Es gibt an diesem Gesetzentwurf noch einen anderen problematischen Aspekt: Heil möchte bei der Bewertung der Lebensleistung Kindererziehung und Pflege von Angehörigen berücksichtigen. Das sind natürlich beides positiv zu bewertende Tätigkeiten und das macht es schwierig, diese Bewertung in der öffentlichen Diskussion zu kritisieren.
Aber es ist schon ziemlich merkwürdig, daß der Staat die private "Lebensleistung" von Bürgern beurteilen möchte. Und noch absurder ist es, daß die eigentliche Tätigkeit trotz ihrer vorgeblichen Wertschätzung selber überhaupt nicht honoriert wird - es aber dann bei einigen wenigen Leuten etwas Berücksichtigung in der Rente gibt. Auch das ist natürlich ziemlich ungerecht, weil Kindererziehung und Pflege bei den meisten Steuerpflichtigen überhaupt nicht honoriert wird.
Aber viel gravierender wird sein, überhaupt die Anspruchsgrundlage festzustellen. Bei Kindererziehung wird man das noch einfach bürokratisch als Kindergeldbezug interpretieren können. Aber Pflege von Angehörigen wird überhaupt nicht vernünftig erfaßt, es gibt auch keine Kriterien, ab wieviel Aufwand das anzuerkennen ist. Geschweige denn daß Leute, die derzeit Grundsicherung bekommen, noch eine vernünftige Möglichkeit hätten nachzuweisen, daß sie vor 30 Jahren mal eine gewisse Zeit jemanden gepflegt haben. Da ist nicht nur massiver bürokratischer Aufwand, sondern auch viel Ungerechtigkeit vorprogrammiert.
1. Der Bezug von Leistungen auf Grund von Bedürftigkeit hat bei einigen Kulturdeutschen etwas anrüchiges. So im Sinne von "Es ist nicht so, dass ich das Geld brauchen würde. Aber es steht mir zu!"
2. Ob es den Rentnern wirklich zusteht, kann man kontrovers diskutieren. Allein schon deswegen, weil Akademiker dabei massiv diskriminiert werden. Akademiker haben massiv kürzere Bezugszeiten. Und wenn Akademiker dann mal Geld verdienen, zahlen sich auch noch höhere Steuern und erhalten prozentual (so lange sie nicht Selbständig sind) weniger Rentenansprüche.
3. Eine feste Datumsgrenze ist immer ungerecht. Punkt. Das kann man wollen, aber dann muss man es auch aussprechen. Gerade, weil es so offensichtlich ist, dass eine feste Datumsgrenze ungerecht ist, frage ich mich: warum macht die SPD das? Das SPD-Politiker das nicht ebenfalls erkannt haben, schließe ich aus.
4. Gibt es einen Plan, wo das Geld herkommen soll?
5. In welcher Form schlägt denn da die Steuer zu?
6. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann sollen Teilzeitbeschäftigung massiv davon profitieren. Denn Teilzeitbeschäftigung zählt für die Jahre, aber wenig für die Rentenpunkte. Welchen Sinn soll das haben? Welche Gruppen sind denn bei uns vor allem Teilzeitbeschäftigte? Hausfrauen? Migranten?
7. Wie wird das innerhalb von Ehen verrechnet? Grundsätzlich erwirbt zwar jeder einen eigenen Rentenanspruch. Aber innerhalb von Ehen gibt es da doch auch Übertragungsansprüche und so.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von R.A. im Beitrag #1Was die SPD da wieder vorschlägt, geht nicht nur an den Interessen ihrer Wähler völlig vorbei, sondern ist auch inhaltlich ziemlicher Murks.
100% Zustimmung.
Das Problem ist, dass den einzigen klassischen SPD Waehler, den die gegenwaertigen SPD Funtionaere jemals kannten, die verwitwete Oma war. Und die schon zu Lebzeiten nicht mehr repraesentativ fuer die SPD Waehlerschaft war. Den Arbeiter am Fliessband oder den Handwerker kennen die nicht einmal aus Erzaehlungen.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #3 6. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann sollen Teilzeitbeschäftigung massiv davon profitieren. Denn Teilzeitbeschäftigung zählt für die Jahre, aber wenig für die Rentenpunkte. Welchen Sinn soll das haben? Welche Gruppen sind denn bei uns vor allem Teilzeitbeschäftigte? Hausfrauen? Migranten?
