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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 24 Antworten
und wurde 3.938 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

26.02.2019 02:33
Verfassungsrevision Antworten

Was nützt eine geschriebene Verfassung mit Verfassungsgericht, wenn eine Bewegung, welche die geisteswissenschaftlichen Milieus dominiert (und damit Medien, Künstler, viele Politiker und auch Juristen) die Verfassung einfach uminterpretiert und das auch noch an einer zentralen Stelle, nämlich die freie Wahl betreffend?

Die schleichende Aushöhlung der Verfassung aus den Institutionen heraus, welche ihr gesellschaftliche und kulturelle Grundlage sicherstellen sollen, ist in dieser Form ziemlich - mit fällt kein anderes Wort dafür ein - creepy.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Frank2000 Online




Beiträge: 3.424

26.02.2019 06:28
#2 RE: Verfassungsrevision Antworten

Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich mich in diesem Strang etwas raushalte. Aber ich finde das alles so erschütternd, dass mich die Beschäftigung mit diesen Themen echt depressiv macht.

Also ja, Sie haben recht.

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.

Manfred Sachs Offline




Beiträge: 109

26.02.2019 14:09
#3 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Techniknörgler
Bezeichnend ist aber die Entwicklung, die mich in meinem Vertrauen in die Standhaftigkeit etablierter Institutionen erschüttert hat, weshalb ich auch jetzt nicht überrascht wäre, wenn das brandenburgische Verfassungsgericht und vielleicht auch das Bundesverfassungsgericht die Änderung absegnet


Da am BVerfG bereits vor geraumer Zeit mit Frau_X*in Baer ein feministisches U-Boot installiert wurde, würde ich da sogar jede Wette eingehen. Mehr noch, es würde mich schon stark wundern, wenn diese Person nicht maßgeblich (mit-)treibende Kraft hinter der Geschichte wäre.

MfG
M. S.
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Alle Menschen sind gleich - mir jedenfalls.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

26.02.2019 17:53
#4 RE: Verfassungsrevision Antworten

Ist das beschriebene Verfahren der Listenbildung heute nicht schon ein wenig veraltet? Der Trend geht doch dahin, auch die Bedürfnisse der einer binären (sozialen) Geschlechtszuweisung Unwilligen oder Unzugänglichen angemessen zu berücksichtigen, und bei einem kontinuierlichen Genderspektrum funktioniert der Reißverschluß nicht mehr.
Könnte es sein, daß hier der mit dem Genderfluidismus immer wieder kollidierende und generell auf Kriegsfuß stehende traditionelle Feminismus sich noch schnell einen gesetzlichen Rückhalt verschaffen will, bevor die Karawane endgültig weitergezogen ist?

F.Alfonzo Online



Beiträge: 2.257

26.02.2019 18:43
#5 RE: Verfassungsrevision Antworten

Nun ja... wenn es noch einer Begründung bedurft hätte den Parteien die Zweitstimme wegzunehmen - hiermit wäre sie erbracht.

Hier liegt für mich auch der Hund begraben: Dass Parteien die Listen nach ihrem Gusto füllen ist ja nichts neues. Mir ist prinzipiell auch egal ob die Parlamente mit Männern oder Frauen aufgefüllt werden; das Problem besteht doch im Auffüll-Vorgang selbst. Da werden treue Parteisoldaten, die aufgrund charakterlicher Defizite (oder völliger Unfähigkeit) von niemandem freiwillig gewählt würden hintenrum mit Mandaten versorgt. Spielt es da wirklich noch eine Rolle, ob es sich um Männer oder Frauen handelt? Demokratisch ist es so oder so nicht.

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

26.02.2019 21:24
#6 RE: Verfassungsrevision Antworten

Ganz hervorragender Artikel zu einem Skandal, der eigentlich die Republik erschüttern müsste, aber inzwischen in der Echokammer des Mainstreams nur noch Schweigen hervorruft. Tja.

Mir fallen da spotan vor allem zwei Dinge zu ein:

- Der Niedergang der Verfassungsgerichte war schon mit Einzug von Susanne Bär offenkundig, das die SPD jetzt in Brandenburg das etablierte Prinzip noch einmal wiederholt zeigt nur, dass es funktioniert. Es zeigt ebenso wieder deutlich, dass man nicht auf die Verfassungsgerichte hoffen sollte, wenn man sich Sorgen macht, dass die deutsche Politik die Verfassung abschafft.

