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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 6 Antworten
und wurde 808 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.429

28.07.2019 23:52
"μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος..." Antworten

https://zettelsraum.blogspot.com/2019/07/blog-post.html

Sollte jemand wieder Erwarten mit dem Verständnis des altgriechischen Textes haben, sei zur Abhilfe der Passus in der Übersetzung von Johann Heinrich Voss von 1793 zitiert:


Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,

Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet:
Seit dem Tag, als erst durch bitteren Zank sich entzweiten
Atreus Sohn, der Herrscher des Volks, und der edle Achilleus.
Wer hat jene der Götter empört zu feindlichem Hader?
Letos Sohn und des Zeus. Denn der, dem Könige zürnend,

Sandte verderbliche Seuche durchs Heer; und es sanken die Völker:
Drum weil ihm den Chryses beleidigst, seinen Priester,
Atreus Sohn. Denn er kam zu den rüstigen Schiffen Achaias,
Frei zu kaufen die Tochter, und bracht' unendliche Lösung,
Tragend den Lorbeerschmuck des treffenden Phöbos Apollon

Und den goldenen Stab; und er flehete laut den Achaiern,
Doch den Atreiden vor allen, den zween Feldherren der Völker:
Atreus Söhn', und ihr andern, ihr hellumschienten Achaier,
Euch verleihn die Götter, olympischer Höhen Bewohner,
Priamos Stadt zu vertilgen, und wohl nach Hause zu kehren;

Doch mir gebt die Tochter zurück, und empfahet die Lösung,
Ehrfurchtsvoll vor Zeus ferntreffendem Sohn Apollon.
Drauf gebot beifallend das ganze Heer der Achaier,
Ehrend den Priester zu scheun, und die köstliche Lösung zu nehmen.
Aber nicht Agamemnon, des Atreus Sohne, gefiel es;

Dieser entsandt' ihn mit Schmach, und befahl die drohenden Worte:
Daß ich nimmer, o Greis, bei den räumigen Schiffen dich treffe,
Weder anitzt hier zaudernd, noch wiederkehrend in Zukunft!
Kaum wohl möchte dir helfen der Stab, und der Lorbeer des Gottes!
Jene lös' ich dir nicht, bis einst das Alter ihr nahet,

Wann sie in meinem Palast in Argos, fern von der Heimat,
Mir als Weberin dient, und meines Bettes Genossin!
Gehe denn, reize mich nicht; daß wohlbehalten du kehrest!
Jener sprach's: doch Chryses erschrak, und gehorchte der Rede.
Schweigend ging er am Ufer des weitaufrauschenden Meeres;

Und wie er einsam jetzt hinwandelte, flehte der Alte
Viel zum Herrscher Apollon, dem Sohn der lockigen Leto:
Höre mich, Gott, der du Chrysa mit silbernem Bogen umwandelst,
Samt der heiligen Killa, und Tenedos mächtig beherrschest,
Smintheus! hab ich dir je den prangenden Tempel gekränzet,

Oder hab' ich dir je von erlesenen Farren und Ziegen
Fette Schenkel verbrannt; so gewähre mir dieses Verlangen:
Meine Tränen vergilt mit deinem Geschoß den Achaiern!
Also rief er betend; ihn hörete Phöbos Apollon.
Schnell von den Höhn des Olympos enteilet' er, zürnendes Herzens,

Auf der Schulter den Bogen und ringsverschlossenen Köcher.
Laut erschallen die Pfeile zugleich an des Zürnenden Schulter,
Als er einher sich bewegt'; er wandelte, düster wie Nachtgraun;
Setzte sich drauf von den Schiffen entfernt, und schnellte den Pfeil ab;
Und ein schrecklicher Klang entscholl dem silbernen Bogen.

Nur Maultier' erlegt' er zuerst und hurtige Hunde:
Doch nun gegen sie selbst das herbe Geschoß hinwendend,
Traf er; und rastlos brannten die Totenfeuer in Menge.
Schon neun Tage durchflogen das Heer die Geschosse des Gottes.

