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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 23 Antworten
und wurde 1.570 mal aufgerufen
 Zeitgeschichte und Politik
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.12.2007 01:41
Antiquariate, das Internet und die Bundesprüfstelle Antworten

Der aktuelle Anlaß ist eine dieser Abmahn-Geschichten. Aber das hat mich an ihr weniger interessiert. Sondern das, was hier, die Themen im Titel ein wenig verschränkend, zu lesen ist.

verquer ( Gast )
Beiträge:

18.12.2007 09:57
#2 RE: Antiquariate, das Internet und die Bundesprüfstelle Antworten

Irgendwie kommt mir das bekannt vor.
Ich frage mich schon seit langem, wie es mir heute gelingen könnte eine historische Fachbibliothek aufzubauen, ohne auf unmittelbare Quellen (überall zitiert) zu verzichten. Als kleines Beispiel sind da zwei "Werke" zu nennen, die auch indexiert sind: "Mein Kampf" (1930!!!) und "Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei". Dann noch ev. "Hitlers zweites Buch" als Studie bei DVA erschienen. Durch Zugriff auf die Quelle(n) habe ich schon so manches moderne Sachbuch wegen Falschzitats verworfen und eben nicht gekauft. Ich möchte lieber nicht wissen, auf welchen anderen Gebieten das ähnlich läuft.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.12.2007 12:35
#3 "Mein Kampf" etc. Antworten
Zitat von verquer
Als kleines Beispiel sind da zwei "Werke" zu nennen, die auch indexiert sind: "Mein Kampf" (1930!!!) und "Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei".

Ganz so schlimm ist es glücklicherweise nicht, lieber verquer.

Beide Bücher sind nicht indiziert. Das von Goebbels können Sie mühelos über die ZVAB bestellen. Es werden - ich habe eben nachgesehen - 122 Exemplare angeboten, zu Preisen zwischen ungefähr 15 und 30 Euro.

"Mein Kampf" ist auch nicht indiziert, entegegen einer weit verbreiteten Meinung. Sie können es vermutlich antiquarisch bekommen, aber die ZVAB führt es nicht.

Daß "Mein Kampf" trotz eines vermutlich bestehenden Kaufinteresses nicht neu aufgelegt wird, liegt daran, daß die Rechte vom Verlag Ehlers Nachf. an das Land Bayern übergegangen sind und dieses einfach entschieden hat, das Buch nicht mehr auf den Markt zu bringen.

Ich besitze zwei Exemplare, beide geerbt. Meine Großeltern haben sie nicht gekauft, sondern erhielten sie vom Staat zu irgendwelchen Ereignissen - Hochzeit war beliebt - geschenkt.

Meines Erachtens wäre es geradezu pädagogisch wertvoll, dieses Buch wieder allgemein zugänglich zu machen. Es ist ein unglaublicher Schund, und das merkt auch jeder schnell, der seine Nase hineinsteckt.

Dadurch, daß es nicht leicht zu bekommen ist, umgibt dieses Machwerk eine Aura, die es in keiner Weise verdient hat.

Herzlich, Zettel
Gansguoter Offline



Beiträge: 988

18.12.2007 15:59
#4 RE: "Mein Kampf" etc. Antworten

Am Rande sei angemerkt, dass vor zwei Jahren Hitlers "Mein Kampf" in der Türkei ganz oben auf den Beststellerlisten stand, bis der Freistaat Bayern gerichtlich die weitere Verbreitung in der Türkei untersagte (weil mehrere Verlage das Buch ohne Zustimmung Bayerns als Rechteinhaber gedruckt haben). So die Meldung der SZ online unter http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/567/129348/

Der Grund für das Interesse an Hitlers "Mein Kampf" in der Türkei wie in anderen islamischen Ländern dürfte wesentlich darin zu suchen sein, dass die NS-Ideologie und der Islam große Übereinstimmung bezüglich des Judenhasses haben. Im Gazah-Streifen, so liest, werden regelmäßig Kinder mit Vornamen "Hitler" genannt.