Der entscheidende Kritikpunkt ist hier ja schon von R.A. genannt:
Es wird beim Heil-Vorschlag eben gerade keine Bedrüftikgeitsprüfung gemacht. In der Realität wird aber jemand, der einen Großteil seines Lebens Teilzeit arbeitet, meist noch andere Einnahmequellen jenseits eines Teilzeit-Lohns haben. Klassisches Beispiel ist die teilzeitarbeitende Ehefrau mit vollzeitarbeitendem Mann. Nun KANN eine solche Frau natürlich im Alter verarmen. Und dann sollte der Frau ggf. auch geholfen werden (und dafür gibt es dann ja auch bereits heute die bedürfnisabhängige Grundsicherung). In sehr vielen Fällen ist eine Frau in so einer Situation aber NICHT arm. In manchen Fällen vielleicht sogar sehr wohlhabend (nehmen wir mal die Unternehmer-Ehefrau, die bei ihrem Mann halbtags in der Verwaltung arbeitet). Warum muss hier also - ohne Bedürftigkeitsprüfung! - ein zusätzliches Rentenfass aufgemacht werden? Und warum soll es "gerecht" sein, wenn z.B. diese Unternehmer-Ehefrau zusätzliche Rente bekommt für die sie nie eingezahlt hat? Ein Rente, die aus den Beiträgen eines Normalverdieners bezahlt werden muss.
Im übrigen: Eine solche Regelung lädt ja auch zu Gestaltungsmissbrauch ein. Gerade bei der oben genannten Fall-Stellung "verheirateter Unternehmer mit Hausfrau-Ehefrau" gibt es ja dann ganz tolle Methoden, wie mit minimalen Renten-Beiträgen eine sehr ordentliche Zusatz-Rente für die Ehefrau generiert werden kann.
Zitat von Florian im Beitrag #5Und warum soll es "gerecht" sein, wenn z.B. diese Unternehmer-Ehefrau zusätzliche Rente bekommt für die sie nie eingezahlt hat? Ein Rente, die aus den Beiträgen eines Normalverdieners bezahlt werden muss.
Wenn ich es richtig verstanden habe, soll die zusätzliche Respekt-Rentenerhöhung aus Steuermitteln finanziert werden, nicht aus den Rentenbeiträgen.
Was die Frage der "Gerechtigkeit" aber nur minimal tangiert (und eine zusätzliche systemfremde Komponente etabliert), zumal der Politiker-Kreativität bei der Buchführung Tür und Tor geöffnet wird. Siehe auch "jeder Euro Mauteinnahme kommt dem Straßenbau zugute!".
Zitat von Florian im Beitrag #5Klassisches Beispiel ist die teilzeitarbeitende Ehefrau mit vollzeitarbeitendem Mann.
Genau die dürften m. E. die große Mehrheit derer stellen, die vom Heil-Gesetz profitieren. Da kommen nämlich leicht die 35 Jahre zusammen: Ein paar Jahre arbeiten, dann Kindererziehung, dann wieder Halbtagsarbeit. Gibt keinen großen Rentenanspruch, aber als Ehepaar eine gute Altersversorgung. Und da kommt dann jetzt der Bonus drauf. Unnötig und ungerecht.
Pech hat dagegen der Geringverdiener, der Jahrzehnte gearbeitet hat, aber über 50 keinen Job mehr gekriegt hat. Was ja auch mit den SPD-Arbeitsmarktgesetzen zu tun hat.
Ginge es dem SPD-Bonzen tatsächlich um Wohl und Wehe der ehedem arbeitenden Bevölkerung, könnte er auch einfach vorschlagen, daß Renten zukünftig nicht mehr besteuert würden - schließlich wurden die Beiträge aus bereits versteuerten Einkommen zwangsabgeführt. Aber dann kann man sich ja nicht mehr als der große Wohltäter darstellen...