- Grotesk ist daran vor allem die absurd und ja auch selbstwidersprüchliche Annahme, dass eine Person nur durch eine Person ihres eigenen Geschlechts repräsentiert werden könne. Das ist so absurd wie es grotesk ist, vor allem ist es aber ein eklatanter Widerspruch zur feministischen Doktrin, dass das eigene Geschlecht einen per se ja zu nichts und zu allem befähigt. Ich finde es vollkommen absurd, dass ich nicht das vermeintliche Recht habe mich von einer Frau vertreten zu lassen, sondern mir quasi einen Mann suchen muss, der mich vertritt. Wenn ich der Meinung bin unter den Wahlalternativen, die mir geboten werden, ist nur eine bestimmte Frau qualifiziert mich zu vertreten, dann will ich genau diese wählen. Und keinen depperten Mann, weil er zufälligerweise auch ein Y Chromosom hat.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

26.02.2019 22:07
#7 RE: Verfassungsrevision Antworten

Gemach, gemach. Noch hat meines Wissens weder das Bundesverfassungsgericht noch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg über das sog. Parité-Gesetz entschieden. Das Gejammer über die ach so links unterwanderten Verfassungsgerichte kann man also mal vertagen und bei dem aus meiner Sicht jedenfalls vor dem BVerfG wahrscheinlichsten Verfahrensergebnis dann auch unterlassen.

Sogar auf dem Verfassungsblog, das sicherlich nicht repräsentativ für die politische Ausrichtung deutscher Juristen aller Geschlechter ist, halten sich Beiträge pro und contra Parité-Gesetz die Waage. Das Beste, was ich bisher zu dem Thema gelesen habe, stammt von Monika Polzin, Juniorprofessorin an der Uni Augsburg, und wurde auf dem Verfassungsblog veröffentlicht. In dem Artikel wird von vorne bis hinten sauber argumentiert, ohne Rückgriff auf esoterische Hilfskonstrukte zu nehmen (wie es bei solchen Themen gerne mal gemacht wird).

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

26.02.2019 23:09
#8 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #7
Gemach, gemach. Noch hat meines Wissens weder das Bundesverfassungsgericht noch das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg über das sog. Parité-Gesetz entschieden. Das Gejammer über die ach so links unterwanderten Verfassungsgerichte kann man also mal vertagen und bei dem aus meiner Sicht jedenfalls vor dem BVerfG wahrscheinlichsten Verfahrensergebnis dann auch unterlassen.

Der Niedergang der Verfassungsgerichte ist unabhängig davon wie der konkrete Fall ausgeht.

Das jemand wie Bär auch nur in die Nähe eines Richterpostens kommt, ist lächerlich genug und sagt alles aus, was man dieser Tage über das Gericht noch wissen muss. Selbst wenn es dieses mal noch fallen würde, die nächste Vorlage ist mit Sicherheit schon in der Mache.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

27.02.2019 09:32
#9 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #4
Der Trend geht doch dahin, auch die Bedürfnisse der einer binären (sozialen) Geschlechtszuweisung Unwilligen oder Unzugänglichen angemessen zu berücksichtigen ...

Das passiert beim "Parité"-Gesetz auch! Die Betreffenden haben die freie Wahl, ob sie sich bei der Listenaufstellung als Mann oder als Frau fühlen wollen.
Um die Sache ganz absurd zu machen erlaubt das Gesetz es übrigens auch, daß Parteien ausschließlich Männer bzw. Frauen aufnehmen und zur Wahl stellen.

Ich fände es eigentlich lustiger, wenn das Gesetz durchkäme und sich dann Leute durch beliebige Geschlechtszuordnung auf beliebige Listenplätze bewerben. Damit wäre dann offensichtlich, daß der extreme Genderismus alle zur "Frauenförderung" eingeführten Mechanismen wieder aufhebt.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

27.02.2019 11:02
#10 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #7
Sogar auf dem Verfassungsblog, das sicherlich nicht repräsentativ für die politische Ausrichtung deutscher Juristen aller Geschlechter ist, halten sich Beiträge pro und contra Parité-Gesetz die Waage. Das Beste, was ich bisher zu dem Thema gelesen habe, stammt von Monika Polzin, Juniorprofessorin an der Uni Augsburg, und wurde auf dem Verfassungsblog veröffentlicht.