Drauf am zehnten berief des Volks Versammlung Achilleus,
Dem in die Seel' es legte die lilienarmige Here;
Denn sie sorgt' um der Danaer Volk, die Sterbenden schauend.
Als sie nunmehr sich versammelt, und voll gedrängt die Versammlung;
Trat hervor und begann der mutige Renner Achilleus:

Atreus Sohn, nun denk' ich, wir ziehn den vorigen Irrweg
Wieder nach Hause zurück, wofern wir entrinnen dem Tode;
Weil ja zugleich der Krieg und die Pest hinrafft die Achaier.
Aber wohlan, fragt einen der Opferer, oder der Seher,
Oder auch Traumausleger; auch Träume ja kommen von Zeus her:

Der uns sage, warum so ereiferte Phöbos Apollon:
Ob versäumte Gelübd' ihn erzürneten, ob Hekatomben:
Wenn vielleicht der Lämmer Gedüft und erlesener Ziegen
Er zum Opfer begehrt, von uns die Plage zu wenden.
Also redete jener, und setzte sich. Wieder erhub sich

Kalchas der Thestoride, der weiseste Vogelschauer,
Der erkannte, was ist, was sein wird, oder zuvor war,
Der auch her vor Troja der Danaer Schiffe geleitet
Durch wahrsagenden Geist, des ihn würdigte Phöbos Apollon;
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:

Peleus Sohn, du gebeutst mir, o Göttlicher, auszudeuten
Diesen Zorn des Apollon, des fernhintreffenden Herrschers.
Gerne will ich's ansagen; doch du verheiße mit Eidschwur,
Daß du gewiß willfährig mit Wort und Händen mir helfest.
Denn leicht möcht' erzürnen ein Mann, der mächtiges Ansehns
Argos Völker beherrscht, und dem die Achaier gehorchen.

Stärker ja ist ein König, der zürnt dem geringeren Manne.
Wenn er auch die Galle den selbigen Tag noch zurückhält;
Dennoch laur't ihm beständig der heimliche Groll in den Busen,
Bis er ihn endlich gekühlt. Drum rede du, willst du mich schützen?
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Sei getrost, und erkläre den Götterwink, den du wahrnahmst.
Denn bei Apollon fürwahr, Zeus Lieblinge, welchem, o Kalchas,
Flehend zuvor, den Achaiern der Götter Rat du enthüllest:

Keiner, so lang' ich leb', und das Licht auf Erden noch schaue,
Soll bei den räumigen Schiffen mit frevelnder Hand dich berühren,
Aller Achaier umher! und nenntest du selbst Agamemnon,
Der nun mächtig zu sein vor allem Volke sich rühmet!
Jetzo begann er getrost, und sprach, der untadliche Seher:
Nicht versäumte Gelübd' erzürnten ihn, noch Hekatomben;
Sondern er zürnt um den Priester, den also entehrt' Agamemnon,

Nicht die Tochter befreit', und nicht annahm die Erlösung:
Darum gab uns Jammer der Treffende, wird es auch geben.
Nicht wird jener die schreckliche Hand abziehn vom Verderben,
Bis man zurück dem Vater das freudigblickende Mägdlein
Hingibt, frei, ohn' Entgelt, und mit heiliger Festhekatombe
Heim gern Chrysa entführt. Das möcht' ihn vielleicht versöhnen.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

DrNick Offline




Beiträge: 809

29.07.2019 10:06
#2 RE: "μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος..." Antworten

Zitat
Zur allfälligen Erinnerung daran, was einmal mit dem Ideal der humanistischen Bildung gemeint war ...



Da mir auch nach längerem Nachdenken kein deutscher Politiker einfallen will, der da mithalten könnte, kommt in mir da schon ein gewisser Neid auf. Dennoch sehe ich in dem Video eher eine Show als eine Manifestation des Ideals echter Bildung.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

29.07.2019 10:25
#3 RE: "μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος..." Antworten

Zitat
...mit der ein womöglich nicht ganz unbekannter homo politicus vor einigen Jahren den praktischen Nutzen der Kenntnis klassischer Poesie ad coulos (und mitnichten nur ad auriculis (sic! )) führte...


In der Tat führen the Rt. Hon. Johnson und sein Zunftgenosse, der Rt. Hon. Rees-Mogg, mit ihren in der Schule auswendig gelernten und insular enuntiierten lateinischen Sprüchlein nicht nur die klassische Literatur ad culos, sondern auch den Plebs mit einem recht substanzlosen Anschein von Gelehrsamkeit an der Nase herum. Der Raum, den die Ilias im Kopf einnimmt, fehlt dafür, sich mit der erforderlichen Akribie mit politischen Detailfragen auseinanderzusetzen, die im Moment in dem Land, dessen Regierung sie nun übernommen haben, reichlich vorliegen. Whenny weedy weaky, kann man da nur sagen.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.429

29.07.2019 10:53
#4 RE: "μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος..." Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #3
Zitat:Der Raum, den die Ilias im Kopf einnimmt, fehlt dafür, sich mit der erforderlichen Akribie mit politischen Detailfragen auseinanderzusetzen


Dieser physiologische Irrtum ist zwar unkaputtbar, seit ihn der Große Detektiv 1887 (als A.C.D. Dr. Watsons Aufzeichnungen veröffentlichte) bzw. Weihnachten 1881, gemäß der Chronologie des Narrativersums, in die Welt setzte, richtiger ist aber das Gegenteil.