Sparrowhawk ( Gast )
Beiträge:

18.12.2007 16:18
#5 RE: "Mein Kampf" etc. Antworten

"Daß "Mein Kampf" trotz eines vermutlich bestehenden Kaufinteresses nicht neu aufgelegt wird, liegt daran, daß die Rechte vom Verlag Ehlers Nachf. an das Land Bayern übergegangen sind und dieses einfach entschieden hat, das Buch nicht mehr auf den Markt zu bringen."


Zumindest theoretisch könnte das Bch dann also ab 2016 wieder frei publiziert werden... jedenfalls sieht es das urheberrecht so vor, daß die Urheberrechte 70 Jahre nach dem Tod des Autoren erloschen sind... die Bayerische Staatskanzlei wird danach nix mehr dagegen tun können. Es sei denn, man überlegt sich noch was, z.B. Indizierung oder Verbot des Buches.

verquer ( Gast )
Beiträge:

18.12.2007 17:04
#6 RE: Antiquariate, das Internet und die Bundesprüfstelle Antworten

"....sondern erhielten sie vom Staat zu irgendwelchen Ereignissen - Hochzeit war beliebt - geschenkt."

Lieber Zettel,
diesen Krempel können Sie ruhig wegschmeißen. Es taugt nicht einmal als seriöses Quellenmaterial. Denn alles, was von diesem Machwerk nach 1933 veröffentlicht wurde, war bereits mehrfach überarbeitet, korrigiert, redigiert worden. Pauschal gesagt: als historische Quelle taugt nur, was erheblich älter ist. Mein Exemplar von 1930 genügt dem gerade noch.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.12.2007 17:26
#7 RE: "Mein Kampf" etc. Antworten

Zitat von Gansguoter
Der Grund für das Interesse an Hitlers "Mein Kampf" in der Türkei wie in anderen islamischen Ländern dürfte wesentlich darin zu suchen sein, dass die NS-Ideologie und der Islam große Übereinstimmung bezüglich des Judenhasses haben.

Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Weitere kommen hinzu:
* Die NS-Ideologie (Ablehnung der Demokratie, Geringschätzung des Einzelnen, Gefolgschaftstreue und dergleichen) hat ja viele Ähnlichkeiten mit dem Islamismus. Nicht, weil die einen das von den anderen übernommenhätten; sondern weil beide Formen voraufklärerischen Denkens sind.

* In der arabischen Welt hat Deutschland außerdem einen guten Ruf, weil es dort nie Kolonial- oder Mandatsmacht gewesen ist. Und die Bagdad-Bahn gebaut hat.


Herzlich, Zettel

verquer ( Gast )
Beiträge:

18.12.2007 20:10
#8 RE: "Mein Kampf" etc. Antworten

"....viele Ähnlichkeiten mit dem Islamismus."

Zettel,
sagen wir es doch wie es tatsächlich ist: "Mit dem Islam." Oder können Sie bei der Lektüre des Koran den Unterschied zwischen Islam und "Islamismus" feststellen?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.12.2007 21:19
#9 RE: "Mein Kampf" etc. Antworten

Zitat von verquer
... sagen wir es doch wie es tatsächlich ist: "Mit dem Islam." Oder können Sie bei der Lektüre des Koran den Unterschied zwischen Islam und "Islamismus" feststellen?


Lieber verquer, diese Diskussion ist ja hier schon oft geführt worden. Es gibt sogar eine gewisse von mir hochgeschätzte Person, mit der ich diese Diskussion schon geführt habe, als es "Zettels Raum" noch gar nicht gab.

Ich bin entschieden der Überzeugung, daß der heutige militante Islamismus sich zum Islam nicht anders verhält als die evangelikalen Strömungen zum Christentum und als das Zelotentum zum Judentum.

Es gibt in jeder dieser Relgionen Maßlose, die so von ihrem Glauben "erfaßt" sind, daß sie keine Toleranz mehr kennen, keine Vernunft.

In den beiden anderen Schriftreligionen spielen diese Eiferer keine große Rolle. (Es gab im Christentum Zeiten, wo sie es wahrlich getan haben). Im Islam tun sie es heute.