Eine weitere Absurdität des Gesetzes, die bis jetzt gar nicht so zur Sprache gekommen ist, wird in einem der Kommentare genannt. Die Direktmandate sind von der Regelung ausgenommen. Nehmen wir mal an, eine Partei stellt nur Kandidaten eines Geschlechts als Erststimmenkandidaten auf und gewinnt dann alle davon (im WIRKLICH geilsten Land der Welt, i.e. Bayern, war letzteres zeitweise durchaus der Fall). Dann hat man trotzdem eine 100/0 Besetzung einer Fraktion.

Die Grünen hatten das vorausgesehen und verlangten eine Doppelbesetzung an Direktmandaten mit je einem Mann und einer Frau bei gleichzeitiger Halbierung der Wahlkreise. Das ist natürlich durchgefallen, weil keiner der aktuellen Mandatsinhaber große Lust hatte, sein Pöstchen weghalbieren zu lassen...

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Frank2000 Online




Beiträge: 3.424

27.02.2019 11:49
#11 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #7
Gemach, gemach.
...
Das Beste[/url], was ich bisher zu dem Thema gelesen habe, stammt von Monika Polzin, Juniorprofessorin an der Uni Augsburg, und wurde auf dem Verfassungsblog veröffentlicht.
...



Dieser Beitrag ist gelungen, keine Frage. Wobei man schon sagen muss, dass man weder Jurist noch Genie sein muss um zu erkennen, dass der Quotenvorschlag ein fundamentaler Bruch mit dem bisherigen Verfassungsverständnis ist und mithin nicht einfach ein kleines Landesgesetz ist, sondern eine Revolution. Man braucht wohl einen Juristen, um das sauber zu begründen, aber bereits ein durchschnittlich informierter Bürger kann erkennen, dass es so ist.

Deswegen ist mir ganz ehrlich extrem unwohl dabei wenn Sie sagen, die Beiträge "würden sich die Waage halten". Für mich heißt das, dass etwa die Hälfte des juristischen Nachwuchses nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht, so wie ich das noch kennenlernen durfte.

Das ganze ist ein weiteres Beispiel für ein Phänomen, das ich im Zusammenhang mit Höcke und dem "rechten Flügel" vorgestellt habe.

Die Linke in Deutschland ist unheimlich aggressiv. Jede erfüllte Forderung ist für die nur eine Aufforderung, am nächsten Tag noch viel absurdere Forderungen zu stellen.
Die agressive Linke trifft auf eine bescheidene, fast demütige bürgerliche Mitte, die es als unschicklich empfindet, mit ähnlichen krassen Forderungen anzutreten. Im Ergebnis treibt die Linke seit Jahrzehnten die bürgerliche Mitte vor sich her und fühlt sich inzwischen stark genug, sogar offen Verfassungsbruch - Verzeihung, revolutionäre Weiterentwicklungen der Verfassung - in Gesetze zu gießen.

Aber anstatt diesen Leuten einen Vogel zu zeigen und den Verfassungsschutz auf die anzusetzen, wird wieder ganz höflich, ganz demütig diskutiert. Und selbst, wenn dieses Gesetz DIESMAL noch verhindert wird - in ein paar Jahren hat die Linke über natürliche Fluktuation und Vetternwirtschaft auch die Verfassungsgerichte in der Hand.

Und dann steht der "neuen Demokratie" nichts mehr im Weg.

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Florian Offline



Beiträge: 3.171

27.02.2019 11:53
#12 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #9
Zitat von Fluminist im Beitrag #4
Der Trend geht doch dahin, auch die Bedürfnisse der einer binären (sozialen) Geschlechtszuweisung Unwilligen oder Unzugänglichen angemessen zu berücksichtigen ...

Das passiert beim "Parité"-Gesetz auch! Die Betreffenden haben die freie Wahl, ob sie sich bei der Listenaufstellung als Mann oder als Frau fühlen wollen.



Wenn ich den aktuellen Geschlechter-Diskussionsstand richtig verstehe, dann wurde ja jüngst die dritte Geschlechteroption "d" für Ausweise, Einwohnermeldeämter etc. eingeführt explizit für Personen, die sich WEDER als Mann NOCH als Frau fühlen wollen.
Man wollte diesen Personen die Zumutung ersparen, sich für eine dieser Geschlechter entscheiden zu müssen.

