranstaltung in übereinstimmendem Fummel erscheinen?


Die Antwort auf beide Fragen lautet: Youtube,
1. https://www.youtube.com/results?search_q...an+markle+style
Zähl mal die Seitenaufrufe durch :)

2. Das Zauberwort heißt: "Influencer". Und es ist tatsächlich ein Paradox, dass je mehr formale Zwänge entfallen, das informelle Konformitätsbedürfnis geradezu reziprok ansteigt.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Florian Offline



Beiträge: 3.171

20.10.2018 13:37
#3 RE: Moments bloguicaux: Paradoxes zum Herdenverhalten Antworten

Zitat
Und, als an- und abschließende Aporie des Autors hinsichtlich dieses Themas: Warum herrscht bei Männern Uniformzwang, der sich hinsichtlich der Notwendigkeit eines Strangulationsaccessoires in jüngerer Vergangenheit gottlob mehr und mehr auflockert, während den Frauen eine beneidenswerte Diversität an Körperbedeckungsvarianten offensteht?



Die historische Entwicklung der Herren- und der Damenmode ist tatsächlich überraschend.

Die (korrekte) Herrenbekleidung ist nämlich seit rund 140 Jahren so ziemlich zum Stillstand gekommen.
Anzug, Hemd, Krawatte: Wer so zum Vorstellungsgespräch geht oder eine Bundestagsrede hält, trägt praktisch die gleiche Kombination wie schon sein Ur-Ur-Großvater im Jahr 1880.
Der modische Wandel ist allenfalls an kleinen Nuancierungen innerhalb dieses Outfits: Mal hat das Sakko 2 Knöpfe, mal drei. Mal gibt es Schulterpolster, mal wird sehr eng geschnitten. Mal wird eher Fliege getragen, mal eher Krawatte. Aber im Prinzip ist die heutige (korrekte) Herrenbekleidung kaum anders als 1880 oder 1920 oder 1960.

Dies ist aus 2 Gründen überraschend:

Erstens war früher einmal die Herrenmode durchaus massiven Schwankungen unterworfen.
Die korrekte Herrenkleidung im Jahr 1800 war zum Beispiel noch deutlich anders als 1880. (1800 trugen Männer z.B. Kniebundhose).
Und wenn man noch weiter zurück geht sieht man über die Jahrhunderte hinweg zum Teil gerade zu aberwitzige Kostümierungen bei Männern.
Während im Mittelalter und in der Renaissance Männer durchaus sehr bunt gekleidet sein konnten, ist auch das akzeptierte Farbspektrum für korrekte Herrenkleidung mittlerweile deutlich beschränkt: Schwarz, Anthrazit und allenfalls noch Dunkelblau sind die akzeptierten Farben für einen Opernbesuch. Und das unverändert seit über Hundert Jahren.
Die modische Innovationskraft und Wandlungsfähigkeit ist bei der Herrenbekleidung deutlich geringer als in früheren Zeiten.
Dieser enge Korridor für Herrenbekleidung hat sich zudem auch weltweit durchgesetzt: Ein chinesischer kommunistischer Partei-Chef, ein japanischer Kaiser, ein russischer Präsident, ein deutscher Sparkassen-Vorstand: Sie alle tragen ganz ähnliche Anzüge.

Zweitens ist dies überraschend, weil es gleichzeitig bei den Frauen ganz gewaltige Mode-Veränderungen gab.
Würde ein Ehepaar per Zeitreise aus einem Opernbesuch im Jahr 1930 in das Jahr 2018 katapultiert, dann würde der Mann unter den Zuschauern kaum auffallen.
Seine Frau würde aber ganz massiv herausstechen. Frisur, Kleidung, Schmuck: alles wäre komplett anders als heutzutage.
Zudem ist Frauenmode auch viel bunter und abwechslungsreicher. Männer können nur schwarz,grau,blau tragen. Frauen hingegen alle Farben des Regenbogens.

Und auch dies ist anders als in früheren Jahrhunderten:
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war die Männermode oft viel bunter und geckenhafter als heutzutage.
Die Frauenmode war hingegen i.d.R. deutlich zurückhaltender als heutzutage.

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

21.10.2018 20:21
#4 RE: Moments bloguicaux: Paradoxes zum Herdenverhalten Antworten