Sie tun es aus Gründen, die nichts mit dem Islam als solchem zu tun haben; sondern mit der Situation vor allem Arabiens. Darüber habe ich ja mal eine kleine Serie geschrieben.



Noch eine allgemeine Bemerkung, lieber verquer: Was diese Islamisten wollen, das ist ja genau dies - daß wir glauben, sie seien repräsentativ für den Islam.

Das wollen alle Extremisten. Die Nazis nennen sich bei uns "die Deutschen", die Kommunisten nennen sich "die Linke" usw.

Man sollte, finde ich, darauf nicht hereinfallen. Man muß mit den Gemäßigten gegen die Extremisten zusammenarbeiten, statt sie dazu zu treiben, sich zu solidarisieren, indem man sie in einen Topf wirft.

Aber ich glaube, das habe ich irgendwo schon mal geschrieben.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.12.2007 22:50
#10 RE: Antiquariate, das Internet und die Bundesprüfstelle Antworten

Zitat von verquer
diesen Krempel können Sie ruhig wegschmeißen. Es taugt nicht einmal als seriöses Quellenmaterial. Denn alles, was von diesem Machwerk nach 1933 veröffentlicht wurde, war bereits mehrfach überarbeitet, korrigiert, redigiert worden. Pauschal gesagt: als historische Quelle taugt nur, was erheblich älter ist. Mein Exemplar von 1930 genügt dem gerade noch.

Solche Diskussionen sind, lieber verquer, für mich immer interessant, weil sie der Anlaß sind, etwas nachzusehen, was man sonst niemals nachgesehen hätte.

Das Historische Lexikon Bayerns hat einen ziemlich ausführlichen Artikel zu dem Thema, verfaßt von Eberhard Jäckel und Ellen Latzin.

Dort heißt es zur Editionsgeschichte:
"Redaktionelle Überarbeitungen des ersten Bandes nahmen Joseph Stolzing-Cerny (1869-1942) und Ilse Pröhl (1900-1995), die spätere Frau von Rudolf Heß, vor. Den zweiten Band überarbeitete Rudolf Heß. (Vgl. Plöckinger, Geschichte eines Buchs, 121-153). Auch in den späteren Auflagen glätteten zahlreiche stilistische Verbesserungen den Redestil Hitlers.

Ferner erfuhr das Buch einige sachliche Berichtigungen. Inhaltlich gab es nur 1930 eine Änderung. Sie bestimmte, dass die Unterführer der NSDAP nicht mehr gewählt, sondern durch den ranghöheren Führer eingesetzt werden. Ansonsten blieb der Inhalt aller späteren Ausgaben unverändert."

Auch was ich aus anderen Quellen habe, läuft darauf hinaus, daß die Überarbeitungen in den zwanziger Jahren vorgenommen wurden und daß die Auflagen ab 1930 sich nicht mehr wesentlich unterschieden.

Was Hitler in Landsberg diktiert hatte, war wohl nicht mehr als das, was man ihm zutrauen kann - ein Monolog, der ungeordnet vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt; so wie ja auch seine "Tischgespräche" waren. Der Pater Stempfle hat das dann wohl erst einmal in eine halbwegs lesbare Form gebracht, und die oben Genannten haben es weiter so geglättet, daß so etwas wie ein Buch herauskam.

Aber das war, soweit ich das jetzt herausgefunden habe, alles vor 1930.

Ihre und meine Auflagen dürften sich also kaum unterscheiden. Eines meiner Exemplare hat als Jahr 1940. Das andere ist o.J., das 835. bis 840. Tausend. Da die Auflage insgesamt mehrere Millionen war, ist es, vermute ich, das ältere von den beiden. Textabweichungen habe ich bisher nicht entdeckt.

Herzlich, Zettel

Pelle ( Gast )
Beiträge:

18.12.2007 22:52
#11 RE: Antiquariate, das Internet und die Bundesprüfstelle Antworten

In Antwort auf:
(Zitat Spiegel:) die Listen gibt es nur schriftlich, die Titel kann man nicht online abrufen
Es wäre doch ein Leichtes, die Listen von der Bundesstelle zu erhalten, diese zu scannen und via Texterkennung zurück in ASCII zu verwandeln, um sie dann über einen außereuropäischen Server online zu stellen. Wo ein Wille ist ist auch ein Weg.