Und nun wird im Wahlgesetz doch wieder der Zwang eingeführt, dass sich jeder für ein Geschlecht entscheiden muss?
Fluminist hat schon recht: Das passt doch nicht zusammen.

======================

Ganz allgemeine Beobachtung:
Es gibt in der "Gender-Diskussion" zwei verschiedene "fortschrittliche" Argumentationsstränge.
Diese führen oft zu komplett konträren Ergebnissen. Irgendwie scheint das aber oft nicht so recht aufzufallen und die entsprechenden Entwicklungen werden vom links-grünen Mainstream in der Regel kritiklos als Fortschritt gefeiert.

Wie eben zum Beispiel hier: einerseits soll die Einführung des "d"-Geschlechts im Ausweis ein Fortschritt sein. Andererseits soll aber auch das neue Stände-Wahlrecht in Brandenburg ein Fortschritt sein.

Oder etwas allgemeiner:
EINERSEITS wird heftig bestritten, dass es zwischen Männern und Frauen irgendwelche Unterschiede gibt. ("Geschlecht ist nur ein soziales Konstrukt". "Frauen können alles genauso gut wie Männer").
ANDERERSEITS trage es aber zum Erfolg einer Gesellschaft bei, wenn es mehr Frauen in Gremien (wie Aufsichtsräte oder Parlamente) gibt.
Was aber ein Widerspruch ist: Entweder das Geschlecht spielt keine Rolle. Oder es spielt eine Rolle. Beides zusammen geht nicht.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

27.02.2019 21:47
#13 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #11

Deswegen ist mir ganz ehrlich extrem unwohl dabei wenn Sie sagen, die Beiträge "würden sich die Waage halten". Für mich heißt das, dass etwa die Hälfte des juristischen Nachwuchses nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht, so wie ich das noch kennenlernen durfte.


Sie sollten dabei nicht vergessen, dass das Verfassungsblog eine ziemlich mainstreamlinke Schlagseite hat. Wenn also in dem besagten Medium etwa die gleiche Anzahl an Pro- und Contra-Parité-Artikeln erscheint, ist das in etwa so, als ob sich auf ZEIT-Online enthusiastische und kritische Beiträge bezüglich der Energiewende die Waage hielten. Also etwas angesichts des Settings absolut Außergewöhnliches.

Die Autorenschaft des Verfassungsblogs ist für den juristischen Nachwuchs wohl nicht repräsentativ. Die große Mehrzahl der (jüngeren und älteren) Juristen hält dieses Gesetz m.E. für verfassungswidrig, weil dies - wie Sie ja selbst schreiben - offenkundig ist. Der Verdienst von Polzins Artikel ist wirklich die (für seriöse Juristerei wesentliche) stringente und saubere Begründung. Und die ist bedeutsam, weil man sich sonst seinerseits auf das gefühlige Argumentationsniveau der (meisten) Befürworter des Parité-Gesetzes begibt.

Manfred Sachs Offline




Beiträge: 109

28.02.2019 09:38
#14 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #12

Entweder das Geschlecht spielt keine Rolle. Oder es spielt eine Rolle. Beides zusammen geht nicht.



Natürlich geht beides zusammen. Wenn Sie da einen logischen Widerspruch entdecken, liegt das einzig an Ihrer ungenügend fortschrittlichen Einstellung! Da sollten Sie tunlichst dran arbeiten.
Als Übungsfeld böte sich z. B.: "Energieausstieg" vs. 100-Prozent-Elektromobilität oder Umweltschutz vs. Klimaschutz oder Massenimmigration vs. Abtreibung bis zur Niederkunft und so weiter und so fort etc. pp.

MfG
M. S.
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

28.02.2019 10:30
#15 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #12
Was aber ein Widerspruch ist: Entweder das Geschlecht spielt keine Rolle. Oder es spielt eine Rolle. Beides zusammen geht nicht.

Korrekt.
Solange das akademische Luftdiskussionen waren war dieser Widerspruch auch nicht so relevant. Aber jetzt haben wir wohl den ersten Fall, wo das wirklich per Gesetz realisiert werden soll. Kann eigentlich nicht funktionieren, insbesondere weil es keinerlei Regeln gibt, wie und wann man sich für irgendeine Variante entscheiden muß und wie lange das gilt.