Zitat von 'A Study in Scarlet'
“I consider that a man's brain originally is like a little empty attic, and you have to stock it with such furniture as you choose. A fool takes in all the lumber of every sort that he comes across, so that the knowledge which might be useful to him gets crowded out, or at best is jumbled up with a lot of other things, so that he has a difficulty in laying his hands upon it. Now the skillful workman is very careful indeed as to what he takes into his brain-attic. He will have nothing but the tools which may help him in doing his work, but of these he has a large assortment, and all in the most perfect order. It is a mistake to think that that little room has elastic walls and can distend to any extent. Depend upon it there comes a time when for every addition of knowledge you forget something that you knew before. It is of the highest importance, therefore, not to have useless facts elbowing out the useful ones.”



Die Fähigkeit, sich solche scheinbar trvialen, aber komplex verwobenen Sachverhalte parat zu halten, beruhen eben nicht auf der blinaden Repetition arbiträerer Lautfolgen, sondern auf einem inneren Verständnis des dahinterliegenden Systems. Das erste Element gehört freilich konstitutiv dazu. Soll heißen: wer in der Lage ist, mit dergleichen zu brillieren, kann dies auch für andere Bereiche vorweisen.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

29.07.2019 11:25
#5 RE: "μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος..." Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4
Soll heißen: wer in der Lage ist, mit dergleichen zu brillieren, kann dies auch für andere Bereiche vorweisen.

Im allgemeinen mögen Sie recht haben, lieber Elkmann, aber er kann's eben nicht.
Seine Expertise, soweit bisher erkennbar, konzentriert sich auf die Kunst der spontanen flapsigen Bemerkung, nicht immer auf Grundlage von Sachkenntnis, sondern eher von "clever guessing" oder was ihm gerade paßt - notfalls Latein, um Nachfragen zu vermeiden -, wobei eine wohlgeübte Tolpatschigkeit und unkonventionelle Erscheinung dem Auftritt einen ironischen Anstrich geben, der (fingers crossed) das Ganze rettet. Nur eben dann nicht, wenn er nicht nur für sich selbst, sondern in einer verantwortlichen Position (z.B. Außenminister) spricht und irgendwelche bösen Buben keinen Spaß verstehen und wegen eines aperçu jemanden (z.B. Nazanin Zaghari-Ratcliffe) einbuchten.

But not to worry, all in good sport, all in good sport...

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

29.07.2019 21:17
#6 RE: "μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος..." Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #3
ad auriculis (sic! ))


Vielleicht OT, aber auch nicht, da es ja um klassische Bildung geht. Sehr schön, dass Ihnen das aufgefallen ist, werter Fluminist.

Im klassischen Latein wäre natürlich ad aures das Nonplusultra an Korrektheit.

Die romanischen Sprachen, namentlich z.B. frz. oreille, span. oreja, ital. orecchio, zwingen hingegen zu der Annahme, dass im Vulgärlatein eine Diminutivform, wohl auric(u)la bzw. auric(u)lum, allenfalls auch auric(u)lus für 'Ohr' (eigentlich also 'Öhrchen') üblich war. Die Form auricula findet man sogar in renommierten Wörterbüchern (Langenscheidt; PONS), sie ist also im klassischen Latein belegt.

Je nach Genus wäre die korrekte (klassische) Akkusativ-Plural-Form des Diminutivs auriculas (Femininum), auricula (Neutrum) oder auriculos (Maskulinum).

Johanes Offline




Beiträge: 2.609

17.08.2019 12:59
#7 RE: "μῆνιν ἄειδε θεὰ Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος..." Antworten

Ich kann mich hier nur auf den Punk zurückziehen, dass schon der gute Sherlock Holmes kein Griechisch konnte. Leider gehört das Altgriechische nicht zu meiner Bildung.

Man hat es mir schlicht nicht beigebracht und ich habe feststellen müssen, dass das Altgriechische zu den Dingen gehört, die man sich nur sehr schwer autodidaktisch beibringen kann, übrigens wie Mathematik. Wobei letzeres sogar einfacher erscheint.

Wenn man allerdings dieses sprachliche Talent mit den oft schwer deutbaren Aussprüchen Merkels vergleicht, dann erkennt man sehr schnell, was man lieber wählen würde. Insofern, Danke für die ungewöhnliche Perspektive.

Gruß,

Johanes

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