Ein viel besserer Weg wäre es selbstverständlich, das Abmahnunwesen zu beenden und Abmahnungen grundsätzlich nur kostenfrei zuzulassen, ohne Ausnahme.

Bei tatsächlichen und dauerhaften Rechtsverstößen darf dann nur ein Gericht (Geld-)Strafen verhängen.

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

19.12.2007 09:01
#12 RE: "Mein Kampf" etc. Antworten

In Antwort auf:
Und die Bagdad-Bahn gebaut hat.

Sind damit die vielen Bunker gemeint, oder gibt es in Bagdad wirklich eine U-Bahn?

In Antwort auf:
Ablehnung der Demokratie, Geringschätzung des Einzelnen

Ich dag es mal so: Demokratie in Reinform (ohne Menschenrechte, 10 Gebote, ... irgendetwas was Minderheiten vor der Mehrheit schützen kann) ist Geringschätzung des Einzelenen. Manche gehen ja soweit zu behaupten des NS-Regime wäre irgendwie eine logische Konsequenz der Demokratie, immerhin ist die NSDAP auf demokratischen Wege zur Macht gekommen.

Herzlich, Feynman

Sparrowhawk ( Gast )
Beiträge:

19.12.2007 12:30
#13 RE: "Mein Kampf" etc. Antworten
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.12.2007 14:19
#14 Bagdadbahn Antworten

Lieber Feynman,

Zitat von Feynman
In Antwort auf:
Und die Bagdad-Bahn gebaut hat.

Sind damit die vielen Bunker gemeint, oder gibt es in Bagdad wirklich eine U-Bahn?

Neinein, eine richtige Eisenbahn. Die Einzelheiten finden Sie in der Wikipedia.

Ein sehr langer Artikel, der wieder einmal die Schwächen der deutschen Wikipedia zeigt: Erstens gibt es oft kein vernünftiges Verhältnis zwischen der Länge eines Artikels und der Bedeutung des Themas. Zweitens können Ideologen sich austoben, ohne daß das sofort korrigiert wird. Ein Ausdruck wie "deutscher Finanzimperialismus" hat in einem Lexikon nichts zu suchen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.12.2007 14:27
#15 "Demokratie" Antworten

Lieber Feynman

Zitat von Feynman
In Antwort auf:
Ablehnung der Demokratie, Geringschätzung des Einzelnen

Ich sag es mal so: Demokratie in Reinform (ohne Menschenrechte, 10 Gebote, ... irgendetwas was Minderheiten vor der Mehrheit schützen kann) ist Geringschätzung des Einzelnen.

Völlig einverstanden. Aber eine solche "Demokratie" hat es ja nie gegeben, von kurzen revolutionären Episoden abgesehen.

Denn nach einem solchen Rausch der "Volksherrschaft" (nicht erst in der französischen Revolution; auch beispielsweise in den Bauernkriegen, bei der Herrschaft der Wiedertäufer in Münster, als beliebige Beispiele) gibt es im wesentlichen drei mögliche Entwicklungen:
* Entweder macht eine Gegenrevolution dem Spuk ein Ende; so in den Bauernkriegen und damals in Münster.

* Oder die "Revolution siegt". Dann verschwindet die "Volksherrschaft", und an ihre Stelle tritt die Diktatur Einiger oder eines Einzelnen. In Rußland 1917, in Cuba 1959 usw.

* Und drittens gibt es die (seltene) Variante, daß aus dieser "Demokratie" im Sinn einer Herrschaft des Pöbels eine Demokratie in unserem Sinn wird: Also der demokratische Rechtsstaat, der die von Ihnen genannten Garantien einschließt. So war es zum Beispiel in Deutschland 1919, wo die Entwicklung zu der diktatorischen Variante ja durchaus eine reale Möglichkeit gewesen ist.