Mal angenommen, das Parité-Gesetz fällt nicht beim Verfassungsgericht durch: Dann könnte eine Partei das bei der Listenaufstellung völlig ad absurdum führen. Es müssen sich nur ALLE Kandidaten vor dem Parteitag für "d" erklären. Dann dürfen sie ganz beliebig für die Liste kandidieren, daß die geraden Plätze "Männerliste" und die ungeraden "Frauenliste" (oder umgekehrt) benannt sind kann ihnen völlig egal sein. Es ist ja nicht einmal ausgeschlossen, daß sich ein "d"-Kandidat während des Parteitags zwischen Mann und Frau umentscheidet.
Dann hätte man als Ergebnis eine ganz normale gemischte Liste ohne jede Quotierung. Alles dem Buchstaben des Gesetzes folgend.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

28.02.2019 11:11
#16 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #15
Zitat von Florian im Beitrag #12
Was aber ein Widerspruch ist: Entweder das Geschlecht spielt keine Rolle. Oder es spielt eine Rolle. Beides zusammen geht nicht.

Korrekt.
Solange das akademische Luftdiskussionen waren war dieser Widerspruch auch nicht so relevant. Aber jetzt haben wir wohl den ersten Fall, wo das wirklich per Gesetz realisiert werden soll. Kann eigentlich nicht funktionieren, insbesondere weil es keinerlei Regeln gibt, wie und wann man sich für irgendeine Variante entscheiden muß und wie lange das gilt.

Mal angenommen, das Parité-Gesetz fällt nicht beim Verfassungsgericht durch: Dann könnte eine Partei das bei der Listenaufstellung völlig ad absurdum führen. Es müssen sich nur ALLE Kandidaten vor dem Parteitag für "d" erklären. Dann dürfen sie ganz beliebig für die Liste kandidieren, daß die geraden Plätze "Männerliste" und die ungeraden "Frauenliste" (oder umgekehrt) benannt sind kann ihnen völlig egal sein. Es ist ja nicht einmal ausgeschlossen, daß sich ein "d"-Kandidat während des Parteitags zwischen Mann und Frau umentscheidet.
Dann hätte man als Ergebnis eine ganz normale gemischte Liste ohne jede Quotierung. Alles dem Buchstaben des Gesetzes folgend.



Das wird dann sicher bald auch geregelt. Umentscheidungen müssen beantragt und von einem Aufsichtsgremium für ok befunden werden. Die Zusammensetzung des Gremium wird sich auch geregelt. Oder es gibt Wartezeiten von mindestens einem Jahr, zwar unmenschlich, aber es wird als Schutz vor eigenen Fehlentscheidungen deklariert.

Gruß, Martin

DrNick Offline




Beiträge: 809

28.02.2019 18:32
#17 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #15
Dann könnte eine Partei das bei der Listenaufstellung völlig ad absurdum führen. Es müssen sich nur ALLE Kandidaten vor dem Parteitag für "d" erklären.


Das wäre schön, funktioniert aber leider nicht. Im Wahlgesetz heißt es:

Zitat
Personen, die entsprechend § 22 Absatz 3 und § 45b Absatz 1 Personenstandsgesetz weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, können frei entscheiden, für welche der in Satz 3 Nummer 1 und 2 genannten Listen sie sich um einen Listenplatz bewerben wollen.



https://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbglwahlg

Das Gesetz ist ganz offensichtlich nicht an der Idee orientiert, daß Geschlecht ein soziales Konstrukt ist; für die Listen kommt es nur auf die Frage an, ob ein Mensch einen Zipfel hat oder nicht.

FAB. Offline



Beiträge: 523

02.03.2019 08:20
#18 RE: Verfassungsrevision Antworten

Vor wenigen Tagen erst war dieses Thema Gegenstand einer vollen Stunde Kernzeitdebatte im Deutschen Bundestag. Wer in den handelsüblichen Massenmedien einen Bericht findet, der den Inhalt dieser Debatte wiedergibt, bekommt einen Keks. Der Bundestag selbst ist immerhin so hilfreich, die Bild- und Tonaufzeichnung sowie den verhandelten Gesetzentwurf verfügbar zu machen, wenn man weiß, wo.

https://dbtg.tv/fvid/7328772

Ob danach die Annahme, ausgerechnet die FDP sei geeignet, der Auflösung zu widerstehen, gerechtfertigt werden kann, dazu wird es vermutlich unterschiedliche Meinungen geben.
Meine? Nein.