MfG M. S. ____________________________________ Alle Menschen sind gleich - mir jedenfalls.
Zitat von Manfred Sachs im Beitrag #8Ginge es dem SPD-Bonzen tatsächlich um Wohl und Wehe der ehedem arbeitenden Bevölkerung, könnte er auch einfach vorschlagen, daß Renten zukünftig nicht mehr besteuert würden - schließlich wurden die Beiträge aus bereits versteuerten Einkommen zwangsabgeführt.
Das stimmt nicht ganz. Als "Vorsorgeaufwand" kann man die Abgaben für die staatliche Rentenkasse von der Bemessungsgrundlage der ESt abziehen. Dafür wird die Auszahlung später besteuert.
Da wird gerade ein Systemwechsel vollzogen. Früher waren die Renten komplett steuerfrei, aber das hat ein Gericht als "ungerecht" gegenüber den Beamten erkannt, die ihre Pension versteuern müssen. Momentan ist die Übergangszeit, in der Altrentner nur z.T. Steuern ESt zahlen müssen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #9Da wird gerade ein Systemwechsel vollzogen. Früher waren die Renten komplett steuerfrei, aber das hat ein Gericht als "ungerecht" gegenüber den Beamten erkannt, die ihre Pension versteuern müssen.
Renten waren in Deutschland meines Wissens noch nie steuerfrei. Die Rentenzahlung war teilweise der "Sparanteil", der steuerfrei war, und der "Ertragsanteil", der steuerpflichtig war. Und der "Ertragsanteil" war oftmals so niedrig, dass man halt nicht über den Steuerfreibetrag kam, was zur gefühlten Steuerfreiheit der Rente führte.
Jetzt sind wir auf dem Weg zur nachgelagerten Besteuerung, da wird alles nochmal komplizierter. Wie man lesen konnte, gibt es durchaus Jahrgänge, die dadurch bei der Besteuerung benachteiligt werden. Aber alles "Peanuts" im Gegensatz zur Berechnung der Höhe der Krankenversicherungsbeiträge, wo die Bemessungsgrundlage ja gravierend und überraschend geräuschlos verbreitert wurde.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #32. Ob es den Rentnern wirklich zusteht, kann man kontrovers diskutieren. Allein schon deswegen, weil Akademiker dabei massiv diskriminiert werden. Akademiker haben massiv kürzere Bezugszeiten. Und wenn Akademiker dann mal Geld verdienen, zahlen sich auch noch höhere Steuern und erhalten prozentual (so lange sie nicht Selbständig sind) weniger Rentenansprüche.
Weniger Bezugszeiten heiß wohl auch weniger Arbeitsjahre, die dazu meist in einem besseren Job als Nicht-Akademiker. Dazu haben Akademiker eine höhere Lebenserwartung als Nicht-Akademiker, also auch mehr Jahre in der Rente. Was war noch mal der Vorwurf?
Werter Tremorius, Weniger Arbeitsjahre: ja, exakt darum geht es. Ich habe aber ihr Argument nicht verstanden?
- Akademiker sind oft bis 25 (oder länger) in der Ausbildung gebunden. Entgegen landläufiger Meinung ist das kein Dauerurlaub. Da muss man/frau sich schon Mal reinknien. Ist das jetzt, um Mal Extreme zu bemühen, so viel mehr Funfaktor ein Mathe-Studium abzuschließen als mit 16 mit einer halben Stelle als Sekretärin in Betrieb des Vaters anzufangen und bis 25 schon ordentlich Leistungsjahre anzusammeln?
- Die Umlage-Rente soll zwei Aspekte abbilden: die Finanzierung der aktuellen Rentner und die leistungsabhängige Anwartschaft auf die eigene Rente. Warum sollte es einen Unterschied für die beiden Aspekte machen, ob man eine Lebensleistung von sagen wir 500.000 Euro im Verlauf von 40 Jahren leistet und davon prozentual an die Rentenkasse abführt oder im Verlauf von 30 Jahren?
Aber für Steuern, Abgaben, Rente... macht das einen Riesenunterschied.