Es ist das große historische Verdienst der SPD, das verhindert zu haben. Männer wie Ebert und vor allem Noske gehören zu den bedeutendsten deutschen Staatsmännern des 20. Jahrhunderts. Nur sind sie von der kommunistischen Propaganda ("Bluthund Noske") systematisch diffamiert worden.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.12.2007 14:35
#16 NS-Machtergreifung Antworten

Zitat von Feynman
Manche gehen ja soweit zu behaupten des NS-Regime wäre irgendwie eine logische Konsequenz der Demokratie, immerhin ist die NSDAP auf demokratischen Wege zur Macht gekommen.

Ja, das wird behauptet; vor allem von den Kommunisten in der Variante, es sei eine logische Konsequenz des Kapitalismus gewesen ("Kapitalismus führt zu Faschismus. Kapitalismus muß weg!" war ein beliebter Kampfruf auf 68er Demos).

Nur ist das natürlich Kappes, in der einen wie der anderen Variante.

Allenfalls könnte man sagen, daß die Weimarer Demokratie Ende der Zwanziger Jahre gewissermaßen eine Regression durchmachte, hin zu einer "Volksherrschaft" im Sinn einer zunehmenden Dominanz des Pöbels, ob nun als SA oder Rotfront.

Und daß dann die zweite der Entwicklungen eintrat, die ich in dem vorausgehenden Beitrag genannt habe: Diese vorübergehende Herrschaft der Straße schlug alsbald um in eine Diktatur, in der just die "Revolutionäre" am wenigsten zu sagen hatten. Wenn sie denn überlebten.

Herzlich, Zettel

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

19.12.2007 17:59
#17 RE: NS-Machtergreifung Antworten

Die Gefahr, dass ein demokratischer Rechtsstaat über kurz oder lang in einer Diktatur mündet besteht leider. Schrittweise passiert das ja heute, in die Richtung ökosozialer Superstaat.

Herzlich, Feynman

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.12.2007 22:40
#18 Ökosozialer Superstaat und totalitäre Diktatur Antworten

Zitat von Feynman
Die Gefahr, dass ein demokratischer Rechtsstaat über kurz oder lang in einer Diktatur mündet besteht leider. Schrittweise passiert das ja heute, in die Richtung ökosozialer Superstaat.

Ja, diese Gefahr sehe ich auch, und sie ist ja ein Hauptthema in ZR.

Nur, lieber Feynman, ist ein ökosozialer Superstaat noch keine Diktatur.



Auch das schreibe ich immer wieder, weil ich finde, daß viele da zu schnell eine Parallele ziehen.

Was uns droht, das ist aus meiner Sicht eine Art "Volksheim", wie das in Schweden hieß, als es das Vorbild aller Sozialdemokraten war:
* Konfiskatorische Steuern (es soll vorgekommen sein, daß alle Steuern zusammen, die jemand von Staat, Provinz, Gemeinde usw. aufgebrummt bekam, höher waren als sein Einkommen).

* Das Hineinregieren des Staates in alle Lebensbereiche, vor allem auch in die Familien. Die Zwangsvorführung aller Kinder beim Arzt, wie sie jetzt bei uns geplant ist, ist ein Schritt in diese Richtung.

* Einschränkungen der Freiheit wie zB in Schweden dadurch, daß es strafbar ist, die Dienste einer Prostituierten in Anspruch zu nehmen. Mit dem ganzen Umfeld an Heuchelei, an Erpressungsmöglichkeiten, das solche bigotten Gesetze unweigerlich erzeugen.

Das ist, lieber Feynman, alles höchst unerfreulich; und die Schweden haben ja auch schließlich (teilweise) dagegen rebelliert.

Aber eine Diktatur ist es nicht. Es gibt einen Rechtsstaat, es gibt freie Wahlen. Jeder kann ein unabhängiges Gericht anrufen, wenn er sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Es gibt keine Geheimpolizei, keine politischen Gefangenen. Es gibt keine Folter, keine Arbeitslager, in denen die Gefangenen mißhandelt und ausgebeutet werden. Niemand wird ermordet, weil er zur falschen Klasse oder Rasse gehört. Niemand wird durch eine Religionspolizei verfolgt, die das Recht hat, eine vergewaltigte Frau zu "bestrafen".