Rapsack Offline



Beiträge: 169

06.03.2019 09:17
#19 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von FAB. im Beitrag #18

Ob danach die Annahme, ausgerechnet die FDP sei geeignet, der Auflösung zu widerstehen, gerechtfertigt werden kann, dazu wird es vermutlich unterschiedliche Meinungen geben.
Meine? Nein.


Da kann ich nur zustimmen. Die FDP ist in keiner Weise verläßlich. Allein schon weil die AFD sich für den Schutz der Verfassung und gegen diese Geschlechter spezifischen Änderungen einsetzen wird, wird die FDP sich zwingend gegen die AFD stellen und am Ende alles mit durchwinken.

NEIN! Die FDP hat keine eigenen verläßlichen Positionen. Wenn sie schon früher als wankelmütig galt, heute ist sie es noch viel mehr. Ich sehe überhaupt nur einen in der FDP, dem ich trauen würde und das ist Frank Schäffler... und dieser ist recht isoliert...
Ich würde mir wünschen es wäre anders.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

07.03.2019 15:02
#20 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Rapsack im Beitrag #19
Zitat von FAB. im Beitrag #18

Ob danach die Annahme, ausgerechnet die FDP sei geeignet, der Auflösung zu widerstehen, gerechtfertigt werden kann, dazu wird es vermutlich unterschiedliche Meinungen geben.
Meine? Nein.


Da kann ich nur zustimmen. Die FDP ist in keiner Weise verläßlich. Allein schon weil die AFD sich für den Schutz der Verfassung und gegen diese Geschlechter spezifischen Änderungen einsetzen wird, wird die FDP sich zwingend gegen die AFD stellen und am Ende alles mit durchwinken.

NEIN! Die FDP hat keine eigenen verläßlichen Positionen. Wenn sie schon früher als wankelmütig galt, heute ist sie es noch viel mehr. Ich sehe überhaupt nur einen in der FDP, dem ich trauen würde und das ist Frank Schäffler... und dieser ist recht isoliert...
Ich würde mir wünschen es wäre anders.




Also jetzt mal langsam:

Das neue Gesetz in Brandenburg sieht vor, dass Parteien dazu gezwungen werden sollen, bei der Listenaufstellung Geschlechterparität einzuhalten.

Der Gesetzentwurf der AfD sieht hingegen vor, dass es Parteien verboten werden soll, bei der Listenaufstellung eine parteiinterne Quotenregelung zu verwenden.

Beide Vorhaben zielen darauf, dass der Gesetzgeber in die Selbstorganisation der Parteien eingreift.
BEIDE Vorhaben sind daher ein illiberaler Angriff auf die Freiheit der Wahl.

(Denn auch wenn ich z.B. die grüne Quotenregelung dämlich finde:
Es sollte in einer Demokratie Parteien auch erlaubt sein, dämliche Dinge zu tun.
Wenn eine feministische Partei z.B. ausschließlich Frauen aufstellen möchte, dann sollte ihr auch das möglich sein.
Letztlich sollte dann der Wähler darüber entscheiden, ob er das goutiert.)

Dass die FDP beide Vorhaben ablehnt, ist daher m.E. durchaus eine konsequent liberale Position.

DrNick Offline




Beiträge: 809

07.03.2019 15:55
#21 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #20
Das neue Gesetz in Brandenburg sieht vor, dass Parteien dazu gezwungen werden sollen, bei der Listenaufstellung Geschlechterparität einzuhalten.

Der Gesetzentwurf der AfD sieht hingegen vor, dass es Parteien verboten werden soll, bei der Listenaufstellung eine parteiinterne Quotenregelung zu verwenden.

Beide Vorhaben zielen darauf, dass der Gesetzgeber in die Selbstorganisation der Parteien eingreift.
BEIDE Vorhaben sind daher ein illiberaler Angriff auf die Freiheit der Wahl.