Dann äußere ich mich mal zu einem Thema, von dem ich noch weniger Ahnung habe als von den anderen... Natürlich (in der Hoffnung, dass hier keine Netz-Feministinnen mitlesen) interessieren sich weit mehr Frauen als Männer für Mode. Und ich werfe wohl auch nicht hundert Jahre Soziologie über den Haufen, wenn ich mutmaße, dass für Frauen Kleidung sowohl eine Form des Ausdrucks darstellt als auch eine der Selbstvergewisserung, und das auch noch mit vielen Emotionen verbunden. Für viele Frauen ist ihre Kleidung wirklich eine zweite Haut, und wenn da etwas aus irgendwelchen Grünen nicht passt, z.B. weil eine andere Frau gleich gewandet ist, fühlen sie sich in der nicht wohl. Aber wenn man das trägt, was die gerade angesagten Ikonen der Klatschpresse tragen (und man ungefähr in demselben Alter ist und auch wenigstens ungefähr eine ähnliche Figur hat...), dann kann frau doch nichts falsch machen. Allerdings bezweifle ich das Massenphänomen. Ja, es werden schon viele sein, schließlich ist das englische Königshaus eine Weltmarke, aber wie hoch dürfte der Anteil der Frauen sein, die sich ein 1.300-Dollar-Kleid kaufen wollen, nur weil die gute Meghan so eins mal anhatte? Auf welche Auslastung wird ein Webshop eines australischen Labels, das Kleider in dieser Preiskategorie anbietet, wohl eingerichtet sein? Und wie viele Exemplare des Kateschen Kleids wird Zara wohl hergestellt haben - bevor man dort wusste, dass man so eine prominente Werbeträgerin bekommen würde? Schließlich will man auf den Dingern auch nicht sitzen bleiben, wenn sie sich als Langsamdreher entpuppen. Also: Es werden schon viele Frauen für diese Phänomene gesorgt haben, aber die verteilen sich über die (industrialisierte - andere haben für sowas keine Zeit und kein Geld) Welt. Ich bezweifle, dass man z.B. in Deutschland eine nennenswerte Anzahl zusammen bekäme.

Und ehrlich: Kann es für eine Frau so erstrebenswert sein, in der Öffentlichkeit als Kate- oder Meghan-Nachäfferin aufzutreten? Ich schätze mal, sowas ziehen die dort an, wo man auf den Zusammenhang nicht so schnell kommt, und genießen das dann still...

Zu den Männern: Nun ja. Meiner Erfahrung nach bringen Männer eine ähnlich emotionale Bindung zu Kleidungsstücken nur für solche Stücke auf, die ihre jeweilige Partnerin am liebsten sofort verbrennen würde. Irgendwelche speckigen, abgelatschten, ausgefranzten, löchrigen und hoffnungslos altmodischen Teile, die aber doch soooo bequem sind und soooo viele Jahre treue Dienste leisteten... "Gute" Kleidung wird nur emotionslos und taktisch-strategisch eingesetzt. Wahrscheinlich gibt es Anzug-Liebhaber auch außerhalb von "How I Met Your Mother", aber auch hier: viele doch eher nicht, oder? Wer auf ein bisschen Show-Business angewiesen ist, also Jungspunde auf dem Weg nach oben, Manager-Selbstdarsteller, Vertriebler, Berater, sogar der eine oder andere Politiker (Brioni anyone?), wählt seine Kleidung aus einem jeweils bereitstehenden Set, das genau das unterstreicht, was sie zu spielen beabsichtigen. Man sendet das Signal aus und rechnet fest damit, dass es registriert wird. Emotionen? Null. Und deswegen musste sich da auch nicht groß was ändern - es ist ja nur jeweils eine einzige Nachricht, die immer wieder neu übermittelt wird. Und da eine dieser Botschaft die ist, dass man in der Lage ist, mit der Zeit zu gehen, wird eben immer mal wieder irgendein Detail verändert, zum Wohle der Bekleidungsindustrie und derer, die ihr modisches Bewusstsein zeigen wollen.

Aber man zeige mir die Mode, die die komplexe Persönlichkeit auch nur einer einzigen Frau in der Lage wäre, komplett auszudrücken. Die wird es nie geben, und deswegen gibt es auch immer wieder neue Anläufe, auch von Altem, das man eben nochmal in den Ring wirft.

Und wenn man den Botschaften der Wirtschaftsmagazine Glauben schenken möchte, entfällt so langsam auch der letzte Grund für männliche Dresscodes. Wer ohne Krawatte herum läuft, zeigt, dass er das mit der Digitalisierung begriffen hat. Wahrscheinlich müssen wir auch nicht mehr lange auf die ersten Hoodies in den Chefetagen warten. Aber okay, das gilt für Deutschland, das Land der Ballonseidenanzüge, Jogginghosen, Funktionsjacken und beiger Rentner-Uniformen. In Italien z.B. wird man das nie mitmachen, aber das ist ein anderes Thema.

P.S.: Sitze natürlich mit Jogging-Hose und Sweatshirt vor dem Rechner. Ist soooo bequem...

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

23.10.2018 21:04
#5 RE: Moments bloguicaux: Paradoxes zum Herdenverhalten Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #4
Für viele Frauen ist ihre Kleidung wirklich eine zweite Haut, und wenn da etwas aus irgendwelchen Grünen nicht passt, z.B. weil eine andere Frau gleich gewandet ist, fühlen sie sich in der nicht wohl. Aber wenn man das trägt, was die gerade angesagten Ikonen der Klatschpresse tragen (und man ungefähr in demselben Alter ist und auch wenigstens ungefähr eine ähnliche Figur hat...), dann kann frau doch nichts falsch machen.