Lieber Feynman, ich reagiere immer etwas allergisch, wenn es zu diesem Thema kommt (Sparrowhawk kann ein Lied davon singen ). Das liegt daran, daß ich es, wie soll ich sagen, frivol finde, vielleicht sogar obszön, die Fehlentwicklung innerhalb eines demokratischen Rechtsstaats auch nur in die Nähe einer totalitären Diktatur zu rücken.

(Und übrigens ist diese Rede von der "Demokratur" u.ä. für die Linksextremen ebenso wie für die Rechtsextremen ein Vorwand, um unseren Staat zu bekämpfen).

Herzlich, Zettel


C. Offline




Beiträge: 2.639

19.12.2007 23:18
#19 RE: Ökosozialer Superstaat und totalitäre Diktatur Antworten

Hallo Zettel,

ich beneide Dich um deine optimistische Sicht. Ich gebe dir in soweit recht, dass wir noch ein großes Stück von einer Dikatatur entfernt sind, aber wir nähern uns. Nicht in Riesenschritten, aber der Abbau von uns selbstverständlich geglaubten Freiheiten ist spürbar. Ich muss zugestehen, dass zumindest im Westen diese Freiheiten nie erkämpft wurden, sie wurden uns nach dem zweiten Weltkrieg geschenkt. Bisher wurde das Geschenk in freien Wahlen bestätigt, in dem den demokratischen Parteien in ihrer Mehrheit der Vorzug gegeben wurde. Aber wir stehen an einem Scheidepunkt.


Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.12.2007 02:28
#20 RE: Ökosozialer Superstaat und totalitäre Diktatur Antworten

Zitat von C.
ich beneide Dich um deine optimistische Sicht.

Dear C., ich finde eigentlich nicht, daß ich sonderlich optimistisch bin.

Ich glaube eher, daß ich pessimistisch bin, was die Möglichkeiten menschlicher Machtgier, Brutalität, Rücksichtslosigkeit angeht.

Gewaltherrschaft, Ausbeutung, Unfreiheit, Armut der meisten Menschen, - das ist der Normalfall; in der Geschichte ebenso wie, wenn wir uns weltweit umsehen, in der Gegenwart.

Und von diesem Normalfall sind wir - dh diejenigen Länder, die das Glück haben, im Kapitalismus zu leben und in einem demokratischen Rechtsstaat - so weit entfernt, daß auch negative Entwicklungen in unserem politischen System und unserer Gesellschaft sozusagen gegen diesen gewwaltigen Abstand verblassen.
Zitat von C.
Ich gebe dir in soweit recht, dass wir noch ein großes Stück von einer Dikatatur entfernt sind, aber wir nähern uns. Nicht in Riesenschritten, aber der Abbau von uns selbstverständlich geglaubten Freiheiten ist spürbar.

Keine Frage. Nur ist das aus meiner Sicht eher ein Schwingen des Pendels als ein irreversibler Prozeß.

Wir haben in Deutschland sieben Jahre Rotgrün in den Knochen, also sieben Jahre Abbau von Freiheit. Die Chance des Wechsels ist 2005 vertan worden. Also müssen wir warten, bis das Pendel wieder in Richtung Freiheit schwingt.

Europa - das sehe ich immer mehr als das eigentliche Problem. Ich bin eigentlich mein ganzes politisch bewußtes Leben lang ein "überzeugter Europäer" gewesen. Aber was sich da an einer unkontrollierten Machtzusammenballung in Brüssel entwickelt, das macht mir allmählich Sorgen.
Zitat von C.
Bisher wurde das Geschenk in freien Wahlen bestätigt, in dem den demokratischen Parteien in ihrer Mehrheit der Vorzug gegeben wurde. Aber wir stehen an einem Scheidepunkt.

Das sehe ich auch so, dear C.