Da Parteien bei uns auch intern demonkratisch organisiert sein müssen, scheint mir eine parteiinterne Quotenregelung ebenso problematisch zu sein wie eine im Wahlgesetz rechtlich verankerte.

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

07.03.2019 16:06
#22 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von DrNick im Beitrag #21
Da Parteien bei uns auch intern demonkratisch organisiert sein müssen, scheint mir eine parteiinterne Quotenregelung ebenso problematisch zu sein wie eine im Wahlgesetz rechtlich verankerte.
Das fiele dann aber reichlich spät auf. Es sind ja nicht nur linke Parteien mit ihren Frauenquoten, auch bei den "bürgerlichen" gibt es Quoten, meistens landsmannschaftliche, bei der Union auch konfessionelle. Die stehen zwar selten in den Statuten, werden aber nicht weniger aufmerksam berücksichtigt.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Rapsack Offline



Beiträge: 169

07.03.2019 17:58
#23 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #20
Zitat von Rapsack im Beitrag #19
Zitat von FAB. im Beitrag #18

Ob danach die Annahme, ausgerechnet die FDP sei geeignet, der Auflösung zu widerstehen, gerechtfertigt werden kann, dazu wird es vermutlich unterschiedliche Meinungen geben.
Meine? Nein.


Da kann ich nur zustimmen. Die FDP ist in keiner Weise verläßlich. Allein schon weil die AFD sich für den Schutz der Verfassung und gegen diese Geschlechter spezifischen Änderungen einsetzen wird, wird die FDP sich zwingend gegen die AFD stellen und am Ende alles mit durchwinken.

NEIN! Die FDP hat keine eigenen verläßlichen Positionen. Wenn sie schon früher als wankelmütig galt, heute ist sie es noch viel mehr. Ich sehe überhaupt nur einen in der FDP, dem ich trauen würde und das ist Frank Schäffler... und dieser ist recht isoliert...
Ich würde mir wünschen es wäre anders.




Also jetzt mal langsam:

Das neue Gesetz in Brandenburg sieht vor, dass Parteien dazu gezwungen werden sollen, bei der Listenaufstellung Geschlechterparität einzuhalten.

Der Gesetzentwurf der AfD sieht hingegen vor, dass es Parteien verboten werden soll, bei der Listenaufstellung eine parteiinterne Quotenregelung zu verwenden.

Beide Vorhaben zielen darauf, dass der Gesetzgeber in die Selbstorganisation der Parteien eingreift.
BEIDE Vorhaben sind daher ein illiberaler Angriff auf die Freiheit der Wahl.

(Denn auch wenn ich z.B. die grüne Quotenregelung dämlich finde:
Es sollte in einer Demokratie Parteien auch erlaubt sein, dämliche Dinge zu tun.
Wenn eine feministische Partei z.B. ausschließlich Frauen aufstellen möchte, dann sollte ihr auch das möglich sein.
Letztlich sollte dann der Wähler darüber entscheiden, ob er das goutiert.)

Dass die FDP beide Vorhaben ablehnt, ist daher m.E. durchaus eine konsequent liberale Position.



Ich habe mit Quotenregelugen innerhalb von Parteien große Schwierigkeiten und halte diese für grundsätzlich undemokratisch. Quotenregelungen in jeglicher Form widersprechen grundsätzlich liberalen Grundsätzen.

Es gibt da einen Artikel im Grundgesetz, der gilt auch und gerade für Parteien. Dieser Artikel verbietet Diskriminierung nach Geschlecht!
In einer Partei darf man sehr gerne dafür werben, nur weibliche Kanidaten für eine Liste zu nominieren. Wenn aber die Parteisatzung vorschreibt, dass nur weibliche Kanidaten zur Wahl gestellt werden dürfen, ist diese Partei m.E. verfassungsinkonform. Dieser kleine Unterschied ist der relevante!