Zitat von Werwohlf im Beitrag #4
Und ehrlich: Kann es für eine Frau so erstrebenswert sein, in der Öffentlichkeit als Kate- oder Meghan-Nachäfferin aufzutreten? Ich schätze mal, sowas ziehen die dort an, wo man auf den Zusammenhang nicht so schnell kommt, und genießen das dann still...


Aber genau an diesem Punkt stichst Du doch in das Wespennest des Paradoxons. Denn wenn frau sich unwohl fühlt, sobald eine andere Dame gleich gekleidet ist, warum kauft sie dann das, was sie an einer anderen Frau (die den Fummel nicht in ihrem Model-Job vorführt) gesehen hat und wovon sie annehmen muss, dass viele andere Frauen wissen, dass es von einer Promi-Dame getragen wurde? Die zweite Haut sollte doch zur eigenen Persönlichkeit passen. Warum orientiert frau [langsam klingt das schon wie in der EMMA] sich dann an Vorturnerinnen, die vielleicht eine ganz andere Persönlichkeit haben?

Zitat von Werwohlf im Beitrag #4
Allerdings bezweifle ich das Massenphänomen. Ja, es werden schon viele sein, schließlich ist das englische Königshaus eine Weltmarke, aber wie hoch dürfte der Anteil der Frauen sein, die sich ein 1.300-Dollar-Kleid kaufen wollen, nur weil die gute Meghan so eins mal anhatte?


Ich hätte Deine Skepsis früher sicher geteilt. Aber seitdem ich erfahren habe, dass der Shop eines im hochpreisigen Segment angesiedelten Taschenherstellers in einer meinem Wohnort nahen Großstadt zeitweise unter Lieferschwierigkeiten litt (weil die Taschen so rege gekauft wurden) und ich dann mal aufgepasst habe und diese Taschen bei Studentinnen und Durchschnittsverdienerinnen gesehen habe, denke ich in dieser Hinsicht ein bisschen anders.

Zitat von Werwohlf im Beitrag #4
Wahrscheinlich gibt es Anzug-Liebhaber auch außerhalb von "How I Met Your Mother", aber auch hier: viele doch eher nicht, oder? Wer auf ein bisschen Show-Business angewiesen ist, also Jungspunde auf dem Weg nach oben, Manager-Selbstdarsteller, Vertriebler, Berater, sogar der eine oder andere Politiker (Brioni anyone?), wählt seine Kleidung aus einem jeweils bereitstehenden Set, das genau das unterstreicht, was sie zu spielen beabsichtigen. Man sendet das Signal aus und rechnet fest damit, dass es registriert wird. Emotionen? Null.


Weil für Männer Kleidung wohl etwas ist, das mit der Funktion im Sinne von Rolle zu tun hat, und eben nicht mit der Persönlichkeit. Wer Vorstandsmitglied in einer DAX-notierten AG ist, läuft halt, wenn in Amt und Würden, im Anzug auf und verzichtet auf die Krawatte, wenn er zeigen möchte, dass er nicht aus dem letzten Jahrtausend ist. Mit seiner Kleidung drückt er eben nicht aus: Ich bin XY, sondern: Ich bin der DAX-AG-Vorstand. Die Variation bei den Anzügen ist ja auch ziemlich gering. Wie Florian richtig geschrieben hat, sind ja nur einige wenige (Nicht-)Farben akzeptabel. Bei einer Frau, die in einen DAX-AG-Vorstand berufen wurde (ja, ich weiß, liebe hier in Massen mitlesende Netzfeministinnen, eine solche Frau gibt es [so gut wie] nicht), erwartet man zwar auch eine gewisse Bekleidungsart, aber ob sie ein Kostüm, einen Hosenanzug oder ein Kleid trägt, bleibt ihr ebenso überlassen wie die Farbe (auch wenn vielleicht ein giftgrünes oder knallgelbes Kostüm eher mutig wäre). Dies eröffnet natürlich mehr Möglichkeiten, der eigenen Persönlichkeit Rechnung zu tragen.

Zitat von Werwohlf im Beitrag #4
P.S.: Sitze natürlich mit Jogging-Hose und Sweatshirt vor dem Rechner. Ist soooo bequem...


Du nimmst mir die Worte aus der Tastatur.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

23.10.2018 21:14
#6 RE: Moments bloguicaux: Paradoxes zum Herdenverhalten Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #3
Die korrekte Herrenkleidung im Jahr 1800 war zum Beispiel noch deutlich anders als 1880. (1800 trugen Männer z.B. Kniebundhose).


Ich denke, das hat mit dem modischen Siegeszug der Französischen Revolution zu tun. Die culotte, die Kniebundhose, war das Beinkleid der Adeligen und somit auch lange Zeit für das wohlhabende Bürgertum stilbildend. Das mit langer Hose (pantalon) gewandete Kleinbürgertum (sinnigerweise als sans-culottes bezeichnet) erlangte in der Französischen Revolution ja eine gewisse Bedeutung und hat dann zumindest modisch nachgewirkt.

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