Falls sich in einem Jahr, wenn es auf die Wahlen zugeht, wirklich die Volksfront abzeichnen sollte - ich bin am Überlegen, ob ich dann auf meine alten Tage nicht nochmal politisch aktiv werden sollte.

Herzlich, Zettel

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

20.12.2007 10:14
#21 RE: Ökosozialer Superstaat und totalitäre Diktatur Antworten

Lieber Zettel, da muss ich antworten:

In Antwort auf:

Nur, lieber Feynman, ist ein ökosozialer Superstaat noch keine Diktatur.

Meine Zustimmung, aber wo zieht man die Grenze?

In Antwort auf:
* Einschränkungen der Freiheit wie zB in Schweden dadurch, daß es strafbar ist, die Dienste einer Prostituierten in Anspruch zu nehmen. Mit dem ganzen Umfeld an Heuchelei, an Erpressungsmöglichkeiten, das solche bigotten Gesetze unweigerlich erzeugen.
Ist das in den USA nicht genauso?

In Antwort auf:
Das ist, lieber Feynman, alles höchst unerfreulich;

Und was dagegen tun?

In Antwort auf:

Es gibt einen Rechtsstaat, es gibt freie Wahlen.
Freie Wahlen? Das Bedürfnis nach mehr Freiheit befriedigt keine Partei (in Österreich), bleibt eine Partei, die am wenigsten weitere Einschränkungen will, und da sehe ich beim besten Willen keine.

Herzlich, Feynman

Sparrowhawk ( Gast )
Beiträge:

20.12.2007 13:24
#22 RE: Ökosozialer Superstaat und totalitäre Diktatur Antworten
"Wir haben in Deutschland sieben Jahre Rotgrün in den Knochen, also sieben Jahre Abbau von Freiheit."

Welcher aber auch nach 2005 weitergegangen ist... man siehe mal auf das AGG... was eine massive Beschneidung der Vertragsfreiheit darstellt. Falls dann Schäuble mit seinen Stasi-Überwachungs-Phantastereien durchkommen sollte, haben wir teilweise die de-facto Abschaffung der Freiheit der Privatsphäre. Dazu diese Idee mit der Verstaatlichung der Kinder, was im Grunde genommen die Erziehungsfreiheit der Eltern nullifiziert und Untugenden aus denbeiden deutschen Diktaturen recycelt.

Und es sollte mich doch schwer wundern, wenn es dabei bliebe... unabhängig davon, wer regiert...
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.12.2007 17:29
#23 RE: Ökosozialer Superstaat und totalitäre Diktatur Antworten

Zitat von Sparrowhawk
Und es sollte mich doch schwer wundern, wenn es dabei bliebe... unabhängig davon, wer regiert...

Eine CDU-FDP-Koalition würde anders handeln, lieber Sparrowhawk.

Wir dürfen nicht vergessen: Bis 1998 war die Bundesrepublik ja eines der freiheitlichsten Länder Europas. Der Niedergang auch im Bereich der Freiheit begann mit Rotgrün.

Das Problem ist nur, daß CDU und FDP es 2009 schwer haben dürften, über die Volksfront zu siegen.

Wolfgang Clement hat in dem Interview, aus dem ich gerade das Zitat des Tages entnommen habe, ein Mehrheitswahlrecht vorgeschlagen.

Es wäre das einzige, was uns langfristig davor bewahren könnte, von Kommunisten (mit)regiert zu werden. Aber die Chance dafür ist kleiner als die, im Lotto den Jackpot zu knacken.

Herzlich, Zettel

Sparrowhawk ( Gast )
Beiträge:

20.12.2007 23:18
#24 RE: Ökosozialer Superstaat und totalitäre Diktatur Antworten

"Eine CDU-FDP-Koalition würde anders handeln, lieber Sparrowhawk."

Auch da, lieber Zettel, bin ich anderer Ansicht. Der Grund für meine Skepsis ist die Einschränkung der Meinungsfreiheit im §130 STGB, denn diese, auch als "Lex Engelhardt" bezeichnet, gibt es in dieser Form seit 1994 - verabschiedet unnter eine schwarzgelben Regierung, mit einem "liberalen" (also FDP) Justizminister...

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