Bitte beachten Sie auch, dass Parteien eben keine "normalen" Vereine sind. Für Parteien, welche bestimmt sind am politisch demokratischen Prozess teilzuhaben, gelten besondere Regeln. Daher sind diese besonders eng an die Grundsätze unseres Grundgesetzes gebunden. Wie kann eine Partei nach außen verfassungskonform sein, wenn im inneren verfassungsfeindliche Grundsätze gelten? Eine Verfassung ist kein Selbstzweck. Eine Verfassung gibt den Rahmen vor in dem gehandelt werden muss. Was würden Sie von einer Partei halten, die vorschreibt, dass die Listenplätze nur mit Kanidaten die schon in der Y. Generation auf dem Gebiet der BRD bzw. deren Rechtsvorgänger gelebt haben? Hier wüde nach Herkunft diskriminiert. Wollen Sie das auch? Finden Sie das richtig? Dikriminierungs Kriterien gibt es zahlreiche. Welche wollen Sie erlauben und welche nicht? Unsere Verfassung kennt nur ganz wenige erlaubte Diskriminierungskriterien. Zum einen darf in einem gewissen Rahmen und in engen Grenzen nach Alter unterschieden werden. Minderjährige haben "noch" nicht die selben Pflichten und Rechte wie Erwachsene. Und es darf nach Bürgern der BRD und Ausländern unterschieden werden. Beim Erwerb des Status als Bürger darf jedoch nicht nach Herkunft und Geschlecht unterschieden werden. Etc..


Was die FDP anbelangt, da muß ich keinen missionieren. Da muß jeder selber hinschauen, was hohle Worte sind und welche Positionen tatsächlich vertreten werden. Ich habe in den letzten 10 Jahren vieles gelernt. Insbesondere, dass der FDP nicht zu trauen ist insbesondere dann, wenn es darauf ankommt.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

08.03.2019 14:05
#24 RE: Verfassungsrevision Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #20

Der Gesetzentwurf der AfD sieht hingegen vor, dass es Parteien verboten werden soll, bei der Listenaufstellung eine parteiinterne Quotenregelung zu verwenden.

Beide Vorhaben zielen darauf, dass der Gesetzgeber in die Selbstorganisation der Parteien eingreift.
BEIDE Vorhaben sind daher ein illiberaler Angriff auf die Freiheit der Wahl.



Das mag sein, es ist aber auch geschicktes Vorgehen von der AfD. Denn wenn es legitim ist (waere) eine Quote per Gesetz vorzuschreiben, dann waere es auch legitim eine Quote per Gesetz zu verbieten.

Entweder eine Sache faellt in den Regelungsbereich des Staates oder nicht. Aber wenn, dann ist es selten so, dass die Richtung der Regelung sonnenklar ist. Das hiesse ja, dass Konsens besteht und die Regelung von vornherein ueberfluessig ist.

Also ein sehr schoener Konterangriff mit dem naheliegenden Kompromiss den Staat aus dieser Sache rauszuhalten.

Johanes Offline




Beiträge: 2.606

20.04.2019 11:42
#25 RE: Verfassungsrevision Antworten

Hallo liebe Zimmerleute,

ich glaube, dass wir es hier mit einem grundsätzlichen Problem zu tun haben.

Gesetze werden zwar von der Legislative verabschiedet, ausgelegt und in die Praxis umgesetzt dann aber häufig von Gerichten. Selbst wenn wir unterstellen, dass die Richter selbst keine politische Agenda verfolgen, was in vielen Fällen schon naiv sein könnte, gibt es immer noch das Problem der Auswahl. Wenn eine neue Richterstelle zu besetzen ist, wird die gewählte Politik diese klugerweise mit einem Juristen besetzten, der weitgehend in ihren Sinne urteilt.
Das ist bei der Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht so und auch in den USA bei den Ernennungen im SCOTUS.

Ich denke auch nicht, dass sich daran etwas ändern würde, wenn man die Gesetze sehr eindeutig formuliert, viele Legaldefinitionen bietet, Aufzählungen macht und vielleicht der Exekutive sogar explizit Ermessensspielräume einräumt. Erstens müsste dann auch dieses Gesetz wieder interpretiert werden und dabei können wieder Vorstellungen von seiten der Justiz eingebracht werden und zweitens gibt es im Verfassungsrecht immer gewisse Spielräume. In Deutschland ist das schon bei Artikel 1 GG so. Die Würde des Menschen. Darunter wird natürlich jeder etwas leicht anderes verstehen wollen. Abhängig davon, ob er sich als katholisch-konservativ oder eher als aufgeklärt oder sonst wie versteht.

Man kann eine Definition gar nicht scharf genug machen, dass sie allein dadurch eindeutig wäre.

Gruß

Johanes

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