- Statistisch ist nachweisbar, dass mit steigender Bildung die Menschen länger leben. Und damit theoretisch die Rentenkasse stärker belasten. Dafür allerdings belasten gebildete Menschen (rein statistisch) die Krankenkasse weniger. Kann man zwar jetzt nicht direkt aufrechnen, aber...
Insgesamt scheinen Ihre Argumente meine These von der Benachteiligung von Akademikern nicht ausreichend zu widerlegen, um mich zu überzeugen.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #12Ist das jetzt, um Mal Extreme zu bemühen, so viel mehr Funfaktor ein Mathe-Studium abzuschließen als mit 16 mit einer halben Stelle als Sekretärin in Betrieb des Vaters anzufangen und bis 25 schon ordentlich Leistungsjahre anzusammeln?
Aus meiner persönlichen Sicht war der Funfaktor ein Mathe-Studium abzuschließen ganz ordentlich ...
Aber ansonsten stimme ich völlig zu. Die verschiedenen Lebenswege mit oder ohne Studium haben ihre speziellen Vor- und Nachteile, die können aber für das Rentensystem kein Thema sein. Sondern da kann vernünftigerweise nur zählen, was an Leistungen abgeliefert wurde. Die "35 Jahre" des Heil-Gesetzes sind systemfremder Unsinn und völlig willkürlich. Wie übrigens vorher schon die rein an Jahren gemessene Anwartschaft für die Vergünstigungen der "Nahles-Rente". Die SPD ist da schon länger auf dem Holzweg und macht das System immer ungerechter.
Zitat von R.A. im Beitrag #14Aber ansonsten stimme ich völlig zu. Die verschiedenen Lebenswege mit oder ohne Studium haben ihre speziellen Vor- und Nachteile, die können aber für das Rentensystem kein Thema sein. Sondern da kann vernünftigerweise nur zählen, was an Leistungen abgeliefert wurde. Die "35 Jahre" des Heil-Gesetzes sind systemfremder Unsinn und völlig willkürlich. Wie übrigens vorher schon die rein an Jahren gemessene Anwartschaft für die Vergünstigungen der "Nahles-Rente". Die SPD ist da schon länger auf dem Holzweg und macht das System immer ungerechter.
Die SPD arbeitet sich lediglich an dem Problem ab, daß ein System, das sich solidarisch nennt, nicht gerecht sein kann. Nahles und Heil sprechen die Erwartung an, daß jemand, der lange und hart gearbeitet hat, evtl. deswegen früher stirbt, auch mehr Rente bekommt. Sonst wäre es ja "ungerecht". Das ist aber die Erwartung, die man an einen Eigentumsanspruch hat. Man kann ja ohne weiteres den Barwert der erwarteten Rentensumme (je nach Sterbe- und Renteneintrittswahrscheinlichkeit) an die erwartete aufgezinste Einzahlungssumme koppeln. Lebensversicherungen haben das lange Zeit gemacht (bis die Unisextarife erzwungen wurden).
Das Konzept "solidarische Rente" schließt derlei aber aus. Der Umverteilungseffekt gehört zum System. Und für das System sind diejenigen, die über 35 Jahre eingezahlt haben, eben "Reiche", und diejenigen, die mit einem langen Leben nach Ende der Erwerbsarbeit geschlagen sind (man stelle sich vor, man hat als Altersvorsorge gespart und die Ersparnisse reichen nicht, weil man nicht früh genug stirbt!) sind die "Armen".
Zitat von Emulgator im Beitrag #15Nahles und Heil sprechen die Erwartung an, daß jemand, der lange und hart gearbeitet hat, evtl. deswegen früher stirbt, auch mehr Rente bekommt. Sonst wäre es ja "ungerecht".
Es könnte auch ganz einfach sein: Die Sozen wollen vor den Landtagswahlen Stimmen der Ossis kaufen.
Zitat von FAZIn der Altersgruppe von 55 bis 59 Jahren haben demnach 63 Prozent der Frauen im Osten, aber nur 32 Prozent im Westen die 35 Beitragsjahre schon beisammen.
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